BSG Urteil v. - B 5 RJ 33/05 R

Leitsatz

Für eine Anrechnung des während einer Altersteilzeitarbeit bezogenen Aufstockungsbetrags auf die Witwenrente bestand bis zum keine gesetzliche Grundlage.

Gesetze: SGB VI § 97 Abs 1; SGB VI § 46; SGB IV § 14; SGB IV § 17; SGB IV § 18a Abs 1 S 2 Nr 1; SGB IV § 18b; SGB IV § 114; ArEV § 1; AltTZG 1996 § 2; AltTZG 1996 § 3; EStG § 3 Nr 28

Instanzenzug: SG Itzehoe S 3 RJ 167/02 vom LSG Schleswig L 3 RJ 74/04 vom

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin zustehenden Witwenrente. Dabei geht es um die Frage, ob der ihr vom Arbeitgeber gezahlte Aufstockungsbetrag zur Altersteilzeit auf diese Rente anzurechnen ist.

Die 1944 geborene Klägerin bezog seit dem Tode ihres Ehemannes laut Bescheid vom eine große Witwenrente in Höhe von DM 1.464,94 monatlich. Auf Grund des von der Klägerin in einer Vollzeitbeschäftigung erzielten Arbeitsentgelts erfolgten wiederholt Neuberechnungen der Rente. Mit Schreiben vom teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ab nur noch in Teilzeit arbeiten werde. Der Arbeitgeber bescheinigte dazu ein Bruttogehalt in Höhe von DM 2.860,00 monatlich. Nach den darauf beruhenden Neuberechnungen der Rente vom sowie betrug die Rente DM 1.303,60 ab und DM 1.316,97 ab .

Im Januar 2001 übersandte die Klägerin eine Gehaltsbescheinigung über ein monatliches steuerpflichtiges Bruttogehalt in Höhe von DM 2.950,00. Auf Grund der Ermittlungen der Beklagten stellte sich heraus, dass es sich bei der Beschäftigung der Klägerin ab Mai 2000 um eine Beschäftigung in Altersteilzeit handelte, für die der Arbeitgeber neben dem mitgeteilten Arbeitsentgelt einen Aufstockungsbetrag in Höhe von DM 572,00 (für die Monate Mai bis Dezember 2000) und DM 590,00 (ab Januar 2001) gezahlt hatte bzw zahlte. Mit Bescheid vom nahm die Beklagte eine Neuberechnung der Rente vor und setzte deren Höhe auf DM 1.116,02 ab fest. Mit Anhörungsschreiben vom selben Tage teilte sie der Klägerin ergänzend mit, dass beabsichtigt sei, die Rentenbewilligung mit Wirkung vom insoweit aufzuheben, als der Klägerin ab diesem Zeitpunkt monatlich mehr als DM 1.105,90 und ab mehr als DM 1.116,02 gezahlt worden seien, weil bei einer Altersteilzeitbeschäftigung außer dem Bruttoarbeitsentgelt zusätzlich der auf einen Bruttobetrag hochgerechnete Aufstockungsbetrag anzurechnen sei. Die eingetretene Überzahlung in Höhe von DM 2.954,54 sei von der Klägerin zu erstatten. Die Klägerin machte hiergegen geltend, dass es sich bei den vom Arbeitgeber zusätzlich zum Arbeitsentgelt während der Altersteilzeit gezahlten Aufstockungsbeträgen nicht um anzurechnendes Einkommen handele. Mit Bescheid vom hob die Beklagte den Bescheid vom gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) rückwirkend zum teilweise auf und forderte die Erstattung der überzahlten Beträge in Höhe von insgesamt DM 2.954,54 aus den Überzahlungen für die Monate Mai 2000 bis Juni 2001. Zur Begründung führte sie aus, die Aufstockungsbeträge seien als auf die Witwenrente anzurechnendes Einkommen zu berücksichtigen. Da der Aufstockungsbetrag ein Nettozahlbetrag sei, werde er für die Einkommensanrechnung als Bruttobetrag mit dem Faktor 1,5385 hochgerechnet. Mit weiterem Bescheid vom nahm die Beklagte ab eine Neuberechnung der Rente unter Anrechnung des Aufstockungsbetrags vor. Mit Widerspruchsbescheid vom wies sie den Widerspruch der Klägerin zurück.

Auf die von der Klägerin erhobene Klage hat das Sozialgericht Itzehoe (SG) mit Urteil vom die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Witwenrente ohne Anrechnung der Aufstockungsbeträge zu gewähren.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Bewilligung der Witwenrente ab insoweit aufzuheben, als der Klägerin wegen der unterbliebenen Anrechnung der Aufstockungsbeträge zur Altersteilzeit zu hohe Rentenzahlungen gewährt worden seien. Dass die Klägerin ab Altersteilzeit geleistet und dabei neben dem mitgeteilten Bruttoarbeitsentgelt vom Arbeitgeber Aufstockungsbeträge erhalten habe, stelle eine wesentliche Änderung der für die Rentenbewilligung maßgeblichen Verhältnisse iS von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X dar, weil die Höhe der vom Arbeitgeber gewährten Leistungen einschließlich der Aufstockungsbeträge sich auf die Höhe des Rentenanspruchs der Klägerin auswirke. Nach § 97 Abs 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) werde Einkommen, das mit einer Witwenrente zusammentreffe, hierauf angerechnet. Die der Klägerin von ihrem Arbeitgeber gewährten Aufstockungsbeträge zur Altersteilzeit seien unter Berücksichtigung der in § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) und § 1 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) enthaltenen Definitionen dem Erwerbseinkommen iS des § 18a SGB IV zuzurechnen. Bei diesen Beträgen habe es sich um Leistungen gehandelt, die die Klägerin auf Grund ihrer Beschäftigung erhalten habe. Es erscheine sachgerecht, die Aufstockungsleistungen als Einnahmen aus der Beschäftigung dem Begriff des Erwerbseinkommens zuzurechnen, denn der Aufstockungsbetrag bilde mit dem Bruttoarbeitsentgelt eine untrennbare Einheit. Dem stehe § 1 ArEV nicht entgegen. Auch wenn die Aufstockungsbeträge nach § 3 Nr 28 Einkommensteuergesetz (EStG) grundsätzlich steuerfrei seien, handele es sich um einen Lohn- und Gehaltsbestandteil eigner Art, der mit den in § 1 ArEV genannten Leistungen nicht wesensgleich sei. Aus der Änderung des § 18a Abs 1 SGB IV mit Wirkung zum könne nicht der Schluss gezogen werden, dass die Aufstockungsbeträge bis zum von der Anrechnung auf die Witwenrente ausgenommen gewesen seien. Bei der neuen Gesetzesfassung, die nunmehr ausdrücklich die Aufstockungsbeträge als zu berücksichtigendes Einkommen erwähne, handele es sich um eine redaktionelle Klarstellung der bisherigen Rechtslage. Die weiteren Voraussetzungen des § 48 SGB X für eine rückwirkende teilweise Aufhebung der Bewilligungsentscheidung lägen vor. Die Rückforderung der überzahlten Beträge stütze sich auf § 50 Abs 1 SGB X.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts (sinngemäß § 97 SGB VI iVm § 18a Abs 1 SGB IV). Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass Aufstockungsbeträge nach dem Altersteilzeitgesetz bereits vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 18a SGB IV zum auf die Witwenrente anzurechnen seien. Gegen eine Zurechnung der Aufstockungsbeträge unter Berücksichtigung der in § 14 SGB IV und § 1 ArEV enthaltenen Definitionen zum Erwerbseinkommen iS des § 18a SGB IV spreche die Vorschrift des § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst a Altersteilzeitgesetz (AltTZG), denn dort werde ausdrücklich zwischen dem Arbeitsentgelt und dem Aufstockungsbetrag unterschieden. Aufstockungsbeträge würden nur deshalb gezahlt, weil die Bundesagentur für Arbeit diese Beträge gemäß § 4 Abs 1 AltTZG erstatte. Dies verdeutliche, dass der Aufstockungsbetrag mit der eigentlichen Arbeitsleistung wirtschaftlich gerade nicht im Zusammenhang stehe und es sich deshalb nicht um Arbeitsentgelt handele. Für ihre Rechtsauffassung spreche auch § 1 ArEV. Entgegen der Ansicht des LSG handele es sich bei den Aufstockungsbeträgen um eine Leistung im Sinne dieser Vorschrift, sodass auf Grund der Lohnsteuerfreiheit gemäß § 3 Nr 28 EStG die Arbeitsentgelteigenschaft abzulehnen sei. Die zum in Kraft getretene Neufassung des § 18a SGB IV schmälere ihre Rechtsposition auch nicht ab diesem Zeitpunkt. Denn gemäß der gleichzeitig geschaffenen Übergangsvorschrift des § 114 SGB IV genieße sie Bestandsschutz und ihr Erwerbseinkommen sei allein nach § 18a SGB IV in der bisherigen Fassung anzurechnen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 14. Mai 2004 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Bescheide der Beklagten vom , und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit sie die Hinterbliebenenrente unter Anrechnung der Aufstockungsbeträge gekürzt und die diesbezüglich überzahlte Rente zurückgefordert haben. Die Klägerin hat Anspruch auf eine Witwenrente ohne Anrechnung der in Altersteilzeit gezahlten Aufstockungsbeträge. Die Aufstockungsbeträge sind nach der hier noch anwendbaren Gesetzesfassung kein bei Renten wegen Todes zu berücksichtigendes Einkommen der Klägerin, sodass die Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidungen der Beklagten unabhängig von verwaltungsverfahrensrechtlichen Voraussetzungen keinen Bestand haben können.

Nach § 97 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI wird Einkommen (§§ 18a bis 18e SGB IV), das mit einer Witwenrente zusammentrifft, hierauf angerechnet. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies nicht bei Witwenrenten, solange deren Rentenartfaktor mindestens 1,0 beträgt. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) beträgt der Rentenartfaktor der Witwenrente der Klägerin 0,6.

Gemäß § 18a Abs 1 SGB IV in der am gültigen und hier anzuwendenden Fassung (alte Fassung - aF) des Dritten Gesetzes zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen und zur Änderung anderer Gesetze vom (BGBl I 968) sind bei Renten wegen Todes als Einkommen zu berücksichtigen 1. Erwerbseinkommen und 2. Leistungen, die auf Grund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen), mit Ausnahme von Zusatzleistungen. Nach § 18a Abs 2 SGB IV aF sind Erwerbseinkommen iS des Abs 1 Nr 1 Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen.

Eine Berücksichtigung des Aufstockungsbetrags bei der Witwenrente der Klägerin käme nur in Betracht, wenn es sich um Arbeitsentgelt handelte. Der Aufstockungsbetrag stellt aber kein Arbeitsentgelt dar. Was unter Arbeitsentgelt zu verstehen ist, ergibt sich aus § 14 Abs 1 SGB IV. Weder im AltTZG noch in anderen Gesetzen findet sich eine eigenständige Regelung zur Eigenschaft des Aufstockungsbetrages, die der Heranziehung von § 14 SGB IV entgegengehalten werden könnte. Arbeitsentgelt sind danach alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (Abs 1).

Nach seinem Wortlaut würde § 14 SGB IV demnach die Aufstockungsbeträge erfassen. Jedoch ermächtigt § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB IV die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung, zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung und zur Vereinfachung des Beitragseinzugs zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten. Die Bundesregierung hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und mit der ArEV in der hier maßgeblichen Fassung der Verordnung zur Änderung der Arbeitsentgeltverordnung und der Sachbezugsverordnung vom (BGBl I 2177) geregelt, welche Einnahmen nicht als Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV anzusehen sind. Gemäß § 1 ArEV sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus - dem im vorliegenden Fall nicht einschlägigen - § 3 nichts Abweichendes ergibt.

Da § 3 Nr 28 EStG Aufstockungsbeträge, wie sie die Klägerin nach § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst a AltTZG erhält, von der Steuerpflicht ausnimmt, sind sie kein Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV. An der Anwendbarkeit von § 1 ArEV bestehen keine vernünftigen Zweifel, denn Aufstockungsbeträge sind "... laufende Zulagen, Zuschläge ..., die zusätzlich zu Löhnen ... gewährt werden".

Dieses Ergebnis wird durch die Regelungen zur Altersteilzeit bestätigt, sodass kein Anlass zu Zweifeln an der Übereinstimmung der ArEV mit höherrangigem Recht besteht. Der Aufstockungsbetrag stellt eine zusätzliche gemäß § 3 Nr 28 EStG lohnsteuerfreie Einnahme zum Teilzeitentgelt dar, ist jedoch nicht selbst Teil des Arbeitsentgelts. Das Teilzeitentgelt ist das dem Arbeitnehmer für die geschuldete Arbeitsleistung zustehende steuer- und sozialabgabenpflichtige Entgelt, das sich nach dem Verhältnis zu den Bezügen eines Vollbeschäftigten bemisst. Es wird für die tatsächliche Arbeit gezahlt und für die Zeiten der Nichtbeschäftigung, in denen der Arbeitnehmer gleichwohl Anspruch auf Vergütung hat (vgl Laurich in: GK-SGB VI § 163 RdNr 74). Der Aufstockungsbetrag hingegen stellt eine dem Arbeitnehmer nach dem AltTZG zustehende sozialpolitische Zweckleistung dar, die nicht für verrichtete Arbeit, sondern gerade dafür gezahlt wird, dass die Arbeitsleistung reduziert, dh nicht erbracht wird. Nach dem Sinn und Zweck des AltTZG ist die Zahlung des Aufstockungsbetrages ein Ausgleich für den Verzicht auf weitere vollschichtige Beschäftigung. Dies ergibt sich ua aus § 1 AltTZG, wonach die Altersteilzeit älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglichen und zugleich die Einstellung eines anderen, sonst arbeitslosen Arbeitnehmers initiieren soll (vgl auch § 3 Abs 1 Nr 2 AltTZG). Zwar ist der Aufstockungsbetrag von dem Arbeitgeber unabhängig davon zu leisten, ob eine Wiederbesetzung des durch die Altersteilzeit frei gewordenen Arbeitsplatzes erfolgt (§ 8 Abs 2 AltTZG). Ist dies jedoch der Fall und leistet der Arbeitgeber zudem für den Arbeitnehmer Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst b AltTZG, so erstattet die Bundesagentur dem Arbeitgeber den Aufstockungsbetrag nach Maßgabe des § 4 AltTZG. Diese Subventionsmöglichkeit unterstreicht den sozialpolitischen Charakter des Aufstockungsbetrages.

Die rechtliche Unterscheidung zwischen Arbeitsentgelt und Aufstockungsbetrag ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 2 Abs 2 Nr 2 AltTZG. Dieser stellt die Begriffe "Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit" und "Aufstockungsbetrag" nebeneinander, was deutlich macht, dass sie nicht inhaltsgleich sein können (vgl zu der Unterscheidung zwischen Arbeitsentgelt und Aufstockungsbetrag auch - RdNr 19 ff auf der Grundlage eines entsprechenden Tarifvertrags).

Dem entspricht die beitragsrechtliche Regelung in § 163 Abs 5 SGB VI, die speziell für die Arbeitnehmer, die nach dem AltTZG Aufstockungsbeträge erhalten, Bestimmungen zu der Frage trifft, welches die beitragspflichtigen Einnahmen sind. Dazu zählte gemäß Satz 1 in der bis zum gültigen Fassung des Art 1 Nr 65 Buchst a des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom (BGBl I 2998 - Rentenreformgesetz 1999) neben dem Arbeitsentgelt ("auch") der so genannte "Unterschiedsbetrag" zwischen dem Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit und mindestens 90 vH des Vollzeitarbeitsentgelts im Sinne des AltTZG (gedeckelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze). Seit dem (vgl Art 5 Nr 3a Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt - BGBl I 2003, 2848) gilt neben dem Arbeitsentgelt mindestens ein Betrag in Höhe von 80 vH des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeit (begrenzt auf einen hier nicht näher darzustellenden Unterschiedsbetrag) als beitragspflichtige Einnahme. Zweck dieser Regelung ist es, eine Minderung der Rentenanwartschaft durch Altersteilzeit zu vermeiden, indem sichergestellt wird, dass Beiträge nicht nur aus dem tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelt zu zahlen sind (vgl BT-Drucks 13/4336 S 15). Würde auch der Aufstockungsbetrag zu dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zählen, bedürfte es der Sonderregelung des § 163 Abs 5 SGB VI nicht.

Dass der während einer Altersteilzeitbeschäftigung gezahlte Aufstockungsbetrag jedenfalls beitragsrechtlich nicht als Arbeitsentgelt anzusehen ist, entspricht im Übrigen der herrschenden Meinung in Literatur und Praxis (Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 226 RdNr 5d; Heiland in GK-SGB V, § 226 RdNr 60; Giesen/Weselski in Wannagat, SGB V, § 226 RdNr 10; Humpert in Jahn, SGB VI, § 163 RdNr 13; Laurich in GK-SGB VI, § 163 RdNr 75; Kaiser, Versicherungspflicht und Beitragsberechnung in der Sozialversicherung 1999, 25. Aufl, S 139; ABC des Lohnbüros 1997, RdNr 58; Welslau, Altersteilzeit in der betrieblichen Praxis, S 26; Drespa/Meyer/Slawik, Altersteilzeit, Januar 2007, Abschnitt III, § 5 RdNr 83; Allary/ Olschewski/Waldhorst, Die neue Altersteilzeit, 3 Aufl, RdNr 2.7.2; Informationsbroschüre des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, "Altersteilzeit ab 55", September 2004, S 12; Schmalor, Altersteilzeit und Sozialversicherung, ZfS 2001, 65, 66; Schwarzkopf, Änderungen im Recht der Altersteilzeit - Ein Überblick, FA 2004, 104; vgl auch BT-Drucks 13/4336 S 15; aA: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 226 SGB V RdNr 4).

Es gibt keinen Grund, den Arbeitsentgeltbegriff des Beitragsrechts für das Leistungsrecht der § 97 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 18a SGB IV nicht gelten zu lassen, denn grundsätzlich ist von der Identität des Arbeitsentgeltbegriffs im Leistungs- und Beitragsrecht auszugehen (BSGE 63, 149, 152 = SozR 4100 § 112 Nr 38 S 177). Eine einheitliche Beurteilung des Arbeitsentgeltbegriffs im Leistungs- und Beitragsrecht ist nur dann nicht anzunehmen, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Letzteres ist hier nicht der Fall, nachdem § 18a Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGB IV aF zum Arbeitsentgeltbegriff schweigt. Das gilt auch im Lichte der Neuregelung des § 18a Abs 1 SGB IV zum durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz - AVmEG) vom (BGBl I 403). Der Arbeitsentgeltbegriff selbst (§ 14 SGB IV) wird durch die Neufassung nicht tangiert. Durch die Einfügung der Aufstockungsbeträge in § 18a Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB IV hat der Gesetzgeber keine gesetzliche Ausnahmeregelung des Arbeitsentgeltbegriffs im Leistungsrecht, sondern eine Sonderregelung ausschließlich für das zu berücksichtigende Einkommen bei Renten wegen Todes getroffen und die Aufstockungsbeträge trotz ihrer Steuerfreiheit nunmehr als weitere Einkommensart iS von § 18a Abs 1 Satz 1 SGB IV definiert. Unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt gibt es daher eine gesetzliche Grundlage dafür, Aufstockungsbeträge leistungsrechtlich dem Arbeitsentgelt zuzuordnen; bis zum Inkrafttreten der Neufassung des § 18a SGB IV zum durfte diese Einnahmeart im Zusammenhang mit der Einkommensanrechnung bei Renten von Todes wegen nicht berücksichtigt werden.

Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten handelt es sich somit bei der mit Wirkung zum in Kraft getretenen Gesetzesregelung des § 18a Abs 1 Satz 2 SGB IV nicht lediglich um eine redaktionelle Klarstellung der bisherigen Rechtslage, sondern vielmehr um eine Neuregelung in Form der Ausweitung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Anrechnungsmöglichkeiten bei Renten wegen Todes. Auch der von dem LSG zitierte Umstand, dass die Begründung des Gesetzes nicht ansatzweise einen Hinweis darauf enthält, warum die Aufstockungsbeträge in der Gesetzesneufassung ausdrücklich erwähnt werden (BT-Drucks 14/4595 S 59) ist im Gegensatz zu der Schlussfolgerung des LSG kein zwingendes Indiz dafür, dass es sich nur um eine Klarstellung gehandelt habe. Wird in einem Gesetz eine ausdrückliche substantielle Ergänzung vorgenommen, so spricht der Anschein dafür, dass hiermit etwas Neues - zukünftig Geltendes - geregelt wird. Bei einer rein redaktionellen Klarstellung der bisherigen Rechtslage ist hingegen im Regelfall eine diesbezügliche Bekundung des Gesetzgebers zu erwarten.

Dass es sich bei der mit der Neufassung des § 18a Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB IV eingeführten Sonderregelung um ein neues Regelungskonzept handelt, ergibt sich mittelbar auch aus der Neufassung des § 18b Abs 5 SGB IV, die zugleich mit der Neufassung des § 18a Abs 1 SGB IV durch das AVmEG (aaO, Art 3 Nr 3 Buchst d) zum erfolgte. § 18b SGB IV nF enthält Regelungen zu der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens und bestimmt in Abs 5 Satz 1 erstmals mit Wirkung ab Januar 2002, wie Aufstockungsbeträge nach § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst a AltTZG anzurechnen sind: Diese werden demnach ungekürzt berücksichtigt. Hätten Aufstockungsbeträge auch schon vor der gesetzlichen Neuregelung zum anzurechnenden Einkommen gezählt, so stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber Regelungen zum "Wie" der Anrechnung erst mit Wirkung zum erlassen hat. Die gleichzeitige Neuregelung in § 18b SGB IV wird nur verständlich, wenn man davon ausgeht, dass der Gesetzgeber die Aufstockungsbeträge in die früheren Anrechnungsregelungen nicht einbezogen und mit ihrer jetzigen Einbeziehung in die Einkommensanrechnung zugleich zu klären hatte, wie die Aufstockungsbeträge anzurechnen sind. Vor dem Hintergrund des § 18b SGB IV nF sei an dieser Stelle nur nebenbei darauf hingewiesen, dass sich die von der Beklagten auch im Falle der Klägerin (teilweise) geübte Praxis, nicht nur den Aufstockungsbetrag selbst, sondern einen um den Faktor 1,5385 erhöhten Aufstockungsbetrag anzurechnen, als haltlos darstellt.

Soweit die Beklagte mit Anpassungsbescheiden vom sowie bestimmt hat, dass für die Zukunft die Hinterbliebenenrente unter Anrechnung des Aufstockungsbetrages geleistet werde, sind auch diese Bescheide mit Rücksicht auf die vorangegangenen Ausführungen rechtswidrig. Selbst für die Zeit ab der gesetzlichen Neuregelung des § 18a Abs 1 SGB IV zum ändert sich daran nichts, denn die Klägerin genießt gemäß § 114 Abs 1 SGB IV idF des AVmEG (aaO) Bestandsschutz. Nach dieser Vorschrift gilt das bisherige Recht mit Anrechnung lediglich von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen ua für Todesfälle vor dem Inkrafttreten der Reform unverändert weiter (BT-Drucks 14/4595, S 60) und ist somit auch im vorliegenden Fall anzuwenden, in dem der versicherte Ehemann vor dem verstorben ist. Auch wenn in § 114 Abs 1 Nr 1 SGB IV eine ausdrückliche Regelung fehlt, was unter "Erwerbseinkommen" zu verstehen ist, muss Zweck und Wortwahl des § 114 Abs 1 SGB IV - die mit der bis zum geltenden Fassung des § 18a Abs 1 Nr 1 und 2 SGB IV identisch ist - entnommen werden, dass für bestandsgeschützte Fälle insgesamt das bis zum geltende Recht anwendbar bleiben soll und nicht nur die Bestimmungen über die Arten des anrechenbaren Einkommens; infolgedessen hat auch der Begriff "Erwerbseinkommen" den ihm durch die bis dahin geltende Regelung zugewiesenen Inhalt. Aufstockungsbeträge gehören - wie oben ausgeführt - nicht dazu.

Da die angefochtenen Bescheide gegen materielles Recht verstoßen und keinen Bestand haben können, kann dahinstehen, ob die Beklagte für ihre Entscheidung den richtigen verfahrensrechtlichen Weg beschritten hat. Insbesondere kann offenbleiben, ob für die (teilweise) Aufhebung der Witwenrentenbewilligung der Höhe nach zu Recht § 48 SGB X herangezogen worden ist oder ob § 45 SGB X einschlägig gewesen wäre. Auf Grund der Rechtswidrigkeit der Aufhebungsbescheide ergibt sich, dass die Beklagte an die Klägerin keine Leistungen zu Unrecht erbracht hat, sodass die teilweise Rückforderung der Hinterbliebenenrente auf § 50 SGB X nicht gestützt werden kann und ebenfalls rechtswidrig ist.

Im Ergebnis führt die Revision zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Allerdings hat das SG - dem Antrag der Klägerin folgend - nicht allein die Aufhebung der angefochtenen Bescheide ausgesprochen, sondern die Beklagte auch zur Leistung der Witwenrente ohne Anrechnung der Aufstockungsbeträge als Einkommen verpflichtet. Soweit die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden in die durch die Rentenbewilligung geschaffene Rechtsposition der Klägerin eingegriffen hat, wäre allein die isolierte Anfechtungsklage iS von § 54 Abs 1 Satz 1 SGG die richtige Klageart gewesen, weil schon mit der Aufhebung der belastenden Bescheide der frühere (rechtmäßige) Rechtszustand wieder hergestellt worden wäre. Gleichwohl bedarf es vorliegend keiner Korrektur des Tenors des SG-Urteils im Sinne der Abweisung der mit der Anfechtungsklage verbundenen Leistungsklage. Das Rechtsschutzbedürfnis für das Leistungsbegehren ergibt sich aus der Rechtsänderung zum , obwohl die Beteiligten die "seit dem ergangenen Folgebescheide" außer Streit stellen wollten, indem sie ihr Einvernehmen erklärten, dass diesbezüglich entsprechend dem Ausgang des jetzigen Rechtsstreits verfahren werde. Trotzdem ist jedoch unklar geblieben, ob mit dieser Erklärung die Anwendung von § 114 Abs 1 SGB IV bejaht werden sollte. Um diese Unklarheit zu beseitigen, hat die Verurteilung zur Leistung nach wie vor einen Sinn.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
TAAAC-59733