BGH Beschluss v. - 4 StR 236/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 24 Abs. 2; StPO § 26 Abs. 3; StPO § 31 Abs. 1; StPO § 31 Abs. 3; StPO § 140 Abs. 1 Nr. 2; StPO § 338 Nr. 3; StPO § 338 Nr. 5; StPO § 344 Abs. 2 Satz 2; RVG § 46 Abs. 2 Satz 1; BZRG § 51 Abs. 1

Instanzenzug: LG Bochum vom LG Bochum vom

Tenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bochum - auswärtige Strafkammer Recklinghausen - vom wird als unstatthaft zurückgewiesen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom bemerkt der Senat:

1. Die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 5 i.V.m. § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO ist ungeachtet der Frage, ob das Revisionsvorbringen insoweit den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt (zur grundsätzlichen Unzulässigkeit von Bezugnahmen auf Anlagen zur Revisionsbegründungsschrift und auf den Akteninhalt vgl. Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 344 Rdn. 21 m.N.), jedenfalls unbegründet. Ebenso wie die erste Hauptverhandlung in dieser Sache hat auch die zweite Hauptverhandlung, wie gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO erforderlich, in Anwesenheit eines Verteidigers des Angeklagten stattgefunden. Der Wahlverteidiger des Angeklagten ist, wie von diesem mit Schriftsatz vom "unter Niederlegung des Mandats" beantragt, bereits vor der Durchführung der ersten Hauptverhandlung in dieser Sache von dem Vorsitzenden der Strafkammer, bei der das Verfahren anhängig war, als Pflichtverteidiger beigeordnet worden (§ 141 Abs. 4 StPO). Der Vorsitzende der Großen auswärtigen Strafkammer Recklinghausen beim Landgericht Bochum hat die Pflichtverteidigerbestellung allerdings nicht ausdrücklich verfügt. Er hat dem Verteidiger des Angeklagten jedoch auf dessen Antrag durch Beschluss vom eine Dienstfahrt zur Besprechung mit dem Angeklagten zur Vorbereitung der Hauptverhandlung am und einem weiteren Tag vor dieser Hauptverhandlung genehmigt. Damit hat der Vorsitzende, was für eine Pflichtverteidigerbestellung ausreicht (vgl. BGHR StPO § 141 Bestellung 2; Meyer-Goßner aaO § 141 Rdn. 7 m.N.), konkludent zum Ausdruck gebracht, dass der Verteidiger dem Angeklagten beigeordnet wird, denn einer Entscheidung über die Erforderlichkeit der Reise eines Verteidigers im Feststellungsverfahren nach § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG bedarf es nur dann, wenn dieser zum Beistand des Angeklagten bestellt worden ist.

Damit ist der - ohnehin unstatthafte (vgl. BGHSt 17, 94, 95; 23, 102, 103; 25, 89, 91; BGHR StPO § 33 a Satz 1 Anhörung 1) - Wiedereinsetzungsantrag gegenstandslos.

2. Der wegen der Zurückweisung der gegen die Schöffen gerichteten Ablehnungsgesuche geltend gemachte Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO ist ebenfalls nicht gegeben. Das Landgericht hat die Ablehnungsgesuche zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Dass die Schöffen durch die teilweise Verlesung des Urteils vom Kenntnis von der gemäß § 51 Abs. 1 BZRG nicht verwertbaren Verurteilung des Amtsgerichts Soest vom erlangt haben, vermag aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Schöffen (§ 31 Abs. 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 StPO) nicht zu rechtfertigen.

Dass die abgelehnten Schöffen sich über den in dem Ablehnungsgesuch geltend gemachten Ablehnungsgrund nicht dienstlich geäußert haben, steht einer Überprüfung der Entscheidung des Landgerichts über das Ablehnungsgesuch durch das Revisionsgericht (nach Beschwerdegrundsätzen) nicht entgegen. Zwar ist eine solche dienstliche Äußerung gemäß § 26 Abs. 3 StPO, der gemäß § 31 Abs. 3 für Schöffen entsprechend gilt, grundsätzlich erforderlich. Ihr Fehlen ist aber dann unschädlich, wenn der zu beurteilende Sachverhalt - wie hier - eindeutig feststeht. Eine Äußerung des abgelehnten Schöffen ist, ebenso wie die eines abgelehnten Richters, nur zu Tatsachen erforderlich (vgl. B 9a - SB 18/06 zu § 202 SGG i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO; zu § 51 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO). Da die dienstliche Äußerung gemäß § 26 Abs. 3 StPO allein der weiteren Sachaufklärung dient, ist sie verzichtbar, wenn der Sachverhalt geklärt ist (vgl. zu § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit eines Schöffen gemäß § 31 Abs. 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 StPO nicht darauf an, ob der abgelehnte Schöffe tatsächlich parteilich oder befangen ist oder ob er sich für befangen hält; entscheidend ist allein, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln (vgl. BVerfGE 108, 122, 129 zu § 19 BVerfGG).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
RAAAC-57635

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