Aufwendungen eines Bäckermeisters für eine Studienreise nach Japan
Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, EStG § 12 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (1996) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger ist Inhaber einer Bäckerei, die Klägerin ist bei ihm angestellt. In der Zeit vom 13. Mai bis unternahmen die Kläger eine Studienreise nach Japan, die von der X-GmbH organisiert und durchgeführt worden war und an der ausschließlich Angehörige des Bäckerhandwerks und des dazugehörigen Vertriebs teilgenommen hatten. Lt. Programm umfasste die Reise u.a. die Besichtigung verschiedener Bäckereien, Verkaufsstände und Einkaufszentren in den Städten Tokio, Yokohama, Osaka, Kobe und Kyoto. Daneben fand am eine dreistündige Stadtrundfahrt durch Osaka statt; der stand ab 14.00 Uhr zur freien Verfügung.
Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) —dem Prüfer folgend— die Auffassung, dass die Aufwendungen für die Teilnahme des Klägers (. DM) nicht betrieblich veranlasst gewesen seien, sondern Kosten der privaten Lebensführung dargestellt hätten. Die Aufwendungen für die Teilnahme der Ehefrau (. DM) beurteilte das FA als geldwerten Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis, um den es deren Bruttoarbeitslohn erhöhte.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage als unbegründet ab. Es führte im Wesentlichen aus:
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führten Auslandsreisen nur dann zu abziehbaren Betriebsausgaben, wenn sie ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im betrieblichen Interesse unternommen würden und die Verfolgung privater Interessen i.S. des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) —wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des eigenen Gesichtskreises— nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen sei. Für die Beurteilung der Frage, ob für eine Reise in nicht unerheblichem Umfang Gründe der privaten Lebensführung eine Rolle gespielt hätten, habe die Rechtsprechung in erster Linie auf den Zweck der Reise abgestellt. Reisen, denen offensichtlich ein unmittelbarer betrieblicher Bezug zugrunde liege, seien in der Regel ausschließlich der betrieblichen (beruflichen) Sphäre zuzuordnen, selbst wenn solche Reisen in mehr oder minder großem Umfang auch zu privaten Unternehmungen genutzt würden. Als unmittelbaren betrieblichen (beruflichen) Anlass habe der BFH z.B. angesehen das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrages auf einem Fachkongress oder die Durchführung eines Forschungsauftrages. Anders seien dagegen Auslandsreisen zu beurteilen, denen —wie der von den Klägern unternommenen Reise— ein solcher konkreter Bezug zur betrieblichen (beruflichen) Tätigkeit fehle. Hierzu gehörten insbesondere Reisen zu Informationszwecken (Gruppenreisen zu Studienzwecken, Kongressreisen). Bei ihnen müssten nach der Rechtsprechung die für eine betriebliche (berufliche) oder private Veranlassung sprechenden Beurteilungsmerkmale gegeneinander abgewogen werden. Eine Qualifizierung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten scheide bereits dann aus, wenn das Hineinspielen der privaten Lebensführung von nicht ganz untergeordneter Bedeutung sei.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sei zwar nicht zu verkennen, dass die Japanreise der Kläger wegen des homogenen Teilnehmerkreises und des auf Angehörige des Bäckerhandwerks bzw. des Backwarenvertriebs zugeschnittenen Besuchsprogramms Elemente betrieblicher Veranlassung aufweise. Deren Bedeutung werde aber dadurch weitgehend wieder aufgehoben, dass ein ins Gewicht fallender Nutzeffekt der dabei gewonnenen Eindrücke für die betriebliche Tätigkeit des Klägers nicht festzustellen sei.
Dem eher als gering zu bewertenden Nutzeffekt der Reise stehe ein nicht zu vernachlässigender privater Erkenntnis- und Erlebniswert gegenüber. Nach dem von den Klägern vorgelegten Reisebericht habe am Vormittag des eine Stadtrundfahrt durch Osaka stattgefunden; nachmittags seien die beiden Haupteinkaufszentren der Stadt besichtigt worden. Der Nachmittag des habe den Reiseteilnehmern zur freien Verfügung gestanden. Darüber hinaus habe der mit häufigen Ortswechseln verbundene Reiseverlauf auch als solcher die Möglichkeit geboten, vielfältige Eindrücke von einem fremden Land und in einer fremden Kultur zu gewinnen. Dies gelte umso mehr, als auch in das fachliche Besuchsprogramm Elemente mit landeskundlichem Bezug (Fahrt zur Chinatown in Yokohama am Mittag des ; Teilnahme an einer japanischen Teezeremonie am Vormittag des ) integriert worden seien.
Aus entsprechenden Erwägungen minderten auch die Aufwendungen für die Japanreise der Klägerin das zu versteuernde Einkommen der Kläger nicht.
Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen des Erfordernisses einer BFH-Entscheidung zur Fortbildung des Rechts. Sie tragen u.a. vor:
Umstritten sei, ob trotz nachweislichen Vorliegens eines homogenen Teilnehmerkreises und eines auf diesen zugeschnittenen umfangreichen fachlichen Besuchsprogramms, das überwiegend Elemente betrieblicher Veranlassung aufgewiesen habe, und unter Berücksichtigung des von den Klägern vorgetragenen konkreten betrieblichen Anlasses der Reise
- aufgrund des Abzugs- und Aufteilungsverbots des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG die Reiseaufwendungen des Klägers in vollem Umfang vom Abzug als Betriebsausgaben ausgeschlossen seien
und
- ob die Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit der Klägerin in Höhe der auf sie entfallenden Ausgaben für die Japanreise als geldwerter Vorteil zu erhöhen seien.
Im Vorlagebeschluss vom VI R 94/01 (BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121) habe der VI. Senat des BFH die folgende Auffassung vertreten: Den einzelnen Reisebestandteilen seien regelmäßig bestimmte Aufwendungen einzeln zurechenbar. Hiervon sei die Rechtsprechung des BFH im Grundsatz schon bisher ausgegangen. So habe der BFH bei einer gemischt veranlassten Reise hinsichtlich berufsbezogener Besuche und Besprechungen mit Berufskollegen die beruflich veranlassten Aufwendungen für diese Reisebestandteile als abziehbar anerkannt. Bei gemischt veranlassten Reisen seien auch die Kosten der An- und Abreise grundsätzlich eindeutig abgrenzbare, beruflich/betrieblich (mit-)veranlasste Aufwendungen, bei denen eine der Sachlage entsprechende Aufteilung nach objektiven und leicht nachprüfbaren Maßstäben in der Regel möglich sei. Als Maßstab für die Aufteilung der gemischt veranlassten An- und Abreisekosten sei grundsätzlich das Verhältnis der beruflich/betrieblich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise heranzuziehen. Die betrieblich/beruflich und privat veranlassten Zeitanteile einer Reise seien objektive Aufteilungskriterien. Denn es sei objektiv feststellbar, wie lange eine Reise insgesamt gedauert habe, welche Tätigkeiten der Steuerpflichtige während der Reise unternommen habe und welche Zeitanteile auf die jeweiligen Tätigkeiten entfallen seien. Der beschließende (VI.) Senat halte an seiner insbesondere in den Urteilen vom VI R 47/95 (BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10) und vom VI R 24/97 (BFH/NV 1998, 449) vertretenen entgegenstehenden Auffassung nicht mehr fest.
Im Streitfall sei die folgende Rechtsfrage klärungsfähig und klärungsbedürftig: „Können Aufwendungen bei gemischt beruflich und privat veranlassten Reisen in abziehbare Werbungskosten (Betriebsausgaben) und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich (betrieblich) veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind?”
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht kommt der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht zu (unten 1.). Ebenso wenig erfordert die Fortbildung des Rechts i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO eine Entscheidung des BFH (unten 2.).
1. Nach dem Beschluss des Großen Senats des (BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) fehlt es bei Auslandsgruppenreisen an einem offensichtlichen und unmittelbaren betrieblichen (beruflichen) Anlass im Gegensatz z.B. zu den Fällen, in denen ein Geschäftsfreund aufgesucht worden ist oder der Steuerpflichtige auf einer Tagung einen Vortrag gehalten hat. Der Anlass für eine solche Reise besteht vielmehr in dem Interesse an allgemeiner Information oder an beruflicher Fortbildung. Für die betriebliche (berufliche) Veranlassung einer derartigen Reise genügt es nicht, dass die Veranstaltungen der allgemeinen wirtschaftlichen Bildung der Teilnehmer dienen, weil diese Teil der Allgemeinbildung und damit der Lebensführung ist. Betrieblich (beruflich) veranlasst ist eine solche Reise erst dann, wenn das Reiseprogramm auf die besonderen betrieblichen oder beruflichen Bedürfnisse oder Gegebenheiten der Teilnehmer zugeschnitten ist. Gerade bei Auslandsgruppenreisen zu Informationszwecken ist deshalb besonders sorgfältig zu prüfen, ob für die Größe des Betriebs und für die Art der Betätigung des Steuerpflichtigen eine Auslandsgruppenreise überhaupt betrieblich veranlasst sein kann. Dies ist insbesondere fraglich, wenn der Steuerpflichtige Anlagen und Einrichtungen gleicher Art auch im Inland oder im näher liegenden Ausland besichtigen könnte und wenn die Aufwendungen für die Reise im Verhältnis zur Größe und Bedeutung des Betriebs und auch im Hinblick auf die Reisedauer als unangemessen erscheinen (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, unter C.II.1.a).
Zutreffend hat nach Auffassung des Großen Senats die Rechtsprechung des BFH bei Informationsreisen in der Regel der Tatsache eine besondere Bedeutung beigemessen, dass die Reiseroute weit auseinandergezogen sowie mit häufigem Ortswechsel verbunden war und dass die besuchten Orte auch beliebte Orte des Tourismus waren. Solche Reisen werden erfahrungsgemäß auch von Personen unternommen, die ihren Urlaub zur privaten Wissenserweiterung und Kenntniserweiterung nutzen wollen und die keinerlei betriebliche Veranlassung haben, diese Orte aufzusuchen. Ein häufiger Ortswechsel spricht deshalb für die private Veranlassung einer Reise. Indessen ist das nicht zwingend. Ein solcher Wechsel kann vielmehr deshalb betrieblich veranlasst sein, weil die unterschiedlichen Unternehmen, Anlagen oder Einrichtungen, die aus betrieblichen Gründen besucht oder besichtigt werden sollen, in verschiedenen Orten liegen. Ob —ausnahmsweise— der häufige Ortswechsel betrieblich veranlasst ist, hängt von den tatsächlichen Besonderheiten des jeweiligen Streitfalles ab (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, unter C.II.1.c).
Die fachliche Organisation einer Reise kann für ihre betriebliche Veranlassung sprechen. Nicht jede von einem Fachverband veranstaltete Reise ist aber als betrieblich veranlasst zu beurteilen, weil sonst leicht durch Ausarbeitung eines Programms, an dem jedes Gruppenmitglied teilnehmen kann, aber nicht teilzunehmen braucht, zur Lebenshaltung gehörende Erholungsreisen, Besichtigungsreisen und Bildungsreisen zu betrieblich (beruflich) veranlassten Reisen gemacht werden könnten. Dadurch würden die fachlich organisierten Teilnehmer einer von ihrem Verband veranstalteten Reise einen Vorteil erlangen, der anderen Bevölkerungsschichten verschlossen ist. Dies ist im Interesse der steuerlichen Gerechtigkeit zu vermeiden (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, unter C.II.1.d).
Diese vom Großen Senat des BFH im Beschluss in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 (für Auslandsgruppenreisen) entwickelten und in der bisherigen ständigen Rechtsprechung angewendeten Leitlinien hat das FG der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt. Sie werden nach Auffassung des angerufenen Senats durch den Vorlagebeschluss des VI. Senats des BFH in BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121 nicht in Frage gestellt. Dies folgt insbesondere aus der Erwägung, dass sich die im Vorlagefall des VI. Senats zu beurteilende (Einzel-)Reise und die hier streitige Gruppenreise im Hinblick auf deren Charakter und Gestaltung in wesentlichen Punkten voneinander unterscheiden: Im Streitfall war eine typische Auslandsgruppenreise zu Informationszwecken mit häufigem Ortswechsel zu touristisch interessanten Orten zu beurteilen, während der auch Raum für private Unternehmungen bestand, ohne dass eine getrennte Beurteilung von privater und betrieblicher (beruflicher) Ausrichtung möglich war. In dem dem zitierten Vorlagebeschluss des VI. Senats zugrunde liegenden Fall handelt es sich demgegenüber um eine Einzelreise an einen Ort zur Teilnahme an einem Kongress, während dessen Dauer für die Verfolgung privater Interessen kein Raum war und bei der eine klare Trennung der privaten von der beruflichen Ausrichtung möglich war. Nicht umsonst grenzt sich der Vorlagebeschluss in BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121 (unter D, letzter Absatz) von dem im Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 beurteilten Fall ausdrücklich ab.
Diesen Unterschieden tragen die Kläger in ihrer Beschwerdebegründung nicht in hinlänglichem Maße Rechnung. Diese Verschiedenheiten lassen nicht erwarten, dass der erneut angerufene Große Senat für den im Streitfall vorliegenden Sachverhalt neue Kriterien entwickelt.
Schon die bisherigen Erwägungen verdeutlichen, dass die Kläger bei ihrer im letzten Absatz der Beschwerdebegründungsschrift als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Frage einen anderen als den vom FG festgestellten Sachverhalt ins Auge gefasst haben.
Die Kläger vertreten die Ansicht, das Besuchsprogramm ihrer Japanreise habe überwiegende Elemente betrieblicher Veranlassung aufgewiesen und die Reise habe einen konkreten betrieblichen (beruflichen) Anlass gehabt. Dagegen ist das FG zu dem Ergebnis gekommen, dass eine —nahezu— ausschließliche betriebliche (berufliche) Veranlassung der Reise nicht festzustellen sei. Es hat zwar ausgeführt, dass die Reise Elemente einer betrieblichen (beruflichen) Veranlassung aufweise. Jedoch sei der Reise ein nicht zu vernachlässigender privater Erkenntnis- und Erlebniswert beizumessen, den das FG aus mehreren Umständen (Stadtrundfahrt durch Osaka; Besichtigung zweier Haupteinkaufszentren; Nachmittag zur freien Verfügung der Reiseteilnehmer; mit häufigen Ortswechseln verbundener Reiseverlauf; Programmpunkte mit landeskundlichem Bezug wie z.B. der Fahrt zur Chinatown in Yokohama sowie der Teilnahme einer japanischen Teezeremonie) hergeleitet hat.
Die vom FG vorgenommene Wertung, dass lediglich „Elemente einer betrieblichen Veranlassung” zu erkennen seien, liegt im Wesentlichen auf dem Gebiet der Tatsachenfeststellung einschließlich der Tatsachenwürdigung. Daran ist der BFH als Revisionsgericht gebunden, soweit dagegen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben worden sind. So liegt es im Streitfall. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage rechtfertigt daher nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.
2. Aus denselben Gründen kommt die Zulassung der Revision auch nicht wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts in Betracht (zur Qualifikation dieses Zulassungsgrundes als speziellen Tatbestand der „Grundsatzrevision” vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 38).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2106 Nr. 11
BFH/NV 2007 S. 2106 Nr. 11
VAAAC-57758