BVerwG Beschluss v. - 3 B 107.06

Leitsatz

Die Zuordnung von Vermögensgegenständen nach dem Vermögenszuordnungsgesetz umfasst die Verbindlichkeiten, die konkret auf den zugeordneten Vermögensgegenstand bezogen sind (im Anschluss an das BVerwG 7 C 36.93 - BVerwGE 96, 231).

Gesetze: EV Art. 21 Abs. 1; EV Art. 21 Abs. 3; EV Art. 22 Abs. 1 Satz 7; VZOG § 1a Abs. 1 Satz 2; VZOG § 11 Abs. 2

Instanzenzug: VG Berlin VG 27 A 173.05 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen die Zuordnung anteiliger Verbindlichkeiten aus Grundmittelkreditverträgen, die in den Jahren 1989 und 1990 von dem VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin-Mitte abgeschlossen wurden und der Finanzierung von Maßnahmen des Wohnungsbaus dienten. Die Baumaßnahmen betrafen Grundstücke, die nach der Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland zugeordnet wurden und mit der Errichtung der Klägerin auf diese übergegangen sind. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich um Verbindlichkeiten handele, die konkret auf die im Bescheid genannten Baugrundstücke bezogen seien und daher nach § 1a Abs. 1 Satz 2 des Vermögenszuordnungsgesetzes - VZOG - von der Zuordnung dieser Grundstücke erfasst würden.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf.

Die Klägerin hält für klärungsbedürftig,

"ob Rückzahlungsansprüche aus vor dem abgeschlossenen DDR-Grundmittelkreditverträgen auch dann als sogenannte objektbezogene Verbindlichkeiten nach Art. 21 ff. EV auf den Zuordnungsbegünstigten übergehen und ihm im Verfahren nach VZOG zugeordnet werden können, wenn der ursprüngliche Schuldner aus der DDR-Zeit am noch existierte oder einen Rechtsnachfolger hatte."

Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil ihre Bejahung auf der Hand liegt und sie daher nicht der Beantwortung in einem Revisionsverfahren bedarf.

Die Klägerin ist der Auffassung, die zivilgerichtliche Rechtsprechung zum Übergang von Verbindlichkeiten bei der Eigentumsübertragung von Vermögensgegenständen durch den Einigungsvertrag legen nahe, dass der Übernehmer eines Grundstücks jedenfalls dann nicht in objektbezogene schuldrechtliche Verträge eintrete, wenn der ursprüngliche Schuldner oder dessen Rechtsnachfolger nach wie vor existiere; denn der Gläubigerschutz erfordere in diesen Fällen keinen Schuldnerwechsel. Diese Rechtsauffassung widerspricht nicht nur den Regelungen des Vermögenszuordnungsgesetzes und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; sie beruht auch auf einem unzutreffenden Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Nach § 1a Abs. 1 Satz 2 VZOG gehören zu den Vermögensgegenständen i.S.d. Vermögenszuordnungsgesetzes auch Verbindlichkeiten, Ansprüche sowie Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen, soweit sie Gegenstand der Zuteilung nach den in § 1 VZOG bezeichneten Vorschriften sind. Mit dieser Bestimmung wird der Vermögensbegriff der Art. 21 und 22 des Einigungsvertrages - EV - umgesetzt, dessen Verständnis demjenigen der Vorschriften des Grundgesetzes für den Übergang des Reichsvermögens entspricht und der sich auf die zugehörigen Verbindlichkeiten erstreckt (näher dazu BVerwG 7 C 36.93 - BVerwGE 96, 231 <233 ff.> m.w.N.). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht bisher nur für die öffentlich-rechtliche Restitution nach Art. 21 Abs. 3 und Art. 22 Abs. 1 Satz 7 EV ausgesprochen, dass mit dem Restitutionsvermögen auch die zugehörigen Lasten übertragen werden, und dazu auf die nähere Ausformung der entsprechenden Vorschriften des Einigungsvertrages in § 11 Abs. 2 VZOG verwiesen. Grundlage dieser Entscheidung ist jedoch der für das gesamte Zuordnungsrecht geltende Vermögensbegriff des § 1a Abs. 1 VZOG. Demnach gilt der Grundsatz, dass die Zuordnung von Vermögensgegenständen nach diesem Gesetz sich auch auf die zugehörigen Lasten erstreckt, umfassend, also auch, soweit im vorliegenden Fall Art. 21 Abs. 1 EV Grundlage der Zuordnung von Grundstücken ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin werden von der grundstücksakzessorischen Zuordnung solcher Verbindlichkeiten auch diejenigen erfasst, deren Schuldner im Zeitpunkt der Wiedervereinigung noch existierte oder einen Rechtsnachfolger hatte, denn maßgeblich für den Übergang der Verbindlichkeiten ist allein ihr Objektbezug, also ihr unmittelbarer Zusammenhang mit dem zugeordneten Vermögensgegenstand, und nicht das Schicksal des jeweiligen Schuldners oder seines Rechtsnachfolgers. Zu Unrecht stellt die Klägerin dies unter Hinweis auf das - (BGHZ 133, 363) in Frage. Dort hat der Bundesgerichtshof den Übergang von Verbindlichkeiten aus einem Energielieferungsvertrag verneint, den nicht der frühere Rechtsträger des Grundstücks, sondern der Nutzungsberechtigte in eigenem Namen abgeschlossen hatte, und dies auf die Erwägung gestützt, unmittelbaren Bezug zu dem zugeordneten Gegenstand des Aktivvermögens habe in solchen Fällen nur das Rechtsverhältnis zwischen dem früheren Rechtsträger und dem Nutzungsberechtigten, nicht aber ein Vertragsverhältnis, das der Nutzungsberechtigte mit einem Dritten abgeschlossen habe. Entscheidend ist also auch insoweit der unmittelbare Objektbezug der Verbindlichkeit. Zwar hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam gemacht, dass für einen Übergang von Vertragsverhältnissen, die der Nutzungsberechtigte mit Dritten zur Ausübung seines Nutzungsrechts geschlossen habe, auch keine praktische Notwendigkeit bestehe, weil der ursprüngliche Vertragspartner - anders als in dem Art. 21 EV zugrundeliegenden Regelfall - mit der Wiedervereinigung nicht untergegangen sei, sondern weiter existiere. Dies ist jedoch nicht die ausschlaggebende Erwägung für die Verneinung des Übergangs solcher Verbindlichkeiten. Maßgebliches Kriterium für deren Zuordnung ist und bleibt vielmehr der unmittelbare sachliche Zusammenhang zwischen Vermögensgegenstand und Schuld; denn die Zuordnung der Verbindlichkeiten hat nicht vorrangig den Gläubigerschutz im Blick, sondern den konkreten Bezug zwischen dem Vermögensgegenstand und den daran haftenden Rechten und Pflichten. Insoweit hat sich der Bundesgerichtshof ausdrücklich die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze zueigen gemacht (a.a.O. S. 368 sowie - BGHZ 128, 393 <400>).

Im vorliegenden Fall steht dem Übergang der Verbindlichkeiten auf die Klägerin auch nicht entgegen, dass der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 1, der die Grundmittelkreditverträge seinerzeit abgeschlossen hat, nur zu einem geringen Teil Rechtsträger der zu bebauenden Grundstücke war. Dies ändert nichts daran, dass er - wie das Verwaltungsgericht für den Senat bindend festgestellt hat - die Finanzierungslast für die Errichtung der als Bestandteil des komplexen Wohnungsbaus angesehenen Wohnungen zu tragen und damit Investitionen zu tätigen hatte, die im Ergebnis ausschließlich dem Rechtsträger oder in Aussicht genommenen Rechtsträger der Grundstücke zugute kamen. Im Einklang damit hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Werklohnverbindlichkeiten für Baumaßnahmen, die der Errichtung eines Wohnblocks dienten, bei einem zur Wohnungsversorgung genutzten Grundstück zu den "Passiven" gehören, die konkret grundstücksbezogen sind, und daher der neue Eigentümer für die auf Bereitstellung der finanziellen Mittel eingegangene Verbindlichkeit einzustehen hat (Urteil vom - VII ZR 21/96 - Neue Justiz 1997, 255 <256>).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben; wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.

Fundstelle(n):
LAAAC-50009