Zulässigkeit von Säumniszuschlägen
Gesetze: AO § 240
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform der KG ein Unternehmen mit der Herstellung von Kunststoffteilen. Da die Klägerin mehrere Umsatzsteuer- und Lohnsteueranmeldungen verspätet einreichte, setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 70 143 DM (davon Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer in Höhe von 61 289 DM, zur Lohnsteuer in Höhe von 8 285 DM und zum Solidaritätszuschlag in Höhe von 569 DM) fest. Die Klägerin beantragte deren Erlass mit der Begründung, mit der Erstellung und Einreichung der Lohnsteuer- und Umsatzsteueranmeldungen sei ihr kaufmännischer Angestellter M betraut gewesen. M habe die ihm obliegende Aufgaben nicht zuverlässig erfüllt, sondern sie, die Klägerin, durch kriminelle Machenschaften erheblich geschädigt. Herrn M seien Blankoschecks zur fristgemäßen Begleichung von Steuerschulden zur Verfügung gestellt worden.
Das FA lehnte den Erlass ab. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass keine Ermessensfehler des FA erkennbar seien. Bei Säumniszuschlägen handele es sich um ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten und das Verwaltungsaufwendungen abgelten solle, die bei der Finanzverwaltung dadurch entstünden, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht rechtzeitig zahlten. Sachlich unbillig sei die Erhebung von Säumniszuschlägen u.a. dann, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit unmöglich sei und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliere. Derartige Gründe seien nicht feststellbar. Das FA sei in der Einspruchsentscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass den Zahlungsverzögerungen weder Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit noch sonst eine schwierige finanzielle Lage der Klägerin zugrunde gelegen habe. Auf die Frage des Verschuldens komme es bei der Säumnis nicht an, weil der Gesetzgeber die Entstehung von Säumniszuschlägen davon unabhängig allein an die verspätete Zahlung geknüpft habe. Folglich laufe vorliegend die Festsetzung von Säumniszuschlägen den Wertungen des Gesetzgebers nicht zuwider, so dass ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht in Betracht komme.
Selbst wenn die verspätete Abgabe der Steueranmeldungen darauf beruhe, dass der Buchhaltungsleiter der Klägerin seine arbeitsrechtlichen Pflichten verletzt habe, könne dies die Klägerin nicht entschuldigen, weil sie sich das Verhalten ihres Angestellten zurechnen lassen müsse.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), die Fortentwicklung des Rechts erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs —BFH— (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO) und das Urteil des FG leide unter Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, weil das FG davon ausgehe, dass sie, die Klägerin, sich das Verhalten ihres Angestellten unabhängig vom Ausmaß seines Fehlverhaltens zurechnen lassen müsse. Die Frage, ob die Zurechnung des Verschuldens dritter Personen im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung unbegrenzt sei, habe grundsätzliche Bedeutung, weil an ihrer Klärung ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit bestehe.
Aus demselben Grund und wegen der Frage, ob eine Zurechnung von Fremdverschulden nicht wenigstens in atypischen Fällen zu begrenzen sei, erfordere die Fortentwicklung des Rechts eine Entscheidung durch den BFH.
Ein Verfahrensmangel liege vor, weil das FG unter Verstoß gegen § 76 Abs. 1 FGO die von ihr, der Klägerin, beantragte Beweiserhebung nicht durchgeführt habe. Das FG habe weder den Zeugen D dazu gehört, ob der Buchhalter M die festgesetzten Säumniszuschläge mit krimineller Energie vor ihr verheimlicht habe noch die Zeugen P und W darüber vernommen, ob Herr M seine Tätigkeit zunächst mit der gebotenen Sorgfalt und Zuverlässigkeit ausgeübt und sie, die Klägerin, dies stichprobenartig überprüft habe. Das FG habe auch nicht die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht H in dem Ermittlungsverfahren gegen Herrn M wegen des Verdachts der Untreue und Unterschlagung beigezogen. Aufgrund der Zeugenaussagen und der Ermittlungsakten hätte das FG das Ausmaß des Fehlverhaltens des Buchhalters M erkennen und feststellen können, dass sie, die Klägerin, kein Verschulden an den Fristversäumnissen treffe.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
1. Der V. Senat ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH für 2007 (Ergänzende Regelungen I.1.) auch für die Entscheidung über den Erlass der Säumniszuschläge zur Lohnsteuer und zum Solidaritätszuschlag zuständig, weil die Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer, die in das Aufgabengebiet des V. Senats fällt, den höchsten Streitwert bilden.
2. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung durch den BFH, weil die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich ist. Beide Zulassungsgründe setzen die Rechtserheblichkeit der zu klärenden Rechtsfrage voraus (z.B. , BFH/NV 2004, 1310). Das FG hat sein Urteil auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt. In diesem Fall muss ein Zulassungsgrund hinsichtlich aller tragenden Begründungen vorliegen (BFH-Beschlüsse vom V B 85/04, BFH/NV 2005, 712; vom VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215). Hieran fehlt es.
Das FG hat sein Urteil in erster Linie darauf gestützt, dass Entschuldbarkeit der Säumnis kein Erlassgrund ist, weil Säumniszuschläge nach § 240 der Abgabenordnung unabhängig von einem Verschulden des Steuerpflichtigen entstünden. Die verschuldensunabhängige Entstehung von Säumniszuschlägen laufe deshalb den Wertungen des Gesetzgebers nicht zuwider. Das entspricht der Rechtsprechung des , BFHE 145, 1, BStBl II 1986, 122; vom VII R 64/79, BFHE 133, 262, BStBl II 1981, 608). Die Beschwerde greift diese Begründung nicht an.
Die Ausführungen unter 2. b in den Entscheidungsgründen des FG-Urteils zur Zurechnung des Fehlverhaltens von Angestellten sind Hilfserwägungen, auf die das FG sein Urteil zusätzlich stützt. Die Rechtsfrage der Zurechenbarkeit des Verschuldens von Angestellten ist deshalb nicht entscheidungserheblich.
3. Es liegt auch kein Verfahrensfehler vor. Das FG hat ohne Rechtsverstoß auf die von der Klägerin beantragte Beweiserhebung verzichten können. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der materiell-rechtliche Standpunkt des FG zugrunde zu legen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 712). Danach ist es auf die Beweisthemen, zu denen die Klägerin eine Beweiserhebung beantragt hat, nämlich die sorgfältige Auswahl und stichprobenartige Überprüfung des Buchhalters M sowie dessen kriminelles Fehlverhalten, aus den bereits genannten Gründen nicht angekommen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1623 Nr. 9
BAAAC-49656