BFH Beschluss v. - III S 9/07 (PKH)

Jahresprinzip im Kindergeldrecht; Rüge mangelnder Sachaufklärung; Verletzung des rechtlichen Gehörs

Gesetze: EStG § 32 Abs. 4, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116, FGO § 76 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) ist Vater des 1983 geborenen M. Nachdem M zum seinen Wehrdienst beendet hatte, beantragte der Kläger im Juli 2004 die Wiederaufnahme der Kindergeldzahlungen mit dem Hinweis, M werde am eine Ausbildung in einem .betrieb aufnehmen. M hatte sich auf diese Ausbildungsstelle bereits im April 2004 beworben. Zu den eigenen Einkünften und Bezügen des M teilte der Kläger mit, M habe im April und Mai 2004 insgesamt 720 € für eine Aushilfstätigkeit verdient.

Im August 2004 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Kindergeld für M, in dem er erklärte, M werde vom bis voraussichtlich eine Tätigkeit ausüben, aus der er monatlich Bruttoeinnahmen von 420 € erzielen werde. Beigefügt war eine Kopie der Lohnsteuerkarte 2004, aus der hervorging, dass M 420 € brutto verdient hatte.

Aufgrund dieser Angaben gewährte die Beklagte (Familienkasse) Kindergeld für M ab Juli 2004. Am nahm die Familienkasse eine Prognoseberechnung der eigenen Einkünfte und Bezüge des M für 2004 vor. Dabei ging sie von einem Anspruchszeitraum von Juli bis Dezember 2004 aus. Die Einkünfte ermittelte die Familienkasse anhand der Ausbildungsvergütungen für die Zeit von September bis Dezember 2004 in Höhe von 1 411,16 € und einer M gewährten monatlichen Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von insgesamt 4 580 €. Unter Abzug des anteiligen Arbeitnehmer-Pauschbetrags (6/12 von 920 € = 460 €) und der anteiligen Kostenpauschale (6/12 von 180 € = 90 €) überstieg die Summe der Einnahmen in Höhe von 5 441,16 € den anteiligen Grenzbetrag von 3 480 €. Die Familienkasse hob darauf die Kindergeldfestsetzung ab Juli 2004 auf und forderte das gezahlte Kindergeld zunächst in Höhe von 924 € zurück.

Auf den Einspruch des Klägers berichtigte die Familienkasse den Rückforderungsbetrag auf 1 074 € und wies den Einspruch zurück.

Mit der Klage brachte der Kläger vor, M sei während seiner Ausbildung in einem .heim untergebracht. Die Kosten hierfür bekomme er mit der Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von monatlich 1 145 € erstattet. Der Betrag werde indes M nicht ausbezahlt, sondern gehe wegen vorheriger Abtretung unmittelbar an das .heim. Der an das Heim zu zahlende Betrag beinhalte nicht nur Kosten für die Unterkunft und Verpflegung, sondern auch für pädagogische Betreuung. Dieser Betrag könne nicht in vollem Umfang den Bezügen zugerechnet werden. Zumindest die Kosten für die pädagogische Betreuung dürften nicht berücksichtigt werden.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus: Da M seine Wehrdienstzeit am beendet habe und eine anschließende Berufsausbildung beabsichtigt habe, beginne der Anspruchszeitraum bereits mit dem Monat April 2004. M habe sich bereits im April 2004 um eine Ausbildungsstelle beworben. Er sei daher bereits ab April 2004 nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen.

Ab April 2004 habe M folgende Einnahmen erzielt:


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Aushilfstätigkeit
1.4. - 28.5.
   720,00 €
 
Aushilfstätigkeit
1.7. - 31.8.
   420,00 €
 
Ausbildungsvergütung (netto)
  1.9. - 31.12.
     996,00 €
 
Arbeitnehmer-Pauschbetrag
   9/12 ./.
   690,00 €
1 446,00 €
Entlassungsgeld
 
   690,20 €
 
Berufsausbildungsbeihilfe
1.9. - 31.12.
 4 207,00 €
 
Kostenpauschale
   9/12 ./.
   135,00 €
4 762,20 €
 
 
 
6 208,20 €

Das Entlassungsgeld entfalle auf die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstes. Es sei daher der Zeit ab April 2004 zuzurechnen. Auch die Berufsausbildungsbeihilfe sei in voller Höhe einzubeziehen. Entscheidend sei, dass die Berufsausbildungsbeihilfe dafür bestimmt und geeignet gewesen sei, den Unterhalt oder die Berufsausbildung des M zu bestreiten. Wofür M die Beihilfe im Einzelnen ausgegeben habe, sei unerheblich.

Da die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des M als Kind während der Wehrdienstzeit von Januar bis März 2004 nicht vorgelegen hätten, ermäßige sich der Jahresgrenzbetrag auf 9/12 von 7 680 € = 5 760 €. Damit überstiegen die Einkünfte und Bezüge des M den Grenzbetrag.

Mit seinem Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das FG-Urteil trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die Berufsausbildungsbeihilfe von monatlich 1 145 € ab setze sich aus Fahrtkosten (93,13 €) und Internatskosten zusammen. Dazu komme noch die Ausbildungsvergütung ab (277,80 € netto). Diese Beträge habe M jedoch nicht ausbezahlt bekommen. Die Zahlungen seien an das .heim gegangen. Dort seien M bestimmte Beträge zur Auszahlung zugewiesen worden. Für die Zeit ab bis habe er insgesamt 1 083,35 € ausbezahlt bekommen. Die Kosten für das .heim gliederten sich in die Bereiche Unterkunft, Verpflegung und Betreuung. Lediglich die Beträge für Unterkunft und Verpflegung seien M zuzurechnen, nicht jedoch die Aufwendungen für Betreuung, da M volljährig gewesen sei.

