Leitsatz
[1] Der Prozessbevollmächtigte hat seine Partei so rechtzeitig - zweckmäßigerweise sofort nach Eingang des Urteils - vom Zeitpunkt der Zustellung und über die daraus folgenden Umstände der Rechtsmitteleinlegung zu unterrichten, dass die Partei den Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels auch unter Berücksichtigung einer ausreichenden Überlegungsfrist noch innerhalb der Rechtsmittelfrist erteilen kann; eine Information eine Woche vor Fristablauf ist auch in einfachen Fällen dann nicht rechtzeitig, wenn der Prozessbevollmächtigte Anhaltspunkte dafür hat, dass der Mandant nicht erreichbar sein könnte (Bestätigung und Fortführung von - VersR 1993, 630).
Gesetze: ZPO § 233 B; ZPO § 85 Abs. 2
Instanzenzug: LG Landau 4 O 544/04 vom OLG Zweibrücken 1 U 140/05 vom
Gründe
I. Der Kläger macht Leistungen aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend. Das Landgericht wies die Klage durch Urteil vom ab, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt wurde. Diese informierten den Kläger unter Übersendung des Urteils mit Schreiben vom über den Verfahrensausgang und die Möglichkeit, bis zum Berufung einlegen zu lassen.
Am legte der Kläger durch seine zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Berufung ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat er vorgetragen: Da er seit Übersendung des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom von seinen damaligen Prozessbevollmächtigten nicht weiter informiert worden sei, habe er an einem nicht mehr feststellbaren Tag im Juli in deren Kanzlei angerufen. Die sachbearbeitende Rechtsanwältin habe ihm keine weitergehenden Informationen gegeben, sie habe erklärt, man müsse abwarten, wie es weitergehen werde. Er habe bei diesem Telefonat erwähnt, er werde im August vorübergehend zur Luftveränderung an der Nordsee sein. Vom 12. bis sei er im Urlaub auf Sylt gewesen. Das Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom sei ihm erst durch Zustellung der während des Urlaubs gesammelten Post am zur Kenntnis gelangt.
Durch Beschluss vom hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung beruhe auf einem Verschulden der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten. Sie hätten den Kläger nach Zustellung des Urteils am unverzüglich vom Ausgang des Verfahrens in Kenntnis setzen müssen. Wäre dies geschehen, hätte er schon vor der Abreise in den Urlaub über die Einlegung der Berufung entscheiden können. Davon abgesehen liege auch ein eigenes Verschulden des Klägers vor. Bei dem ihm bekannten fortgeschrittenen Verfahrensstand habe er mit Zustellungen oder sonstigen Mitteilungen rechnen und deshalb dafür sorgen müssen, für seine Prozessbevollmächtigten am Urlaubsort erreichbar zu sein.
Dagegen richtet sich die vom Kläger eingelegte Rechtsbeschwerde.
II. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft, aber nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. - NJW 2006, 2637 Tz. 5), sind nicht erfüllt. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind geklärt. Der angefochtene Beschluss lässt zulassungsrelevante Rechtsfehler nicht erkennen, insbesondere beruht er nicht auf einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Er entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und erschwert dem Kläger den Zugang zum Berufungsgericht nicht in unzumutbarer Weise.
1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Frist zur Einlegung der Berufung in erster Linie durch ein schuldhaftes Verhalten der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers verursacht worden ist, das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Rechtsanwalt jede Frist bis zu ihrem Ende uneingeschränkt ausnutzen darf. Die Beschwerde verkennt, dass der Rechtsanwalt zwar gegenüber dem Gericht die Rechtsmittelfrist bis zum letzten Tag ausschöpfen darf, gegenüber seinem Mandanten aber aus dem Anwaltsdienstvertrag (§§ 675, 611 BGB) weitergehende Pflichten hat ( - VersR 1993, 630 unter 2 a). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom aaO m.w.N. und vom - IV ZB 1061/68 - VersR 1969, 635 unter 2) hat der Prozessbevollmächtigte seine Partei so rechtzeitig - zweckmäßigerweise sofort nach Eingang des Urteils - vom Zeitpunkt der Urteilszustellung in Kenntnis zu setzen und sie über die daraus folgenden Umstände der Rechtsmitteleinlegung zu unterrichten, dass die Partei den Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels auch unter Berücksichtigung einer ausreichenden Überlegungsfrist noch innerhalb der Rechtsmittelfrist erteilen kann. Er darf es seinem Mandanten nicht zumuten, gegebenenfalls erst am Tag des Fristablaufs - und damit ohne jede Überlegungsfrist - vor die Entscheidung gestellt zu werden, ob er ein Rechtsmittel einlegen wolle. Zudem kommt allgemein in Betracht, dass der Mandant an diesem Tag nicht erreichbar oder verhindert ist. Unter Berücksichtigung der üblichen Übermittlungsdauer muss sogar in einfachen Fällen die vollständige geschuldete Unterrichtung mindestens eine Woche vor Fristablauf erfolgen. Eine Information eine Woche vor Fristablauf ist aber in jedem Fall dann nicht rechtzeitig, wenn der Prozessbevollmächtigte Anhaltspunkte dafür hat, dass der Mandant nicht erreichbar sein könnte.
b) Daran gemessen haben die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ihre Informationspflicht schuldhaft verletzt. Sie hätten den Kläger nicht erst mit Schreiben vom und damit knapp fünf Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist () über die am erfolgte Zustellung des Urteils und über die sich daraus ergebenden Umstände der Berufungseinlegung unterrichten dürfen. Vielmehr waren sie dazu - zumindest telefonisch - bereits im Juli 2005 verpflichtet. Denn der Kläger hatte die sachbearbeitende Rechtsanwältin in dem von ihm geschilderten Telefonat auf die für August 2005 geplante Reise an die Nordsee hingewiesen. Sie musste deshalb damit rechnen, dass der Kläger im August 2005 vor Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr erreichbar war und einen Auftrag zur Einlegung der Berufung nicht rechtzeitig erteilen konnte. Deshalb kommt es, anders als die Beschwerde meint, nicht darauf an, ob das Schreiben vom noch am selben Tag zur Post aufgegeben worden ist. Die Prozessbevollmächtigten konnten ohne Verschulden weder am noch etwa eine Woche vor Fristablauf davon ausgehen, den Kläger werde die geschuldete Information vor Fristablauf erreichen. Aus dem Schreiben vom ergibt sich im Übrigen, dass eine frühere Mitteilung wohl beabsichtigt war, aber wegen Urlaubsabwesenheit der sachbearbeitenden Rechtsanwältin versehentlich unterblieben ist. Dies entschuldigt sie nicht. Ein Rechtsanwalt hat nicht nur bei absehbarer Verhinderung durch Krankheit (vgl. - NJW 1996, 1540 unter II 1 b), sondern erst recht bei Urlaubsabwesenheit für einen Vertreter zu sorgen.
Die verspätete Unterrichtung des Klägers war damit für die Versäumung der Frist jedenfalls mitursächlich. Aus dem Verhalten des Klägers nach dem ergibt sich, dass er die Berufung bei pflichtgemäßem Verhalten seiner Prozessbevollmächtigten rechtzeitig hätte einlegen lassen.
2. Auf ein eigenes Verschulden des Klägers an der Fristversäumung und die Ausführungen der Beschwerde hierzu kommt es danach nicht an.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2007 S. 1472 Nr. 27
HFR 2007 S. 1251 Nr. 12
NJW 2007 S. 2331 Nr. 32
KAAAC-48775
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein