Leitsatz
[1] 1. Spiegelt der Geschäftsführer einer GmbH-Arbeitgeberin vor, die tariflich vorgeschriebene Insolvenzsicherung eines Wertguthabens aus einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis sei erfolgt, kann dies seine Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB begründen. Er kann einen Betrug iSd. § 263 Abs. 1 StGB durch Täuschung des Betriebsrats zu Lasten eines Arbeitnehmers begangen haben, wenn der Betriebsrat auf Grund einer Betriebsvereinbarung berechtigt war, den Nachweis der Insolvenzsicherung zu verlangen.
2. Der Geschäftsführer haftet dann gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 Abs. 1 StGB persönlich für den Schaden, der dem Arbeitnehmer durch die (teilweise) Nichterfüllung seines erarbeiteten und nicht gesicherten Wertguthabens in der Insolvenz entsteht. Der Eintritt eines derartigen Schadens ist regelmäßig zu erwarten; denn das vor Insolvenzeröffnung erarbeitete Wertguthaben wird nach § 108 Abs. 2 InsO nur als Insolvenzforderung berichtigt.
Gesetze: Tarifvertrag zur Altersteilzeit zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Südwest e. V. Freiburg und der Industriegewerkschaft Metall für die Tarifgebiete Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern in der Fassung vom 16. Dezember 1997// (im Folgenden: TV ATZ) § 12; Tarifvertrag zur Altersteilzeit zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Südwest e. V. Freiburg und der Industriegewerkschaft Metall für die Tarifgebiete Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern in der Fassung vom 16. Dezember 1997// (im Folgenden: TV ATZ) 16; ZPO § 264; ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 2; BGB § 311 Abs. 3; StGB § 263 Abs. 1; StGB § 266 Abs. 1; GmbHG § 13 Abs. 2; SGB IV § 7d Abs. 1; InsO § 108
Instanzenzug: ArbG Freiburg 8 Ca 540/03 vom LAG Baden-Württemberg (Freiburg) 10 Sa 29/05 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die persönliche Haftung des Beklagten für ein nicht abgesichertes Wertguthaben aus einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Der Kläger war seit dem , zuletzt als Meister in der Wagenheberfertigung, bei der E. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin) beschäftigt. Der Beklagte ist der ehemalige Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Schuldnerin. Am vereinbarten der Kläger und die Schuldnerin die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis zum . Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitarbeitsvertrags galt im Betrieb der Schuldnerin eine Betriebsvereinbarung vom . Dort heißt es in Ziff. 11 wie folgt:
"Der Arbeitgeber weist entsprechend § 16 TV ATZ Maßnahmen zur Insolvenzsicherung nach."
Im Tarifvertrag zur Altersteilzeit zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Südwest e. V. Freiburg und der Industriegewerkschaft Metall für die Tarifgebiete Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern in der Fassung vom 16. Dezember 1997// (im Folgenden: TV ATZ) heißt es, soweit für den Rechtsstreit maßgeblich, wie folgt:
"§ 12
Langzeitkonto
Zur Erfüllung der Eigenbeteiligung können die Betriebsparteien die Möglichkeit von Langzeitkonten vereinbaren, die zweckgerichtet zur Finanzierung der Altersteilzeit dienen. Die Beschäftigten können in diese Langzeitkonten Zeitguthaben und Zuschläge einbringen.
...
§ 16
Insolvenzsicherung
Der Arbeitgeber berät geeignete Maßnahmen mit dem Betriebsrat und stellt sicher, dass im Falle der vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses durch Insolvenz des Arbeitgebers alle bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche einschließlich der darauf entfallenden Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung gesichert sind.
Die Insolvenzsicherung von Langzeitkonten im Sinne von § 12 erfolgt, sobald der Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen ist oder das zu diesem Zweck gebildete Guthaben 150 Stunden übersteigt.
Der Arbeitgeber weist gegenüber dem Betriebsrat bzw., soweit keine Betriebsvereinbarung besteht, gegenüber dem Beschäftigten jährlich die ausreichende Sicherung nach.
Die Art der Sicherung kann betrieblich festgelegt werden."
Eine Insolvenzsicherung des Wertguthabens aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit dem Kläger erfolgte nicht. Mit Beschluss vom (- 7 (2) IN 141/03 -) traf das Amtsgericht Rottweil Anordnungen im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse und zur Aufklärung des Sachverhalts und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Der Betriebsteil Fahrzeugsysteme, in dem der Kläger beschäftigt war, wurde von der B. GmbH übernommen.
