BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 1305/07

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BVerfGG § 93a; BVerfGG § 93a Abs. 2; BVerfGG § 93b; GG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1

Instanzenzug: BGH 2 StR 116/07 vom LG Aachen 64 KLs 103 Js 986/03 vom

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

I.

Soweit der Beschwerdeführer die Strafzumessung des Landgerichts mit der Begründung angreift, das Landgericht habe die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt, wahrt die Verfassungsbeschwerde nicht den Grundsatz der Subsidiarität.

1. Nach dem Subsidiaritätsgrundsatz soll der gerügte Grundrechtsverstoß nach Möglichkeit schon im fachgerichtlichen Verfahren beseitigt werden (vgl. BVerfGE 67, 157 <170>). Er verlangt deshalb vom Beschwerdeführer, über das Erfordernis einer Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus alle ihm zumutbaren, nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um Rechtsschutz bereits durch die Fachgerichte zu erreichen (BVerfGE 107, 257 <267> m.w.N.; 110, 1 <12>; stRspr). Der gerügte Grundrechtsverstoß soll nach Möglichkeit bereits im fachgerichtlichen Verfahren beseitigt werden (vgl. BVerfGE 67, 157 <170>). Der Beschwerdeführer muss deshalb von den fachgerichtlichen Rechtschutzmöglichkeiten in einer Weise Gebrauch machen, die gewährleistet, dass sich das Fachgericht mit seinem Vorbringen sachlich auseinandersetzt (vgl. BVerfGE 91, 93 <107>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1767/92 -, juris, Abs.-Nr. 2-3; BVerfGK 1, 222 <223>). Im Strafverfahren verlangt der Grundsatz der Subsidiarität von einem Beschwerdeführer, der seine Grundrechte durch Verstöße des Tatgerichts verletzt sieht, dass er diese im Revisionsverfahren in hinreichender Weise rügt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 157/03 -, NStZ-RR 2005, S. 346 <347>).

Ein Revisionsführer, der das Vorliegen einer rechtsstaats- (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) beziehungsweise konventionswidrigen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) Verfahrensverzögerung geltend machen will, muss grundsätzlich Verfahrensrüge erheben. Nur wenn sich bereits aus den Urteilsgründen die Voraussetzungen einer solchen rechtsstaatswidrigen Verzögerung ergeben, hat das Revisionsgericht auch auf die Sachrüge hin einzugreifen. Gleiches gilt, wenn sich bei der auf die Sachrüge veranlassten Prüfung, namentlich anhand der Urteilsgründe, ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die das Tatgericht zur Prüfung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung drängen mussten, so dass ein sachlichrechtlich zu beanstandender Erörterungsmangel vorliegt, wenn der Tatrichter eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung überhaupt nicht thematisiert oder sie lediglich als Umstand in der Reihe der Strafmilderungsgründe erwähnt, ohne zugleich das Ausmaß der Berücksichtigung dieses Verstoßes näher zu bestimmen (vgl. -, NStZ 2004, S. 639 <641>; -, juris, Abs.-Nr. 4; -, juris).

2. Gemessen hieran hat der Beschwerdeführer seinen Rügeobliegenheiten im fachgerichtlichen Verfahren nicht genügt. Verfahrensrüge hat er ausweislich der mitgeteilten Revisionsbegründungsschrift nicht erhoben. Die stattdessen erhobene Sachrüge war nicht zielführend, weil sich aus der Revisionsbegründungsschrift und den Urteilsgründen alleine die Voraussetzungen für eine rechtsstaatswidrige Verzögerung des Strafverfahrens nicht ergaben.

a) Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes fordert zwar eine angemessene Beschleunigung des Strafverfahrens (vgl. BVerfGE 63, 45 <69>; BVerfG, <Vorprüfungsausschuss> Beschluss vom - 2 BvR 121/83 -, NJW 1984, S. 967). Allerdings verletzt nicht jede Verzögerung des Strafverfahrens den Beschuldigten in seinem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren, sondern nur eine von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortende erhebliche Verzögerung. Ob eine mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes nicht in Einklang stehende Verfahrensverzögerung vorliegt, richtet sich dabei nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Von Bedeutung sind dabei insbesondere der durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs sowie der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstandes sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen. Keine Berücksichtigung finden hingegen Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte selbst, sei es auch durch zulässiges (Prozess-) Verhalten, verursacht hat (vgl. BVerfG, <Vorprüfungsausschuss> Beschluss vom - 2 BvR 121/83 -, NJW 1984, S. 967; BVerfGK 2, 239 <246 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1/91 -, juris, Abs.-Nr. 23 und 25; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 157/03 -, NStZ-RR 2005, S. 346 <347>).

b) Dass hieran gemessen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorlag, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, so dass die Sachrüge keinen Erfolg versprach und der Beschwerdeführer Verfahrensrüge hätte erheben müssen. Die durch die zweijährige Flucht des Beschwerdeführers unmittelbar nach Tatbegehung eingetretene Verzögerung des Strafverfahrens war nach diesen Grundsätzen nicht zu berücksichtigen. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung kam deshalb von vornherein nur im Zeitraum zwischen Selbstgestellung und Urteilsverkündung in Betracht. Den Urteilsgründen ist hierzu lediglich zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer nach zweijähriger Flucht am den Ermittlungsbehörden stellte, die Staatsanwaltschaft im Juli 2005 Anklage erhob und das Urteil am verkündet wurde. Aus diesen Tatsachen alleine folgt nicht, dass das Verfahren in rechtsstaats- und konventionswidriger und deshalb nicht mehr hinzunehmender Weise verzögert worden wäre. Sie belegen lediglich eine Gesamtverfahrensdauer von einem Jahr und vier Monaten. Dass diese Verfahrensdauer so außergewöhnlich lang und das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen so groß war, dass sich das Tatgericht zu Erörterungen gedrängt sehen musste, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorlag, ergibt sich aus den Urteilsgründen alleine nicht. Der Beschwerdeführer hätte eine etwaige, das Ausmaß der Rechtsstaatswidrigkeit erreichende Verfahrensverzögerung im Wege der Verfahrensrüge rügen müssen.

II.

Soweit der Beschwerdeführer die Strafzumessung des Landgerichts generell angreift, ist die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht hinreichend dargelegt.

1. Prüfungsmaßstab für die als fehlerhaft gerügte Strafzumessung ist das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Schuldangemessenheit der Strafe. Die Strafe darf die Schuld des Täters nicht übersteigen und muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters stehen (BVerfGE 20, 323 <331>; 25, 269 <286>; 27, 18 <29>; 45, 187 <259 f.>; 50, 5 <12>; 54, 100 <108>; stRspr). Dabei ist die Strafzumessung Sache des Tatgerichts und der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen, es sei denn, die Strafzumessung entfernt sich so weit von dem Gedanken des gerechten Schuldausgleichs, dass sie sich als objektiv willkürlich erweist (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 54, 100 <109, 111 f.>; 74, 102 <127>). Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, Entscheidungen der Strafgerichte allgemein auf die Richtigkeit der Strafzumessung in einem konkreten Fall zu überprüfen. Deshalb prüft das Bundesverfassungsgericht nicht nach, ob die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte in jeder Hinsicht zutreffend gewichtet worden sind oder ob eine andere Entscheidung näher gelegen hätte, sondern nur, ob der Strafausspruch spezifisches Verfassungsrecht verletzt (vgl. BVerfGE 95, 96 <141>).

2. Der Vortrag des Beschwerdeführers, die Strafe sei trotz Vorliegens zahlreicher Milderungsgründe zu hoch ausgefallen, verkennt diesen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab. Dass sich die verhängte Strafe hier von dem Gedanken des gerechten Schuldausgleichs so weit entfernte, dass sie sich als objektiv willkürlich erwiese, ist nicht dargelegt und auf der Grundlage der ausführlichen, sachbezogenen und nachvollziehbaren Strafzumessungserwägungen des Tatgerichts auch nicht ersichtlich.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
LAAAC-54066