Leitsatz
[1] Im Zusammenhang mit der Auflösung der GmbH ist gemäß § 67 Abs. 1 GmbHG die "abstrakte", d.h. die generell für ein mehrköpfiges Organ geltende Vertretungsregelung auch dann zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, wenn nur ein (erster) Liquidator bestellt ist.
Gesetze: GmbHG § 67 Abs. 1
Instanzenzug: LG Dresden 45 T 12/06 vom OLG Dresden 2 W 1131/06 vom
Gründe
I. Die Beteiligte, eine im Handelsregister des Amtsgerichts Dresden unter HRB 2 eingetragene GmbH, wurde durch Beschluss ihrer Gesellschafterversammlung zum aufgelöst. Zugleich wurde - unter Abberufung der bisherigen alleinigen Geschäftsführerin - S. H. zum Liquidator mit Alleinvertretungsbefugnis und Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bestellt. Die Anmeldung des Beschlussinhaltes zur Eintragung in das Handelsregister beanstandete das Registergericht durch Zwischenverfügung vom in Bezug auf die Vertretungsregelung als unvollständig; ohne die zusätzlich für erforderlich gehaltene Anmeldung einer abstrakten Vertretungsregelung auch für den Fall des Vorhandenseins mehrerer Liquidatoren könne die begehrte Eintragung im Handelsregister nicht vollzogen werden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen.
Das Oberlandesgericht möchte die dagegen von der Beteiligten eingelegte weitere Beschwerde zurückweisen, sieht sich hieran aber durch den , GmbHR 2005, 1308) gehindert und hat die Sache daher dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Voraussetzungen für die Vorlage gemäß § 28 Abs. 2 FGG sind gegeben. Das Oberlandesgericht Hamm hat in dem angeführten Beschluss die Ansicht vertreten, bei Anmeldung eines alleinigen Liquidators sei keine Angabe der Vertretungsbefugnis für den Fall einer Bestellung weiterer Liquidatoren erforderlich. Von dieser obergerichtlichen Rechtsprechung würde das vorlegende Oberlandesgericht mit seiner beabsichtigten Entscheidung abweichen.
III. Die form- und fristgerecht eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten ist unbegründet.
Das Registergericht hat mit seiner Zwischenverfügung die begehrte Eintragung der von der Gesellschafterversammlung der Beteiligten am beschlossenen Rechtsänderungen zu Recht davon abhängig gemacht, dass diese außer der angemeldeten konkreten Vertretungsbefugnis ihres bestellten einzigen Liquidators H. auch die abstrakte Vertretungsbefugnis für den Fall der Bestellung mehr als eines Liquidators zum Handelsregister anmeldet.
Im Rahmen der Anmeldung der ersten Liquidatoren einer GmbH nach § 67 Abs. 1 GmbHG ist die "abstrakte", d.h. die generell für ein mehrköpfiges Organ geltende Vertretungsregelung auch dann zur Eintragung anzumelden, wenn nur ein (erster) Liquidator bestellt ist (so schon OLG Dresden GmbHR 2005, 1310 m. Anm. Stuppi; Lutter/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 67 Rdn. 9; Rasner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 67 Rdn. 2; ähnlich Keidel/Krafka/Willer, Registerrecht 6. Aufl. Rdn. 1134; a.A.: OLG Hamm NJW-RR 1988, 221; GmbHR 2005, 1308; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 9. Aufl. § 67 Rdn. 4; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. Rdn. 3; Schulze-Osterloh/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. § 67 Rdn. 3; differenzierend: Hachenburg/Hohner, GmbHG 8. Aufl. § 67 Rdn. 4).
1. Gemäß §§ 8 Abs. 4, 10 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ist zur (erstmaligen) Eintragung einer GmbH anzumelden, "welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben". Danach ist bei der werbend tätigen Gesellschaft nach allgemeiner Auffassung die abstrakte Vertretungsbefugnis mehrerer Geschäftsführer (vgl. § 35 Abs. 2 GmbHG) selbst dann anmeldepflichtig, wenn zunächst nur ein organschaftlicher Vertreter bestellt wird (vgl. Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck aaO § 8 Rdn. 17; Bayer in Lutter/Hommelhoff aaO § 10 Rdn. 3; vgl. grundlegend auch: Senat, BGHZ 63, 261, 264).
2. a) Für die Anmeldung der (ersten) Liquidatoren gilt im Ergebnis nichts anderes, auch wenn der Wortlaut des § 67 Abs. 1 GmbHG, nach dem die "ersten Liquidatoren sowie ihre Vertretungsbefugnis" anzumelden sind, nicht mit dem für die Geschäftsführer einer werbenden GmbH geltenden § 10 Abs. 1 Satz 2 GmbH identisch ist und die abweichende Formulierung bei vordergründiger Betrachtung für das Erfordernis der Anmeldung lediglich der konkreten Vertretungsbefugnis bei der Bestellung nur eines einzigen (ersten) Liquidators sprechen könnte (so OLG Hamm NJW-RR 1988, 221, 222; GmbHR 2005, 1308, 1310). Freilich schließt die Satzkonstruktion in § 67 Abs. 1 GmbHG, insbesondere wegen der Verbindung mit den unterschiedlichen anmeldepflichtigen Personen bezüglich der "ersten" Anmeldung und der späteren Veränderungen, ein Verständnis i.S. der auch für die werbende GmbH geltenden anmeldepflichtigen Umstände nicht einmal aus, da der erste Halbsatz des § 67 Abs. 1 GmbHG auch dahin verstanden werden kann, dass mit der Anmeldung der "ersten Liquidatoren und ihrer Vertretungsbefugnis" gemeint ist: "Welche Vertretungsbefugnis die Liquidatoren haben".
b) Die sachgerechte Normauslegung darf freilich nicht bei dem Wortlaut stehen bleiben, sondern ist vor allem an Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Vorschrift auszurichten.
Danach ist zu berücksichtigen, dass die organschaftliche Stellung von Geschäftsführern und Liquidatoren vertretungsrechtlich identisch ausgestaltet ist. § 68 Abs. 1 Satz 2 GmbHG enthält - genau wie § 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG für die Geschäftsführer der werbenden GmbH - eine dispositive Regelung zur abstrakten Vertretungsbefugnis bei Vorhandensein mehrerer Liquidatoren. Dem entspricht die grundsätzliche Gleichbehandlung der Liquidatoren mit den Geschäftsführern in der Generalverweisung des § 69 Abs. 1 GmbHG, soweit sich aus den besonderen Liquidationsvorschriften und dem Wesen der Liquidation nichts anderes ergibt.
Gegen eine unterschiedliche, rein grammatikalisch orientierte Auslegung der §§ 8 Abs. 4,10 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und des § 67 Abs. 1 GmbHG spricht vor allem, dass diese Vorschriften in ihrem jetzigen Wortlaut sämtlich auf dem Gesetz vom zur Durchführung der ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (BGBl. I, 1146 - KoordG -) beruhen. Mit dieser Richtlinie (68/151/EWG, Abl. 1968 Nr. 1165/8) sollte erreicht werden, dass jeder, der Geschäftsverbindungen mit Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten aufnehmen oder fortsetzen möchte, durch Einsichtnahme in das Handelsregister sich Kenntnis von den Vertretungsverhältnissen zu verschaffen imstande ist, da von Ausländern keine vollständige Kenntnis der Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats erwartet werden kann ( 32/74, BB 1974, 1500 f.; dazu BGHZ 63, 261). Ein solches Bedürfnis zur Offenlegung der "abstrakten" (generellen) Vertretungsverhältnisse besteht sowohl bei der werbenden als auch bei der in Liquidation befindlichen Gesellschaft, mag es auch bei der werbenden Gesellschaft stärker ausgeprägt sein. Wie bei der Änderung in der Person von Geschäftsführern stellt sich bei der Bestellung von Liquidatoren nämlich das vergleichbare Problem, dass deren Bestellung unabhängig von der Eintragung in das Handelsregister wirksam wird, so dass nur bei einer bereits von Anfang an eingetragenen abstrakten Vertretungsregelung die generellen Vertretungsbefugnisse für den Rechtsverkehr aus dem Handelsregister von vornherein ersichtlich sind. Dementsprechend finden sich in Art. 2 der Koordinierungsrichtlinie bezüglich der Offenlegung der Vertretungsbefugnisse der Geschäftsleitungsorgane auch keine relevanten sprachlichen oder inhaltlichen Unterschiede für die werbende und die in Liquidation befindliche Gesellschaft (lit. d und j), so dass es fern liegend erscheint, der nationale bundesdeutsche Gesetzgeber habe durch das Koordinierungsgesetz allein wegen des nicht identischen Wortlauts der §§ 8 Abs. 4, 10 Abs. 1 Satz 2 GmbHG einerseits und des § 67 Abs. 1 GmbHG andererseits in Bezug auf den objektiven Normengehalt hinsichtlich der Anforderungen an die Offenlegung der Vertretungsverhältnisse gegenüber den Vorgaben der Koordinierungsrichtlinie ein unterschiedliches Ausmaß der offen zu legenden Umstände statuieren wollen.
c) Dieses Normverständnis entspricht auch - entgegen anders lautenden Stimmen (so OLG Hamm NJW-RR aaO S. 222; GmbHR aaO S. 1310; Schulze-Osterloh/Noack aaO; Scholz/K. Schmidt aaO) - den Bedürfnissen einer praxisnahen Rechtsanwendung, da es nach der Auflösung von Gesellschaften - ungeachtet des auf deren Abwicklung und Vollbeendigung gerichteten, zeitlich begrenzten Zwecks der Liquidation - nicht selten zu Schwierigkeiten im Rahmen der Beendigung der Geschäftstätigkeit und der Schuldenbegleichung sowie zu beruflicher Neuorientierung und damit auch zu Veränderungen in der Person und/oder Zahl der "ersten" Liquidatoren kommt. Gerade in dieser Beendigungsphase ist es für die Geschäftspartner der aufgelösten Gesellschaft bei der Abwicklung ihrer Geschäfte wichtig, von vornherein Klarheit über die (abstrakten) Vertretungsverhältnisse zu erhalten. Auf der anderen Seite ist eine "prophylaktische" Beschlussfassung zur abstrakten (generellen) Vertretungsbefugnis - die inhaltlich der bereits vorhandenen Regelung bei der (ehemals) werbenden GmbH entspricht - regelmäßig problemlos möglich und stellt daher für die betroffene aufzulösende Gesellschaft keine unzumutbare Mehrbelastung dar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2007 S. 1580 Nr. 29
DNotZ 2008 S. 75 Nr. 1
DStR 2007 S. 1452 Nr. 33
GmbHR 2007 S. 877 Nr. 16
NJW-RR 2007 S. 1261 Nr. 18
NWB-Eilnachricht Nr. 29/2007 S. 2457
StuB-Bilanzreport Nr. 16/2007 S. 635
WM 2007 S. 1372 Nr. 29
ZIP 2007 S. 1367 Nr. 29
AAAAC-49584
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja