Zur grundsätzlichen Bedeutung der Beachtung von Auslegungsgrundsätzen; Frage einer Rückwirkung des § 15a UStG ist geklärt
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; UStG § 15a
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) betrieb in Gütergemeinschaft eine Landwirtschaft. Im Oktober 1998 begann sie mit der Errichtung eines Schweinestalles und einer Maschinenhalle. Die Fertigstellung und erstmalige Nutzung der Gebäude erfolgte im September 1999.
Mit Schreiben vom optierte die Klägerin mit Wirkung vom gemäß § 24 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) zur Regelbesteuerung. Mit dem Einspruch gegen den auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 1999 machte die Klägerin gemäß § 15a UStG eine Vorsteuerberichtung zu ihren Gunsten aus im Vorjahr 1998 erfolgten Leistungsbezügen geltend.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nach erfolglosem Einspruch statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, durch den Übergang von der Besteuerung nach Durchschnittssätzen im Jahr 1998 zur Regelbesteuerung im Jahr 1999 sei bei dem für unternehmerische Zwecke verwendeten Grundstück innerhalb des Berichtigungszeitraumes von 10 Jahren eine Änderung der Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, eingetreten. Der Vorsteuerabzug sei im Jahr 1998 allein an der Regelung des § 24 UStG gescheitert. § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG sei nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts in Art. 20 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) entsprechend weit auszulegen, denn das Gemeinschaftsrecht sehe eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nicht nur bei Änderungen der Verwendungsverhältnisse vor, sondern erfasse auch den Fall, dass der Anspruch auf Vorsteuerabzug zunächst nach § 15 UStG durch § 24 UStG ausgeschlossen, nach einem Wechsel der Besteuerungsform aber zulässig sei.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs —BFH— (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO).
§ 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 in der im Streitjahr geltenden Fassung setze eine Änderung der Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung maßgebend waren, voraus. Da vorliegend die erstmalige Verwendung im Jahr 1999 erfolgt sei, liege keine Änderung der in diesem Zeitpunkt maßgebenden Verhältnisse vor. Das FG habe § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG zwar richtlinienkonform, aber gegen den klaren Wortlaut der Vorschrift ausgelegt. Die Frage, ob und inwieweit Art. 20 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 77/388/EWG schon im Jahr 1999 unter Außerachtlassung des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 unmittelbar zur Anwendung kommen könne, sei klärungsbedürftig und habe über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit.
Außerdem stehe das Urteil des FG im Widerspruch zu der Entscheidung des (BFHE 201, 561). Darin habe der BFH entschieden, dass der Gesetzgeber keine Rückwirkung des § 15a Abs. 1 UStG n.F. angeordnet habe und auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar seien, dass es sich bei der Neufassung lediglich um eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage gehandelt habe.
Das FA beantragt, die Beschwerde zuzulassen.
Die Klägerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (, BFH/NV 2003, 60, mit Nachweisen). Die grundsätzliche Bedeutung muss im Hinblick auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, deren Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, gegeben sein (BFH-Beschlüsse vom I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254; vom V B 163/04, nicht veröffentlicht —n.v.—). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es regelmäßig, wenn die zu klärende Rechtsfrage —wie hier— ausgelaufenes, d.h. im Entscheidungszeitpunkt bereits außer Kraft getretenes Recht betrifft (BFH-Beschlüsse vom XI B 42/04, BFH/NV 2005, 193; vom XI B 216/02, BFH/NV 2005, 353). § 15a UStG ist durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) und durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom (BGBl I 2004, 3310) umfassend umgestaltet worden.
Die Frage, ob das FG bei der richtlinienkonformen Auslegung zu beachtende Auslegungsgrundsätze zutreffend angewandt hat, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO rechtfertigen (BFH-Beschlüsse vom V B 26/96, BFHE 182, 430, BStBl II 1997, 443; vom V B 184/01, BFH/NV 2003, 1071; vom V B 23/04, BFH/NV 2007, 60).
2. Es liegt auch keine Divergenz vor. Selbst wenn die Frage, ob eine Rückwirkung des § 15a UStG n.F. zu Gunsten des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzliche Bedeutung gehabt hätte, wäre diese durch das Urteil des Senats vom V R 32/04 (BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907) entfallen. Darin hat der Senat entschieden, das § 27 Abs. 8 UStG 1999 in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2003, nach der § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG in der ab geltenden Fassung unter bestimmten Voraussetzungen auch für Zeiträume vor dem anzuwenden ist, keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung enthält. Da diese Entscheidung mit der Rechtsauffassung des FG im Ergebnis übereinstimmt, fehlt es an der für die Annahme der Divergenz erforderlichen Abweichung in einer Rechtsfrage.
Eine Divergenz liegt darüber hinaus auch deshalb nicht vor, weil es an einem gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt fehlt. Sowohl in dem dem Urteil des Senats in BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907 als auch in dem vom FA angeführten Beschluss in BFHE 201, 561 zugrunde liegenden Sachverhalt war eine Vorsteuerberichtigung zu Ungunsten des Klägers bzw. Antragstellers erfolgt, während es im vorliegenden Verfahren um eine Vorsteuerberichtigung zu Gunsten der Klägerin geht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1724 Nr. 9
PAAAC-50106