Das FG hätte die Kosten entsprechend aufschlüsseln müssen. Bei Herausrechnung der Kosten für die Betreuung durch die im .heim tätigen Erzieher werde der Jahresgrenzbetrag nicht überschritten. Das FG habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Es habe auch unzutreffend darauf abgestellt, dass M bereits ab April 2004 zu berücksichtigen sei. Streitig sei jedoch nur der Kindergeldanspruch ab Juli 2004. Außerdem habe das FG die tatsächlichen Aufwendungen des M nicht aufgeklärt. M habe Aufwendungen für mindestens zwei Heimfahrten im Monat gehabt. Der Ansatz des anteiligen Arbeitnehmer-Pauschbetrags statt der tatsächlich entstandenen Kosten sei für ihn, den Kläger, überraschend gewesen.

Der Kläger beantragt die Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten.

II. Der Antrag auf Gewährung von PKH wird abgelehnt.

1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

2. Die beabsichtigte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat —bei der in dem vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage— keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die vom Kläger in seiner Antragsbegründung geltend gemachten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Bei der Prüfung, ob ein Mangel in der Sachverhaltsfeststellung oder bei der Tatsachenwürdigung des FG vorliegt, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung hat daher keinen Erfolg, wenn die Tatsachen, von denen der Beschwerdeführer meint, sie seien vom FG zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, aus der Sicht des FG nicht entscheidungserheblich waren (z.B. , BFH/NV 2007, 74).

Der Hinweis des Klägers, das FG hätte die für die Betreuung des M angefallenen Kosten ermitteln müssen und nicht in den Betrag der Einkünfte und Bezüge einbeziehen dürfen, ist daher unbegründet. Denn das FG ging davon aus, die Berufsausbildungsbeihilfe sei dafür bestimmt und geeignet gewesen, den Unterhalt oder die Berufsausbildung des M zu bestreiten. Es hat es nicht als entscheidungserheblich angesehen, ob mit dem an das .heim abgetretenen Betrag auch die pädagogische Betreuung und Ähnliches abgedeckt wurde.

Auch soweit der Kläger einwendet, das FG hätte, da nur der Kindergeldanspruch ab Juli 2004 streitig gewesen sei, bei der Prüfung, ob der Jahresgrenzbetrag überschritten sei, lediglich die Verhältnisse ab Juli 2004 in die Prüfung einbeziehen dürfen, liegt kein Verfahrensfehler vor. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind die Einkünfte für alle Monate zu ermitteln, in denen die Anspruchsvoraussetzungen —zumindest an einem Tag— erfüllt sind. Da M sich bereits im April 2004 um eine Ausbildungsstelle beworben hatte, war er schon ab diesem Monat nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen. Denn er war ausbildungswillig und konnte einen Ausbildungsplatz nicht früher antreten. Sind im Fall des Überschreitens des Jahresgrenzbetrags die Einkünfte und Bezüge eines Kindes in den einzelnen Berücksichtigungsmonaten unterschiedlich hoch, ist es nach dem Jahresprinzip ausgeschlossen, Kindergeld für einzelne Monate, in denen keine oder nur geringe Einkünfte oder Bezüge zugeflossen sind, zu gewähren.

Nicht begründet ist auch der Einwand des Klägers, das FG habe —für ihn, den Kläger, überraschend— nicht berücksichtigt, dass M Aufwendungen für Heimfahrten entstanden seien. Mit der Sachaufklärungsrüge ist auch anzugeben, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Aufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Sachverhaltsermittlung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (, BFH/NV 2004, 978). Daran fehlt es im Streitfall. Der Kläger hat keine Angaben dazu gemacht, in welcher Höhe M Fahrtkosten entstanden sind und dass bei Abzug dieser Kosten der Grenzbetrag nicht überschritten würde. Entsprechendes gilt, wenn geltend gemacht wird, das FG habe das rechtliche Gehör dadurch verletzt, dass es eine sog. Überraschungsentscheidung getroffen habe. Es ist deshalb darzulegen, wenn es —wie hier— um einzelne rechtliche Gesichtspunkte oder Feststellungen geht, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs zusätzlich vorgetragen worden wäre. Im Übrigen war die Frage, welche Aufwendungen die M gewährte Berufsausbildungsbeihilfe abgilt bzw. ob darin auch gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG außer Ansatz bleibende, für besondere Ausbildungszwecke bestimmte Einkünfte und Bezüge enthalten sind, bereits Gegenstand des Einspruchs- und Klageverfahrens. Die Familienkasse hatte im Klageverfahren die Meinung vertreten, die Berufsausbildungsbeihilfe werde für den Lebensunterhalt gezahlt. Es sei Sache des Klägers, vom .heim eine Aufschlüsselung, für welche Leistungen die abgetretene Berufsausbildungsbeihilfe verwendet werde, zu erlangen. Nachdem der Kläger sich keine entsprechenden Unterlagen beschafft und vorgelegt hat, musste er damit rechnen, dass das FG lediglich den anteiligen Arbeitnehmer-Pauschbetrag ansetzt.

Im Grunde wendet sich der Kläger mit seiner Auffassung, die Berufsausbildungsbeihilfe sei nicht in voller Höhe als Bezüge des M zu erfassen, gegen die sachliche Richtigkeit der Entscheidung des FG. Damit wird kein Grund für die Zulassung der Revision geltend gemacht (, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.). Im Übrigen ist auch aus den Akten kein Revisionszulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO ersichtlich.

Fundstelle(n):
NAAAC-59774