Anwendbarkeit des § 127 AO bei einheitlicher und gesonderter Feststellung der Besteuerungsgrundlagen; Steuerbarkeit einer Entschädigung für entgangene Mieteinnahmen
Leitsatz
Erhält der Eigentümer eines wegen unklarer Vermögenslage von der Bundesrepublik Deutschland verwalteten und der Bundesfinanzverwaltung vermieteten Grundstücks eine nach den erzielten Mieteinnahmen bemessene Entschädigung, gehört diese auch dann gem. § 24 EStG zu den Einkünften i. S. des § 2 Abs. 1 EStG, wenn der Eigentümer nie beabsichtigt hat, das Grundstück selbst zu Vermietungszwecken zu nutzen.
Gesetze: AO § 127, AO § 180, AO § 181, EStG § 24, EStG § 21
Instanzenzug:
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Vorentscheidung weicht nicht von Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab, so dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
a) Dies gilt zunächst in Bezug auf die mit der Nichtzulassungsbeschwerde herausgehobene Frage, ob § 127 der Abgabenordnung (AO) bei einer einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO der Erbengemeinschaft, an der der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beteiligt ist, anwendbar ist. Hier ergibt sich die Antwort im Sinne einer Anwendbarkeit der Norm direkt aus dem Gesetz: Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung (also die §§ 134 ff. AO). Da Steuerbescheid der nach § 122 Abs. 1 AO bekannt gegebene Verwaltungsakt ist (§ 155 Abs. 1 Satz 2 AO), gilt auch § 127 AO sinngemäß. Wenn der BFH grundlegend in seinem Urteil vom VIII R 325/84 (BFHE 147, 101, BStBl II 1987, 195) und daraufhin in ständiger Rechtsprechung bei Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b AO in der Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit einen abweichend von § 127 AO nicht heilbaren Rechtsfehler sieht, so beruht das auf dem normspezifischen Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit für die gesonderte Gewinnfeststellung (§ 18 AO) und für die Steuern vom Einkommen (§ 19 AO) als tatbestandsmäßiger Voraussetzung für den Erlass eines gesonderten Gewinnfeststellungsbescheids. Dieser Gedanke ist —wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat— bei einer einheitlichen und gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO nicht tragend.
b) Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, weil das FG die der Erbengemeinschaft ausgezahlte Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu deren Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 EStG gerechnet hat. Darin liegt kein Widerspruch zur Entscheidung des (BFHE 145, 320, BStBl II 1986, 252) zur faktischen Bausperre. Anders als im Streitfall waren dort auf dem Trümmergrundstück keinerlei Einkünfte erzielt worden, die Entschädigung errechnete sich nach der sog. Bodenrenteformel aus dem fiktiven Mietzins, Pachtzins oder Erbbauzins für das unbebaute Grundstück.
Dem Streitfall näher liegt das (BFHE 209, 87, BStBl II 2005, 480), wonach der Herausgabe gezogener Nutzungen Entschädigungscharakter zukommt. Eine kausale Verknüpfung zwischen Entschädigung und den entgangenen Einnahmen sieht der BFH unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das BFH-Urteil zur faktischen Bausperre in BFHE 145, 320, BStBl II 1986, 252 darin, dass der Berechtigte die Mietentgelte —hätte er sie statt der Verfügungsberechtigten erzielt— nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG versteuern müsste, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Einnahmen— nämlich solche aus Vermietung und Verpachtung— von dem Berechtigten erwartet werden konnten. Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies: Hätte die Erbengemeinschaft als Eigentümerin ihr Grundstück, um das es hier geht, statt der Bundesfinanzverwaltung vermietet, so hätte sie diese Einnahmen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG versteuern müssen. Es kommt nicht darauf an, ob die Erbengemeinschaft Einkünfte erzielt hätte, wenn nicht die Bundesrepublik Deutschland das Grundstück verwaltet hätte. Diesen Grundsätzen entspricht die Entscheidung der Vorinstanz.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; eine Entscheidung des BFH ist auch zur Fortbildung des Rechts nicht erforderlich; denn die vom Kläger herausgehobenen Rechtsfragen sind entsprechend den Ausführungen unter 1. bereits geklärt.
3. Einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) macht der Kläger —worauf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) zutreffend hinweist— mit einer Verletzung des § 96 FGO nicht geltend. Überdies ist der aufgezeigte Widerspruch nach den Ausführungen unter 1. auch materiell-rechtlich nicht vorhanden: Auch dann, wenn die Erbengemeinschaft nie beabsichtigte, das Grundstück selbst zu Vermietungszwecken zu nutzen, sind ihr die tatsächlich von der Bundesrepublik Deutschland erzielten Vermietungseinnahmen entgangen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1628 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2007 S. 13
VAAAC-51316