Ort der Leistung bei Bauleistungen
Gesetze: UStG § 3a
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) ist als Handelsvertreter für die A mit Sitz in X, Spanien, tätig. Nach dem zwischen der A und dem Beschwerdeführer am geschlossenen und am erneuerten Handelsvertretervertrag verpflichtete sich der Beschwerdeführer gegenüber der A „dauerhaft bzw. ständig, als unabhängiger Vermittler fremdbestimmt Handelsgeschäfte bzw. Handelsoperationen entgeltlich zu fördern oder diese zu fördern und in mittels Vermittlungsvollmacht für den Unternehmer und zu dessen geltenden Lieferungs- und Zahlungsbedingungen zu vermitteln ohne, sofern nicht Gegenteiliges vereinbart wurde, das Geschäftrisiko zu übernehmen”. Den Verträgen zufolge widmete sich die A „dem Markt der Bereitstellung von Dienstleistungen betreffend der Förderung und Ausführung von Baumaßnahmen und Bauten jeglicher Art, einschließlich Umbauten und Restaurierung, sowie der Vermittlung von Bau- und Reformierungsverträgen”.
Aus seiner Tätigkeit für die A, die sich ausschließlich auf die Vermittlung von Bauleistungen an Grundstücken in Deutschland bezog, erzielte der Beschwerdeführer im Jahr 2003 Nettoerlöse in Höhe von 13 230 € und im 1. Quartal 2004 in Höhe von 9 259 €.
In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen August bis Dezember 2003 behandelte der Beschwerdeführer die Umsätze als nicht steuerbar. Die Besteuerungsgrundlagen für die Voranmeldung des 1. Quartals 2004 wurden geschätzt.
Im Anschluss an eine beim Beschwerdeführer durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung behandelte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Leistungen des Beschwerdeführers für die A als in Deutschland umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig und änderte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für August bis Dezember 2003 und für das 1. Quartal 2004 entsprechend.
Der Beschwerdeführer legte hiergegen Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Das Finanzgericht (FG) lehnte, nach Ablehnung des entsprechenden Antrags durch das FA, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für August bis Dezember 2003 sowie für das 1. Quartal 2004 ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG im Wesentlichen aus, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Vorauszahlungsbescheide. Da der Beschwerdeführer Leistungen in Zusammenhang mit einem Grundstück ausgeführt habe, bestimme sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG). Diese Bestimmung gehe § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG, der den Leistungsort von Vermittlungsleistungen regele, vor.
Mit der vom FG gemäß § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden schon deshalb Zweifel, weil andere Finanzämter bei vergleichbaren Sachverhalten zu anderen Ergebnissen gelangten. Zweifel ergäben sich auch daraus, dass die Leistungen bereits beim Leistungsempfänger von der spanischen Finanzverwaltung der Umsatzsteuer unterworfen worden seien.
Im Übrigen vermittle er, der Beschwerdeführer, keine Bauleistungen, sondern er vermittle die Vermittlung von Bauleistungen, sei also als Untervermittler tätig. Es bestünden aber zumindest ernstliche Zweifel, ob derartige Untervermittlungsleistungen von § 3a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c UStG erfasst würden. Er ist der Auffassung, dass sich der Ort der von ihm ausgeführten sonstigen Leistungen gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 3 UStG in Spanien befinde. Der Leistungsempfänger der Vermittlungsleistungen, nämlich die A, habe ihm gegenüber ihre spanische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet, so dass die Vermittlungsleistung als in Spanien ausgeführt gelte. § 3a Abs. 2 UStG enthalte hinsichtlich der Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen Ausnahmen zu dem in § 3a Abs. 1 UStG niedergelegten Grundsatz. Für Vermittlungsleistungen sei § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG Spezialvorschrift. Darunter fielen alle Vermittlungsleistungen, auch solche in Zusammenhang mit Grundstücken. Innerhalb des § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG enthalte Satz 3 noch eine weitere Spezialregelung, die die Ortsbestimmung anhand der verwendeten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines anderen Mitgliedsstaates treffe. Es bestehe also ein Wahlrecht, durch Verwendung der Identifikationsnummer einen abweichenden Leistungsort zu bestimmen. Dieses Wahlrecht stelle die einzige Ausnahme zu der ansonsten für Vermittlungsleistungen anwendbaren Ortsbestimmung des § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG dar. Weitere Ausnahmen seien nicht bestimmt. Hätte der Gesetzgeber weitere Ausnahmen erfassen wollen, hätte er diese in § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG niedergelegt. Eine Besteuerung des Umsatzes durch den Antragsgegner trotz Verwendung der spanischen Identifikationsnummer durch den Leistungsempfänger laufe der Gesetzessystematik zuwider, denn bei der Geschäftsabwicklung werde einerseits im Inland Umsatzsteuer vom Vermittler erhoben, wogegen der Leistungsempfänger keinen Vorsteueranspruch habe und der Vermittler keinen Anspruch auf Auszahlung der abgeführten Umsatzsteuer durch den Leistungsempfänger.
Das FA erließ am den Umsatzsteuerjahresbescheid 2003 und änderte diesen Bescheid am . Den Umsatzsteuerjahresbescheid 2004 erließ das FA am und änderte ihn am .
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, den Umsatzsteuerbescheid 2003 vom in Höhe von 2 073,28 € und den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom in Höhe von 1 481,44 € von der Vollziehung auszusetzen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten und beantragt, den Antrag abzuweisen.
II. Die gemäß § 128 Abs. 3 FGO statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
1. Das FG hat die Beschwerde gegen seine Entscheidung im Verfahren über die AdV gemäß § 128 Abs. 3 FGO zugelassen.
2. Die Beschwerde scheitert auch nicht daran, dass der Antrag auf AdV sich ursprünglich auf Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide bezog, die im Verlauf des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens durch Umsatzsteuerjahresbescheide ersetzt worden sind. Die Umsatzsteuerjahresbescheide sind gemäß § 68 FGO, der im Verfahren über die AdV entsprechend anwendbar ist (vgl. , BFH/NV 2001, 6), zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Der Beschwerdeführer hat beantragt, die Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und damit deutlich gemacht, dass er das Verfahren über die Umsatzsteuerjahresbescheide fortsetzen will.
3. Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das FG die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts auf Antrag u.a. dann aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2006, 1527, m.w.N.).
4. Eine derartige Unsicherheit oder Unklarheit besteht vorliegend nicht.
a) Ernstlich zweifelhaft kann eine Rechtsfrage zum Beispiel sein, wenn sie von zwei obersten Bundesgerichten unterschiedlich beurteilt wird, wenn zwei Senate des BFH sie verschieden beantworten oder wenn die Rechtsfrage vom BFH noch nicht entschieden ist, sie aber in der Literatur unterschiedlich beurteilt wird (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 69 Rz 87, mit Nachweisen). Aus der unterschiedlichen Behandlung vergleichbarer Sachverhalte durch mehrere Finanzämter ergibt sich aber keine Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen i.S. des § 69 Abs. 3 FGO. Im Übrigen ergeben sich aus der bloßen Mitteilung des Beschwerdeführers, dass das „FA F im Fall K” entsprechend seiner Auffassung entschieden habe, schon deshalb keine Zweifel, weil nicht klar ist, welcher Sachverhalt dem „Fall K” zugrunde gelegen hat.
b) Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass das FG bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer die streitigen Leistungen im Inland ausgeführt hat. Nach den Feststellungen des FG hat der Beschwerdeführer die Ausführung von Bauleistungen vermittelt. Ob dies unmittelbar oder mittelbar erfolgt ist, ist —entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers— dabei ohne Belang. Gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG wird eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück dort ausgeführt, wo das Grundstück liegt. Als sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück sind u.a. sonstige Leistungen anzusehen, die der Erschließung von Grundstücken oder der Vorbereitung oder der Ausführung von Bauleistungen dienen (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c UStG).
Ernstliche rechtliche Zweifel ergeben sich auch nicht daraus, dass der BFH über das Verhältnis zwischen den Ortsbestimmungen in § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG und § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG noch nicht entschieden hat. Das FG ist insoweit zu Recht davon ausgegangen, dass die Ortsbestimmung in § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG der in § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG vorgeht. Das entspricht nicht nur der allgemeinen Auffassung im Schrifttum (Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3a Rz 132, 134 f.; Langer in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 3a Rz 107; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3a Rz 155; Pflüger in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 3a Rz 14; vgl. auch Abschn. 34 Abs. 6 und 8 der Umsatzsteuer-Richtlinien —UStR— 2000). Auch nach dem Willen des Gesetzgebers sollten mit der Einfügung des § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG durch das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz in das UStG nicht die unter § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG fallenden Vermittlungsleistungen erfasst werden (BTDrucks 12/2463, S. 26 zu Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. cc).
Dieser gesetzgeberische Zweck steht auch im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht. Gemäß Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) gilt als Ort einer Dienstleistung der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird.
Es gilt jedoch nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG als Ort einer Dienstleistung in Zusammenhang mit einem Grundstück „einschließlich der Dienstleistung von Grundstücksmaklern” der Ort, an dem das Grundstück gelegen ist. Zu diesen Dienstleistungen gehören auch Bauleistungen an einem Grundstück, weil sie schon tatsächlich nur am Belegenheitsort des Grundstücks erbracht werden können. Dass der Beschwerdeführer die Bauleistungen nicht selbst ausgeführt, sondern nur —mittelbar oder unmittelbar— vermittelt hat, ändert daran nichts.
§ 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG setzt Art. 28b Teil E Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG um. Danach ist abweichend von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG der Ort der Dienstleistungen von Vermittlern, die im Namen und für Rechnung Dritter handeln, wenn sie an anderen Umsätzen als den in den in § 3a Abs. 1 und 2 und in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e genannten beteiligt sind, der Ort, an dem die Umsätze erbracht werden. Hat jedoch der Empfänger der Dienstleistung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Umsätze erbracht werden, so gilt der Ort der Dienstleistung des Vermittlers als im Gebiet des Mitgliedstaats gelegen, der dem Empfänger der Dienstleistung die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, unter der ihm die Dienstleistung vom Vermittler erbracht wurde. Durch die Beschränkung der Bezugnahme auf Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG bleiben die Ortsbestimmungen in Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG unberührt.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1723 Nr. 9
UAAAC-50113