BFH Beschluss v. - I B 156/06

Divergenz zur Frage des Zeitpunktes eines Auflösungsverlustes im Falle des Konkurses; Verletzung der Sachaufklärungspflicht

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 116 Abs. 3, EStG § 17

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Beschwerdeschrift diese Voraussetzungen dargelegt werden. Hierzu sind schlüssig Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt und dass das angefochtene Urteil auf ihm beruhen kann. Dabei ist der materiell-rechtliche Standpunkt des Finanzgerichts (FG) zugrunde zu legen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731).

b) Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) machen geltend, das FG habe die Vermögenslage der X-GmbH (X) sowohl zum Zeitpunkt ihrer Gründung als auch zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung nicht hinreichend aufgeklärt, ferner habe es einen Schadensersatzanspruch der X gegen den früheren Geschäftsführer in nicht unerheblichem Umfang unterstellt, ohne aufzuklären, ob und ggf. in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch gegeben und realisierbar gewesen sei. Dadurch habe es seine Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO und den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Es habe sie nicht darauf hingewiesen, dass es einen Schadensersatzanspruch gegen den ehemaligen Geschäftsführer bejahen würde. Ferner habe es nicht zur Kenntnis genommen, dass der Konkursverwalter die Forderungen der Kläger nicht anerkannt habe.

c) Damit sind die Verfahrensmängel nicht schlüssig dargetan. Die Kläger legen nicht dar, inwieweit das angefochtene Urteil —ausgehend von der Rechtsauffassung des FG— auf den geltend gemachten Verfahrensfehlern beruhen kann.

aa) Das FG hat die Klage deshalb abgewiesen, weil der Verlust aus der Auflösung der X im Streitjahr noch nicht entstanden sei. Der Realisationszeitpunkt richte sich nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG). Dieser Entstrickungstatbestand setze neben der Auflösung die Abwicklung der Kapitalgesellschaft voraus und sei damit bereits nach seinem Wortlaut enger gefasst als die vergleichbare Bestimmung des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die bereits die Auflösung der Kapitalgesellschaft einer Veräußerung der Anteile gleichstelle. Ein Gewinn oder Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, an der einbringungsgeborene Anteile gehalten würden, sei damit regelmäßig erst realisiert, wenn die Abwicklung der Gesellschaft abgeschlossen und der Liquidationserlös an die Gesellschafter ausgekehrt worden sei.

Nur ausnahmsweise könne bei einbringungsgeborenen Anteilen der Zeitpunkt der Realisierung des Auflösungsverlustes schon vor dem Abschluss des Konkursverfahrens liegen, wenn mit einer Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen sei. Dies sei etwa der Fall, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt werde oder die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt der Auflösung vermögenslos gewesen sei. Das Gleiche gelte, wenn aufgrund des vorhandenen Inventars in einer Zwischenrechnungslegung auf den Zeitpunkt des Beginns des Konkursverfahrens „ohne weitere Ermittlungen” (vgl. , BFH/NV 2005, 1810) mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken werde und ein Rückfluss von Mitteln aus der Gesellschaft an den Gesellschafter ausgeschlossen erscheine.

bb) Wie hieraus ersichtlich, schloss der rechtliche Standpunkt des FG die nach Auffassung der Kläger unterlassenen Ermittlungsmaßnahmen zur Vermögenslage der X gerade aus. Vielmehr wäre danach eine Realisation des Verlustes nur dann bereits im Streitjahr in Betracht gekommen, wenn ohne Weiteres im Zeitpunkt der Konkurseröffnung erkennbar gewesen wäre, dass die Gesellschafter mit keiner Auskehrung von Mitteln der Gesellschaft mehr hätten rechnen können. Diese Voraussetzungen hat das FG u.a. deshalb verneint, weil die X zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch über erhebliches Aktivvermögen verfügt habe, was sich auch an den im Konkursverfahren erzielten Einnahmen von ... DM zeige, und eine Fortführung des Unternehmens trotz Eröffnung des Konkurses möglich schien. Aus Sicht des FG war auch nicht erheblich, in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch gegen den ehemaligen Geschäftsführer bestand, der —unstreitig— über Jahre hinweg die Bilanzen der X gefälscht und dadurch die Vermögenslage besser dargestellt hatte als dies tatsächlich der Fall war. Maßgeblich war vielmehr, dass ein solcher jedenfalls im Raum stand. Wie aus der Strafanzeige gegen den Geschäftsführer und dem Bericht der Wirtschaftsprüfer ersichtlich, waren bei der X ungeklärte Vermögensabflüsse von ... DM festgestellt worden, für die, unabhängig davon, ob diese Geldbeträge vom Geschäftsführer unterschlagen worden waren oder nicht, eine Verantwortlichkeit des früheren Geschäftsführers in Betracht kam.

2. Die Kläger haben auch eine Divergenz nicht schlüssig geltend gemacht. Der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO setzt eine Abweichung der angegriffenen Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH oder anderer Gerichte voraus. Rügt der Beschwerdeführer eine derartige Abweichung, muss er nach ständiger Rechtsprechung tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. etwa Senatsbeschluss vom I B 239/04, BFH/NV 2005, 1840).

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Kläger nicht. Sie machen geltend, das FG sei von den BFH-Urteilen vom VIII R 20/84 (BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428) und vom VIII R 81/91 (BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162) abgewichen. Beide Urteile betreffen die Frage, wann ein Auflösungsgewinn oder -verlust nach § 17 Abs. 4 EStG zu erfassen ist. Diese Vorschrift war aber im Streitfall nicht einschlägig, da sich nach Auffassung des FG der Realisationszeitpunkt im Streitfall nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG beurteilt, der andere tatbestandliche Voraussetzungen hat als § 17 Abs. 4 EStG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2129 Nr. 11
BFH/NV 2007 S. 2129 Nr. 11
JAAAC-59771