BFH Beschluss v. - XI B 169/06

Monatliche Zuzahlungen des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld sind keine Abfindungen

Gesetze: EStG § 3 Nr. 9, EStG § 34

Instanzenzug:

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfene Rechtsfrage hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft. Daran fehlt es, wenn sich die Antwort auf die im Beschwerdeverfahren gestellte Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist. Letzteres ist auch dann der Fall, wenn die Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.N.).

Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob monatliche Zuzahlungen auf das Kurzarbeitergeld (§§ 169 ff. des Dritten Buches Sozialgesetzbuch —SGB III—) durch den Arbeitgeber —ratenweise— Abfindungen i.S. des § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind, wenn der Arbeitgeber bei der Zuzahlung das Arbeitsverhältnis bereits zu einem künftigen Zeitpunkt gekündigt hat, ist anhand des Wortlautes des § 3 Nr. 9 EStG, dessen Sinn und Zweck und unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung eindeutig zu verneinen.

Nach § 3 Nr. 9 EStG in der im Streitjahr noch geltenden Fassung sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses bis zu bestimmten Höchstgrenzen steuerfrei. Zweck der Norm ist, einen Verlust des Arbeitsplatzes abzumildern (vgl. z.B. , BFHE 206, 544, BStBl II 2004, 1055, m.w.N.). Seinen Arbeitsplatz verliert ein Steuerpflichtiger zu dem Zeitpunkt, in dem das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers zivilrechtlich wirksam aufgelöst wird, wobei es die Beteiligten —bis an die Grenze des Gestaltungsmissbrauchs— in der Hand haben, den Zeitpunkt für die Auflösung des Dienstvertrages und damit den Verlust des Arbeitsplatzes durch vertragliche Vereinbarung zu bestimmen (vgl. z.B. , BFHE 203, 490, BStBl II 2004, 264, m.w.N.). Zahlungen an einen von der Arbeit „nur” freigestellten Arbeitnehmer, sind danach keine Abfindung „wegen Auflösung des Dienstverhältnisses” i.S. des § 3 Nr. 9 EStG (vgl. , BFHE 174, 352, BStBl II 1994, 653; vom XI R 50/01, BFH/NV 2003, 1310). Das gilt unter Berücksichtigung des genannten Zwecks des § 3 Nr. 9 EStG gleichermaßen, wenn ein Steuerpflichtiger nicht gänzlich von jeder Arbeitsleistung befreit ist, sondern Kurzarbeit oder bei unvorhersehbaren Arbeitsspitzen Arbeit zu leisten hat. Die streitigen monatlichen Ausgleichszahlungen zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes werden auch in diesem Fall nicht „wegen Auflösung des Dienstverhältnisses” i.S. des § 3 Nr. 9 EStG, sondern „wegen Kurzarbeit” im Rahmen des bis zum Wirksamwerden der Kündigung (§§ 163, 158 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zivilrechtlich fortbestehenden (vgl. auch § 169 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 172 Abs. 1 Nr. 2 SGB III), wenn auch inhaltlich modifizierten Arbeitsverhältnisses gezahlt.

2. Insoweit ist auch keine Entscheidung des BFH zur Rechtsfortentwicklung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO). Da § 3 Nr. 9 EStG den Verlust des Arbeitsplatzes abmildern soll und Steuerpflichtige während der Zeit der Kurzarbeit ihren Arbeitsplatz nicht verlieren, besteht im Rahmen des § 3 Nr. 9 EStG kein Raum für eine am Normzweck orientierte Rechtsfortentwicklung.

3. Es ist auch keine Entscheidung des BFH nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das FG ist nicht von der Rechtsprechung des BFH abgewichen, weil es die monatlichen Zuzahlungen zum Kurzarbeitergeld nicht als eine einheitliche Abfindung beurteilt hat. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gewährt werden, grundsätzlich einheitlich zu beurteilen sind (vgl. z.B. , BFHE 197, 522, BStBl II 2004, 442; vom XI R 32/04, juris). Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht zu § 3 Nr. 9 EStG, sondern zu §§ 24, 34 EStG ergangen. Sie befasst sich (nur) mit der Frage, ob eine Entschädigung, wie es § 34 Abs. 2 EStG nach ständiger Rechtsprechung voraussetzt, dem Steuerpflichtigen in einem Veranlagungszeitraum, d.h. „zusammengeballt” zugeflossen ist. Fließt eine Entschädigung in mehr als einem Veranlagungszeitraum zu, ist sie grundsätzlich nicht tarifbegünstigt (vgl. hierzu z.B. Schmidt/Seeger, EStG, 26. Aufl., § 34 Rz 17, m.w.N.). Aus der (jüngeren) Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach in späteren Veranlagungszeiträumen aus Fürsorge gezahlte Entschädigungszusatzleistungen aus Gründen des Übermaßverbotes die Tarifbegünstigung nicht beeinträchtigen, folgt nur, dass ein zusammengeballter Zufluss sämtlicher Entschädigungsleistungen für die tarifbegünstigte Besteuerung der Hauptentschädigung nicht notwendig ist. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass monatliche Aufstockungen auf das Kurzarbeitergeld Abfindungen i.S. des § 3 Nr. 9 EStG sind.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1648 Nr. 9
RAAAC-51297