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Erstattung des Schadens, der ihm durch die unterbliebene Insolvenzsicherung seines Wertguthabens entstanden ist.
Er hat behauptet, der Beklagte habe ihm am erklärt, er werde sich persönlich um die Insolvenzsicherung des Wertguthabens kümmern. Am habe der Beklagte ihm mitgeteilt, dass eine Insolvenzsicherung abgeschlossen worden sei und er noch einen blauen Ordner suche, in dem sich die Police befinde. Auch gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden habe der Beklagte bereits im Sommer 2002 auf Nachfrage erklärt, dass eine entsprechende Insolvenzsicherung der Wertguthaben erfolgt sei. Der Betriebsratsvorsitzende habe dem Kläger vor der Insolvenzeröffnung im Sommer 2003 mitgeteilt, dass der Beklagte auch ihm gegenüber versichert habe, eine Insolvenzsicherung der Wertguthaben sei über die Versicherung "A & Partner" erfolgt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm den Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass das Wertguthaben für den Kläger aus dem Altersteilzeitvertrag nicht für den Fall der Insolvenz der E. GmbH & Co. KG abgesichert wurde.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die auf Zahlung in Höhe von 33.352,70 Euro gerichtete Leistungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, nachdem dieser mit Zustimmung des Beklagten seinen Zahlungsantrag auf einen Feststellungsantrag umgestellt hatte. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.
Gründe
Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage nicht ohne weitere Sachaufklärung abweisen. Nach dem Vorbringen des Klägers kann der Beklagte verpflichtet sein, dem Kläger den geltend gemachten Schaden zu ersetzen.
A. Die Feststellungsklage ist zulässig.
I. Soweit der Kläger auf Hinweis des Landesarbeitsgerichts in der Berufungsinstanz seine Zahlungsklage auf eine Feststellungsklage umgestellt hat, ist dies zulässig.
Die Erweiterung oder Beschränkung des Antrags und insbesondere der Wechsel vom Leistungs- zum Feststellungsantrag bei unverändertem Sachverhalt stellen gem. § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung dar. Eine Antragsbeschränkung ist deshalb in der Rechtsmittelinstanz noch zulässig (vgl. zur Revisionsinstanz: - AP TzBfG § 12 Nr. 4 = EzA TzBfG § 12 Nr. 2; - 1 ABR 25/04 - BAGE 115, 165). Der Sachverhalt ist unverändert geblieben.
II. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.
Für eine Klage auf Feststellung der deliktischen Verpflichtung eines Schädigers liegt das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung bereits dann vor, wenn der Schadenseintritt möglich ist, auch wenn Art und Umfang sowie Zeitpunkt des Eintritts noch ungewiss sind. Es muss lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen (Senat - 9 AZR 470/04 - AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 25 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 2; -NJW-RR 2007, 601). So ist es hier. Es steht vor Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht fest, in welcher Höhe Ansprüche des Klägers aus seinem Wertguthaben im Rahmen der Insolvenz erfüllt werden; denn das vor Insolvenzeröffnung erarbeitete Wertguthaben wird nach § 108 Abs. 2 InsO nur als Insolvenzforderung berichtigt.
B. Der zulässige Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlicher Eingriff gegeben ist, der zu einem möglichen Schaden führen kann. Dieser haftungsrechtliche Eingriff kann sich hier aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 Abs. 1 StGB ergeben. Das Landesarbeitsgericht hat die dafür notwendigen Feststellungen noch zu treffen.
I. Ein vertraglicher Anspruch des Klägers gegen den Beklagten scheidet aus. Der Kläger beruft sich nicht darauf, der Beklagte habe ihm gegenüber erklärt oder zumindest den Anschein erweckt, er werde persönlich - in Abweichung von der gesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung nach § 13 Abs. 2 GmbHG - für Verbindlichkeiten aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis haften.
II. Der Beklagte haftet auch nicht nach § 311 Abs. 3 BGB wegen seines Verhaltens bei der Begründung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Nach dieser Vorschrift entsteht ein haftungsbegründendes Schuldverhältnis auch mit dem Dritten, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst (vgl. zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 311 BGB: Senat - 9 AZR 436/04 - AP ATG § 8a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 4 mwN). Der Kläger hat nicht behauptet, die Vertrauenswürdigkeit des Beklagten habe bei Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags eine wesentliche Rolle gespielt.
III. Der Beklagte haftet auch nicht nach § 823 Abs. 1 BGB.
Die unterbliebene Absicherung des Wertguthabens gegen Insolvenz durch die Schuldnerin, deren Geschäftsführer der Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitarbeitsvertrags war, stellt keine unerlaubte Handlung iSd. § 823 Abs. 1 BGB dar. Diese Norm dient lediglich dem Schutz absoluter Rechte und Rechtsgüter, wie Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder sonstiger Rechte. Das Wertguthaben, das ein Arbeitnehmer in Altersteilzeit angespart hat, wird als schuldrechtlicher Anspruch durch § 823 Abs. 1 BGB nicht geschützt (Senat - 9 AZR 79/05 - AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 24 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 3).
IV. Nach dem Vortrag des Klägers kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte gegen ein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB verstoßen hat und daher für den möglichen Schaden haftet.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 7d Abs. 1 SGB IV allerdings nicht in Betracht. Diese Vorschrift verpflichtet die Vertragsparteien des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses dazu, im Rahmen ihrer Vereinbarungen Vorkehrungen zu treffen, die der Erfüllung des Wertguthabens des Arbeitnehmers einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag bei Zahlungsunfähigkeit dienen. § 7d Abs. 1 SGB IV ist kein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB. Denn die Pflicht zur Absicherung der Wertguthaben wurde durch diese Norm beiden Vertragsparteien auferlegt (vgl. ausführlich Senat - 9 AZR 436/04 - AP ATG § 8a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 4 mwN).
2. Es besteht auch kein Anspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 16 TV ATZ oder in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung vom . Diese Regelungen begründen nur eine Haftung des Arbeitgebers gem. § 13 Abs. 2 GmbHG, nicht aber eine Durchgriffshaftung des Geschäftsführers. Insoweit sind sie nicht Schutzgesetz (vgl. Senat - 9 AZR 470/04 - AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 25 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 2).
3. Eine Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 Abs. 1 StGB scheitert daran, dass zwischen den Parteien kein Vermögensbetreuungsverhältnis iSd. § 266 StGB bestanden hat. In Betracht kommt hier nur der sogenannte Treubruchstatbestand der zweiten Alternative des § 266 Abs. 1 StGB. Dieser setzt eine Vermögensbetreuungspflicht des Täters auf Grund einer besonders qualifizierten Pflichtenstellung zu dem fremden Vermögen mit Geschäftsbesorgungscharakter voraus. Eine solche Pflichtenstellung ist zwischen dem Geschäftsführer einer GmbH und den dort beschäftigten Angestellten nicht gegeben (Senat - 9 AZR 436/04 - AP ATG § 8a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 4).
4. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht nicht geprüft, ob nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 Abs. 1 StGB ein Betrug zu Lasten des Klägers in Betracht kommt.
a) Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, der Beklagte habe ihm am zugesichert, er werde sich persönlich um eine Insolvenzsicherung kümmern und habe weiter am mitgeteilt, dass diese abgeschlossen worden sei. Diese behaupteten Täuschungen des Beklagten können nicht kausal für einen Schaden wegen unterbliebener Insolvenzsicherung sein. Bereits am und damit zeitlich vor den streitigen Täuschungshandlungen hatte das Amtsgericht im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin Anordnungen zur Sicherung der künftigen Masse und zur Aufklärung des Sachverhalts getroffen sowie einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Selbst wenn der Beklagte dem Kläger wahrheitsgemäß mitgeteilt hätte, eine Insolvenzsicherung sei bisher nicht erfolgt, wäre diese mit Beginn des Insolvenzeröffnungsverfahrens tatsächlich nicht mehr möglich gewesen.
b) Dagegen kann sich aus der Behauptung des Klägers, der Beklagte habe gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden bereits im Sommer 2002 erklärt, dass eine entsprechende Insolvenzsicherung der Wertguthaben der Altersteilzeitarbeitnehmer erfolgt sei, ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 263 Abs. 1 StGB ergeben.
Betrug setzt voraus, dass die Täuschungshandlung des Täters einen Irrtum des Getäuschten hervorruft oder unterhält und dieser Irrtum zu einem Vermögensschaden beim Opfer führt. Der Vermögensschaden muss durch eine Vermögensverfügung des Getäuschten herbeigeführt worden sein.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Beweis für die Täuschungshandlung des Beklagten gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden erbracht wird. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb den vom Kläger angebotenen Zeugenbeweis zu erheben haben.
aa) Die behauptete Täuschung erfüllt die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 263 Abs. 1 StGB.
(1) Eine Täuschungshandlung iSd. § 263 Abs. 1 StGB ist anzunehmen, wenn der Beklagte dem Betriebsratsvorsitzenden im Sommer 2002 vorgespiegelt hat, dass die Schuldnerin ihre nach § 16 Abs. 1 TV ATZ bestehende Verpflichtung zur Insolvenzsicherung der Wertguthaben erfüllt habe. Damit hätte er den Betriebsratsvorsitzenden davon abgehalten, die Altersteilzeitarbeitnehmer und den Betriebsrat über diesen Sachverhalt zu informieren, damit diese die Insolvenzsicherung geltend machen und durchsetzen können.
(2) Die Schuldnerin war nach § 16 Abs. 1 TV ATZ zur Insolvenzsicherung der Wertguthaben der Altersteilzeitarbeitnehmer verpflichtet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts beschränkte sich diese Pflicht nicht auf die Insolvenzsicherung von Langzeitkonten.
(2.1) Nach § 16 Abs. 1 TV ATZ hat der Arbeitgeber sicherzustellen, dass im Falle der vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses durch Insolvenz des Arbeitgebers alle bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche gesichert sind.
Entgegen dem Tarifwortlaut setzt diese Pflicht nicht voraus, dass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis "durch Insolvenz des Arbeitgebers" beendet wird. Einen solchen Beendigungstatbestand gibt es nicht. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet nicht durch Insolvenzeröffnung, sondern besteht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort (§ 108 Abs. 1 Satz 1 InsO). Eine reine Wortauslegung der Tarifregelung würde deshalb dazu führen, dass eine Insolvenzsicherung nie eintreten könnte. Eine solche sinnlose Regelung kann den Tarifvertragsparteien nicht unterstellt werden. Mit der vorzeitigen Beendigung kann deshalb nicht das rechtliche Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, sondern die Beendigung der dem Altersteilzeitarbeitnehmer zustehenden Zahlungen infolge der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gemeint sein. Nur diese Auslegung entspricht dem schon aus der Überschrift "Insolvenzsicherung" des § 16 TV ATZ erkennbaren Zweck der Tarifregelung, nämlich den Arbeitgeber zu verpflichten, Vorkehrungen zur Absicherung des Wertguthabens gegen Insolvenz zu treffen.
(2.2) Die Pflicht zur Insolvenzsicherung besteht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht nur für Langzeitkonten iSd. § 12 TV ATZ. Nach § 16 Abs. 2 TV ATZ erfolgt die Insolvenzsicherung von Langzeitkonten iSv. § 12 TV ATZ, sobald der Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen ist oder das zu diesem Zweck gebildete Guthaben 150 Stunden übersteigt. Mit dieser Regelung wird nicht die nach § 16 Abs. 1 TV ATZ für "alle" entstandenen Ansprüche bestehende Insolvenzsicherungspflicht nachträglich eingeschränkt. § 16 Abs. 2 TV ATZ trifft vielmehr eine Sonderregelung zur Insolvenzsicherung für die mit dem Betriebsrat nach § 12 TV ATZ vereinbarten Langzeitkonten. Danach können Zeitguthaben auf dem Langzeitkonto der Finanzierung der Altersteilzeit dienen. Solche Zeitguthaben können auch vor Beginn der Altersteilzeit aufgebaut werden. Deshalb verpflichtet § 16 Abs. 2 TV ATZ den Arbeitgeber dazu, das Guthaben bereits zu sichern, wenn das Guthaben auf dem Langzeitkonto 150 Stunden übersteigt. Die tarifliche Sicherungspflicht kann in diesem Fall bereits vor Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bei entsprechendem Zeitguthaben eintreten. Das ist jedoch eine andere Sicherung als nach § 16 Abs. 1 TV ATZ.
(3) Für die Annahme einer Täuschungshandlung iSv. § 263 StGB reicht es aus, wenn der Beklagte den Betriebsratsvorsitzenden als Dritten und nicht unmittelbar den Kläger getäuscht hat.
(3.1) Getäuschter und Geschädigter müssen nicht identisch sein. Betrug ist daher auch möglich, wenn der getäuschte Dritte über fremdes Vermögen verfügt. Dafür ist keine rechtlich wirksame Verfügungsmacht notwendig; es genügt vielmehr eine tatsächliche Beziehung zu dem Geschädigten, die es dem Getäuschten ermöglicht, über das fremde Vermögen zu disponieren (Cramer/Perron in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 263 Rn. 65). Die Verfügung des getäuschten Dritten muss entsprechend der Natur des Betrugs als Selbstschädigungsdelikt als Verfügung des Vermögensinhabers erscheinen, diesem also zurechenbar sein. Das setzt ein Näheverhältnis zwischen Getäuschtem und Geschädigtem voraus, kraft dessen der Getäuschte eine engere Beziehung zu dem betroffenen Vermögen hat als Außenstehende (Tiedemann in Leipziger Kommentar StGB 11. Aufl. § 263 Rn. 114 und Rn. 115). Der getäuschte Dritte muss innerhalb der Machtsphäre des Berechtigten als dessen Gehilfe und Schützer stehen (sog. Lagertheorie Tiedemann § 263 Rn. 116).
Eine solche Vermögensschutzfunktion des Betriebsrats gegenüber dem Kläger folgt vorliegend aus Ziff. 11 der Betriebsvereinbarung vom . Danach hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die getroffenen Maßnahmen zur Insolvenzsicherung nachzuweisen. Das soll es dem Betriebsrat ermöglichen, die Erfüllung der Pflicht zur Insolvenzsicherung zugunsten der Altersteilzeitarbeitnehmer zu prüfen und gegebenenfalls den Arbeitgeber hierzu anzuhalten.
(4) Der Betriebsrat hat auch eine Vermögensverfügung zu Lasten des Klägers vorgenommen. Denn er konnte wegen der Täuschungshandlung keine Maßnahmen ergreifen, um eine Insolvenzsicherung durch den Arbeitgeber zu gewährleisten. Eine Vermögensverfügung kann auch in einem Unterlassen bestehen. Insbesondere nimmt auch derjenige eine Vermögensverfügung vor, der es in Unkenntnis eines ihm zustehenden Anspruchs unterlässt, die Forderung geltend zu machen (Cramer/Perron in Schönke/Schröder § 263 Rn. 58).
(5) Dem Kläger ist durch diese Vermögensverfügung ein Vermögensschaden iSd. § 263 Abs. 1 StGB zugefügt worden. Die für die Vermögensverfügung erforderliche Vermögensminderung kann in einem wirtschaftlichen Nachteil beliebiger Art bestehen.
Das ist hier der Fall. Eine gegen Insolvenz ungesicherte Forderung ist weniger wert als eine gesicherte Forderung. Durch die unterlassene Geltendmachung der Insolvenzsicherung ist die konkrete Befriedigungsaussicht verschlechtert worden. Denn es ist nicht festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Tathandlung im Sommer 2002 die Schuldnerin bereits zahlungsunfähig war und somit der Abschluss einer Insolvenzsicherung tatsächlich nicht mehr möglich gewesen wäre.
(6) Diese Vermögensminderung ist auch unmittelbar durch die Vermögensverfügung eingetreten. Das setzt voraus, dass dieselbe Vermögensverfügung des Getäuschten, die der Täter in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern, veranlasst hat, die Vermögensschädigung unmittelbar herbeiführt ( - BGHSt 6, 115). Der Täter muss den Vorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten in der Weise anstreben, dass der Vorteil "die Kehrseite des Schadens" ist ( - NJW 2004, 2668; - BGHZ 160, 134). Ein der Höhe nach mit dem Schaden identischer Vorteil wird gem. § 263 StGB nicht vorausgesetzt ( - BGHSt 34, 379).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Vorteil der Schuldnerin besteht vorliegend in den ersparten Aufwendungen für die Insolvenzsicherung. Dadurch ist der Schaden des Klägers, nämlich die fehlende Sicherung und damit der geringere Wert seiner Forderung, unmittelbar eingetreten.
bb) Wird die vom Kläger behauptete Täuschung tatsächlich festgestellt, so ist auch von der Erfüllung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 263 Abs. 1 StGB auszugehen.
Hat der Beklagte den Betriebsratsvorsitzenden bewusst getäuscht, obwohl er als Geschäftsführer der Schuldnerin wusste, dass eine Insolvenzsicherung nicht erfolgt war, so hat er auch mit Schädigungsvorsatz gehandelt. Es reicht aus, dass der Täter die schadensbegründenden Umstände kennt ( - NStZ 2003, 264). Es ist weiter davon auszugehen, dass es dem Beklagten darauf ankam, die Prämien für die Insolvenzsicherung zugunsten der Schuldnerin zu sparen und damit der Schuldnerin einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Damit wäre auch das Tatbestandsmerkmal der (Dritt-) Bereicherungsabsicht erfüllt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2007 S. 1919 Nr. 35
NJW 2007 S. 2573 Nr. 35
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2007 S. 3411
StuB-Bilanzreport Nr. 2/2008 S. 80
ZIP 2007 S. 1334 Nr. 28
OAAAC-48739
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein