BAG Urteil v. - 4 AZR 654/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 133; BGB § 157; BGB § 611; TVG § 1; 23. TV zur Änderung des DRK-TV vom 19. November/ § 1; Vergütungs-TV Nr. 35 zum BAT vom § 4

Instanzenzug: ArbG Hannover 1 Ca 225/04 vom LAG Niedersachsen 7 Sa 2034/04 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit eines Vergütungstarifvertrages des öffentlichen Dienstes auf ihr Arbeitsverhältnis sowie eine betriebliche Übung der Beklagten und daraus resultierende Vergütungsansprüche der Klägerin.

Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di und seit dem bei dem Beklagten als Erzieherin beschäftigt. Sie erhält Vergütung entsprechend der VergGr. VIb Anl. 10a DRK-TV.

Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 22. Januar/ heißt es ua.:

"3. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des DRK in der jeweiligen geltenden Fassung zugrunde. ...

6. Die Beschäftigung beim Deutschen Roten Kreuz ist nicht öffentlicher Dienst."

Der Beklagte war zunächst Mitglied der DRK-Landestarifgemeinschaft in Niedersachsen GbR (im Folgenden: DRK-LTG Nds). Die DRK-LTG Nds. ist ihrerseits Mitglied der (Bundes-)Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, die mit der Gewerkschaft ver.di (früher: ÖTV) zahlreiche Tarifverträge abgeschlossen hat. Am hatten die Tarifpartner eine Vereinbarung abgeschlossen, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

"Vereinbarung

über Rahmenbedingungen für den Abschluß von Tarifverträgen

Zwischen der

Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, Bonn,

einerseits, und der

Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr

- Hauptvorstand -, Stuttgart,

andererseits, wird unter Berücksichtigung der internationalen und nationalen Stellung und Aufgabenstellung des Deutschen Roten Kreuzes folgende Vereinbarung geschlossen:

TEIL I § 1

(1) Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß gleichzeitig mit dieser Vereinbarung ein Tarifvertrag zwischen ihnen abgeschlossen wird.

(2) Die Vertragsparteien gehen davon aus, daß der Tarifvertrag nach Abs. 1 die Arbeitsbedingungen des DRK darstellt. Die Arbeitsbedingungen enthalten dabei Bestandteile, welche mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch oder im wesentlichen identisch sind (Katalog A), und solche Bestandteile, welche besondere Regelungen für den Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK enthalten (Katalog B).

§ 2

Übereinstimmendes Ziel der Vertragsparteien ist es, Arbeitskämpfe im Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK nach § 3 Abs. 1 zu vermeiden.

§ 3

(1) Die Vertragsparteien führen Verhandlungen über die Materien, die im Katalog B zu regeln sind.

(2) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch sind (Katalog A), werden zwischen den Vertragspartnern keine Verhandlungen geführt. Die Möglichkeit, im beiderseitigen Einvernehmen Verhandlungen zu führen, bleibt unberührt.

§ 4

(1) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit dem BAT inhaltlich nicht identisch sind, verpflichten sich die Vertragsparteien, im Fall der Nichteinigung bei den Tarifverhandlungen alles zu unternehmen, um einen Arbeitskampf zu vermeiden.

(2) Kommt zwischen den Vertragsparteien eine Einigung nicht zustande, so findet das Verfahren nach §§ 5 ff. dieser Vereinbarung Anwendung.

§ 5

(1) Sind zwischen den Parteien die Vertragsverhandlungen gescheitert, oder verweigert eine Vertragspartei Aufnahme oder Fortsetzung von Verhandlungen, dann kann jede der Vertragsparteien die Schlichtungsstelle anrufen.

(2) Das Nähere regelt die gleichzeitig abgeschlossene Schlichtungsvereinbarung."

Am selben Tage wurde neben der in § 5 Abs. 2 der Vereinbarung über die Rahmenbedingungen (im Folgenden: RahmenV) angesprochene Schlichtungsregelung auch der "Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes" (im Folgenden: DRK-TV) abgeschlossen, dessen Wirkung seit dem auf das "Tarifgebiet West" (alte Bundesländer) beschränkt ist, und in dem ua. - in weiten Teilen am BAT orientiert - die materiellen Arbeitsbedingungen der DRK-Mitarbeiter normiert sind.

In der Folgezeit wurden die Tarifabschlüsse für den Bereich BAT Bund/Länder jeweils durch eigene Tarifverträge zwischen der Tarifgemeinschaft des DRK und der Gewerkschaft ÖTV (später: ver.di) vereinbart.

Am wurde zwischen der Gewerkschaft ver.di und der dbb-tarifunion einerseits und dem Bund und der TdL andererseits auf Grund einer am erzielten Einigung im Rahmen des 78. Änderungstarifvertrages zum BAT der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 (im Folgenden: VTV 35) sowie für die Arbeiter des Bundes und der Länder der Monatslohntarifvertrag Nr. 5 zum MTArb (MLTV Nr. 5) abgeschlossen. In diesen Tarifverträgen wurde ua. eine Erhöhung der Vergütung der Arbeitnehmer in drei Stufen festgesetzt, nämlich ab (für die Vergütungsgruppen BAT III - I erst ab ) um 2,4 Prozent sowie ab und ab um je ein weiteres Prozent.

Das Generalsekretariat des DRK informierte die Landesverbände mit Schreiben vom über den Tarifabschluss und führte darin aus, dass "gemäß der beim Abschluss des DRK-Tarifvertrages im Jahre 1984 mit den Gewerkschaften vereinbarten Tarifautomatik ... das Tarifergebnis der aktuellen Lohnrunde des öffentlichen Dienstes für die tarifgebundenen Verbände automatisch, ohne weitere Verhandlungen in den DRK-Tarifvertrag West zu übernehmen" sei. Ähnlich äußerte sich der Landesverband Niedersachsen e.V. in einem Schreiben ua. an alle DRK-Kreisverbände vom .

Die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft des DRK traten in Verhandlungen ein, die sich ua. auch mit den sich aus dem VTV 35 und den anderen Tarifverträgen vom ergebenden Änderungen im öffentlichen Dienst befassten. Es kam jedoch zunächst zu keiner Einigung.

Der Beklagte trat zum aus der DRK-LTG Nds. aus. Die Erhöhung von 2,4 Prozent ab dem gab er an seine Mitarbeiter ebenso weiter wie die im VTV 35 vorgesehene Einmalzahlung für das Jahr 2003.

Die während des Jahres 2003 zwischen der Tarifgemeinschaft des DRK und der Gewerkschaft ver.di geführten Verhandlungen über einen weiteren Änderungstarifvertrag, der ua. auch die Ergebnisse des VTV 35 in der bisher geübten Weise in den Bereich des DRK übertragen sollte, führten am 19. November und zur Unterzeichnung des 23. Tarifvertrages zur Änderung des DRK-TV (im Folgenden: 23. ÄndTV-DRK). Dieser sah ("... gemäß § 3 Absatz 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen ...") die Übernahme der "für den Bereich des Bundes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder mit Datum vom geschlossenen Tarifverträge zur Anpassung der Vergütungen und Löhne, Ausbildungsvergütungen, Entgelte für Ärzte/Ärztinnen im Praktikum, Praktikantenvergütungen, Orts- und Sozialzuschläge, Zulage usw. einschließlich der Regelung zu einer Einmalzahlung im März 2003" vor; ausdrücklich ausgenommen dagegen wurde die dort gleichfalls vorgesehene Einmalzahlung für November 2004.

Mit dem stellte der Beklagte die seit dem vorgenommene Zahlung der Vergütungserhöhung um 2,4 Prozent ein.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei zur Zahlung der sich aus dem VTV 35 ergebenden Vergütungserhöhung von 2,4 Prozent auch nach dem sowie weiterer Erhöhungen von je einem Prozent ab und verpflichtet. Der Anspruch ergebe sich aus der sog. "Tarifautomatik", die eine unmittelbare Übernahme der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst durch das Deutsche Rote Kreuz vorsehe. Ferner enthalte die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag der Parteien eine konstitutive Vereinbarung des DRK-TV, ohne dass diese von der Tarifbindung des Beklagten abhängig sei, da sie nicht als Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Senatsrechtsprechung auszulegen sei. Der Wegfall der Tarifbindung des Beklagten durch den Austritt aus der DRK-LTG Nds. zum sei ohne Bedeutung. Der Anspruch auf die 2,4-prozentige Erhöhung ab ergebe sich ferner daraus, dass der Beklagte eine entsprechende betriebliche Übung begründet habe.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit dem eine Gehaltserhöhung von 2,4 Prozent fortzuentrichten, seit dem eine weitere Gehaltserhöhung von 1 Prozent sowie ferner seit dem eine Gehaltserhöhung von 1 Prozent zu zahlen und die monatlichen Differenzbeträge zwischen gezahlter und beantragter Vergütung ab jeweiliger Fälligkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Der Beklagte hat sein Klageabweisungsbegehren damit begründet, dass auf die begehrte Feststellung kein Anspruch bestehe, da er weder zur Zahlung der Erhöhung von 2,4 Prozent noch zur Zahlung der weiteren Erhöhungen von jeweils einem Prozent verpflichtet sei. Eine "Tarifautomatik" bestehe nicht, da es jeweils einer ausdrücklichen, tarifvertraglich vereinbarten Übernahme der Tarifabschlüsse des öffentlichen Dienstes durch das DRK bedürfe. Die Tariferhöhungen vom Januar 2003 seien aber erst nach Austritt des Beklagten aus der DRK-LTG Nds. tarifvertraglich vom DRK übernommen worden. Sie hätten deshalb keinen Einfluss auf das Arbeitsverhältnis. Die Verweisungsklausel sei entsprechend der Senatsrechtsprechung als Gleichstellungsabrede anzusehen und führe im Falle des Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers zu einer statischen Fortwirkung der Tariflage, die zu diesem Zeitpunkt bestanden habe. Eine betriebliche Übung sei nicht begründet worden, weil der Beklagte lediglich die für ihn vermeintlich, aber nicht wirklich bestehende Verpflichtung zur Weitergabe der Tariferhöhungen des öffentlichen Dienstes habe erfüllen wollen.

Das Arbeitsgericht hat der - noch auf Zahlung der Vergütungserhöhungen von 2,4 und einem Prozent für die Monate Januar bis April 2004 gerichteten - Klage teilweise, nämlich hinsichtlich der Erhöhung um 2,4 Prozent, stattgegeben. Nach einer Änderung des Klageantrages hat das Landesarbeitsgericht unter Zurückweisung der Berufungen beider Parteien im Übrigen festgestellt, dass der Beklagte zur Weiterzahlung der Erhöhung von 2,4 Prozent nebst Zinsen verpflichtet ist. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Ziel auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung auch der weiteren Erhöhungen von jeweils einem Prozent zum und zum weiter. Der Beklagte begehrt mit der von ihm eingelegten Revision die vollständige Klageabweisung.

Gründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, die des Beklagten dagegen begründet. Der Klägerin steht die Vergütungserhöhung weder in der von ihr geltend gemachten noch in der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Höhe zu.

A. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage in der Form des zuletzt gestellten Feststellungsantrages für zulässig gehalten, weil die Klägerin nicht gehalten sei, die im Streit stehenden Ansprüche monatlich durch Leistungsklage geltend zu machen. Auf Grund der Erklärung des Beklagten, er werde einem Feststellungsurteil Folge leisten, sei die Feststellungsklage geeignet, den Streit der Parteien insgesamt beizulegen. Soweit die Klägerin die Feststellung der Zahlungsverpflichtung des Beklagten hinsichtlich der Erhöhung von 2,4 Prozent begehre, sei die Klage auch begründet. Der Beklagte habe ohne Rechtsgrund ab dem eine Gehaltserhöhung von 2,4 Prozent gewährt und diese ohne Vorbehalt mehr als drei Monate gezahlt. Darin sei die Begründung einer betrieblichen Übung zu sehen, von der der Beklagte sich nicht einseitig lösen könne. Dass dieser sich hierzu möglicherweise auf Grund einer fehlerhaften Annahme der unmittelbaren Wirkung des VTV 35 verpflichtet angesehen habe, sei ohne Bedeutung, da eine solche Annahme für die Klägerin nicht erkennbar gewesen sei. Zur Zahlung der weiteren Erhöhungen von je einem Prozent sei der Beklagte jedoch nicht verpflichtet. Bei der Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag handele es sich um eine Gleichstellungsabrede, die bei Ende der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers zum Ende der Tarifdynamik führe. Auch bestehe die von der Klägerin angenommene "Tarifautomatik" der Übertragung der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst auf den Bereich des DRK nicht.

B. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin ist unbegründet, die des Beklagten dagegen begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die im VTV 35 geregelten Vergütungserhöhungen.

I. Der in der Berufungsinstanz gestellte Feststellungsantrag der Klägerin ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nur teilweise zulässig.

1. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist unzulässig, soweit er die Zahlung der Vergütungserhöhung von 2,4 Prozent für den Zeitraum Januar bis April 2004 erfasst.

Es mangelt am notwendigen Feststellungsinteresse.

Streitgegenstand der ersten Instanz war der bezifferte Zahlungsantrag der Klägerin, der sich auf die Erhöhungen von 2,4 Prozent und von einem Prozent für die Monate Januar bis April 2004 bezog. Hinsichtlich der Leistungsklage auf die Erhöhung von 2,4 Prozent für den genannten Zeitraum war die Klage vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Die Klägerin ist mangels erforderlichen Feststellungsinteresses (§ 256 Abs. 1 ZPO) daran gehindert, diesen bereits titulierten Teil des Anspruchs nunmehr durch einen Feststellungsantrag geltend zu machen. Vielmehr ist die Verteidigung dieses Teils des arbeitsgerichtlichen Urteils in der Berufungsinstanz durch den klägerischen Antrag auf Zurückweisung der hiergegen gerichteten Berufung des Beklagten erfolgt. Ihm hat das Landesarbeitsgericht auch stattgegeben. Damit hat es in der Sache über diesen Streitgegenstand zwei Mal entschieden, nämlich einmal durch die diesen Zeitraum umfassende Feststellung, sodann durch die Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen die diesen Zeitraum umfassende Verurteilung zur Zahlung durch das Arbeitsgericht. Dies ist rechtsfehlerhaft.

2. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist im Übrigen zulässig, auch soweit er sich auf die - vom Arbeitsgericht abgelehnte - Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von einem weiteren Prozent für die Monate Januar bis April 2004 bezieht. Die Klägerin war nicht gehindert, insoweit in der Berufungsinstanz von einem Zahlungsantrag auf einen Feststellungsantrag überzugehen, da dieser zukunftsoffen den Zeitraum ab dem umfasst und ohnehin mangels Fälligkeit für die Zukunft nicht als Leistungsantrag hätte gestellt werden können (vgl. dazu Senat - 4 AZR 272/05 - AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43). Das nach § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse der Klägerin liegt in dieser weitgehend zukunftsgerichteten Verpflichtung des Beklagten zur weiteren Zahlung der begehrten Erhöhungen. Es ist nach der Erklärung des Beklagten, einem rechtskräftigen Feststellungsurteil Folge zu leisten, auch davon auszugehen, dass der Streit der Parteien durch ein Feststellungsurteil endgültig beigelegt wird (vgl. dazu - AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 27 mwN), so dass die Aufteilung in einen (bezifferten) Zahlungsanspruch und einen weiteren Feststellungsanspruch nicht erforderlich ist.

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die von der Klägerin begehrte Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, seit dem eine Gehaltserhöhung von einem Prozent und seit dem eine weitere Erhöhung von einem Prozent zu leisten, rechtsfehlerfrei abgelehnt. Die Klägerin kann sich nicht auf die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel hinsichtlich des DRK-TV berufen. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel der Parteien um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der Senatsrechtsprechung handelt, die bei Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, etwa - wie hier - durch Verbandsaustritt, dazu führt, dass danach abgeschlossene Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis keine Wirkung mehr entfalten.

1. Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Bezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen, wenn andere für die Auslegung der vertraglichen Bezugnahme gem. §§ 133, 157 BGB bedeutsame Umstände dem nicht entgegenstehen. Die Auslegungsregel beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer Bezugnahmeklausel in einem Arbeitsvertrag eines tarifgebundenen Arbeitgebers nur die möglicherweise fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzt werden soll. Sie soll auf schuldrechtlichem Wege zur Anwendung der Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis mit dem Inhalt führen, wie er für die tarifgebundenen Arbeitnehmer in diesen Fällen ohnehin gilt. Der Arbeitnehmer nimmt auf Grund einer Gleichstellungsabrede grundsätzlich an der Tarifentwicklung der in Bezug genommenen einschlägigen Tarifverträge teil. Diese vertragliche Anbindung an die dynamische Entwicklung der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen endet aber, wenn sie tarifrechtlich auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, zB durch den Austritt des Arbeitgebers aus dem zuständigen Arbeitgeberverband, durch das Herausfallen des Betriebes aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages oder durch den Übergang des Betriebes oder Teilbetriebes, in dem die betroffenen Arbeitnehmer beschäftigt sind, auf einen nicht tarifgebundenen neuen Arbeitgeber. Ebenso wie nach den einschlägigen tarifrechtlichen Regelungen (§ 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5 TVG; § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB) in solchen Fallkonstellationen für den tarifgebundenen Arbeitnehmer die weiteren Änderungen oder Ergänzungen der einschlägigen Tarifverträge mangels beiderseitiger Tarifgebundenheit tarifrechtlich nicht mehr gelten, finden sie auf Grund der Gleichstellungsabrede auch nicht mehr in den Arbeitsverhältnissen der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer Anwendung (vgl. die Rechtsprechungsnachweise im Senatsurteil - 4 AZR 536/04 - Rn. 14, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32).

2. In der Entscheidung vom (- 4 AZR 536/04 - aaO) hat der Senat angekündigt, die fragliche Auslegungsregel nicht mehr anzuwenden, sondern einzelvertragliche Verweisungsklauseln auf einschlägige Tarifwerke auch bei tarifgebundenen Arbeitgebern nur dann als Gleichstellungsabreden anzusehen, wenn der Gleichstellungswille, dh. die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und der Wille, das Tarifwerk nur für die Dauer dieser Tarifgebundenheit dynamisch anzuwenden, hinreichend deutlich aus den Erklärungen der Arbeitsvertragsparteien oder den für beide Seiten erkennbaren Umständen des Vertragsschlusses hervorgeht. Wegen der durch die bisherige Rechtsprechung geschaffenen Vertrauenslage sei aus rechtsstaatlichen Erwägungen die Auslegungsregel auf dynamische Verweisungsklauseln, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am vereinbart worden seien (sog. Altverträge), jedoch weiterhin anzuwenden.

3. Nach diesen Grundsätzen ist die streitige Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag der Parteien als Gleichstellungsabrede auszulegen. Arbeitsvertrag und Bezugnahmeklausel sind vor dem Stichtag abgeschlossen. Die Revision hat angezweifelt, ob der Vertrauensschutz für Altverträge mit der Übergangsregelung zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes und der damit spätestens zum bewirkten Erstreckung der AGB-Kontrolle auf das Arbeitsrecht vereinbar sei. Der Senat hat aber bereits in der angeführten Entscheidung vom (- 4 AZR 536/04 - Rn. 27, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32) darauf hingewiesen, dass Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB dem befürworteten Vertrauensschutz nicht entgegensteht. Hiergegen bringt die Revision keine neuen Gesichtspunkte vor. Der Senat hat diese Auffassung im Urteil vom (- 4 AZR 652/05 -) noch einmal bestätigt und erläutert.

4. Wegen des Charakters der Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede wird das Arbeitsverhältnis der Parteien von dynamischen Veränderungen des in Bezug genommenen Tarifvertrages nach Ende der Tarifgebundenheit nicht mehr erfasst. Da der Beklagte zum aus der DRK-LTG Nds. ausgetreten ist und die Vergütungserhöhungen für die verbleibenden Mitglieder der DRK-LTG Nds. erst mit Abschluss des 23. ÄndTV-DRK am 19. November/ vereinbart worden sind, finden sie auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

Soweit die Klägerin früher darauf abgestellt hat, dass die Regelungen über die Vergütungserhöhungen aus dem VTV 35 bereits mit dessen Abschluss im Januar 2003, also vor dem Austritt des Beklagten aus der DRK-LTG Nds., vermittelt über die sog. "Tarifautomatik" im Arbeitsverhältnis der Parteien Geltung erlangt hätten, hat sie diese Auffassung im Revisionsverfahren ausdrücklich aufgegeben, da der Senat in mehreren, der Klägerin bekannten Entscheidungen die dem entgegenstehende Auffassung des Landesarbeitsgerichts bestätigt hat (zB - 4 AZR 272/05 - AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43).

III. Die Revision des Beklagten ist begründet. Soweit die Klage nicht unzulässig ist, ist sie unbegründet. Mit der Zahlung der 2,4-prozentigen Lohnerhöhung von April bis Dezember 2003 hat der Beklagte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine betriebliche Übung begründet, auf die die Klägerin sich für ihren Feststellungsanspruch über den hinaus beziehen kann.

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter betrieblicher Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (Senat - 4 AZR 417/03 -; - 4 AZR 130/93 -BAGE 73, 191, 197; - AP BGB § 667 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 667 Nr. 1; - 5 AZR 715/00 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37; - 10 AZR 290/98 -BAGE 91, 283, 287). Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133,157 BGB) verstehen musste und durfte (Senat - 4 AZR 417/03 -; - AP BetrVG § 77 Nr. 23 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 14; - 5 AZR 715/00 - aaO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setzt ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat ( - AP BGB § 242 Nr. 74 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 7). Eine betriebliche Übung entsteht dagegen nicht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war ( - EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 67; - 6 AZR 392/81 - BAGE 49, 151, 159) oder irrtümlich auf Grund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage sich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte (Senat - 4 AZR 417/03 -; - 4 AZR 467/01 - BAGE 103, 141, 150). Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar auf Grund einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer auch ohne diese Rechtspflicht gewährt werden, (Senat - 4 AZR 130/93 - BAGE 73, 191, 197 f.; -; - 1 AZR 111/05 - aaO). Auf nicht erkennbare subjektive Vorstellungen des Arbeitgebers allein kommt es nicht an (HWK/Thüsing 2. Aufl. BGB § 611 Rn. 232).

2. Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte mit der Weitergabe der Vergütungserhöhung von 2,4 Prozent von April bis Dezember 2003 keine betriebliche Übung begründet.

a) Die Beurteilung, ob aus den vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen eine betriebliche Übung hinsichtlich der Gewährung von Leistungen entstanden ist oder nicht, unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung ( - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 74 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 7 mwN). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des Zehnten Senats und der gleichlautenden herrschenden Auffassung in der Literatur (Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 73 Rn. 15; GK-ArbGG/Mikosch Stand März 2007 § 73 Rn. 42; ArbGG-Bepler 2. Aufl. § 73 Rn. 18) an.

b) Die Begründung einer betrieblichen Übung scheidet aus, weil der Beklagte die Leistungen auf Grund einer anderweitigen vermeintlichen Verpflichtung, nämlich des VTV 35 iVm. dem DRK-TV und dem Arbeitsvertrag, erbracht hat. Davon sind die Parteien nach dem übereinstimmend ausgegangen. Das ergibt sich aus einer Reihe von Anhaltspunkten.

aa) Die Höhe der Vergütungssteigerung von 2,4 Prozent, die der Beklagte von April bis Dezember 2003 an alle Arbeitnehmer geleistet hat, ist unmittelbar dem VTV 35 entnommen, den für die Arbeitnehmer die Gewerkschaft ver.di, deren Mitglied die Klägerin ist, abgeschlossen hat. Ein anderer Bezug der Vergütungserhöhung, insbesondere der konkreten Steigerung um 2,4 Prozent ist nicht zu erkennen.

bb) Die Klägerin hat diese Leistung ebenso wie die im VTV 35 vorgesehene und von dem Beklagten geleistete Einmalzahlung als ihr vermeintlich tariflich zustehend bis zum entgegengenommen. Als der Beklagte die Zahlung zum einstellte, hat die Klägerin im Forderungsschreiben vom unter Berufung auf ihre Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di den Anspruch "auf tarifgerechte Bezahlung", geltend gemacht und ausdrücklich gefordert, "zu erklären, dass Sie die weiter im Tarifabschluß vom vereinbarten Vergütungserhöhungen erfüllen werden". Anschließend hat sie Klage erhoben und sich ausdrücklich und in vielfältiger Weise auf die sich aus dem VTV 35 und der sog. "Tarifautomatik" in Verbindung mit der dynamischen Verweisungsklausel ergebende rechtliche Verpflichtung des Beklagten zur "Weiterzahlung" der Vergütungserhöhung berufen. Der Beklagte habe entgegen der jahrelangen Praxis der automatischen Übernahme der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst die Vergütungserhöhung von einem Prozent zum nicht weitergegeben, sondern stattdessen noch eine Herabsetzung um 2,4 Prozent vorgenommen. Auch diese eingeforderte Leistung entspricht nicht nur dem Zeitpunkt, sondern auch der Höhe nach der von der Klägerin vermuteten Verpflichtung zur unmittelbaren Umsetzung des VTV 35, die bis dahin - aus ihrer Sicht - mit der Erhöhung um 2,4 Prozent zum unbeanstandet erfolgt war.

cc) Diese Argumentation einer tarifrechtlichen Verpflichtung des Beklagten hat die Klägerin trotz der nicht ihrem Vorbringen entsprechenden Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils für die Weiterzahlungsverpflichtung von 2,4 Prozent aus betrieblicher Übung noch in der von ihr wegen der weiteren Erhöhung von einem Prozent eingelegten Berufung ausdrücklich verfolgt und ist der Begründung des Beklagten für die Einstellung der Zahlungen am , er sei dazu nicht verpflichtet, gerade mit der Argumentation entgegengetreten, die Verpflichtung zur Weiterzahlung und der zusätzlichen Erhöhungen ergebe sich aus der Geltung des VTV 35, die - entgegen der Auffassung des Beklagten - mit dem Austritt aus der DRK-LTG Nds. nicht entfallen sei.

dd) Die die Klägerin in den Vorinstanzen vertretende Gewerkschaft ver.di, bei der die Klägerin Mitglied ist, hat in zahlreichen Parallelverfahren vor dem Senat allgemein die Auffassung vertreten, der Beklagte sei durch die sog. "Tarifautomatik" über den DRK-TV unmittelbar an den Abschluss im öffentlichen Dienst gebunden. Darauf hat die Klägerin ihre Revision im vorliegenden Streitfall auch zunächst ausdrücklich gestützt und ist erst im Verlauf der Revisionsinstanz davon abgegangen, weil aus den genannten Parallelverfahren bekannt wurde, dass der Senat diese Auffassung nicht teilt, sondern davon ausgeht, dass eine jeweilige konstitutive ausdrückliche Übernahme der Tarifabschlüsse des öffentlichen Dienstes in den Bereich des DRK durch einen eigenständigen Tarifvertrag erforderlich war (vgl. nur Senat - 4 AZR 272/05 -AP TVG § 1 Nr. 37 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 43).

ee) An dem vermeintlichen Normvollzug ändert nichts, dass entgegen der Regelung im VTV 35 die Erhöhung von 2,4 Prozent erst im April 2003 und nicht schon im Januar 2003 gezahlt worden ist. Gegenüber dem Arbeitsgericht hat die Klägerin selbst den zutreffenden Zeitpunkt der Erhöhungsverpflichtung nach dem VTV 35 mit dem bezeichnet. Der Beklagte hat diese Auffassung geteilt, ebenso das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht. Wenn der Arbeitnehmer den Irrtum seines Arbeitgebers beim vermeintlichen Normvollzug teilt, schließt dies eine Rechtsbindung für die Zukunft aus (Waltermann RdA 2006, 257, 266). Definieren also die Parteien übereinstimmend (wenn auch fehlerhaft) den Beginn einer Leistungsverpflichtung auf den , so ist die tatsächliche Leistung der geforderten Erhöhung ab als (vermeintlicher) Normvollzug anzusehen und wurde von den Arbeitnehmern des Beklagten, wie auch der Klägerin, so angesehen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
LAAAC-58285

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein