Auswirkung des BVerfG-Beschlusses zur Verfassungswidrigkeit des geltenden Erbschaftsteuerrechts auf frühere Gesetzeslagen
Gesetze: BewG § 11 Abs. 2, GG Art. 3
Instanzenzug:
Gründe
I. An der 1985 gegründeten und nunmehr als XY-GmbH firmierenden Gesellschaft mit einem Stammkapital von 100 000 DM waren ursprünglich die Schwiegermutter (S) der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) sowie ein weiterer Gesellschafter (G) mit Geschäftsanteilen von 80 000 DM bzw. 20 000 DM beteiligt. Die GmbH hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr, das jeweils zum 31. März endete. Die Gewinnverteilung entsprach ursprünglich dem Verhältnis der Geschäftsanteile; mit Gesellschafterbeschluss vom wurde sie dergestalt geändert, dass dem G ab dem Geschäftsjahr 1991/1992 ein Gewinnanteil von 30 v.H. und ab dem Geschäftsjahr 1992/1993 ein solcher von 50 v.H. zustand. Die Einheitswerte des Betriebsvermögens der GmbH beliefen sich auf den auf 148 000 DM und auf den auf 447 000 DM. Nach einer 1997 durchgeführten Außenprüfung ist der gemeine Wert der Anteile an der GmbH jeweils bezogen auf 100 DM des Stammkapitals zum auf 1 457 v.H., zum auf 2 943 v.H. und zum auf 4 789 v.H. festgestellt worden.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom übertrug S ihren Geschäftsanteil gegen Zahlung von 105 000 DM auf die Klägerin mit Wirkung ab dem . Davon erfuhr der für die Festsetzung der Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständige Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) durch eine Kontrollmitteilung im Juli 1997. Er sah in der Übertragung eine gemischte Schenkung und setzte mit Bescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom eine Schenkungsteuer von 357 204 DM fest. Der Erwerb war dabei wie folgt berechnet: 800 x 1 457 DM ./. 105 000 DM.
Die Klage, mit der sich die Klägerin gegen die Annahme einer gemischten Schenkung gewandt hatte, weil die Gegenleistung von 105 000 DM am maßgeblichen Einheitswert des Betriebsvermögens auf den von 148 000 DM ausgerichtet worden sei, blieb überwiegend erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab ihr lediglich insoweit statt, als es annahm, gemäß § 12 Abs. 1 a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.d.F. des Steueränderungsgesetzes vom (BGBl I, 297) sei der Anteilswert mit 1 260 v.H. je 100 DM des Stammkapitals anzusetzen, da sich der Vermögenswert nicht nach dem Einheitswert des Betriebsvermögens auf den richte, sondern nach demjenigen auf den . Im Übrigen teilte das FG die Ansicht des FA, wonach eine gemischte Schenkung vorliege. Bei dem auffallend groben Missverhältnis zwischen dem Wert des Geschäftsanteils und der Gegenleistung sei davon auszugehen, dass S sich dessen bewusst gewesen sei. Dafür spreche auch, dass sie in der Buchhaltung der GmbH gearbeitet und deren Ertragsentwicklung gekannt habe.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin unter Berufung auf den (BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598) geltend, es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer Anteile an Kapitalgesellschaften nach dem Stuttgarter Verfahren zu bewerten, während Anteile an Personengesellschaften oder das Betriebsvermögen von Einzelgewerbetreibenden mit dem (anteiligen) Einheitswert für das Betriebsvermögen angesetzt werde. Darüber hinaus sei die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens zu beanstanden, da auch der Erwerber von Anteilen an Kapitalgesellschaften von den Sozialbindungen des Betriebsvermögens im Sinne des (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671) betroffen sei. Schließlich liege auch ein Verfahrensfehler vor, da das FG die durch Gesellschafterbeschluss vom April 1990 geänderte Gewinnverteilung übersehen habe. Dies beruhe auf mangelnder Sachaufklärung.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Mit der geltend gemachten Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG wirft die Klägerin die Rechtsfrage auf, ob die Bewertung nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer bei einem Erwerb im Jahr 1992 gegen das Gleichbehandlungsgebot verstieß, weil sie zu vergleichsweise höheren Werten führte, als sich bei einem Erwerb von Anteilen an Personengesellschaften oder des Betriebsvermögens eines Einzelgewerbetreibenden ergeben hätten. Dieser Rechtsfrage kommt jedoch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu.
a) Die grundsätzliche Bedeutung ist allerdings nicht schon unter dem Gesichtspunkt ausgelaufenen Rechts zu verneinen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: , BFH/NV 2005, 906, unter 1.). Seit 1992, dem Jahr des Erwerbs des GmbH-Geschäftsanteils durch die Klägerin, sind zwar die Bewertung nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften sowie die Bewertung des Betriebsvermögens (zum Teil) mehrfach geändert worden. So sind ab dem die Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens und ab dem die gesonderte Feststellung der Werte für nichtnotierte Anteile an Kapitalgesellschaften entfallen. Gemäß Art. 6 Nr. 3 Buchst. a, 20 und 22 sowie Art. 7 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom (BGBl I, 2590) sind die §§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 112 und 113a des Bewertungsgesetzes (BewG) sowie die Anteilsbewertung aufgehoben worden. Gleichwohl ist die auf die Bewertungsunterschiede abzielende Rechtsfrage der Klägerin dadurch nicht erledigt. Die Klägerin hebt nämlich darauf ab, dass einerseits bei der Schätzung nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften gemäß § 11 Abs. 2 BewG in seinen jeweiligen Fassungen die Ertragsaussichten zu berücksichtigen sind —eine Vorgabe, der das Stuttgarter Verfahren in allen Ausprägungen seit den Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1989 Rechnung getragen hat—, während andererseits den Ertragsaussichten bei der Bewertung des Betriebsvermögens —abgesehen von einem derivativ erworbenen Geschäftswert— keine Bedeutung zukommt. Dieser Bewertungsunterschied hat aber sowohl den Wegfall der Einheitswerte des Betriebsvermögens und der Bescheide über die gesonderte Feststellung der gemeinen Werte nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften als auch den Wegfall der Vermögensaufstellungen zugunsten einer Anknüpfung an die Steuerbilanzwerte überdauert.
b) Die grundsätzliche Bedeutung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage ist jedoch infolge des (BStBl II 2007, 192) entfallen. Gemäß diesem Beschluss kann das geltende Erbschaftsteuerrecht —also das ErbStG in der durch das Jahressteuergesetz 1997 geänderten Fassung— trotz der unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe und der sich daraus ergebenden Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG bis zu einer Neuregelung weiter angewendet werden. Die Neuregelung ist spätestens bis zum zu treffen. Wenn aber das aktuelle Erbschaftsteuerrecht trotz der von der Klägerin gerügten Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot weiter anwendbar ist, muss dies erst recht für eine frühere Gesetzeslage gelten, die vergleichbare Bewertungsunterschiede aufwies. Das schließt die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens nach Maßgabe der dazu ergangenen Rechtsprechung, wonach es sich dabei um ein geeignetes Schätzungsverfahren handelt (, BFHE 167, 170, BStBl II 1993, 268), ein.
2. Soweit die Klägerin gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO mangelnde Sachaufklärung rügt, weil das FG die Gewinnverteilung übersehen habe, ist die Beschwerde unzulässig. Mit dieser Rüge macht die Klägerin keinen Verfahrensfehler, sondern einen materiellen Rechtsfehler geltend. Dies zeigt sich schon darin, dass nicht dargelegt werden konnte, was das FG noch hätte aufklären sollen, nachdem es —wie aus dem Tatbestand seiner Entscheidung hervorgeht— bereits Kenntnis von der Änderung der Gewinnverteilung durch Vereinbarung vom erlangt hatte.
3. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom eine nachträgliche Divergenz der Vorentscheidung von dem (BFH/NV 2007, 1029) geltend macht (vgl. zur nachträglichen Divergenz , BFH/NV 1995, 808), kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Bezüglich der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung, die sich auf die unterschiedlichen Bewertungsmethoden bezog, weist das erst nach Ergehen der Entscheidung des FG ergangene BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1029 keine Abweichung auf. Soweit der BFH dabei für die Wertermittlung nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften im sog. Stuttgarter Verfahren gemäß R 99 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 1999/2003 den (gewichteten) Durchschnittsertrag nach den Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Besteuerungszeitpunkt abgelaufenen Wirtschaftsjahren hergeleitet hat, fehlt es ebenfalls an einer nachträglichen Divergenz. Das FG hat zur Ermittlung des Ertragshundertsatzes im Rahmen des Stuttgarter Verfahrens keinen abweichenden Rechtssatz aufgestellt, sondern die VStR 1989 insoweit allenfalls fehlerhaft angewandt. Die Klägerin spricht in diesem Zusammenhang selber von einem Übersehen (vgl. dazu , BFH/NV 2004, 1642).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2116 Nr. 11
BFH/NV 2007 S. 2116 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2007 S. 3758
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2007 S. 6
AAAAC-59265