BGH Urteil v. - V ZR 257/06

Leitsatz

[1] Die Anmeldung eines Rückübertragungsanspruchs begründet keine Verpflichtung des Verfügungsberechtigten, den zurückzuübertragenden Vermögensgegenstand so zu bewirtschaften, dass für den Berechtigten ein Überschuss erzielt wird.

Gesetze: VermG § 3 Abs. 3; VermG § 7 Abs. 7 Satz 2

Instanzenzug: LG Potsdam 8 O 169/05 vom OLG Brandenburg 11 U 134/05 vom

Tatbestand

Die Kläger sind Erbeserben nach M. G. , die jüdischer Herkunft war. Ihr Vermögen wurde verfolgungsbedingt 1941 zugunsten des Deutschen Reichs enteignet. Zu diesem gehörte das Grundstück K. straße in P. .

Die K. straße wurde später in K. -M. -Straße umbenannt; das Grundstück wurde als volkseigen gebucht. Es erstreckt sich von der Karl-Marx-Straße bis zum G. -See. Der seeseitige Teil des Grundstücks diente als Grenzsicherungsstreifen, der straßenseitige, mit einer Villa bebaute Teil wurde vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR genutzt. Ende 1989 wurde das Grundstück der beklagten Stadt übergeben. Sie nutzte Villa und Grundstück zum Betrieb einer Kindertagesstätte. Der straßenseitige Teil des Grundstücks wurde der Beklagten zugeordnet.

Im März 1991 beantragten die Kläger die Rückübertragung des Grundstücks. Beginnend mit dem überließ die Beklagte dem A. - P. e.V. (A. ) Villa und Grundstück zur Fortsetzung der Nutzung als Kindertagesstätte. Hierzu schloss sie am mit der A. einen schriftlichen Vertrag. Nach diesem hatte die A. die zur Bewirtschaftung des Gebäudes erforderlichen Kosten zu tragen; für die Überlassung des Besitzes war kein Entgelt zu bezahlen. Das Vertragsverhältnis sollte zunächst bis zum andauern; von da sollte es sich um jeweils drei Jahre verlängern, sofern es nicht unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten gekündigt würde.

Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte den Vertrag mit der A. zum Ablauf des . Mit Bescheiden vom wurde der straßenseitige Teil, mit Bescheid vom der restliche Teil des Grundstücks den Klägern zurückübertragen. Bei Ablauf des gab die A. Grundstück und Villa nicht heraus. Die Kläger erhoben deshalb im August 2004 Klage gegen die A. auf Herausgabe und Räumung. Am erwirkten sie ein stattgebendes Urteil.

Die Kläger verlangen für den Zeitraum vom bis zum von der Beklagten eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 484.580 € (4.080 € pro Monat) zuzüglich Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger den geltend gemachten Anspruch weiter.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Kläger. Es meint, ein solcher folge weder aus § 7 Abs. 7 VermG noch aus einem pflichtwidrigen Verhalten der Beklagten. Dass die Beklagte Grundstück und Villa der A. unentgeltlich zur Nutzung überlassen habe, bedeute keine Verletzung ihrer Pflichten als Verfügungsberechtigte gegenüber den Klägern. Soweit der hierzu geschlossene Vertrag auf die Dauer von fünf Jahren unkündbar und später nur alle drei Jahre kündbar gewesen sei, habe die Beklagte zwar gegen das Verbot von § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG verstoßen, es zu unterlassen, einen langfristigen Vertrag zur Nutzung des Grundstücks zu schließen. Der Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung sei für das Unterbleiben der Räumung und Herausgabe des Grundstücks bis zum jedoch nicht ursächlich geworden. Gehe man davon aus, dass die Kläger bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten ab dem die Räumung und Herausgabe des Grundstücks gegen die A. hätten betreiben können, führe dies nicht dazu, dass sie vor dem den unmittelbaren Besitz von Villa und Grundstück erlangt hätten. Dies zeige die Dauer ihrer Rechtsverfolgung gegen die A. .

II.

Die Revision ist teilweise begründet. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch der Kläger wegen der Nutzung des Grundstücks durch die A. im Zeitraum vom bis zum nicht verneint werden.

1. Ein solcher Anspruch sowie der geltend gemachte Anspruch insgesamt folgt allerdings nicht aus § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG. Nach dieser Bestimmung hat der Verfügungsberechtigte dem Berechtigten die Entgelte herauszugeben, die ihm aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis zugeflossen sind oder zustehen. Hat der Verfügungsberechtigte dem Nutzer den Besitz an der zurückzuübertragenden Sache unentgeltlich überlassen, fehlt es an einem Entgelt, das der Nutzer für die Überlassung des Besitzes dem Verfügungsberechtigten zu zahlen hätte und das der Verfügungsberechtigte dem Berechtigten herausgeben könnte.

2. Dass der Verfügungsberechtigte den Besitz einem Dritten unentgeltlich überlassen hat, führt ebenfalls nicht zu einem Ersatzanspruch des Rückübertragungsberechtigten (Senat, BGHZ 141, 232, 236). Die Anmeldung eines Rückübertragungsanspruchs lässt ein treuhandähnliches Rechtsverhältnis zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem Berechtigten entstehen (Senat, BGHZ 128, 210, 211; Urt. v. , V ZR 493/99, WM 2002, 613, 614). Dieses verpflichtet den Verfügungsberechtigten, die zurückzuübertragende Sache zu erhalten (Senat, Urt. v. , V ZR 165/01, WM 2002, 2425, 2427; , NJW-RR 2005, 391), nicht jedoch dazu, aus der Nutzung der Sache einen Überschuss für den Berechtigten zu erwirtschaften.

Nach der ursprünglichen Konzeption des Vermögensgesetzes standen die Nutzungen eines zurückzuübertragenden Vermögensgegenstandes bis zur Rückübertragung dem Verfügungsberechtigten zu, § 7 Abs. 7 Satz 1 VermG. Die mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. Septem-ber 1994 vorgenommene Ergänzung der Vorschrift um § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG verpflichtet den Verfügungsberechtigten, die aus der Nutzung des Vermögensgegenstands seit dem erwirtschafteten Beträge dem Berechtigten herauszugeben. Die Bestimmung der Herausgabepflicht hat zum Ziel, Missbräuche durch eine Verzögerung der Rückübertragung und eine Fehlverwendung erzielter Erträge zu verhindern (Senat, BGHZ 141, 232, 235; Urt. v. , V ZR 105/04, NZM 2006, 153, 154). Eine Erweiterung der Pflichten des Verfügungsberechtigten dahin, dass der zurückzuübertragende Vermögensgegenstand so zu bewirtschaften sei, dass für den Berechtigten ein Überschuss erzielt werde, war mit der Einfügung der Herausgabepflicht in § 7 Abs. 7 VermG weder beabsichtigt noch ist sie erfolgt.

3. Auch die Tatsache, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der A. bis zum nicht gekündigt werden konnte, führt nicht zu einem Anspruch der Kläger.

Die Beklagte hat durch die Vereinbarung einer festen Vertragsdauer bis zu diesem Tag gegen die in § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG bestimmte Verpflichtung verstoßen, die Begründung langfristiger Rechtsverhältnisse im Hinblick auf die Villa und das Grundstück zu unterlassen. Der Verstoß der Beklagten begründet jedoch deshalb nicht den von den Klägern geltend gemachten Anspruch, weil die Kläger erst mit dem Eintritt der Bestandskraft des Beschlusses vom am Eigentümer des mit der Villa bebauten Teils des Grundstücks wurden und an diesem Tag der Zeitraum verstrichen war, während dessen die Kündigung des Vertrages vom ausgeschlossen war.

4. Anders verhält es sich, soweit der Vertrag zwischen der A. und der Beklagten erst zum kündbar war. Das Berufungsgericht hat die Beklagte im Hinblick auf § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG als verpflichtet angesehen, das mit der A. zur Nutzung vereinbarte Rechtsverhältnis so zu gestalten, dass dieses nach der Rückübertragung des Grundstücks kurzfristig beendet werden konnte, und hat hierzu eine Frist von sechs Wochen als geboten und erreichbar angesehen. Das nimmt die Revision als ihr günstig hin. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

Damit aber kann der von den Klägern für den Zeitraum vom bis zum geltend gemachte Anspruch nicht deshalb verneint werden, weil der Ablauf der Ereignisse zeige, dass es eines lang dauernden Verfahrens gegen die A. bedurfte, um die Räumung und die Herausgabe von Grundstück und Villa herbeizuführen. Die Kläger sind gemäß § 17 VermG mit dem Erwerb des Eigentums an dem wesentlichen der Beklagten zugeordneten Teil des Grundstücks in den Vertrag vom eingetreten. Damit blieb die A. auch ihnen gegenüber bis zum zum Besitz berechtigt, ohne hierfür Entgelt zahlen zu müssen, während die Vereinbarung eines Kündigungsrechts mit einer Frist von sechs Wochen ab Rückübertragung zu einer Entschädigungspflicht der A. nach § 988 BGB geführt hätte (vgl. Senat, Urt. v. , V ZR 136/06, zur Veröffentlichung bestimmt), soweit sie das Grundstück und die Villa den Klägern nicht am herausgab.

III.

Eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits ist dem Senat nicht möglich. Die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache gibt den Klägern Gelegenheit, ihren Vortrag zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs, auf den es nach der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts nicht ankam, näher auszuführen.

Fundstelle(n):
TAAAC-51415

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja