Aussetzung des Verfahrens bei Untätigkeitsklage
Gesetze: FGO § 46 Abs. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Streitig ist, ob das Finanzgericht (FG) zu Recht das Klageverfahren ausgesetzt hat, nachdem der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Untätigkeitsklage erhoben hatte.
In einer anlässlich von Ermittlungsmaßnahmen einer Steuerfahndungsstelle eines anderen Finanzamts erstellten Kontrollmitteilung wurde dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) mitgeteilt, dass der Kläger bisher einkommensteuerlich nicht erfasste Lohneinkünfte erzielt habe. Das FA erließ im Hinblick darauf am einen Einkommensteuer-Änderungsbescheid für 2002. Der Kläger wandte sich gegen diesen Bescheid mit Einspruch vom und erhob am Untätigkeitsklage, nachdem das FA über den Einspruch bis dahin nicht entschieden hatte.
Das FG setzte mit dem hier durch die Beschwerde angegriffenen Beschluss vom 2 K 426/05 das Verfahren gemäß § 46 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum aus und begründete die Aussetzung damit, dass im Klageverfahren wegen Untätigkeit die Aussetzung des Verfahrens regelmäßig geboten und einer Abweisung der Klage als unzulässig vorzuziehen sei (mit Hinweis auf den , BFHE 211, 433, BStBl II 2006, 430). Bei einer Abweisung der Klage als unzulässig wäre der Kläger nur auf eine erneute Klageerhebung verwiesen, was aus prozessökonomischen Gründen und im Hinblick auf das Grundrecht auf wirkungsvollen, insbesondere zeitnahen Rechtsschutz nicht sinnvoll erscheine. Dabei könne die Zulässigkeit der Klage dahinstehen, weil auch eine unzulässige, verfrüht erhobene Untätigkeitsklage in die Zulässigkeit hineinwachsen könne.
Gegen den Aussetzungsbeschluss wandte sich der Kläger mit der Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat. Nach Auffassung des Klägers sei die von ihm erhobene Klage zulässig.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Entscheidung des FG, das Verfahren nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO zeitlich befristet auszusetzen, lässt keinen Ermessensfehler erkennen.
Nach § 46 Abs. 1 FGO ist eine Klage abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Zeit sachlich nicht entschieden worden ist. Die Klage kann nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO grundsätzlich nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden. Nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO kann das Verfahren bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist, die verlängert werden kann, ausgesetzt werden.
a) Die Rechtsprechung des BFH entnimmt diesen Vorschriften die gesetzliche Intention, dass dem FA regelmäßig eine Bearbeitungszeit für den Einspruch von sechs Monaten zusteht, aber die Tatbestandsvoraussetzung „in angemessener Zeit” durch diese (Regel-)Sperrfrist auch nach Ablauf von sechs Monaten dennoch nicht ihre Bedeutung verliert. Nach den gesamten Umständen des Falles ist zu beurteilen, ob eine über sechs Monate hinausreichende Bearbeitungszeit noch „angemessen” ist. Dabei sind einerseits der sachliche Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und andererseits das Interesse des Rechtsbehelfsführers an einer baldigen Entscheidung gegeneinander abzuwägen. Da es sich bei den in § 46 Abs. 1 FGO angeführten Tatbestandsvoraussetzungen nicht um eine Zugangsvoraussetzung, sondern um eine Sachentscheidungsvoraussetzung handelt, kann eine Untätigkeitsklage auch in die Zulässigkeit hineinwachsen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 211, 433, BStBl II 2006, 430, m.w.N.), so dass die Aussetzung nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO nicht nur bei einer zulässigen, sondern auch bei einer unzulässigen, weil verfrüht erhobenen Untätigkeitsklage in Betracht kommt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 211, 433, BStBl II 2006, 430).
b) Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ist in das Ermessen des Gerichts gestellt, um dieser besonderen prozessualen Lage Rechnung zu tragen. Das FG hat das eingeräumte Ermessen nicht in einer Weise ausgeübt, die einen Ermessensmissbrauch oder einen Ermessensfehler erkennen ließe. Die im Beschluss des FG für die Aussetzung herangezogenen Erwägungen, dass nach einer möglichen Abweisung der Klage als unzulässig der Kläger nur auf eine erneute Klageerhebung verwiesen wäre und daher aus Gründen der Prozessökonomie das Verfahren auszusetzen sei, lassen ebenso wenig Ermessensfehler erkennen, wie die auf den BFH-Beschluss in BFHE 211, 433, BStBl II 2006, 430 gestützte Erwägung, dass die Untätigkeitsklage in die Zulässigkeit hineinwachsen könne (vgl. auch , BFH/NV 2003, 79). Dies gilt umso mehr, als der Kläger sich zu der Anfrage des FA zwecks Aufklärung des Sachverhalts nicht mehr geäußert hatte und der Sachverhalt daher noch weiter durch das FA aufzuklären ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1688 Nr. 9
LAAAC-49670