Änderung von Steuerbescheiden nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO; Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung
Gesetze: AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 116
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Einkommensteuerbescheide zu Ungunsten der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geändert werden durften.
Die Klägerin wohnte in den Streitjahren (1985 bis 1988) in Deutschland, und zwar außerhalb des Grenzgebiets i.S. des Art. 15 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) —DBA-Schweiz 1971—. Sie war als Arbeitnehmerin für die in Y (Schweiz) ansässige X-AG tätig.
Im Zusammenhang mit der Einkommensteuererklärung für 1979 hatte die Klägerin dem damals für ihre Veranlagung zuständigen Finanzamt B (FA B) eine Bescheinigung der X-AG vorgelegt, die besagt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit häufig zur Informationsbeschaffung ins europäische Ausland reise und deshalb an mehr als 60 Arbeitstagen im Jahr nicht in der Schweiz tätig sei. Weiter heißt es in der Bescheinigung, dass die Klägerin mithin nicht Grenzgängerin sei und daher der Quellenbesteuerung im Kanton Y unterstellt werden könne. Die X-AG werde die Quellensteuer an das Steueramt in Y abführen. Das FA B war dieser Beurteilung gefolgt und hatte zugleich darauf hingewiesen, dass die Einkünfte aus der Tätigkeit für die X-AG in der Schweiz steuerpflichtig seien, da die Klägerin an mehr als 45 Tagen außerhalb des Grenzgebiets tätig und deshalb nicht Grenzgängerin sei; solange die Klägerin geltend mache, dass sie nicht Grenzgängerin im abkommensrechtlichen Sinne sei und daher ihre schweizerischen Lohneinkünfte in der Schweiz besteuert würden, müsse sie diese Voraussetzung für jeden Veranlagungszeitraum neu nachweisen.
Für die Streitjahre gab die Klägerin Steuererklärungen ab, in denen sie die von der X-AG gezahlten Bezüge als auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen steuerfrei behandelte. Den Erklärungen war jeweils ein Lohnausweis der X-AG für die Schweizer Steuerbehörde beigefügt. In einer Anlage zur Erklärung hatte die Klägerin jeweils die Anzahl der im Veranlagungszeitraum durchgeführten Fahrten nach Y sowie für 1985 und 1987 ihre Arbeitstage pro Woche sowie die Urlaubs- und Krankheitstage aufgelistet. Eine Angabe des Inhalts, dass sie für die X-AG in Deutschland tätig gewesen sei, machte sie nicht.
Der inzwischen für die Klägerin zuständig gewordene Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) lehnte für die Jahre 1985 und 1987 eine Veranlagung der Klägerin zur Einkommensteuer ab. Für 1986 und 1988 erließ er Einkommensteuerbescheide, in denen er die aus der Schweiz stammenden Arbeitseinkünfte nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigte. Im weiteren Verlauf wurde jedoch festgestellt, dass die Klägerin in den Streitjahren an 94 (1985), 12 (1986), 102 (1987) und 92 (1988) Tagen in Deutschland gearbeitet hatte. Daraufhin erließ das FA erstmals Einkommensteuerbescheide für 1985 und 1987 sowie geänderte Bescheide für 1986 und 1988, in denen es die aus der Schweiz stammenden Einkünfte der Klägerin in die Bemessungsgrundlage der Steuer einbezog. Der gegen diese Bescheide gerichtete Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als von der Klägerin erklärte Werbungskosten berücksichtigt und Schweizer Quellensteuern angerechnet wurden. Die daraufhin erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Streitjahre 1985 und 1987 unzulässig, da die Klägerin insoweit die von ihr geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt hat. Hinsichtlich der Streitjahre 1986 und 1988 ist sie unbegründet, da eine grundsätzliche Bedeutung nicht gegeben ist.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine solche ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann gegeben, wenn im konkreten Einzelfall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im Interesse der Allgemeinheit der Klärung bedarf. Dass das angefochtene Urteil eine solche Rechtsfrage aufwirft, muss in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Ist dies geschehen, so ist das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung regelmäßig allein auf der Basis der vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe zu beurteilen.
2. Im Streitfall macht die Klägerin geltend, das FA sei nicht berechtigt gewesen, zunächst erlassene Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) zu ihrem Nachteil zu ändern. Diese Frage stellt sich jedoch nur im Hinblick auf die Jahre 1986 und 1988. Denn nach den Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), hat das FA für 1985 und 1987 zunächst eine Veranlagung der Klägerin zur Einkommensteuer abgelehnt und auf Grund der später gewonnenen Erkenntnisse zur inländischen Tätigkeit der Klägerin erstmals Steuerbescheide erlassen. Eine Änderung von Bescheiden nach § 173 AO steht mithin im Hinblick auf diese Jahre nicht in Rede. Daher kann sich die von der Klägerin angesprochene Problematik insoweit nicht stellen, was zur teilweisen Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde führt.
3. Für die Streitjahre 1986 und 1988 hat das FA zwar die ursprünglich erlassenen Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert. Das Urteil des FG, das diese Sachbehandlung bestätigt hat, wirft jedoch keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf.
a) Nach den Feststellungen des FG ist dem FA im Anschluss an die erstmaligen Veranlagungen der Klägerin bekannt geworden, dass die Klägerin in den genannten Jahren ihre Tätigkeit u.a. im Inland ausgeübt hat. Diese Würdigung greift die Klägerin nicht an. Ebenso ist unstreitig, dass die dem FA bekannt gewordene Tatsache zu einer Erhöhung der zunächst jeweils festgesetzten Steuer führt. Die Klägerin macht lediglich geltend, dass das FA nach den Regeln von Treu und Glauben an einer Änderung der Bescheide gehindert gewesen sei, weil es bei der Durchführung der erstmaligen Veranlagungen seine Ermittlungspflicht verletzt habe. Dieser Vortrag kann der Nichtzulassungsbeschwerde indessen nicht zum Erfolg verhelfen.
Denn durch die Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass die Finanzbehörde einer ihrem Wortlaut nach eindeutigen Steuererklärung nicht mit Misstrauen begegnen muss, sondern regelmäßig auf die Richtigkeit und Vollständigkeit einer solchen Erklärung vertrauen darf (, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569, 572; vom IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588, 590; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 65, m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn die Erklärung ohne Mitwirkung einer fachkundigen Person erstellt worden ist und wenn sie u.a. die Beurteilung von Rechtsfragen zum Gegenstand hat (, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911). Auch in einem solchen Fall muss die Behörde deshalb im Allgemeinen nur dann in weitere Ermittlungen eintreten, wenn sich aus der Erklärung Unklarheiten oder Zweifel ergeben (BFH-Urteile in BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911; vom XI R 17/01, BFH/NV 2003, 137, m.w.N.). Letzteres hat das FG im Streitfall verneint, und die Klägerin hat nicht aufgezeigt, inwieweit diese Würdigung eine über den konkreten Fall hinaus bedeutsame Frage aufwerfen könnte. Allein der von ihr angesprochene Umstand, dass der Streitfall Bezüge zum DBA-Schweiz 1971 aufweist und dass die Frage der behördlichen Ermittlungspflicht speziell im Hinblick auf doppelbesteuerungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen war, verleiht der Sache keine grundsätzliche Bedeutung.
b) Eine solche lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht daraus ableiten, dass die von der Finanzverwaltung vorgehaltenen Erklärungsvordrucke und Merkblätter zwar Angaben zur Höhe der abkommensrechtlich steuerbefreiten Einkünfte vorsehen, nicht aber zu Angaben darüber auffordern, an wie vielen Tagen ein Arbeitnehmer in welchem Staat gearbeitet hat. Denn wenn dieser Umstand eine Ermittlungspflicht der Finanzbehörde auslösen würde, müssten zur Vermeidung einer solchen Pflicht in den genannten Unterlagen alle tatsächlichen Umstände ausdrücklich erwähnt werden, die möglicherweise für die Besteuerung erheblich sein könnten. Es bedarf keiner Klärung durch ein Revisionsverfahren, dass eine solche Handhabung nicht sachgerecht wäre. Vielmehr ist es Sache des Steuerpflichtigen, bei Zweifeln über die rechtliche Bedeutung bestimmter tatsächlicher Umstände die Finanzbehörde auf jene Umstände aufmerksam zu machen und ihr dadurch Anlass zur näheren Prüfung zu geben. Unterlässt der Steuerpflichtige dies jedoch und erklärt er ohne weitere Erläuterung bestimmte Einkünfte als „steuerfrei”, so darf die Behörde grundsätzlich davon ausgehen, dass ein dieser Erklärung entsprechender Sachverhalt verwirklicht worden ist. Anders ist es nur dann, wenn die Behörde konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der ihr gegenüber gemachten Angabe hat; das Vorliegen solcher Anhaltspunkte hat das FG aber im Streitfall ohne Rechtsfehler verneint.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAC-51300