Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 613a
Instanzenzug: ArbG Chemnitz 9 Ca 466/05 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten, die er als Betriebserwerberin nach § 613a Abs. 1 BGB in Anspruch nimmt.
Der Kläger war seit 2000 bei der W als Vorarbeiter Schlachtung im Schlachthof C beschäftigt. Dieser Schlachthof steht im Eigentum der G GmbH, welche die Schlacht- und Zerlegearbeiten auf der Grundlage von Werkverträgen von Subunternehmen durchführen lässt.
Mit Schreiben vom kündigte diese den Werkvertrag mit der W vom zum und schloss mit der Beklagten für die Zeit vom bis zum zwei Werkrahmenverträge über die Schlachtungs- und Zerlegungstätigkeit im Schlachthof C. Die Leistungsvereinbarung zu dem mit der Beklagten abgeschlossenen Werkvertrag vom sieht die Schlachtung von 300.000 Schweinen, 15.000 Sauen und 25.000 Rindern jährlich vor.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung slowakischen Rechts und in das Handelsregister des Bezirksgerichts T eingetragen.
Mit Schreiben vom , dem eine Liste der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter beigefügt war, teilte die W der Beklagten mit, dass die Übernahme der bisher durch sie im Schlachthof verrichteten Arbeiten nach ihrer Auffassung einen Betriebsübergang gemäß § 613a BGB sowie der Richtlinie 77/187/EWG zur Folge habe. Daraufhin informierte die Beklagte die im Schlachthof C tätigen Arbeitnehmer der W mit Schreiben vom darüber, dass es sich ihrer Ansicht nach nicht um einen Betriebsübergang handele und keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung bestehe.
Seit dem führt die Beklagte die Schlacht- und Zerlegearbeiten im Schlachthof C für die G GmbH mit eigenen Arbeitnehmern durch. Die Arbeiten werden in den Räumen des Schlachthofs mit den dort fest installierten Betriebsmitteln wie den Transporteinrichtungen (sog. Rohrbahnen), den Schlachtanlagen, den Zerlegebändern und den Zerlegetischen sowie mit den Sozialräumen mit Hygieneschleuse, die auch zuvor die W genutzt hatte, verrichtet. Die von der W eingebrachten Betriebsmittel, insbesondere Messer, Messerkörbe, Wetzstäbe, Handschuhe, Arbeitskleidung und Arbeitsstiefel übernahm die Beklagte nicht, sondern stellte sie ihren Arbeitnehmern selbst.
Im Schlachthof C werden die Tiere nach dem Abladen in die sog. "Tötungsbox" getrieben und dort betäubt. Im Rahmen des sog. Betäubungskreislaufes wird zB ein Lauf des Rinds in eine Kette eingehängt und das Rind dann über ein Förderband zum sog. Tötungsstich transportiert. Nach dem Tötungsschnitt/-stich wird das Rind mittels eines Förderbandes zum Ende des Betäubungskreislaufes transportiert, wo es mittels eines Schlachthakens fixiert wird. Dieser Haken wird in das nächste Förderband eingehängt, welches über eine Hebeeinrichtung verfügt. Hiermit wird das Rind in den Schlachtkreislauf eingebracht. Die für die Schlachtung zuständigen Mitarbeiter befinden sich auf fest montierten Podesten mit wechselnden Arbeitshöhen, die teilweise in der Höhe variabel sind. Der Weitertransport des Rinds erfolgt computergesteuert durch die Rohrbahn im Minutentakt. Das freigelegte Fell wird mit Ketten an Rollen fixiert; es wird durch eine Fellabzugsmaschine aufgewickelt. In den Folgeschritten wird das Innere entnommen, eine Darmwanne befüllt und maschinell weiterbefördert. Weitere Entnahmen werden an das sog. Geschlingeband angehängt. Der nächste Arbeitsplatz besteht aus einem in der Höhe variablen Podest, auf welchem der zuständige Mitarbeiter mittels einer im Band integrierten Säge das Rind zerteilt. Danach wird das Rückenmark mit einer sog. Saugfräse ausgesaugt. Diese Fräse hängt an einer Vakuumpumpe. Sodann erfolgt das automatische Wiegen des Rinds und die sog. Klassifizierung, schließlich der automatische Weitertransport in das Kühlhaus.
Für die Zerlegung werden - wie für die Schlachtung - die Sozialräume mit Hygieneschleuse, der Zerlegeraum, die Zerlegetische, das fest installierte Zerlegeband und die fest installierten Transporteinrichtungen (Rohrbahnen) benötigt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es läge ein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB vor. Die Beklagte sei wie zuvor schon die W auf das von der G GmbH eingeräumte Nutzungsrecht an den Betriebsmitteln angewiesen. Wegen der großen Ähnlichkeit der Tätigkeiten komme es auf Details der Ausgestaltung der jeweiligen Vereinbarung nicht an. Wesentliche Betriebsmittel seien die hydraulischen Einrichtungen und Transportanlagen. Es handele sich um eine betriebsmittelintensive Tätigkeit.
Auf die eigenwirtschaftliche Nutzung komme es als entscheidendes Abgrenzungskriterium nicht mehr an. Allerdings nutze die Beklagte die Betriebsmittel auch eigenwirtschaftlich, was schon aus dem Charakter des Werkvertrages als Stückzahlenvertrag hervorgehe. So gingen Produktionsausfälle allein zu Lasten der Beklagten.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom mit der W und der derzeitigen Vergütung von durchschnittlich 1.484,85 Euro netto wöchentlich ab dem zu beschäftigen;
2. hilfsweise festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis seit dem auf die Beklagte übergegangen ist und mit dieser zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Betriebsübergang läge nicht vor. Der Betrieb des Schlachthofs sei betriebsmittelarm, die Transporteinrichtung und die Zerlegetische erfüllten nur unterstützende Funktionen; wegen der Hygienevorschriften müssten die Arbeiten mit den Betriebsmitteln in den von der G zur Verfügung gestellten Räumen durchgeführt werden. Kleinwerkzeuge und bewegliche Maschinen seien jedenfalls nicht zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen worden. Reinigung, Wartung, Instandsetzung und Instandhaltung seien Sache der G. Sie dürfe die Betriebsmittel auch nicht für Aufträge Dritter nutzen. Sie könne nicht einmal über Art und Umfang einer Nutzung bestimmen, diese ergäben sich vielmehr zwingend aus dem Ordereingang der G. Die Arbeitsabläufe seien auch anders gestaltet als bei der W.
Die Bedienung des zum Betäuben der Rinder eingesetzten Bolzenschussgerätes bedürfe hoher Sachkunde. Auch bei den weiteren Tätigkeiten, wie dem Entblutungsstich, der Eröffnung der Haut, des Bruststichs sowie der Schlachtung bedürfe es für die sach- und fachgerechte Durchführung besonderer Kenntnisse. Der zu bearbeitende Schlachtkörper befinde sich am laufenden Schlachtband in ständiger Bewegung. Dies und die dezidierten Vorgaben der 4. DVO zu Art, Ort und Umfang der Abtrennung der zu entfernenden Teile/Organe stellten höchste Anforderungen an die handwerklichen Fähigkeiten der Schlachter. Die zu verrichtenden Tätigkeiten bei der Schlachtung, nämlich das Abtrennen und Entfernen der einzelnen Teile, ließen nur äußerst geringen Raum für mechanische Hilfsmittel. Diese Arbeiten könnten nicht durch den Einsatz von Maschinen oder maschinellen Hilfsmitteln erledigt werden. Es sei ein eingespieltes, mit erheblichem know how ausgestattetes Schlachtteam erforderlich. Gearbeitet werde im Wesentlichen mit dem Messer. Dies gelte auch für die Zerlegung. Die übergegangenen Betriebsmittel gehörten nicht zu den identitätsstiftenden Merkmalen des übergangsfähigen Betriebs. Es handele sich um eine bloße Auftragsnachfolge unter Ausnutzung der von dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Räume und darin installierter Betriebsmittel.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers hin weitgehend, dh. bis auf die Aufnahme des vom Kläger mit 1.484,85 Euro angegebenen wöchentlichen Nettolohns in den Hauptsachetenor, stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Gründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht im Wesentlichen stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der W ist am auf Grund eines Betriebsübergangs gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen, so dass der Kläger von dieser seit diesem Zeitpunkt zu beschäftigen ist.
I. Das Landesarbeitsgericht hat den Übergang des Schlachtbetriebs der W auf die Beklagte im Wesentlichen wie folgt begründet:
Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts habe bei der Auftragsnachfolge ein Betriebsübergang angenommen werden können, wenn sie mit der Übernahme der wesentlichen sächlichen Betriebsmittel oder der Hauptbelegschaft zur eigenwirtschaftlichen Nutzung verbunden gewesen sei. Diese Auffassung könne jedoch mit der Entscheidung des - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres] EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41) nicht mehr aufrechterhalten werden, nach der es auf eine eigenwirtschaftliche Nutzung nicht mehr ankomme. Es sei eine Gesamtbewertung anzustellen, wobei der Übergang der Betriebsmittel nur einen Teilaspekt der Gesamtumstände darstelle. Auf den Streitfall bezogen sei die Art des betreffenden Betriebs, der etwaige Übergang materieller Betriebsmittel und deren Bedeutung für die Fortführung des Betriebs, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, eine etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der Übergang der Kundschaft, der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten zu berücksichtigen. Wesentlich sei, dass die Beklagte sich verpflichtet habe, die in einem Schlachthof anfallenden Tätigkeiten im Schlachthof C zu verrichten und damit die Fleischversorgung im Raum C zu sichern. Ein Schlachthof sei insbesondere ein durch moderne technische Einrichtungen geprägter Betrieb, in dem jedes ausgebildete Personal nach Einweisung Schlachthofleistungen erbringen könne. Auf die menschliche Arbeitskraft und ein spezielles know how komme es nicht wesentlich an, sondern auf das umfangreiche Inventar, wie die Räumlichkeiten und die umfangreichen Transport-, Hebe- und Aufbewahrungseinrichtungen. Die Beklagte führe die Produktion im Schlachthof C nahtlos weiter. Die Organisation und Durchführung der übernommenen Tätigkeiten werde durch die Aufgabe selbst und die übernommenen Einrichtungen geprägt, die die Organisation vorgäben und die hiermit identitätsstiftenden Charakter hätten. Darauf, dass kein Personal übernommen worden sei, komme es nicht an.
Allerdings habe im Hauptantrag nicht auf das bisherige durchschnittliche Nettowocheneinkommen abgestellt werden können, da dieses maßgeblich von sich ändernden Faktoren mit beeinflusst werde. Insoweit habe die Berufung zurückgewiesen werden müssen.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist am im Wege eines Betriebsübergangs gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen.
1. Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr. des Senats im Anschluss an - [Ayse Süzen] EuGHE I 1997, 1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145; zuletzt - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres] EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41; zB - AP BGB § 613a Nr. 305 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 53; - 8 AZR 350/03 - BAGE 111, 283, 291 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27; - 8 AZR 159/98 - BAGE 91, 121, 126 = AP BGB § 613a Nr. 189 = EzA BGB § 613a Nr. 177). In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge ( - AP BGB § 613a Nr. 190 = EzA BGB § 613a Nr. 178; - 8 AZR 520/99 -). In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (so zuletzt - [Carlito Abler] EuGHE I 2003, 14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13; vgl. auch - BAGE 111, 283, 292 = aaO). Der Umstand, dass die von dem neuen Unternehmer übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, schließt den Betriebsübergang nicht aus. Auch ist im Fall einer Auftragsneuvergabe die Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Betriebsübergangs vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer ( und C-233/04 - [Güney-Görres] aaO; - AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49; - 8 AZR 271/05 - aaO). Sächliche Betriebsmittel sind im Rahmen einer Auftragsneuvergabe wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht ( - aaO). Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Entscheidend ist die Übernahme der Organisations- und Leitungsmacht.
2. Nach diesen Grundsätzen liegt - wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - im Streitfall ein Betriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 BGB vor.
a) Die Beklagte verfolgt keinen anderen Betriebszweck als die W; auch ist die Art des betreffenden Betriebs gleich geblieben. Sie ist am selben Ort in denselben Räumlichkeiten mit überwiegend denselben Maschinen wie zuvor die W mit den Schlacht- und Zerlegearbeiten im Schlachthof C betraut. Aus den vorgelegten Werk(rahmen)verträgen ergibt sich, dass die W und die Beklagte die gleichen Tätigkeiten verrichtet haben. Eine Stilllegung oder Unterbrechung der Betriebstätigkeit hat nicht stattgefunden.
Die Beklagte hat den Betrieb vielmehr nahtlos am im Anschluss an die Tätigkeit der W fortgesetzt.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch nicht von einer reinen Funktionsnachfolge auszugehen. Bei den von der Beklagten übernommenen Tätigkeiten handelt es sich nicht um solche, bei denen es wesentlich auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, so dass es der Übernahme von Personal der W zur Begründung eines Betriebsübergangs nicht bedurfte. Denn die Beklagte hat die maßgeblichen, die wirtschaftliche Einheit in ihrer Identität prägenden, materiellen Betriebsmittel des von der W betriebenen Schlachthofs übernommen.
(1) Sächliche Betriebsmittel sind nach der Rechtsprechung des Senats ( - 8 AZR 147/05 - AP BGB § 613a Nr. 302 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 50; - 8 AZR 222/04 - AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49; - 8 AZR 271/05 - AP BGB § 613a Nr. 305 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 53) wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht und wenn sie somit unverzichtbar zur auftragsgemäßen Verrichtung der Tätigkeiten sind.
Dies trifft auf die in den Räumlichkeiten des Schlachthofs befindlichen Einrichtungen, wie Förderbänder, Hebeeinrichtungen, Podeste mit Hebevorrichtungen, Fellabzugsmaschine, Fräsen und Pumpen, Waagen sowie Kühlräume und Hygieneschleusen zu. Denn ob sächliche Betriebsmittel identitätsprägend sind, richtet sich insbesondere nach der jeweiligen Eigenart des Betriebs (Senat - 8 AZR 222/04 -AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49). So mag es zwar zutreffen, dass auch die Sachkunde, Flexibilität und die Fähigkeiten des Personals in dem Schlachthof von Bedeutung sind. Im Vergleich zu den sächlichen Betriebsmitteln sind sie jedoch von geringerem Gewicht. Denn die Beklagte verkennt in ihrer Beurteilung, dass es sich bei dem Schlachthof C um einen Betrieb handelt, der der Massentierschlachtung dient. Die vertraglich von ihr geschuldete Schlachtung und Zerlegung von 300.000 Schweinen, 15.000 Sauen und 25.000 Rindern jährlich ist in der vorgegebenen Zeit ohne die vorhandene Einrichtung nicht möglich. Unstreitig wird das zu verarbeitende Schlachtvieh im Minutentakt den einzelnen Arbeitsstationen zugeführt. Auch noch so gut ausgebildetes und erfahrenes Personal könnte die vereinbarte Menge an Schlachtvieh ohne die umfangreiche technische Einrichtung nicht bewältigen. Für die Ausführung der Tätigkeit der W und auch der Beklagten bedarf es daher nicht nur einfacher Hilfsmittel, sondern umfangreicher Anlagen und Maschinen, deren Einsatz für die Tätigkeit unerlässlich ist. In einem kleinen Schlachtbetrieb ohne nennenswerte maschinelle Ausstattung mag daher die umfassende Einsetzbarkeit und die Fachkunde des Personals von besonderer Bedeutung sein, nicht aber in einem Betrieb, in dem täglich 700 bis 800 Schweine, 40 bis 50 Sauen und etwa 70 Rinder geschlachtet und zerlegt werden. Dass die Schlachtung und Zerlegung grundsätzlich auch auf andere Weise, dh. ggf. unter Verzicht auf die im Schlachthof C vorhandene technische Einrichtung, durchgeführt werden könnte, ist daher nicht erheblich. Erheblich ist vielmehr, auf welche Weise und mit welchen Mitteln sie in dem konkreten Betrieb durchgeführt wurde.
(2) Von untergeordneter Bedeutung sind hingegen die von der W unstreitig nach der Beendigung des Werkvertrages mit der G mitgenommenen Betriebsmittel wie Messer, Messerkörbe, Wetzstäbe, Handschuhe und Arbeitskleidung, da sie leicht austauschbar und auf dem Markt unschwer zu erwerben sind (vgl. hierzu Senat - 8 AZR 222/04 - AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49).
(3) Diese Beurteilung wird auch auf der Grundlage der von Willemsen/Müntefering (NZA 2006, 1185, 1189 ff.) zur Ermittlung der Wahrung der Identität einer wirtschaftlichen Einheit entwickelten Kriterien erzielt. Diese stellen maßgeblich darauf ab, ob die sächlichen Betriebsmittel wie Maschinen und Anlagen den Ablauf des Wertschöpfungsprozesses in weitem Umfang vorgeben, so dass das erzielte Arbeitsergebnis (die Wertschöpfung) in erster Linie auf dem Einsatz der materiellen Ressourcen und nur zu einem geringen Teil auf der menschlichen Arbeitsleistung beruht. Die sächlichen Betriebsmittel stünden dann derart im Vordergrund, dass allein ihre Übernahme die Aufrechterhaltung der Arbeitsorganisation zur Folge hat und einen Betriebsübergang auslöst, was regelmäßig bei Produktionsbetrieben anzunehmen sei.
(4) Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf Schlachter (NZA 2006, 80) meint, die zur Erledigung eines Auftrags von dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Betriebsmittel seien grundsätzlich nicht identitätsprägend, steht dies im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Danach ist im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung in jedem Fall der Funktionsnachfolge zu prüfen, ob die von dem Auftraggeber überlassenen Betriebsmittel identitätsstiftend sind (vgl. und C-233/04 - [Güney-Görres] EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41; - C-340/01 - [Carlito Abler] EuGHE I 2003, 14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13).
(5) Unerheblich ist, ob der potentielle Betriebsübernehmer Eigentümer der identitätsprägenden sächlichen Betriebsmittel wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts sind einem Betrieb auch solche Gebäude, Maschinen, Werkzeuge oder Einrichtungsgegenstände als sächliche Betriebsmittel zuzurechnen, die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehen, sondern die dieser auf Grund einer mit Dritten getroffenen Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung dieser Betriebszwecke einsetzen kann ( - AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49; - [Carlito Abler] EuGHE I 2003, 14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13).
(6) Die überlassene Einrichtung des Schlachthofs ist der Beklagten nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. - 8 AZR 147/05 - AP BGB § 613a Nr. 302 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 50; - 8 AZR 222/04 - AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49; - 8 AZR 249/04 - AP BGB § 613a Nr. 303 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 52) im Anschluss an die Güney-Görres Entscheidung des EuGH ( - C-232/04 und C-233/04 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41) schließlich auch unabhängig davon zuzurechnen, ob sie ihr zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind. Danach kann dieses Merkmal hinsichtlich der materiellen Betriebsmittel, die im Eigentum eines Dritten stehen, für das Vorliegen eines Betriebsübergangs nicht mehr herangezogen werden.
c) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte in dem Betrieb des Schlachthofs eine wesentliche Organisationsänderung vorgenommen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind wesentliche Änderungen der Tätigkeit auf Grund von Änderungen des Konzepts und der Struktur Faktoren, die einem Betriebsübergang entgegenstehen können ( - 8 AZR 299/05 - AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51; - 8 AZR 331/03 - AP BGB § 613a Nr. 273 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 26). Im Streitfall hat das Landesarbeitsgericht insoweit jedoch zutreffend erkannt, dass die Organisation und die Durchführung der übernommenen Tätigkeiten weitgehend durch die Aufgabe selbst und die übernommenen Einrichtungen geprägt ist. Die werkvertraglich von der G sowohl ehemals der W als auch der Beklagten vorgegebenen Leistungsziele und Arbeitsvorgänge werden eine Änderung der Arbeitsorganisation ohnehin nahezu ausschließen.
d) Als wesentlicher immaterieller Aktivposten ist die vertragliche Beziehung zur G GmbH anzusehen. Zwar ist - wie der Senat in seiner Entscheidung vom (- 8 AZR 271/05 - AP BGB § 613a Nr. 305 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 53) nochmals ausdrücklich hervorgehoben hat - die reine Auftragsnachfolge nicht als Betriebsübergang anzusehen; im Rahmen der Gesamtschau ist es jedoch von Bedeutung, dass nicht andere immaterielle Aktiva für den Betrieb der W wesentlich waren.
e) Die Beklagte hat den Betrieb des Schlachthofs auch durch Rechtsgeschäft übernommen. Der Begriff des Rechtsgeschäfts ist weit zu verstehen. Rechtsgeschäftlicher Betriebsinhaberwechsel bedeutet, dass die zum Betrieb gehörenden materiellen oder immateriellen Betriebsmittel durch besondere Übertragungsakte - und nicht durch Gesamtrechtsnachfolge oder Hoheitsakt - auf den neuen Inhaber übertragen werden. § 613a BGB ist nicht nur dann anwendbar, wenn der Betrieb oder Betriebsteil als Ganzes unmittelbar durch ein einheitliches Rechtsgeschäft von dem Veräußerer auf den Erwerber übertragen wird. Ein Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft liegt auch dann vor, wenn der Übergang von dem früheren auf den neuen Betriebsinhaber rechtsgeschäftlich veranlasst wurde; sei es auch durch eine Reihe von verschiedenen Rechtsgeschäften oder durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen mit verschiedenen Dritten. Entscheidend ist, ob die Rechtsgeschäfte darauf gerichtet sind, eine funktionsfähige betriebliche Einheit zu übernehmen ( - AP BGB § 613a Nr. 302 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 50; - 8 AZR 222/04 - AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49; kritisch nunmehr Grobys NJW-Spezial 2006, 513). Eine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber ist nicht erforderlich ( - [Ayse Süzen] EuGHE I 1997, 1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145; - C-340/01 - [Carlito Abler] EuGHE I 2003, 14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13). Die Beklagte hat den Betrieb des Schlachthofs auf Grund der Werkrahmenverträge mit der G und damit durch Rechtsgeschäft übernommen.
3. Da die Berufung des Klägers bereits mit dem Hauptantrag, dem Klageantrag zu 1) begründet war, bedurfte es keiner Entscheidung über den nur hilfsweise gestellten Klageantrag zu 2).
III. Die Beklagte hat gem. § 97 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Fundstelle(n):
NAAAC-49571
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