Kein Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung nach Ergehen eines Änderungsbescheides
Gesetze: AO § 176
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) führte im Streitjahr (1995) verschiedene Baumaßnahmen an dem ihm gehörenden, an einen Dritten verpachteten Bauernhof durch. Die Baufirma erteilte ihm zwei Abschlagsrechnungen mit offen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen von 16 532,60 DM und 5 217,39 DM. In der Schlussrechnung vom setzte die Baufirma ein Entgelt von insgesamt 238 478,50 DM zuzüglich Umsatzsteuer von 35 771,76 DM an. Von der sich hieraus ergebenden Summe von 274 250,26 DM zog sie vom Kläger und vom Pächter geleistete Abschlagszahlungen von 210 892,86 DM ab und errechnete hieraus einen noch zu zahlenden Betrag von 63 357,40 DM. Sie wies ferner darauf hin, dass in diesem Betrag die Umsatzsteuer mit 8 264 DM enthalten sei.
Der Kläger verzichtete auf die Steuerfreiheit der Verpachtungsumsätze und machte in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr sowohl die in den ihm erteilten Abschlagsrechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 21 749,99 DM als auch den in der Schlussrechnung vom angegebenen Umsatzsteuerbetrag von 35 771,76 DM als Vorsteuerbeträge geltend, ohne dies im Erklärungsvordruck kenntlich zu machen. Der Kläger errechnete insgesamt einen verbleibenden Überschuss der abziehbaren Vorsteuerbeträge über die Umsatzsteuer von 60 388,31 DM. Das damals zuständige Finanzamt stimmte der Umsatzsteuererklärung mit Bescheid vom zu und wies darauf hin, dass die Umsatzsteuererklärung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung —AO—) gleichstehe.
Im Anschluss an eine Außenprüfung kürzte das Finanzamt mit dem Änderungsbescheid vom die abziehbaren Vorsteuerbeträge u.a. um 21 749,99 DM. Es vertrat dabei die Auffassung, insoweit seien die Vorsteuerbeträge zu Unrecht doppelt angesetzt worden.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das inzwischen zuständig gewordene Finanzamt) wies den Einspruch des Klägers in diesem Punkt mit der Begründung zurück, der Leistungsempfänger könne nur den Teil des in der Endrechnung ausgewiesenen Steuerbetrags als Vorsteuer abziehen, der auf das nach der Ausführung der Leistung zu entrichtende restliche Entgelt entfalle.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage unter Hinweis auf die (BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695) und vom V R 26/01 (BFHE 198, 238, BStBl II 2004, 317) ab. Der vom Kläger geltend gemachte doppelte Vorsteuerabzug scheide danach aus. Auch die Regelungen des § 176 AO über den Vertrauensschutz stünden der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Änderungsbescheids nicht entgegen. Dass der Kläger den Vorsteuerabzug doppelt geltend gemacht habe, sei der Finanzverwaltung erst bei der Außenprüfung bekannt geworden.
Der Kläger stützt die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels. Das FG habe seinem Klagevorbringen nachgehen müssen, dass der doppelte Vorsteuerabzug für das seinerzeit zuständige Finanzamt bei der Erteilung der Zustimmung aus Unterlagen erkennbar gewesen sei, die er zusammen mit der Umsatzsteuer- und der Einkommensteuererklärung vorgelegt habe.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Vorentscheidung stellt sich im Ergebnis auch dann als richtig dar, wenn das FG aufgrund der von ihm vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung verpflichtet gewesen wäre, dem Vorbringen des Klägers zu den von ihm den Steuererklärungen beigefügten Anlagen nachzugehen, und sich dieses Vorbringen als zutreffend herausgestellt hätte. Die Beschwerde ist daher in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen (vgl. BFH-Beschlüsse vom VII B 267/05, BFH/NV 2006, 1792; vom X B 39/04, BFH/NV 2007, 258, und vom VIII B 104/06, BFH/NV 2007, 486).
1. Das FG hat auf der Grundlage der BFH-Urteile in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, und in BFHE 198, 238, BStBl II 2004, 317 zutreffend angenommen, dass die bereits in den Abschlagsrechnungen gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge nicht nochmals aufgrund der Schlussrechnung als Vorsteuerbeträge abgezogen werden können. Der Kläger geht in seiner Beschwerdebegründung ebenfalls von dieser Rechtslage aus.
2. Selbst wenn das seinerzeit zuständige Finanzamt aus den den Steuererklärungen für 1995 beigefügten Anlagen den doppelt geltend gemachten Vorsteuerabzug hätte erkennen können, stand § 176 AO dem Erlass des Änderungsbescheids vom nicht entgegen.
a) Bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids darf nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nicht zu Ungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist. Ist die bisherige Rechtsprechung bereits in einer Steuererklärung oder einer Steueranmeldung berücksichtigt worden, ohne dass das für die Finanzbehörde erkennbar war, so gilt dies gemäß § 176 Abs. 1 Satz 2 AO nur, wenn anzunehmen ist, dass die Finanzbehörde bei Kenntnis der Umstände die bisherige Rechtsprechung angewandt hätte.
Nach diesen Vorschriften ergibt sich kein Vertrauensschutz, wenn sich die Rechtsprechung erst nach Erlass des zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ergangenen Änderungsbescheids geändert hat. Es wird also nicht der Fall erfasst, dass zunächst ein Änderungsbescheid ergeht und erst im Anschluss hieran eine Rechtsprechungsänderung erfolgt, durch die der Änderungsbescheid materiell-rechtlich legitimiert wird (, BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409; in BFHE 198, 238, BStBl II 2004, 317, unter II. 2., und vom XI R 30/05, Betriebs-Berater —BB— 2007, 1206). § 176 AO schützt nicht das Vertrauen in die Gesetzgebung oder in die höchstrichterliche Rechtsprechung, sondern in die Bestandskraft der Steuerfestsetzung. Das Vertrauen in die Bestandskraft eines Erstbescheids wird bereits mit Erlass eines Änderungsbescheids aufgehoben (BFH-Urteil in BB 2007, 1206).
b) Der Kläger kann danach aus § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 AO kein Recht auf Vertrauensschutz ableiten. Das Urteil in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, nach dem abweichend von der früheren Rechtsprechung des BFH der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes voraussetzt, dass eine Steuer für den berechneten Umsatz geschuldet wird, ist erst am und somit nach Erlass des Änderungsbescheids vom ergangen.
3. Es kommt danach nicht mehr darauf an, ob die Schlussrechnung vom so zu verstehen ist, dass Umsatzsteuer in Höhe von 35 771,76 DM gesondert ausgewiesen wurde, oder ob sich der gesonderte Steuerausweis nur auf den in der Rechnung angegebenen Betrag von 8 264 DM bezog, der nach den Angaben in der Rechnung in dem noch zu zahlenden Restbetrag von 63 357,40 DM enthalten war.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1802 Nr. 10
ZAAAC-52009