Leitsatz
[1] Der Eröffnungsantrag eines Nachlasspflegers ist zulässig, wenn er eine Überschuldung des Nachlasses in substantiierter, nachvollziehbarer Form darlegt; eine Schlüssigkeit im technischen Sinne ist nicht erforderlich.
Gesetze: InsO § 13 Abs. 1; InsO § 317
Instanzenzug: AG Duisburg 62 IN 398/03 vom LG Duisburg 7 T 50/04 vom
Gründe
I.
Das zuständige Nachlassgericht hat den Antragsteller mit Beschluss vom als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des verstorbenen D. bestellt. Als Wirkungskreis wurde die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses bestimmt. Die Ehefrau, die Tochter, die Eltern sowie der Bruder des Erblassers haben die Erbschaft ausgeschlagen.
Mit einem am beim Insolvenzgericht eingegangenen Antrag hat der Antragsteller die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass des Verstorbenen wegen Überschuldung beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Nachlass bestehe aus Wohnungseinrichtungsgegen-ständen, die die Ehefrau übernommen habe, sowie aus dem Erlös dreier älterer Kraftfahrzeuge in Höhe von 1.260 € abzüglich Verwertungskosten. Demgegenüber beliefen sich die Verbindlichkeiten des Erblassers auf 28.097,89 €, 5.259,49 € und 4.109,98 € bei drei verschiedenen Kreditinstituten.
Das Insolvenzgericht hat nach Beiziehung der Nachlassakten den Antragsteller mit Verfügung vom darauf hingewiesen, ein Eröffnungsgrund sei nicht hinreichend dargetan. Es fehle insbesondere an einer ordnungsgemäßen Nachlassübersicht. Auch sei es erforderlich, die näheren beruflichen und persönlichen Lebensumstände des Erblassers in den letzten Jahren darzustellen, soweit sie für die Beurteilung der Vermögensverhältnisse bedeutsam sein können. Hierauf teilte der Antragsteller mit, er habe in seinem Insolvenzantrag bereits eine vollständige Nachlassübersicht gegeben. Nähere berufliche und persönliche Lebensumstände seien nicht bekannt.
Mit Beschluss vom hat das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers für sachlich unbegründet erachtet. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die gemäß §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, nach § 317 Abs. 1 InsO könne ein Nachlasspfleger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Hierbei seien die Voraussetzungen des Insolvenzgrundes von dem Antragsteller auch im Falle des Antrags auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens nachvollziehbar darzustellen. Diesen Anforderungen genüge der Antrag nicht. Es fehle insbesondere an einer Darstellung der näheren Lebensumstände des Verstorbenen, der Art der Auffindung des Nachlasses sowie der Bemühungen des Antragstellers zur vollständigen Erfassung des Nachlasses. Auch habe der Antragsteller davon abgesehen, nachvollziehbare Angaben zu Bankkonten und etwaigen regelmäßigen Einkünften des Verstorbenen zu machen.
2. Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand.
a) Für das allgemeine Insolvenzverfahren ist anerkannt, dass der Schuldner entsprechend § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 4 InsO einen Eröffnungsgrund in substantiierter, nachvollziehbarer Form darzulegen hat. Erforderlich - aber auch genügend - ist die Mitteilung von Tatsachen, welche die wesentlichen Merkmale eines Eröffnungsgrundes im Sinne von §§ 17 f InsO erkennen lassen. Die tatsächlichen Angaben müssen die Finanzlage des Schuldners nachvollziehbar darstellen, ohne dass sich daraus bei zutreffender Rechtsanwendung schon das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes ergeben muss; eine Schlüssigkeit im technischen Sinne ist nicht vorauszusetzen. Der Schuldner muss - wie sich im Umkehrschluss aus § 14 Abs. 1 InsO ergibt - den Eröffnungsgrund nicht glaubhaft machen (BGHZ 153, 205, 207; HK-InsO/Kirchhof 4. Aufl. § 13 Rn. 20). Im Zulassungsverfahren besteht noch keine Amtsermittlungspflicht gemäß § 5 InsO. Diese greift erst ein, wenn ein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt (BGHZ 153, 205, 207; , ZIP 2003, 1005). Genügt ein Antrag den vorstehend angeführten Mindesterfordernissen nicht, hat das Insolvenzgericht den Schuldner auf den Mangel hinzuweisen und eine Frist zu dessen Behebung zu setzen; nach fruchtlosem Ablauf darf - und muss - es den Antrag als unzulässig zurückweisen (BGHZ 153, 205, 207 f; HK-InsO/Kirchhof aaO; HambKomm-InsO/Wehr § 13 Rn. 10).
b) Diese Grundsätze finden auch auf die Antragstellung eines Nachlasspflegers gemäß § 317 Abs. 1 InsO Anwendung, wenn diesem die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses obliegt.
aa) § 317 InsO bestimmt die Antragsberechtigten für die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens. Für die Einzelheiten der Antragstellung gelten die Grundregeln der §§ 13 und 14 InsO (Kübler/Prütting/Kemper, InsO § 317 Rn. 3), wie auch im Übrigen die Sonderregelungen des Nachlassinsolvenzverfahrens durch die allgemeinen Vorschriften der Insolvenzordnung zur Regelinsolvenz ergänzt werden (Graf-Schlicker/Messner, InsO vor §§ 315 bis 331 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Siegmann vor §§ 315 bis 331 Rn. 1; HambKomm-InsO/Böhm Vorbem. zu §§ 315 ff Rn. 1; Uhlenbruck/Lüer, InsO 12. Aufl. § 315 Rn. 1).
bb) Wird der Nachlasspfleger allgemein mit der Sicherung und Verwaltung betraut, gehört es insbesondere zu seinen Pflichten, den Nachlass zu erhalten und zu verwalten und die Vermögensinteressen der noch festzustellenden Erben wahrzunehmen. Dazu hat er namentlich kraft Amtes den Nachlass an sich zu nehmen (vgl. IVa ZR 166/81, NJW 1983, 226; Palandt/Edenhofer, BGB 66. Aufl. § 1960 Rn. 13). Um diesen Aufgaben ordnungsgemäß nachzukommen, muss sich der Nachlasspfleger zuvor einen allgemeinen Überblick über die näheren Lebens- und Einkommensverhältnisse des Erblassers verschaffen. Nur aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse ist er in der Lage, den Nachlass vollständig zu erfassen. Der Nachlasspfleger ist demnach, ebenso wie der Schuldner, regelmäßig imstande, die Vermögensverhältnisse in substantiierter, nachvollziehbarer Form darzulegen.
c) Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller hinreichende Tatsachen vorgetragen, welche die wesentlichen Merkmale des Eröffnungsgrundes der Überschuldung erkennen lassen.
Aus den Angaben in der Antragsschrift ergibt sich, dass der Erblasser mit Ausnahme der zwischenzeitlich veräußerten Kraftfahrzeuge und des von seiner Ehefrau übernommenen Hausrats über keine nennenswerten Vermögensgegenstände verfügt hat. Der Gesamterlös für die Kraftfahrzeuge betrug lediglich 1.800 € und stimmte, wie sich aus den weiteren Angaben in der Nachlassakte, die das Insolvenzgericht zu Recht beigezogen hatte, mit den vom Antragsteller in der Antragsschrift angeführten PKW-Wertgutachten überein. Dem Nettobetrag von 1.260 € hat der Antragsteller Bankverbindlichkeiten von insgesamt 37.468,36 € gegenübergestellt. Hieraus sowie aus dem weiter vom Antragsteller mitgeteilten Hinweis, dass die bisher bekannten Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben, was durch die angeführte Nachlassakte bestätigt wird, ergaben sich hinreichende Anzeichen dafür, dass der Nachlass überschuldet ist. Bei diesem Verfahrensstand war die Schwelle vom Zulassungs- zum Eröffnungsverfahren bereits überschritten (vgl. BGHZ 153, 205, 208; Kübler/Prütting, InsO § 20 Rn. 34). Daher durfte das Insolvenzgericht den gestellten Antrag nicht als unzulässig zurückweisen, was auch das Beschwerdegericht nicht hinreichend beachtet hat.
d) Wenn das Insolvenzgericht gleichwohl die Voraussetzungen eines Eröffnungsgrundes noch nicht als gegeben ansieht, hat es in Ausübung der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht nunmehr eigenständig aufzuklären, ob der Eröffnungsantrag begründet ist (vgl. BGHZ 153, 205, 208). Dazu stehen ihm gegebenenfalls die Mittel des § 20 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 97, 98, 101 InsO zur Verfügung. Insoweit ist das Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen, dass für die vom Insolvenzgericht verlangte Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrundes bei einem Antrag durch den Nachlasspfleger kein Raum ist (vgl. BGHZ 153, 205, 207).
e) Der Senat hält es für angezeigt, die Zurückverweisung in die erste Instanz auszusprechen (BGHZ 160, 176, 185 f; , ZVI 2004, 743, 744; Beschl. v. - IX ZB 287/03, ZVI 2006, 29, 30).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WM 2007 S. 1754 Nr. 37
ZIP 2007 S. 1868 Nr. 39
MAAAC-53085
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja