BSG Urteil v. - B 10 LW 7/05 R

Leitsatz

Wird Überbrückungsgeld ohne Bedürftigkeitsprüfung im Anschluss an Arbeitslosengeld gezahlt, berechtigt es als mit Erwerbsersatzeinkommen vergleichbare Sozialleistung der Bundesagentur für Arbeit zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte.

Gesetze: ALG F: § 3 Abs 1 Nr 1 ; ALG § 3 Abs 4 S 2 Nr 2; SGB III F: § 57 ; SGB IV § 18a Abs 3 S 1 Nr 1

Instanzenzug: SG Augsburg S 10 LW 15/05 vom

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte (AdL) für den Zeitraum vom bis .

Der 1949 geborene Kläger war bis zum - zuletzt mit einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 12.852 DM - versicherungspflichtig beschäftigt. Vom bis zahlte ihm das Arbeitsamt A. Arbeitslosengeld. Vom bis übte er eine gewerbliche und selbstständige Tätigkeit als Unternehmensberater aus. Die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb beliefen sich im Jahre 2002 insgesamt auf -223 Euro; die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit betrugen -11.661 Euro, wobei der steuerliche Verlust auf einer Ansparrücklage gemäß § 7g Einkommensteuergesetz (EStG) für einen geplanten PKW-Kauf in Höhe von 16.000 Euro beruhte; der tatsächlich erwirtschaftete Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit belief sich in den sieben Monaten des Streitzeitraums auf 5.657,37 Euro. Mit Bewilligungsbescheid vom gewährte das Arbeitsamt A. dem Kläger gemäß § 57 SGB III ab dem für sechs Monate (also bis ) ein Überbrückungsgeld in Höhe von 3.097,70 Euro monatlich als Zuschuss einschließlich einer Pauschale für die Kranken-, Alters- und Pflegeversicherung. Ab dem war der Kläger wieder versicherungspflichtig beschäftigt (monatliches Bruttoentgelt 5.539 Euro).

Die Ehefrau des Klägers, von Beruf Lehrerin, betrieb ein landwirtschaftliches Unternehmen. Von seiner (durch Bescheid der beklagten Landwirtschaftlichen Alterskasse <LAK> vom festgestellten) Versicherungspflicht in der AdL wurde der Kläger mit Bescheid vom gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) wegen Arbeitseinkommens über einem Siebtel der Bezugsgröße befreit. Durch Bescheid vom hat die Beklagte den Befreiungsbescheid mit Wirkung vom bis gemäß § 48 SGB X aufgehoben, weil der Kläger in diesem Zeitraum kein Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen über einem Siebtel der Bezugsgröße bezogen habe. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat sie zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom )

Das vom Kläger angerufene Sozialgericht Augsburg (SG) hat mit Urteil vom den Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufgehoben und "festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom bis nicht der Versicherungspflicht zur LAK unterlegen ist". Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei als Ehegatte einer Landwirtin (§ 1 Abs 1 Nr 1 ALG) versicherungspflichtig (§ 1 Abs 3 ALG), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er in der Landwirtschaft mitarbeite oder nicht. Im Streitzeitraum habe er kein Erwerbseinkommen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft über einem Siebtel der Bezugsgröße gehabt. Entgegen dessen Auffassung bestimme sich sein Arbeitseinkommen nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts, sodass die Ansparrücklage für den geplanten Pkw-Kauf in Höhe von 16.000 Euro nicht herausgerechnet werden könne. Allerdings sei das von ihm bezogene Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III eine vergleichbare Leistung iS von § 3 Abs 4 Satz 3 ALG, die wie Erwerbsersatzeinkommen zur Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag führe. In Abgrenzung zu einem Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg (LSG) vom - L 2 LW 1/03 - sei dem SG Dresden (Gerichtsbescheid vom - S 18 LW 9/04 -) zu folgen, wonach Überbrückungsgeld "erst recht" zur Befreiung von der Versicherungspflicht führen müsse, wenn dies schon beim Bezug von Erwerbsersatzeinkommen wie Arbeitslosen- und Krankengeld der Fall sei. Anders als in Fällen sozialfürsorgerischer Leistungen wie Arbeitslosen- und Sozialhilfe sei der Kläger "bei natürlicher Betrachtungsweise" im Streitzeitraum nicht bedürftig, sondern im Gegenteil gut verdienend gewesen. Das Überbrückungsgeld sei ihm zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung bei Aufnahme einer selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit und gleichzeitiger Beendigung der Arbeitslosigkeit gewährt worden. Entscheidungserheblich sei insoweit, dass der Kläger im Streitzeitraum monatlich freiwillig 325,03 Euro zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet habe und damit dem Grundanliegen des § 3 Abs 1 ALG Rechnung getragen habe, in nennenswertem Umfang zu seiner Alterssicherung beizutragen. Das Überbrückungsgeld sei dann als vergleichbare Leistung iS von § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG anzusehen, wenn die darin enthaltene Pauschale auch tatsächlich zur Entrichtung freiwilliger Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingesetzt werde.

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung von Bundesrecht in Gestalt des § 3 Abs 1 iVm Abs 4 ALG: Das im Streitzeitraum bezogene Überbrückungsgeld sei weder Arbeitseinkommen noch dem Arbeitseinkommen vergleichbares Einkommen iS von § 3 Abs 1 Nr 1 ALG. Es könne auch einem Erwerbsersatzeinkommen iS von § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG nicht gleichgestellt werden. Der 1995 eingeführte Gesetzeswortlaut nenne - ebenso wie § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV - das seinerzeit in § 55a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geregelte Überbrückungsgeld nicht. Überbrückungsgeld sei wegen seines fürsorgerechtlichen Charakters auch keine vergleichbare Leistung iS von § 3 Abs 4 ALG bzw § 18a Abs 3 SGB IV. Mit dieser Leistung werde einerseits der Übergang in die Selbstständigkeit zeitlich befristet sozial flankiert (Hinweis auf den AS PKH), andererseits habe es Unterhalt sichernde Funktion (Hinweis auf weitere Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg, des Hessischen LSG, SG Wiesbaden, VG Bremen, LSG Berlin). Da die Leistung nicht gezahlt werden könne, wenn anderweitiges Einkommen oder Vermögen zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehe, setze sie wie die Arbeitslosenhilfe Bedürftigkeit voraus; Leistungen mit Fürsorgecharakter seien nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats Erwerbsersatzeinkommen nicht zuzurechnen. Hätte es sich um eine Entgeltersatzleistung gehandelt, hätte sie der Gesetzgeber des SGB III im Achten Abschnitt, nicht aber wie geschehen im Vierten Abschnitt geregelt. Begrifflich könne eine einkommensergänzende Leistung nicht als Erwerbsersatzeinkommen bezeichnet werden. Reiche das Erwerbseinkommen nicht aus, so habe die ergänzende Leistung fürsorgerischen Charakter.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt unter näherer Darlegung,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Allerdings ist sein Feststellungsausspruch (dass der Kläger in der Zeit vom 1.3. bis nicht der Versicherungspflicht zur LAK unterlegen sei) entbehrlich. Der Kläger war durch Bescheid der Beklagten vom gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 ALG von der Versicherungspflicht in der AdL befreit. Entgegen der Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ist im Streitzeitraum keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne von § 48 SGB X eingetreten. Es fehlt insoweit nicht an einem Befreiungsgrund nach § 3 ALG.

Nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG idF des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (Agrarsozialreformgesetz 1995 <ASRG 1995>) vom (BGBl I 1890) - andere Tatbestandsvarianten kommen hier von vornherein nicht in Betracht - werden Landwirte und mitarbeitende Familienangehörige auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, solange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen (iS von § 3 Abs 4 ALG) beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus der Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet. Die mit Wirkung vom in Kraft gesetzte Änderung dieser Norm ("jährlich 4800 Euro") ist zeitlich (noch) nicht anwendbar.

1. Der Kläger hatte in dem strittigen Zeitraum ein regelmäßiges Einkommen über einem Siebtel der Bezugsgröße. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist geklärt, dass der maßgebliche Begriff der Regelmäßigkeit eine gewisse Stetigkeit, Dauer und Gesetzmäßigkeit voraussetzt; wird eine Leistung - wie hier - monatlich geleistet, so ist dieser Rhythmus bestimmend (vgl BSG SozR 3-5868 § 3 Nr 5 S 25 mwN). Geklärt ist aaO insoweit auch, dass längere Unterbrechungen schädlich sind; eine lediglich einen Monat betreffende Lücke - wie vorliegend der Umstand, dass der Kläger im September 2002 nach Auslaufen der sechsmonatigen Bezugsdauer kein Überbrückungsgeld mehr bezogen und erst im Oktober erneut eine Beschäftigung aufgenommen hat - ist folglich unschädlich.

2. Der Senat kann offen lassen, inwieweit der Kläger im Streitzeitraum Arbeitseinkommen über einem Siebtel der Bezugsgröße aus seiner selbstständigen Tätigkeit als Unternehmensberater hatte. Die Bezugsgröße belief sich im Jahre 2002 auf 28.140 Euro jährlich (alte Bundesländer) entsprechend 2.345 Euro monatlich (zur Berechnung vgl näher Senatsurteil vom , SozR 3-5868 § 3 Nr 5 RdNr 18 ff); daraus ergibt sich der Betrag von einem Siebtel: jährlich 4020 Euro, entsprechend monatlich 335 Euro. Folgt man dem SG darin, dass die zu negativen Einkünften führende Ansparrücklage (auch) bei der Feststellung des Arbeitseinkommens nach den Vorschriften des ALG zu berücksichtigen, also nicht aus dem der Besteuerung des Klägers zugrunde liegenden Einkommen "herauszurechnen" ist, läge das (negative) Arbeitseinkommen von -11.661 Euro naturgemäß unter diesem Grenzwert.

a) Einschlägig für die Ermittlung des Arbeitseinkommens ist - mangels näherer Definition insbesondere in § 3 ALG - die Bestimmung des § 15 Abs 1 SGB IV (vgl Senatsurteil vom , SozR 4-5420 § 2 Nr 1 RdNr 21 mwN): Arbeitseinkommen ist danach der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen anzusehen, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Daraus folgt für das vom Kläger im Streitzeitraum als Unternehmensberater bezogene Einkommen, dass nicht allein der tatsächlich erwirtschaftete Gewinn in Höhe von 5.657,37 Euro maßgeblich ist, sondern auch die Ansparrücklage von 16.000 Euro, die der Kläger für einen geplanten Pkw-Kauf gebildet hat. Zu den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts gehört nämlich auch die in § 7g EStG normierte Rücklage (vgl dazu B 7a AL 38/05 R -, SozR 4-4300 § 141 Nr 2 RdNr 17 mwN), die den Regelungen zu Absetzungen und Sonderabschreibungen zugeordnet ist (vgl Fischer in jurisPK-SGB IV, § 15 RdNr 43). Die Rücklagenbildung hat zur Folge, dass sie im Jahr der Bildung zu einem buchmäßigen Aufwand führt, unabhängig davon, ob dabei ein Verlust entsteht - wie im Falle des Klägers - oder sich ein bestehender Verlust erhöht; jedenfalls geht der Steuerpflichtige die Verbindlichkeit ein, die im Jahr ihrer Bildung steuerfreie Rücklage fristgerecht zu investieren (vgl BSG, aaO, mwN). Ergeben sich wie beim Kläger negative Einkünfte, unterschreitet er zwangsläufig die gesetzliche Untergrenze von einem Siebtel der Bezugsgröße.

b) Diesem Ergebnis wäre dann nicht zu folgen, wenn vorliegend - wie im Anwendungsbereich von § 141 Abs 1 SGB III - dem Begriff der selbstständigen Tätigkeit iS von § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV zusätzlich das im Steuerrecht unbekannte Merkmal des persönlichen Einsatzes hinzugefügt werden müsste (so BSG, aaO, juris Orientierungssatz 2; RdNr 17 f). Diese Auslegung hätte die Folge, dass das Arbeitseinkommen des Steuerpflichtigen im Jahr der Auflösung der Ansparrücklage (dort 2001) ohne Rücksicht auf die Gewinnerhöhung ermittelt würde; maßgeblich wäre dann der Gewinn im Jahr der Bildung der Ansparrücklage (dort 1999 bzw 2000), in dem das Arbeitseinkommen tatsächlich erarbeitet wurde. Übertragen auf den vorliegenden Fall wäre der 2002 vom Kläger erwirtschaftete Gewinn ohne Abzug der Ansparrücklage in der - über der Bezugsgröße liegenden - Höhe von 5.657,37 Euro maßgebliches Arbeitseinkommen. Ob insbesondere der Sinn und Zweck der Befreiungsregelung auch hier - im Anwendungsbereich von § 3 Abs 1 ALG - eine solche Auslegung gebieten, drängt sich nicht auf, muss aber auch im Hinblick auf die rechtliche Bedeutung des dem Kläger gezahlten Überbrückungsgeldes (dazu näher unter 3.) nicht entschieden werden.

c) Das Überbrückungsgeld ist allerdings unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als Arbeitseinkommen zu bewerten. Es soll gerade dem Ziel dienen, Arbeitseinkommen zu substituieren (vgl zur Abgrenzung des Arbeitseinkommensbegriffs Senatsurteil vom , SozR 4-5420 § 2 Nr 1 RdNr 18 ff; zutreffend AS ER -, FEVS 58, 37 <Überbrückungsgeld kein Erwerbseinkommen>). Es beruht nicht auf der selbstständigen Tätigkeit, sondern gleicht gerade dessen ungenügende Erträge aus. Seine steuerrechtliche Behandlung führt bei der Abgrenzung nicht weiter; Überbrückungsgeld ist - ebenso wie (sonstige) Entgeltersatzleistungen des SGB III - steuerfrei (vgl § 3 Nr 2 EStG); es unterfällt dem Progressionsvorbehalt des § 32b Abs 1 Nr 1 Buchst a EStG in vergleichbarer Weise.

3. Das dem Kläger von der Bundesanstalt (jetzt Bundesagentur) für Arbeit (BA) gewährte Überbrückungsgeld ist als Erwerbsersatzeinkommen iS des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG ("vergleichbare Leistung von einem Sozialleistungsträger") einzuordnen.

Erwerbsersatzeinkommen sind gemäß § 3 Abs 4 Satz 1 ALG Leistungen, die auf Grund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Gemäß § 3 Abs 4 Satz 2 ALG zählen hierzu insbesondere

1.

Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung, einer berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen und vergleichbare Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis oder aus der Versorgung der Abgeordneten,

2.

Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, soweit es nicht nach § 55 SGB VII gewährt wird, oder Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem SGB III und vergleichbare Leistungen von einem Sozialleistungsträger.

Überbrückungsgeld unterfällt nicht den in Nr 1 aaO bezeichneten Renten und Versorgungsbezügen. Es gehört auch nicht zu den in Nr 2 aaO ausdrücklich bezeichneten Leistungen Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem SGB III. Vielmehr handelt es sich um eine damit "vergleichbare Leistung von einem Sozialleistungsträger", nämlich der BA nach dem SGB III.

Eine entsprechende Regelung findet sich in § 18a Abs 3 Nr 1 SGB IV, der die beim Zusammentreffen mit Renten wegen Todes zu berücksichtigenden Einkommen bestimmt. Sie bezeichnet als Leistungen nach dem SGB III ua ebenfalls ausdrücklich das Übergangsgeld, Unterhaltsgeld und Arbeitslosengeld, nicht aber das Überbrückungsgeld, und bezieht "vergleichbare Leistungen" mit ein. In der Rechtspraxis wird das Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III teilweise als "vergleichbare Leistung" iS des § 18a Abs 3 Nr 1 SGB IV angesehen, sofern zuletzt davor Arbeitslosengeld bezogen wurde (vgl Verbandskommentar, § 18a SGB IV, Stand Dezember 2004, RdNr 18). Dieser - dort nicht weiter begründeten - Auffassung ist zu folgen; Überbrückungsgeld ist jedenfalls dann, wenn es wie - im Falle des Klägers - im Anschluss an Arbeitslosengeld geleistet wird, eine Sozialleistung, die Erwerbsersatzeinkommen vergleichbar ist.

Die maßgebliche Rechtsgrundlage in § 57 SGB III idF vom (BGBl I 3443; in Kraft am ; diese ist im Folgenden gemeint, wenn auf § 57 SGB III Bezug genommen wird) lautet:

(1)

Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Überbrückungsgeld erhalten.

(2)

Überbrückungsgeld kann geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer

1.

in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit oder der vorgeschalteten Teilnahme an einer Maßnahme zu deren Vorbereitung

a)

Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen hat oder einen Anspruch darauf hätte oder

b)

eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder als Strukturanpassungsmaßnahme gefördert worden ist,

und

2.

eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständischen Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3)

Das Überbrückungsgeld wird für die Dauer von sechs Monaten geleistet.

Überbrückungsgeld kann nicht gewährt werden, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 142 bis 145 vorliegen.

(4)

Das Überbrückungsgeld setzt sich zusammen aus einem Betrag, den der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe zuletzt bezogen hat oder bei Arbeitslosigkeit hätte beziehen können, und den darauf entfallenden pauschalierten Sozialversicherungsbeiträgen. Die pauschalierten Sozialversicherungsbeiträge werden als prozentualer Zuschlag ermittelt, dem der jeweils im ersten Halbjahr des Vorjahres für Bezieher von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe insgesamt geleistete durchschnittliche Gesamtsozialversicherungsbeitrag zugrunde zu legen ist.

a) Für eine Vergleichbarkeit des Überbrückungsgeldes mit den insoweit maßstäblichen Leistungen Übergangsgeld, Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld gibt es gewichtige Argumente:

Es teilt mit jenen ausdrücklich den Charakter einer Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts; es setzt nach § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB III zudem voraus, dass eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen worden ist oder ein Anspruch darauf besteht. Die Verknüpfung mit den in § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG aufgeführten Erwerbsersatzeinkommensleistungen der BA drückt sich weiter aus in § 57 Abs 4 SGB III, wonach das Überbrückungsgeld ggf auch der Höhe nach am Arbeitslosengeld orientiert ist. Aus dieser Sicht mag es dahinstehen, dass neben der Sicherung des Lebensunterhalts der Zweck des Überbrückungsgeldes darin besteht, zur sozialen Sicherung in der Zeit nach einer Existenzgründung als Selbstständiger zu dienen. Jedenfalls schließt es die mehrfache Verknüpfung des Überbrückungsgeldes mit den Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III aus, umstandslos auf einen fürsorgerechtlichen Charakter zu schließen und damit die Vergleichbarkeit zu negieren. Auch die zeitliche Befristung - wie sie zudem den Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III (außer der Arbeitslosenhilfe) eigen ist - steht der Annahme einer vergleichbaren Sozialleistung nicht entgegen.

Soweit die Beklagte die systematische Zuordnung des Überbrückungsgeldes im Vierten Kapitel des SGB III (Leistungen an Arbeitnehmer) anspricht, lässt sich daraus kein zwingendes Argument gewinnen: Zwar werden die Entgeltersatzleistungen grundsätzlich dem Achten Abschnitt zugeordnet und in § 116 SGB III aufgeführt. Abgesehen davon, dass die dortige Aufzählung nicht als abschließend zu verstehen ist (Brand in Niesel, SGB III, Komm, 3. Aufl 2005, § 116 RdNr 1), schließt die Gesetzessystematik jedoch die Annahme einer Vergleichbarkeit nicht aus: Hätte der Gesetzgeber nur die in § 116 SGB III erfassten Entgeltersatzleistungen als Befreiungstatbestände privilegieren wollen, hätte er die Öffnungsklausel für "vergleichbare" Sozialleistungen nicht zu schaffen brauchen, sondern es bei einer konkreten Verweisung belassen können.

Überbrückungsgeld ist eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung (vgl § 3 Abs 1 Nr 4, Abs 4 SGB III), teilt diese Eigenschaft indessen mit den meisten Entgeltersatzleistungen des SGB III (Argument aus § 3 Abs 4 SGB III). Damit spricht die Zweckbestimmung der Förderung zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht von vorneherein gegen die Vergleichbarkeit. Selbst die Beklagte bestreitet nicht, dass das Überbrückungsgeld bestimmungsgemäß auch eine lebensunterhaltssichernde Funktion hat; gerade dies kennzeichnet aber Entgeltersatzleistungen der Natur der Sache nach. Soweit das Überbrückungsgeld Entgeltersatzcharakter hat, verliert es diesen nicht deshalb, weil dem Bezieher daneben bereits Arbeitseinkommen aus der selbstständigen Tätigkeit zufließt. Dies macht den Charakter der "Anschubfinanzierung" aus, die bei für die Lebensstandardsicherung noch ungenügendem Arbeitseinkommen eingreifen soll.

b) Allerdings ist nicht zu verkennen, dass § 57 SGB III auch Regelungselemente enthält, die für sich genommen gegen eine Wertung des Überbrückungsgeldes als Erwerbsersatzeinkommen sprechen.

So tritt ein fürsorgerechtlicher Charakter dieser Leistung in den Fällen prägend in den Vordergrund, in denen Überbrückungsgeld im Anschluss an Arbeitslosenhilfe bzw im Hinbick auf das Bestehen eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe geleistet wurde. Mit der Rechtsprechung des Senats, wonach die von der BA gewährte Arbeitslosenhilfe weder Erwerbsersatzeinkommen iS des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG noch eine vergleichbare Leistung iS des § 3 Abs 4 Satz 3 ALG darstellt (BSG SozR 3-5868 § 3 Nr 2), wäre es nicht zu vereinbaren, wenn eine an die Stelle von Arbeitslosenhilfe tretende Leistung davon abweichend doch wieder als "vergleichbare Sozialleistung" angesehen würde (vgl zu Wesen, Zielen und Voraussetzungen des Überbrückungsgeldes näher die Erläuterungen bei Link in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand November 2006, § 57; Götze in GK-SGB III, Stand Oktober 2006, § 57; Winkler in Gagel, SGB III, Stand 2007, § 57). Für seine Beurteilung der Arbeitslosenhilfe im Rahmen des § 3 Abs 4 ALG hat sich der Senat in eingehender Auseinandersetzung insbesondere darauf bezogen, dass schon nach den einschlägigen Gesetzgebungsmaterialien als "vergleichbare Sozialleistung" beispielsweise das Mutterschafts-Urlaubsgeld, Kurzarbeitergeld und Schlechtwettergeld, nicht aber Leistungen mit fürsorgerechtlichem Charakter wie Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe gekennzeichnet sind (vgl BSG SozR 3-5868 § 3 Nr 2 S 10 mwN, m Anm Koch, jurisPR-SozR 15/2006 Anm 4). Die in § 3 Abs 4 Satz 1 Nr 1 und 2 ALG ausdrücklich angeführten Leistungen werden ohne jegliche Bedürftigkeitsprüfung gewährt und können damit tatsächlich "Erwerbseinkommen ersetzen". Wenn hingegen die Arbeitslosenhilfe voraussetzt, dass der arbeitslose Arbeitnehmer bedürftig ist, also seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht, spricht dies nach Auffassung des Senats dafür, Arbeitslosenhilfe nicht als Erwerbsersatzeinkommen iS des § 3 ALG anzusehen (vgl aaO, S 10 f).

Gegen eine Einordnung des Überbrückungsgeldes in den § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG kann auch dessen Charakter als Ermessensleistung angeführt werden, auf die - anders als bei den Katalog-Entgeltersatzleistungen gemäß § 116 SGB III - eben kein Rechtsanspruch besteht (vgl zur Ermessensleistung nur BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 12 mwN, auch zur Rechtsentwicklung; zur Vorgängerbestimmung in § 55a AFG: BSGE 73, 211 = SozR 3-4100 § 55a Nr 5; BSGE 67, 279 = SozR 3-4100 § 55a Nr 1; stRspr). Die in § 57 Abs 1 SGB III enthaltene Formulierung "zur Sicherung des Lebensunterhaltes" benennt eine allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung, die die BA bei ihrer Ermessensbetätigung auch grundsätzlich zu berücksichtigen hat; es liegt auf der Hand, dass die gebotene sachgerechte Begrenzung der Leistungsbewilligung (BSGE 67, 279, 284 = SozR 3-4100 § 55a Nr 1) zuvörderst an den gesetzlichen Voraussetzungen und Zielen anknüpft, insbesondere an dem expliziten Zweck der Leistung, einer Sicherung des Lebensunterhalts (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 12; siehe auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom - 2 K 6167/02 -, juris <Überbrückungsgeld Einkommen iS von § 76 Abs 2a Nr 1 BSHG>), zumal gerade die besonderen Umstände des Einzelfalles geprüft und in die Ermessensentscheidung mit einbezogen werden müssen (BSGE 73, 211 = SozR 3-4100 § 55a Nr 5).

c) Diese Gesichtspunkte sprechen im vorliegenden Fall nicht gegen eine Bejahung des Befreiungstatbestandes nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG. Dieser richtet sich nämlich gerade bei Leistungen, deren Einordnung wegen ihrer unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung Schwierigkeiten bereitet, nach der konkreten Art und Weise des Bezuges.

Der Kläger hat Überbrückungsgeld im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld erhalten. Auch im Rahmen der Ermessensausübung ist keine Bedürftigkeitsprüfung vorgenommen worden. Eine solche war nach den damals anwendbaren Verwaltungsanweisungen in derartigen Fällen offenbar nicht vorgesehen (vgl Dienstblatt-Runderlass 173/88 der BA vom , Nr 2; dazu auch SG Chemnitz, Urteil vom - S 26 AL 445/05 - juris).

Soweit in der weiteren Rechtsentwicklung des § 57 SGB III seit dem eine engere Verknüpfung mit der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld hergestellt wurde, ist das für den vorliegenden Streitzeitraum ohne Belang. Mit dem Wegfall der Arbeitslosenhilfe musste sowohl in Abs 2 Nr 1 Buchst a aaO ("Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch") als auch in Abs 5 aaO die Verknüpfung mit der Arbeitslosenhilfe entfallen, womit der zum Teil fürsorgerechtliche Charakter des Überbrückungsgeldes vollends weggefallen ist. Das an die Stelle der Arbeitslosenhilfe getretene Arbeitslosengeld II vermittelt keinen Anspruch auf Überbrückungsgeld bzw auf einen Gründungszuschuss, der durch die Neufassung des § 57 SGB III mit Wirkung vom (Gesetz vom , BGBl I 1706) an die Stelle des Überbrückungsgeldes sowie des ähnlich ausgestalteten Existenzgründungszuschusses (§ 421 l SGB III aF) getreten ist (Argument aus § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB III nF). Bereits durch das Gesetz vom (vgl dazu näher BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 12) ist das Überbrückungsgeld überdies zu einer Pflichtleistung gemacht worden. Damit hat der Gesetzgeber ebenfalls Abstand von fürsorgerechtlichen Elementen des Überbrückungszuschusses genommen und damit den Aspekt der Vergleichbarkeit mit den ausdrücklich genannten Erwerbseinkommensersatzleistungen iS des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG gestärkt.

d) Soweit das SG seine Entscheidung - tragend - darauf gestützt hat, dass der Kläger mit dem Überbrückungsgeld auch darauf entfallende pauschalierte Sozialversicherungsbeiträge erhalten hat, aus denen von ihm freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt worden sind, muss und kann ihm nicht gefolgt werden. Dieser Umstand begründet für sich genommen keine Befreiung von der Versicherungspflicht in der AdL. Zur Frage der Heranziehung zu zwei getrennten Alterssicherungssystemen hat der Senat in stRspr darauf hingewiesen, dass das ALG für die AdL nur eine Teilabsicherung gewährleistet, neben der zum Zwecke der Alterssicherung auch anderweitig zB Vermögen oder Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgebaut werden können und sollen. Der einheitliche Pflichtbeitrag dient dem Erwerb einer Teilversorgung von weniger als der Hälfte einer durchschnittlichen Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl BSG SozR 3-5868 § 3 Nr 2 S 11 mwN). Soweit die dem (Fiktiv-)Landwirt gezahlte Sozialleistung Bedürftigkeit voraussetzt, muss dieser sich hinsichtlich seiner Belastung mit Beiträgen zur AdL auf einen Anspruch auf Beitragszuschuss verweisen lassen (vgl BSG, aaO, S 11 ff).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
XAAAC-53573