Leitsatz
[1] Mit der prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 Abs. 1 ZPO kann geltend gemacht werden, dass ein Urteil infolge eines Vergleichs wirkungslos geworden ist.
Gesetze: ZPO § 767 Abs. 1
Instanzenzug: LG Karlsruhe 11 O 86/06 vom OLG Karlsruhe 8 W 87/06 vom
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Kosten des Rechtsstreits nach übereinstimmender Erledigungserklärung. Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen die Vollstreckung aus einem Versäumnisurteil, das durch einen späteren Vergleich gegenstandslos geworden war.
Die Parteien hatten zunächst vor dem Landgericht einen Rechtsstreit umgekehrten Rubrums geführt. Der Beklagte des hiesigen Verfahrens hatte dort gegen die Klägerin ein Versäumnisurteil erwirkt, wonach diese an den Beklagten einen Betrag von 39.364,54 € nebst Zinsen zu bezahlen hatte. Aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteils hatte der Beklagte die Obergerichtsvollzieherin H. mit der Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin beauftragt und einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, durch den Ansprüche der Klägerin gegenüber ihrer Hausbank gepfändet und dem Beklagten zur Einziehung überwiesen wurden. Nach fristgerechtem Einspruch ist das Verfahren vor dem Landgericht im Einspruchstermin durch Vergleich beendet worden. Im Vergleich verpflichtete sich die hiesige Klägerin, an den Beklagten einen Betrag von 16.250 € zu zahlen. Der hiesige Beklagte verpflichtete sich seinerseits, sämtliche Pfändungsmaßnahmen unverzüglich einzustellen und dies der zuständigen Gerichtsvollzieherin mitzuteilen.
Unter dem teilte der hiesige Beklagte sowohl den Vertretern der Klägerin als auch der Bank mit, dass nur noch aus einem Betrag in Höhe von 16.250 € vollstreckt werde und dies auch der Gerichtsvollzieherin so mitgeteilt worden sei. Sollte der Betrag eingetrieben sein, werde man die Vollstreckungsmaßnahmen im Übrigen zurücknehmen. Am 5. und forderte die Klägerin den Beklagten telefonisch auf, noch am gegenüber der Gerichtsvollzieherin und der Bank mitzuteilen, dass die Vollstreckungsmaßnahmen als gegenstandslos zu betrachten seien. Dies ließ der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten zunächst ablehnen. Mit Schriftsatz vom teilten die Bevollmächtigten des Beklagten den Rechtsanwälten der Klägerin mit, dass sie die Pfändung zurücknehmen werden. Mit Schriftsätzen vom nahm der Beklagte sowohl gegenüber der Bank als auch gegenüber der Gerichtsvollzieherin jeweils die Pfändung aus dem Versäumnisurteil zurück.
Bereits am hat die Klägerin Vollstreckungsgegenklage beim Landgericht eingereicht. Sie hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts für unzulässig zu erklären und den Beklagten zu verurteilen, die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils an die Klägerin herauszugeben. Der Beklagte hat Zurückweisung der Vollstreckungsabwehrklage beantragt. Nach Aushändigung der vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils an die Bevollmächtigten der Klägerin am hat die Klägerin am den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dem hat der Beklagte mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom zugestimmt.
Das Landgericht hat dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil die gegen die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil gerichtete Vollstreckungsabwehrklage zulässig und begründet gewesen sei. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Dagegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Beklagten.
1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO mit Bindungswirkung für den Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (vgl. , NJW-RR 2004, 1717 m.w.N.) und auch im Übrigen zulässig.
2. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO sei nicht der richtige Rechtsbehelf und daher mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig gewesen. Die Klägerin habe sich mit ihrer Klage gegen einen nicht mehr existierenden Titel gewandt, weil das für vorläufig vollstreckbar erklärte Versäumnisurteil durch den vor dem Landgericht geschlossenen Vergleich wirkungslos geworden sei. Zwar habe der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom (IXa ZB 326/03, NJW-RR 2004, 1718) den Grundsatz aufgestellt, der Schuldner habe ein Wahlrecht, wenn die Voraussetzungen sowohl des § 732 ZPO als auch die der Vollstreckungsgegenklage in entsprechender Anwendung des § 767 ZPO vorlägen. Dieser Grundsatz gelte nach der zitierten Entscheidung aber nur, wenn es möglich sei, mit einer Vollstreckungsgegenklage eine weitere Klage in entsprechender Anwendung des § 767 ZPO (prozessuale Gestaltungsklage) zu verbinden. Das sei aber nur dann der Fall, wenn gegen den Titel tatsächlich auch materielle Einwendungen erhoben würden. Gehe es dem Schuldner lediglich darum, die Wirkungslosigkeit des Titels feststellen zu lassen, stehe ihm ausschließlich die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO zur Verfügung.
3. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Die fehlende Vollstreckungsfähigkeit des Titels kann mit der prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 ZPO geltend gemacht werden, ohne dass ein Rechtsschutzinteresse wegen der Möglichkeit, dies mit der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO geltend zu machen, zu verneinen wäre (, BGHZ 165, 223; Beschluss vom - IXa ZB 326/03, NJW-RR 2004, 1718; Urteil vom - IV ZR 143/03, NJW-RR 2004, 1275; Urteil vom - XI ZR 421/02, VersR 2004, 839; Urteil vom - VII ZR 388/00, BauR 2002, 83 = NZBau 2002, 25 = ZfBR 2002, 63; Urteil vom - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164, 170 ff). Die prozessuale Gestaltungsklage kann mit einer Vollstreckungsgegenklage, die sich auf materiell-rechtliche Einwendungen stützt, verbunden werden. Ihre Zulässigkeit hängt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht davon ab, dass sie gemeinsam mit einer Vollstreckungsgegenklage erhoben wird. Für eine derartige einschränkende Voraussetzung fehlt jeglicher sachliche Grund.
b) Mit der prozessualen Gestaltungsklage kann auch die Wirkungslosigkeit eines Titels infolge eines Vergleichs geltend gemacht werden. Auch wenn das Versäumnisurteil durch Abschluss des Vergleichs im Einspruchsverfahren ohne gerichtlichen Ausspruch seine Wirksamkeit verloren hat, stellt es weder ein Nichturteil noch ein nichtiges (wirkungsloses) Urteil dar. Es besitzt weiter den Rechtsschein der Vollstreckungsfähigkeit. Da es der Sache nach um die Vollstreckungsfähigkeit des vorläufig vollstreckbaren Titels geht und diese nach der Systematik der Zivilprozessordnung nur im Wege einer Vollstreckungsgegenklage beseitigt werden kann, rechtfertigt sich die analoge Anwendung des § 767 ZPO (, BGHZ 124, 164, 170 ff).
4. Die Kostenentscheidung des Landgerichts hält der allein gebotenen summarischen rechtlichen Nachprüfung stand. Die Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteil war durch Abschluss des nachfolgenden Vergleichs im Einspruchstermin unzulässig geworden, weil der Vergleich dem Versäumnisurteil ohne weiteres die Wirkung und damit die formelle Vollstreckungsfähigkeit genommen hatte, ohne dass es dazu eines gerichtlichen Ausspruchs bedurfte. Der Prozessvergleich beendet im Umfang der Vereinbarung über den Streitgegenstand den Rechtsstreit und die Rechtshängigkeit (Lackmann in Musielak, ZPO, 5. Aufl. § 794, Rdn. 19; MünchKommZPO/ Wolfsteiner, 3. Aufl., § 794, Rdn. 72; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. § 794, Rdn. 26 ff.). Urteile, die im Rechtsstreit ergangen, aber noch nicht rechtskräftig sind, werden daher ohne weiteres wirkungslos, wenn die Parteien keine anderen Vereinbarungen treffen, etwa, dass aus dem Urteil weiter vollstreckt werden dürfe.
Eine solche Vereinbarung haben die Parteien dieses Rechtsstreits nicht getroffen; vielmehr heißt es unter Ziffer 2 des Vergleiches ausdrücklich, dass der Kläger sich verpflichtet, sämtliche Pfändungsmaßnahmen unverzüglich einzustellen und dies der zuständigen Gerichtsvollzieherin mitzuteilen. Dieser Vereinbarung ist zu entnehmen, dass das Versäumnisurteil keine Grundlage für die Zwangsvollstreckung mehr sein soll.
Die Anwendung des Rechtsgedankens aus § 93 ZPO kommt nicht in Betracht. Der Beklagte hat Anlass zur Klage gegeben. Er war mehrfach von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgefordert worden, Pfändungsmaßnahmen einzustellen, Zwangsvollstreckungsanträge zurückzunehmen und die vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils herauszugeben. Dem ist er trotz seiner Verpflichtung aus dem Vergleich bis zur Erhebung der Vollstreckungsgegenklage nicht nachgekommen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1724 Nr. 24
DAAAC-59131
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja