BFH Beschluss v. - I B 126/06

Anforderungen an die Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, GG Art. 103

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat Wirtschaftsgüter auf eine KG übertragen und streitet nunmehr mit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) u.a. darüber, ob und ggf. in welchem Umfang es in diesem Zusammenhang zu einer verdeckten Gewinnausschüttung gekommen ist. Der Senat hat das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Finanzgerichts (FG), soweit es die Streitjahre (1994 und 1995) betraf, aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen (Senatsurteil vom I R 7/02, BFHE 207, 429, BStBl II 2005, 867); er hielt weitere tatsächliche Feststellungen zur Ermittlung des fremdüblichen Entgelts für die Übertragung der Wirtschaftsgüter für erforderlich.

Im zweiten Rechtsgang hat das FG den anzusetzenden Fremdvergleichspreis geschätzt und auf dieser Basis der Klage nur zum Teil stattgegeben. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.

Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision nicht in der gebotenen Weise dargelegt.

1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Wird hierauf eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss der Verfahrensmangel in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Geschieht dies nicht, so ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.

2. Die Klägerin rügt zunächst, dass das FG nicht ihrem Antrag gefolgt sei, ihren Prozessbevollmächtigten eine ausreichende Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung zu ermöglichen und zu diesem Zweck den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen. Damit macht sie eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) geltend (vgl. dazu , BFH/NV 2007, 476). Auf dieses Recht kann indessen durch eine rügelose Verhandlung zur Sache verzichtet werden, weshalb zur Vermeidung eines Rechtsverlustes die Versagung des rechtlichen Gehörs in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt werden muss, zu der der Rügeberechtigte erschienen ist (, BFH/NV 1995, 903; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 103, m.w.N.). Dementsprechend muss zur Begründung einer auf diesen Gesichtspunkt gestützten Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragen werden, dass in der ersten Instanz eine solche Rüge erhoben wurde oder weshalb dies nicht möglich war. An einem solchen Vortrag fehlt es im Streitfall.

Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang zwar auf ihren Schriftsatz vom , den sie wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung beim FG eingereicht hat. Dieser Schriftsatz enthält jedoch, was die hier interessierende Frage angeht, nur einen Antrag auf Verlegung des Termins; von einer Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör ist dort nicht die Rede. Abgesehen davon reicht der Hinweis auf den Schriftsatz schon deshalb nicht aus, weil die rechtskundig vertretene Klägerin in der Folge zur Sache verhandelt hat und gerade darin ein Verzicht auf ein zusätzliches Gehör liegen kann. Angesichts dessen ist die geltend gemachte Gehörsverletzung nicht in statthafter Form gerügt worden.

3. Sodann rügt die Klägerin, dass das FG ihrem Vortrag zur Laufzeit bestimmter Verträge nicht ausreichend nachgegangen sei und in diesem Zusammenhang zudem eine Überraschungsentscheidung getroffen habe. Der genannte Vortrag sei dahin gegangen, dass mit Rücksicht auf die kurze Restlaufzeit der Verträge der maßgebliche Fremdvergleichspreis durch einen „Risikoabschlag” gemindert werde. Das FG habe während der mündlichen Verhandlung die Frage der Vertragslaufzeiten für unbeachtlich erklärt; im Urteil heiße es hingegen, der Vortrag der Klägerin könne mangels substantiierter Nachweise nicht berücksichtigt werden. Das FG habe mithin im Verlauf der Beratung offenbar die Bedeutung der vorgetragenen Umstände erkannt; es sei deshalb gehalten gewesen, entweder die maßgeblichen Vertragslaufzeiten selbst zu ermitteln oder der Klägerin Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben. Mit diesen Ausführungen legt die Klägerin jedoch ebenfalls keinen Verfahrensmangel dar.

a) Aus dem genannten Vortrag ergibt sich nicht, dass das FG eine Überraschungsentscheidung getroffen haben könnte. Eine solche liegt nämlich nur dann vor, wenn das FG einen Gesichtspunkt als maßgeblich heranzieht, mit dessen Berücksichtigung nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens schlechterdings nicht zu rechnen war (BFH-Beschlüsse vom V B 108/05, BFH/NV 2007, 245; vom VIII B 180/05, BFH/NV 2007, 751). Der Vortrag der Klägerin zum „Meinungswandel” des FG besagt jedoch letztlich nur, dass das FG seine Einschätzung zu einem bestimmten, in der mündlichen Verhandlung erörterten Punkt im Verlauf der abschließenden Beratung revidiert hat; auf diese Weise kann der Vorwurf der Überraschungsentscheidung schon deshalb nicht begründet werden, weil es erkennbar gerade der Zweck der Beratung ist, dass das Gericht die gesamte Sach- und Rechtslage noch einmal überdenkt. Zudem hat die Klägerin nicht dargetan, dass und aus welchen Gründen die von ihr behaupteten —und vom FA bestrittenen— Äußerungen des FG in der mündlichen Verhandlung sie an einem zusätzlichen Vortrag gehindert oder sich anderweitig zu ihrem Nachteil ausgewirkt haben könnten. Angesichts dessen hat sie insoweit weder eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör noch einen sonstigen Verfahrensfehler des FG dargelegt.

b) Ebenso hat die Klägerin mit dem genannten Vortrag nicht dargetan, dass das FG aktenkundige Tatsachen nicht berücksichtigt und unter diesem Gesichtspunkt ihr Recht auf Gehör verletzt habe. Sie macht zwar geltend, das FG habe augenscheinlich nicht beachtet, dass ihm die Laufzeiten der in Rede stehenden Verträge mitgeteilt worden seien. Es fehlt insoweit jedoch schon an einer spezifizierten Bezeichnung des angeblich unberücksichtigt gebliebenen Vortrags, die im Zusammenhang mit einer solchen Rüge geboten ist (BFH-Beschlüsse vom III B 5/98, BFH/NV 1998, 1352; vom V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303). Zudem ist ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils das FG davon ausgegangen, dass die geltend gemachten kurzen Vertragslaufzeiten nur dann zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden könnten, wenn zum Zeitpunkt des Übertragungsvorgangs Anhaltspunkte für eine mögliche Nichtverlängerung der Verträge bestanden hätten. Es hat also in diesem Zusammenhang nicht auf die isolierten Laufzeiten abgestellt, sondern mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer Vertragsverlängerung eine kurze Laufzeit allenfalls unter besonderen Umständen als preismindernd angesehen. Von dieser tatrichterlichen Einschätzung aus, auf die es bei der Frage nach dem Vorliegen eines Verfahrensmangels ankommt, durfte es auf eine detaillierte Auswertung der ihm von der Klägerin mitgeteilten Daten verzichten.

Fundstelle(n):
PAAAC-54124