Leitsatz
[1] Soll der Treuhänder mit der Anfechtung beauftragt werden, so hat hierüber die Gläubigerversammlung durch Beschluss zu entscheiden. Dies gilt auch für ein vereinfachtes Insolvenzverfahren, an dem nur ein Gläubiger beteiligt ist.
Gesetze: InsO § 76; InsO § 313 Abs. 2 Satz 3
Instanzenzug: LG Schwerin 1 O 117/03 vom OLG Rostock 3 U 136/05 vom
Tatbestand
W. (fortan Schuldner), über dessen Vermögen auf Antrag des Finanzamtes Schwerin mit Beschluss vom das vereinfachte Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hatte mit notarieller Urkunde vom Kaufpreisansprüche gegen seine frühere Ehefrau an die Beklagte abgetreten. Als Gegenleistung hatte sich die Beklagte verpflichtet, den Schuldner bei Bedarf Zeit seines Lebens zu pflegen.
Der Kläger wurde zum Treuhänder bestellt. Er nimmt die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückabtretung sowie Rückzahlung zwischenzeitlich erhaltener 18.406,53 € in Anspruch. Das Finanzamt ist einziger Gläubiger im Verfahren. Es hat den Kläger mit schriftlicher Erklärung vom mit der Durchführung der Insolvenzanfechtung gegen die Beklagte beauftragt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klaganspruch weiter.
Gründe
Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NZI 2006, 357 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, der Kläger sei zur Insolvenzanfechtung nicht berechtigt. Nach § 313 Abs. 2 InsO sei der Treuhänder hierzu nur befugt, wenn die Gläubigerversammlung ihn beauftrage. Auch wenn nur ein Gläubiger, wie vorliegend gegeben, vorhanden sei, könne auf das Erfordernis der Beauftragung im Wege der Gläubigerversammlung nicht verzichtet werden. Die Gläubigerversammlung bestehe nicht nur aus den Gläubigern und dem Treuhänder, sondern sie finde im Rahmen einer Gerichtsverhandlung statt, an der das Insolvenzgericht mitzuwirken habe. Dem Gericht komme eine neutrale Stellung zu. Es habe insbesondere die Aufgabe, zwischen Gläubiger und Treuhänder, die nicht zwingend gleichlaufende Interessen verfolgen müssten, zu vermitteln. In der Gläubigerversammlung hätte das Gericht darüber befinden müssen, ob die Beauftragung des Treuhänders sachdienlich sei, wenn es nur einen Gläubiger gebe, dem das durch die Anfechtung Erlangte zufließe. Der Umstand, dass nur ein Gläubiger vorhanden sei, spreche gerade nicht für die Entbehrlichkeit einer förmlichen Gläubigerversammlung.
Im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft könne der Kläger die Rechte des Finanzamts nicht verfolgen. Es fehle am notwendigen, schutzwürdigen Interesse an der Prozessführung. Mit seiner Aufgabe als Partei kraft Amtes im öffentlichen Interesse sei die Tätigkeit des Treuhänders für einen Insolvenzgläubiger nicht vereinbar. Der vorgegebene Interessenwiderstreit zwischen Insolvenzmasse und dem nicht bevorrechtigten Gläubiger sei auch bei Beteiligung eines einzigen Gläubigers nicht aufgehoben.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Im vereinfachten Insolvenzverfahren werden die Aufgaben des Insolvenzverwalters durch den Treuhänder wahrgenommen. Im Gegensatz zum Regelinsolvenzverfahren steht das Anfechtungsrecht nicht ihm zu, sondern jeder Insolvenzgläubiger ist zur Anfechtung von Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 InsO berechtigt. Diese die Gläubigerautonomie betonende Regelung (vgl. Pape, ZInsO 1999, 305) wird nunmehr durch § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO, eingeführt durch das Insolvenzänderungsgesetz 2001, ergänzt. Danach kann die Gläubigerversammlung auch den Treuhänder mit der Anfechtung beauftragen.
Die mit § 313 Abs. 2 InsO a.F. erfolgte Verlagerung der Anfechtungskompetenz auf die Gläubiger, die eine Vereinfachung des Verfahrens und eine kostengünstige Abwicklung ermöglichen sollte (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf einer Insolvenzordnung, Bundestags-Drucksache 12/7302 S. 193), hat, wie der Novellengesetzgeber festgestellt hat, in der Praxis eine wirksame Durchsetzung der Anfechtung in nicht wenigen Verbraucherinsolvenzverfahren verhindert. Mit der zusätzlichen Möglichkeit, dem Treuhänder die Durchsetzung der Anfechtung zu übertragen, sollte die bisherige Zurückhaltung der Gläubiger und deren Informationsdefizit, was die einzelnen Anfechtungsumstände anging, überwunden werden (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze, Bundestags-Drucksache 14/5680, S. 33). Die vom Gesetzgeber gewählte Verfahrensweise, die Beauftragung des Treuhänders durch die Gläubigerversammlung auszusprechen, bedeutet zugleich, dass hierdurch von der zunächst angestrebten Verfahrensvereinfachung und einer kostengünstigen Abwicklung Abstand genommen wurde. Die Einschaltung der Gläubigerversammlung führt zu einem organisatorischen Mehraufwand für die Gläubiger und das gemäß § 74 InsO beteiligte Insolvenzgericht.
2. Nach § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO kann die Beauftragung des Treuhänders nur durch Beschluss der Gläubigerversammlung erfolgen. Als Gläubigerversammlung ist dabei ausschließlich eine vom Insolvenzgericht einberufene und vom Gericht geleitete Zusammenkunft der Gläubiger anzuerkennen (Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 313 Rn. 2a; Gundlach/Frenzel/Schmidt, ZVI 2002, 5; Fuchs, ZInsO 2002, 358, 359). Eine spontane oder eine vom Verwalter einberufene Zusammenkunft ist keine Gläubigerversammlung im vorgenannten Sinn.
Beschlüsse, die nicht durch die vom Gericht geleitete Gläubigerversammlung gefasst werden, sind keine Beschlüsse im Sinne von § 76 InsO und daher nichtig (Kübler/Prütting, InsO § 76 Rn. 7). Entgegen auf den Wortlaut des § 76 Abs. 2 InsO bezogenen Erwägungen ist für die Durchführung einer Gläubigerversammlung nicht die Anwesenheit von mindestens zwei Gläubigern notwendig. Wie bereits zum Recht der Konkursordnung anerkannt (Jäger/Weber, KO 8. Aufl. § 94 Rn. 2; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 94 Rn. 2), ist es auch für das Verfahren der Beschlussfassung nach § 76 InsO ausreichend, dass mindestens ein Gläubiger anwesend ist und von seinem Stimmrecht Gebrauch macht (HK-InsO/Eickmann, InsO 4. Aufl. § 76 Rn. 5; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 76 Rn. 18).
3. Entgegen der Ansicht der Revision kann bei einem Verbraucherinsolvenzverfahren, an dem nur ein Gläubiger beteiligt ist, nicht von den vorstehenden Grundsätzen abgewichen werden.
a) Der Gesetzgeber hat mit der Einführung einer Anfechtungsmöglichkeit durch den Treuhänder in § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO von der bisherigen Verfahrensvereinfachung, die durch eine Verlagerung der Anfechtungskompetenz auf die Gläubiger gekennzeichnet war, wieder Abstand genommen. Die von ihm gewählte Verfahrensweise, die Beauftragung im Wege der Beschlussfassung durch eine Gläubigerversammlung vorzunehmen, dient, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, dem Ausgleich möglicher unterschiedlicher Interessen, was durch die Leitungsbefugnis seitens des Insolvenzgerichts gewährleistet wird. Die Abhaltung einer Gerichtsverhandlung sichert ferner, dass etwaige Stimmrechtsausschlüsse beachtet werden (vgl. HK-InsO/Eickmann aaO § 76 Rn. 5; Kübler/Prütting InsO § 76 Rn. 22). Auch bei der Beteiligung nur eines Gläubigers können diese Umstände von Bedeutung sein.
b) Die vom Gesetzgeber gewählte Systematik, wonach - anders als bei der Anfechtung durch einen Gläubiger - dem Treuhänder die Anfechtungsbefugnis allein durch die Gläubigerversammlung übertragen werden kann, lässt keinen Raum für die von der Revision angestrebte Ausnahmeregelung. Würde für ein Insolvenzverfahren, an dem nur ein Gläubiger beteiligt ist, vom Erfordernis der Beauftragung im Wege der Gläubigerversammlung Abstand genommen werden, müsste zudem geklärt werden, ob dies auch für sonstige Verfahren, an denen nur wenige Gläubiger beteiligt sind, gleichermaßen zu gelten hat. Die von der Revision angeführten Gesichtspunkte einer Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung würden sich dort ebenso stellen. Eine hinreichend klare Abgrenzung der Verfahren mit einem oder nur wenigen weiteren Gläubigern zu den übrigen Verfahren wäre kaum möglich. Für die vom Senat vertretene Auffassung spricht auch die vom Gesetzgeber in § 313 Abs. 2 InsO getroffene Kostentragungsregelung, nach der Massekosten nur dann entstehen sollen, wenn die Gläubigerversammlung den Auftrag zur Anfechtung erteilt hat, während in allen übrigen Fällen der Anfechtende Erstattung seiner Kosten nur aus dem durch den Rechtsstreit Erlangten erhält.
Auch der von der Revision weiter geltend gemachte Gesichtspunkt, das Insolvenzgericht sei in seinem Eröffnungsbeschluss zunächst von der Durchführung des schriftlichen Verfahrens (§ 312 Abs. 2 InsO) ausgegangen, ist nicht geeignet, die Beschlussfassung in der Gläubigerversammlung für entbehrlich anzusehen. Das Insolvenzgericht hat seine Entscheidung selbst unter den Vorbehalt anderweitiger Erkenntnisse gestellt und deshalb davon gesprochen, es werde vorerst keine Gläubigerversammlung einberufen. Die Beauftragung des Treuhänders zur Anfechtung ist aber ein Umstand, der die Abhaltung einer vom Gericht durchzuführenden Gläubigerversammlung notwendig macht.
4. Der Ansicht der Revision, aus der durch den Gläubiger ausgesprochenen Beauftragung könne eine gewillkürte Prozessstandschaft zur Führung des vorliegenden Anfechtungsprozesses abgeleitet werden, ist nicht zu folgen. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, für die Einräumung einer gewillkürten Prozessstandschaft fehle es an einem schutzwerten rechtlichen Bedürfnis.
Wird der Treuhänder im Wege der Beauftragung durch die Gläubigerversammlung mit der Führung eines Anfechtungsprozesses betraut, so kann er, im Gegensatz zu dem von der Gläubigerversammlung beauftragten Gläubiger, den Auftrag zur Anfechtung nicht ablehnen. Soweit die Gläubigerversammlung von ihrem in § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO verankerten Recht der Beauftragung Gebrauch macht, erwächst aus dieser Entscheidung eine entsprechende Pflicht des Treuhänders zum Tätigwerden (Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 313 Rn. 85). Nach entsprechender Beauftragung durch die Gläubigerversammlung führt der Treuhänder den Prozess als Partei kraft Amtes in gesetzlicher Prozessstandschaft (Uhlenbruck/Vallender aaO Rn. 86).
Die Annahme einer zulässigen gewillkürten Prozessstandschaft setzt nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein schutzwürdiges Interesse des Prozessstandschafters an der Rechtsverfolgung voraus (vgl. BGHZ 119, 237, 242; 125, 197, 199; , NJW 2003, 2231, 2232). Angesichts des vom Gesetzgeber für notwendig erachteten Verfahrensweges zur Erlangung der gesetzlichen Prozessstandschaft ist kein berechtigtes Interesse des Treuhänders erkennbar, eine zusätzliche Möglichkeit zur Prozessführung zu erhalten.
5. Ob ein einzelner Gläubiger den Treuhänder im Wege der Vertretung mit der Durchführung der Anfechtung betrauen kann (so Fuchs, ZInsO 2002, 358, 359), bedarf hier keiner Entscheidung. Eine derartige Prozessführung betrifft nicht dessen Eigenschaft als Treuhänder, sondern würde ein Tätigsein als Vertreter des jeweiligen Gläubigers bedeuten. Die Frage eines Parteiwechsels auf Klägerseite wurde in der mündlichen Verhandlung vom vor dem Berufungsgericht erörtert und klägerseits ausdrücklich verneint.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2007 S. 2314 Nr. 43
DStR 2007 S. 2018 Nr. 45
WM 2007 S. 1795 Nr. 38
MAAAC-54096
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja