Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 2 Satz 2; GG Art. 20 Abs. 3
Instanzenzug: OLG Nürnberg 1 Ws 248/07 H vom
Gründe
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft anlässlich der ersten besonderen Haftprüfung nach § 121, § 122 StPO durch das Oberlandesgericht.
I.
1. Dem in Mosambik geborenen Beschwerdeführer liegt versuchter Mord in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung zur Last. Er soll am in Fürth Benzin vor der Wohnungstüre einer ihm bekannten Familie ausgegossen und in Brand gesteckt haben, um die Auswirkungen eines angeblich gegen ihn verhängten "Voodoo-Zaubers" zu beenden. Aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Fürth vom befindet er sich seit demselben Tage in ununterbrochener Untersuchungshaft.
2. Mit Beschluss vom ordnete das Oberlandesgericht Nürnberg im Verfahren der - ersten - besonderen Haftprüfung nach § 121, § 122 StPO die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft an. Deren Aufrechterhaltung sei gerechtfertigt, weil ein wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO ein Urteil noch nicht zugelassen habe. Die Besonderheiten des Falles machten gründliche Ermittlungen erforderlich, für die eine lange Bearbeitungszeit zu veranschlagen sei. Der Abschluss der polizeilichen Ermittlungen sei für die nächste Zeit zu erwarten, nachdem vor kurzem mehrere beim Landeskriminalamt eingeholte Stellungnahmen eingegangen seien.
3. Mit Beschluss vom - 2 BvR 489/07 - hob die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zu erneuter Entscheidung zurück. Das Oberlandesgericht habe nicht dargelegt, worin die besonderen Schwierigkeiten oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder gar ein anderer wichtiger Grund bestanden haben sollten, die ein Urteil bislang nicht zuließen. Im Hinblick auf die beim Landeskriminalamt eingeholten Stellungnahmen fehle jede Angabe, auf welche Gegenstände des Verfahrens sich die Stellungnahmen im Einzelnen bezögen, welche Bedeutung sie für das Ermittlungsverfahren hätten, zu welchem Zeitpunkt sie in Auftrag gegeben worden seien und seit welchem Tage sie den Ermittlungsbehörden vorlägen. Sollte sich im Rahmen der erneut durchzuführenden Haftprüfung ergeben, dass über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder gar Monaten hinweg keine verfahrensfördernden Ermittlungshandlungen stattgefunden hätten, könne eine Fortdauer der bereits mehr als sechs Monate andauernden Untersuchungshaft nicht angeordnet werden.
4. Mit Schreiben vom beantragte die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg erneut, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen. Die Ermittlungen seien zügig und unter Beachtung des in Haftsachen gebotenen Grundsatzes der Beschleunigung geführt worden. Die Polizei habe die wegen der Bedeutung des Tatvorwurfs besonders umfangreichen und schwierigen Ermittlungen am abgeschlossen. Ergänzend wurde auf den Vorlagebericht der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom verwiesen. Diesem ist zu entnehmen, dass die letzte Stellungnahme des Bayerischen Landeskriminalamts vom datiert. Wann das Gutachten bei der Kriminalpolizeiinspektion Fürth eingegangen sei, könne mangels Eingangsstempels nicht mehr nachvollzogen werden. Mit Verfügung vom sei die Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers und seiner etwaigen Unterbringung gemäß § 63, § 64 StGB in Auftrag gegeben worden. Nach Auskunft des Sachverständigen könne mit dem Eingang des Gutachtens bis zum gerechnet werden. Nach Gewährung ergänzender Akteneinsicht werde - je nach dem Ergebnis des Gutachtens - entweder Anklage erhoben oder die Durchführung des Sicherungsverfahrens beantragt. Eine relevante Verfahrensverzögerung liege nicht vor.
5. Mit Schreiben vom bat das Oberlandesgericht den zuständigen Sachbearbeiter der Kriminalpolizei um Aufklärung, wann das Gutachten des Landeskriminalamts eingegangen sei, warum die in den Akten dokumentierte Vernehmung des Zeugen I. für wichtig gehalten wurde, weshalb sie erst am erfolgt sei und ob an dem Fall in der Zwischenzeit gearbeitet worden oder ob er bis zur Vernehmung des Zeugen liegen geblieben sei.
6. In seiner Stellungnahme vom teilte der zuständige Sachbearbeiter mit, dass das Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamts "am " eingegangen sei. Die Vernehmung des Zeugen I. sei für wichtig erachtet worden, weil es sich um einen Landsmann des Beschwerdeführers handele, mit dem dieser näheren Kontakt unterhalten habe. Aus diesem Grunde sei die Annahme gerechtfertigt gewesen, der Zeuge könne wichtige Informationen zur Person des Beschwerdeführers sowie zu seinen Emotionen und Verhaltensweisen einschließlich seiner Gedankenwelt und Glaubensrichtung geben.
Ursprünglich sei der Abschluss der Ermittlungen für den Eingang des letzten Gutachtens des Landeskriminalamts geplant gewesen. Da diesem Gutachten jedoch kein zweifelsfreier Sachbeweis zugrunde gelegen habe, habe die Vernehmung des Zeugen I. an Bedeutung gewonnen, um die Beweiskette zu ergänzen.
Über den Zeugen I. sei zunächst nur dessen Name, dieser allerdings in falscher Schreibweise, und eine ebenfalls unzutreffende Telefonnummer bekannt gewesen. Die Recherchen hinsichtlich der Erreichbarkeit des Zeugen hätten daher nicht unerhebliche Zeit in Anspruch genommen. Nachdem Ende 2006 die korrekte Erreichbarkeit des Zeugen bekannt gewesen sei, sei ihm für die Folgezeit (Anfang 2007) sowohl schriftlich als auch per SMS eine Vorladung übersandt worden. Beiden Ladungen habe der Zeuge jedoch keine Folge geleistet. Ein Nachweis über die Vorladungen sei nicht mehr vorhanden. Weitere Recherchen über das Arbeitsamt und die Krankenkassen hätten schließlich zu der Erkenntnis geführt, dass der Zeuge bei der Firma M. in Nürnberg arbeite. Hier habe er am erreicht und vernommen werden können. In der Zeit zwischen dem Eingang des letzten Gutachtens am und der Vernehmung des Zeugen am sei der Gesamtvorgang durch Einlesen, Überprüfen und Sortieren aufgearbeitet und für den Abschluss der Ermittlungen vorbereitet worden.
7. Mit Schreiben vom machte der Verteidiger des Beschwerdeführers Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen geltend. Bereits in der ersten Vernehmung habe sein Mandant Ausführungen hinsichtlich eines "Voodoo-Zaubers" gemacht, die es nahegelegt hätten, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten über seine Schuldfähigkeit einzuholen. Dass die Staatsanwaltschaft damit mehr als ein halbes Jahr zugewartet habe, sei als massiver Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot zu werten. Ebenso wenig sei nachvollziehbar, warum die Kriminalpolizei mehrere Monate benötigt habe, um die korrekte Erreichbarkeit des Zeugen in Erfahrung zu bringen. Gleiches gelte im Hinblick auf die weiteren Ausführungen der Kriminalpolizei in der Stellungnahme vom .
8. Mit Beschluss vom ordnete das Oberlandesgericht erneut die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Deren Aufrechterhaltung sei gerechtfertigt, weil ein wichtiger Grund im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO ein Urteil noch nicht zugelassen habe. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen sei nicht verletzt worden und eine längere Unterbrechung der Ermittlungshandlungen nicht ersichtlich.
Da der Beschwerdeführer bisher unauffällig gewesen und eine entsprechende Krankheitsvorgeschichte nicht bekannt sei, sei es für die Arbeit des Gutachters besonders wichtig gewesen, Anhaltspunkte aus dem Umfeld des Beschwerdeführers zu gewinnen. Insoweit habe es nahe gelegen, den Zeugen I. zu vernehmen, der mit dem Beschwerdeführer in der Vergangenheit ernsthaft in Konflikt geraten sei. Angesichts dessen sei es gerechtfertigt gewesen, die Suche nach dem Zeugen fortzusetzen. Dass sie derart lange andauern würde, habe zunächst nicht abgesehen werden können. Der lange Zeitraum zwischen der Ersterwähnung des Zeugen im Rahmen der Ermittlungen am und seiner Vernehmung am erkläre sich aus dem Zusammenwirken und der Aufeinanderfolge einer Reihe von Umständen, die der Sachbearbeiter in seiner Stellungnahme vom geschildert habe, die jedoch in ihrer Verkettung nicht voraussehbar gewesen seien.
Die Verteidigung habe zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit eines psychiatrischen Gutachtens sofort erkennbar gewesen sei. Allerdings müsse insoweit berücksichtigt werden, dass der Sachverständige für sein Gutachten auf entsprechende Anknüpfungstatsachen angewiesen sei. Deshalb sei es geboten gewesen, das vollständige Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten und den Gutachtensauftrag erst nach Vorliegen des Schlussberichts zu erteilen, auch wenn die Vernehmung des Zeugen weder Aufschlüsse über etwaige abergläubische Vorstellungen des Beschwerdeführers noch über Wahnideen oder Aggressionen ergeben habe. Im Nachhinein könne man deshalb zwar zu dem Ergebnis kommen, dass es besser gewesen wäre, entweder die Suche nach dem Zeugen mit größerem Aufwand zu betreiben oder nach dem Eingang des letzten Gutachtens des Landeskriminalamts die Fertigung des Schlussberichts vorzuziehen und dem Sachverständigen die Aussagen des Zeugen nachzureichen. Indes sei dem mit der Sache vertrauten Kriminalbeamten ein erheblicher Spielraum bei der Wahl seiner Vorgehensweise zuzubilligen. Auch angesichts der hohen Anforderungen, die das Beschleunigungsgebot in Haftsachen stelle, könne die Vorgehensweise des Kriminalbeamten, zunächst die Ermittlungen insgesamt abzuschließen, nicht beanstandet werden.
9. Im Hinblick auf die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers vom erhob die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth unter dem Anklage, ohne dass das fachpsychiatrische Gutachten vorlag. Der Gutachter habe auf Anfrage mitgeteilt, dass bei dem Beschwerdeführer eine psychische Erkrankung im Raum stehe, eine Aufhebung der Schuldfähigkeit zur Tatzeit nach dem bisherigen Untersuchungsbefund aber aller Voraussicht nach ausgeschlossen werden könne. Das schriftliche Gutachten werde nach Eingang umgehend nachgereicht.
II.
1. Mit der am eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Verteidiger des Beschwerdeführers eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG. Im Wesentlichen macht er eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen und des Anspruchs auf ein faires Verfahren geltend.
a) Bereits anlässlich der ersten polizeilichen Vernehmung des Beschwerdeführers am hätten sich Hinweise ergeben, dass die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens notwendig sei. Es habe keinerlei Veranlassung bestanden, mit der Beauftragung des Sachverständigen bis zum zuzuwarten.
b) Auch die Inanspruchnahme eines Zeitraums von nahezu drei Monaten (vom bis zum ) für die Aufbereitung des Gesamtvorgangs (Einlesen, Überprüfen und Sortieren) sei angesichts des Umstandes, dass damit bereits die Hälfte der Sechs-Monats-Frist des § 121 Abs. 1 StPO aufgebraucht worden sei, vollkommen unangemessen.
c) Dessen ungeachtet habe das Oberlandesgericht keine tragfähige Begründung dafür gegeben, weshalb der Zeuge I. nicht zu einem deutlich früheren Zeitpunkt habe vernommen werden können. Offen geblieben sei des Weiteren auch, weshalb die Staatsanwaltschaft dem Zeugen keine Vorladung habe zukommen lassen, nachdem er der polizeilichen Aufforderung zunächst keine Folge geleistet habe.
d) Ebenso wenig habe das Oberlandesgericht geprüft, ob die Staatsanwaltschaft ihrer Verpflichtung, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes rechtzeitig konkrete Ermittlungsanweisungen zu erteilen, hinreichend nachgekommen sei.
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und - in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eröffnenden Weise - auch offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
I.
1. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG garantiert die Freiheit der Person. In diesem Freiheitsgrundrecht ist das in Haftsachen geltende verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot angelegt (vgl. BVerfGE 46, 194 <195>). Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb in ständiger Rechtsprechung betont, dass der Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkungen ständig als Korrektiv entgegenzuhalten ist und sich sein Gewicht gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 20, 45 <49 ff.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 ff.>). Das bedeutet, dass der Eingriff in die Freiheit nur hinzunehmen ist, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann als durch vorläufige Inhaftierung eines Verdächtigen (BVerfGE 19, 342 <347 ff.>; 20, 45 <49>).
2. Auch unabhängig von der zu erwartenden Strafe setzt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Haftdauer Grenzen. Dem trägt die Bestimmung des § 121 Abs. 1 StPO Rechnung, wonach der Vollzug der Untersuchungshaft vor Ergehen eines Urteils wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden darf, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. Bei der Feststellung dieser Voraussetzungen kommt es entscheidend darauf an, ob die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte ihrerseits alle zumutbaren Maßnahmen getroffen haben, um die Ermittlungen so schnell wie möglich abzuschließen und ein Urteil herbeizuführen. Die Vorschrift des § 121 Abs. 1 StPO lässt nur in begrenztem Umfang eine Fortdauer der Untersuchungshaft zu und ist eng auszulegen (vgl. BVerfGE 20, 45 <50>; 36, 264 <271>).
3. Die in dieser Vorschrift bestimmte Sechs-Monats-Frist stellt dabei nur eine Höchstgrenze dar. Aus § 121 Abs. 1 StPO kann nicht der Schluss gezogen werden, dass das Strafverfahren bis zu diesem Zeitpunkt nicht dem Beschleunigungsgebot gemäß geführt werden muss. Vielmehr gilt auch vor diesem Zeitpunkt der Grundsatz, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen haben, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (vgl. BVerfGE 20, 45 <50>; 36, 264 <273>; siehe auch Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 837).
4. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen umfasst das gesamte Strafverfahren (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des -, StV 2005, S. 220 <222>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1315/05 -, NJW 2005, S. 3485 <3486>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1964/05 -, StV 2006, S. 73 <76>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2057/05 -, StV 2006, S. 81 <84>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 170/06 -, StV 2006, S. 248 <249>) und gilt daher auch bereits im Ermittlungsverfahren (vgl. auch HansOLG Bremen, Beschluss vom - BL 248/91 -, StV 1992, S. 426 <427>). Es verpflichtet nicht nur die Gerichte, sondern alle für die Strafverfolgung zuständigen Stellen, namentlich die Polizeibehörden und die Staatsanwaltschaft, gleichermaßen. Nach Nr. 5 Abs. 4 Satz 1 RiStBV sind die Ermittlungen in Haftsachen sogar besonders zu beschleunigen. Gegebenenfalls sind den Behörden und Beamten des Polizeidienstes rechtzeitig konkrete Ermittlungsanweisungen zu erteilen, um baldmöglichst Anklagereife herstellen zu können (vgl. HansOLG Bremen, Beschluss vom - BL 248/91 -, StV 1992, S. 426 <428>). Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots kann daher auch schon vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist des § 121 Abs. 1 StPO die Aufhebung des Haftbefehls gebieten, wenn es aufgrund vermeidbarer Fehler der Justizorgane zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung kommt (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, StV 2006, S. 251 <253>).
5. An einen zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft bereits andauert (vgl. BGHSt 38, 43 <46>; -, StV 1982, S. 531 <532>; Beschluss vom - 2 Ws 632-633/90 -, StV 1991, S. 308; Beschluss vom - 2 Ws 312/92 -, StV 1992, S. 586; Beschluss vom - 2 Ws 86/96 -, StV 1996, S. 496; <3> 1 HEs 299/98 -, StV 2000, S. 36 <37>). Je nach Sachlage ist bereits eine Zeitspanne von wenigen Wochen oder Monaten zu beanstanden (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom - I BL 61/88 -, StV 1989, S. 158 f.; OLG Schleswig, Beschluss vom - 1 HEs 14/92 -, StV 1992, S. 525; HansOLG Hamburg, Beschluss vom - 2 Ws 90/85 H -, StV 1985, S. 198; -, StV 1992, S. 524 f.; <1> 4420 BL-III-25/00 -, StV 2000, S. 515 <516>).
6. Angesichts der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) fehlt für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) ein wichtiger Grund regelmäßig dann, wenn die zu einer Verzögerung des Verfahrens führende Einholung eines Sachverständigengutachtens dadurch hätte vermieden werden können, dass unmittelbar nach Bekanntwerden des Begutachtungserfordernisses ein entsprechender Gutachtensauftrag erteilt worden wäre (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom - HEs 13/93 -, StV 1993, S. 376; -, StV 1993, S. 205; ThürOLG, Beschluss vom - 1 HEs 2/98 -, StV 1998, S. 560 <561>; ThürOLG, Beschluss vom - 1 HEs 9/04 -, StV 2004, S. 664 <665>; ThürOLG, Beschluss vom - 1 HEs 39/04 -, juris; <1> 4420 BL-III-23/06, juris: stets ist auf eine zeitnahe Erstellung eines Gutachtens hinzuwirken; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 121 Rn. 40; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, Rn. 879 und 885). Steht gar bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftbefehls fest, dass ein Gutachten - etwa zur Schuldfähigkeit des Betroffenen - eingeholt werden muss, so ist das Verfahren regelmäßig nicht ausreichend gefördert worden, wenn der Gutachtensauftrag erst mehrere Monate nach der Festnahme erteilt wurde (vgl. auch OLG Oldenburg, Beschluss vom - I HEs 31/90 -, StV 1990, S. 556). Die Begutachtung durch einen Sachverständigen ist bei entsprechenden Hinweisen vielmehr umgehend anzuordnen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom - HEs 10/06 -, Nds.Rpfl. 2006, S. 329).
7. Untersuchungshaft darf nicht nach Art einer Strafe einen Rechtsgüterschutz vorwegnehmen, dem (erst) das materielle Strafrecht dienen soll (vgl. BVerfGE 19, 342 <348>). Dementsprechend können etwaige Verfahrensverzögerungen auch dann, wenn der Beschwerdeführer mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen hat, nicht zu einer Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft führen. Die Schwere der Tat und die im Raum stehende Straferwartung sind im Zusammenhang mit § 121 StPO ohne jede Bedeutung (vgl. hierzu bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des u.a. -, Abs.-Nr. 45; - 2 BvR 2563/06 -, Abs.-Nr. 42 und - 2 BvR 489/07 -, Abs.-Nr. 23).
II.
Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gemäß § 121 Abs. 1 StPO zu treffende Entscheidung wird auch der nicht gerecht.
1. a) Bei einer ungewöhnlichen Tatausführung oder einer zweifelhaften Motivlage ist es in der Regel geboten, einen Sachverständigen zur Würdigung des Täterverhaltens aus psychiatrischer Sicht zu veranlassen; denn die Frage, ob eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit vorgelegen hat, kann von Staatsanwaltschaft und Gericht grundsätzlich nicht aus eigener Sachkunde beantwortet werden (vgl. ThürOLG, Beschluss vom - 1 HEs 2/98 -, StV 1998, S. 560 <561>). Vorliegend räumt das Oberlandesgericht zwar ein, dass die Notwendigkeit der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens sofort, also bereits am , erkennbar gewesen sei. Es vertritt jedoch die Auffassung, dass das vollständige Ergebnis der Ermittlungen, namentlich die Einvernahme des Zeugen I. am und die Erstellung des Schlussberichtes am , habe abgewartet werden dürfen, um vor der Erteilung des Gutachtensauftrages weitere Anknüpfungstatsachen zu gewinnen.
b) Damit setzt sich das Oberlandesgericht nicht nur in Widerspruch zur einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung, nach der die Begutachtung durch einen Sachverständigen bei entsprechenden Hinweisen umgehend anzuordnen ist; es verkennt zugleich auch Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), in dem das in Haftsachen geltende Beschleunigungsgebot angelegt ist, grundlegend und verfehlt darüber hinaus schon den von den Fachgerichten selbst gesetzten Grundrechtsstandard.
aa) Die Notwendigkeit der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens war angesichts der vom Beschwerdeführer abgegebenen Einlassungen zur Tat evident und stand damit, wie auch das Oberlandesgericht ausdrücklich feststellt, bereits zum Zeitpunkt seiner ersten Vernehmung am außer Frage. Weiterer Anknüpfungstatsachen bedurfte es deshalb nicht. Das Ergebnis der Vernehmung des Zeugen I. konnte ohne weiteres nachgereicht werden. Unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen nunmehr veranschlagten Bearbeitungsdauer von zwei Monaten (16. März bis ) hätte das Gutachten bei einer unverzüglichen Erteilung des Gutachtensauftrages bereits am und nicht erst am spätestens Ende September/Anfang Oktober 2006 vorliegen können.
bb) Auch war den Ermittlungsbehörden die Existenz des Zeugen I. nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts bereits seit dem bekannt. Die Ermittlung der ladungsfähigen Anschrift des Zeugen und seine Vernehmung hätten folglich bereits in zeitlichem Zusammenhang mit der Erteilung des Gutachtensauftrages erfolgen und gegebenenfalls in die Erstellung des Gutachtens einfließen können, sofern man eine Befragung des Zeugen für die ausschließlich durch einen Sachverständigen mögliche Klärung der Frage der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers nicht schon von vornherein als ungeeignet ansehen will.
cc) Wäre seitens der Strafverfolgungsbehörden entsprechend den verfassungsrechtlichen Erfordernissen und den darauf zutreffend fußenden einfach-rechtlich von den Oberlandesgerichten entwickelten Grundsätzen verfahren worden, so hätten die Ermittlungen nach Eingang des letzten Gutachtens des Bayerischen Landeskriminalamts am abgeschlossen und die Anklageschrift gefertigt werden können. Letzteres ist nunmehr erst am geschehen, ohne dass das Sachverständigengutachten zur Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers überhaupt vorlag. Die daraus resultierende Verzögerung von über fünf Monaten wurzelt ausschließlich im Verantwortungsbereich der bayerischen Justizbehörden und ist vom Beschwerdeführer nicht zu vertreten. Unter diesen Umständen kommt die Annahme eines wichtigen Grundes für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate (§ 121 Abs. 1 StPO) hinaus auch von Verfassungs wegen nicht mehr in Betracht. Der Haftbefehl ist aufzuheben.
Auf eine Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse des Staates und dem Freiheitsanspruch des inhaftierten Beschuldigten kommt es bei der Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Rahmen des § 121 Abs. 1 StPO nicht an. Liegt ein solcher nicht vor, so kann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt werden. Dies findet im Wortlaut der Norm seinen unmittelbaren Niederschlag und wird auch von der Entstehungsgeschichte des § 121 Abs. 1 StPO bestätigt. Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift die Abwägung zwischen den Interessen des Staates an einer geordneten Strafverfolgung und dem Freiheitsrecht des Verhafteten selbst und abschließend vorgenommen. Bei dieser klaren Gesetzeslage ist eine Korrektur durch die Rechtsprechung unzulässig (vgl. hierzu näher Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des u.a. -, Abs.-Nr. 45 m.w.N.).
Dessen ungeachtet ist ein weiteres Verbleiben in der Untersuchungshaft auch angesichts der bereits eingetretenen, nicht zu rechtfertigenden Verzögerung und des noch zu erwartenden, mangels Vorliegen eines Eröffnungsbeschlusses und einer Terminierung der Hauptverhandlung keineswegs absehbaren Zeitraums bis zum Ergehen eines Urteils nicht mehr zumutbar. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass für den Beschwerdeführer nach wie vor die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK streitet und die Schwere der Tat und die im Raum stehende Straferwartung im Zusammenhang mit § 121 StPO ohne jede Bedeutung sind (vgl. Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des u.a. -, Abs.-Nr. 45; - 2 BvR 2563/06 -, Abs.-Nr. 42 und - 2 BvR 489/07 -, Abs.-Nr. 23).
2. Ebenso wenig mit der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und dem daraus resultierenden Beschleunigungsgebot in Haftsachen vereinbar ist der Umstand, dass die Ermittlung der ladungsfähigen Anschrift des im Raum Nürnberg ansässigen Zeugen I. über einen Monat (vom bereits verspäteten Entschluss zur Vernehmung Ende November 2006 bis Ende Dezember 2006) in Anspruch genommen hat und bis zur Vernehmung des Zeugen nochmals nahezu zwei weitere Monate (bis zum ) verstrichen sind. An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft bereits andauert (vgl. nur BGHSt 38, 43 <46>). Je nach Sachlage ist schon eine Zeitspanne von wenigen Wochen oder Monaten zu beanstanden. Ergibt sich - wie hier -, dass über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder gar Monaten hinweg keine verfahrensfördernden Ermittlungshandlungen stattgefunden haben oder entsprechende Maßnahmen lediglich verzögerlich durchgeführt wurden, kann eine Fortdauer einer bereits mehr als sechs Monate andauernden Untersuchungshaft nicht angeordnet werden (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom - I BL 61/88 -, StV 1989, S. 158 f.; -, StV 1992, S. 524 <525>; <1> 4420 BL-III-25/00 -, StV 2000, S. 515 <516>; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, Rn. 885). Das Oberlandesgericht hat nunmehr Gelegenheit, die bereits im Beschluss vom - 2 BvR 489/07 - dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben umzusetzen und den Haftbefehl aufzuheben.
3. Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot in Haftsachen (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) erscheint auch der Umstand bedenklich, dass die Kriminalpolizeiinspektion Fürth für die Aufarbeitung des lediglich zwei Leitzordner umfassenden Gesamtvorganges (Einlesen, Überprüfen und Sortieren) ihren eigenen Angaben zufolge einen Zeitraum von drei Monaten (vom bis zum ) benötigt hat.
4. Gleiches gilt im Hinblick auf die Auffassung des Oberlandesgerichts, dem mit der Sache vertrauten Kriminalbeamten sei ein erheblicher Spielraum bei der Wahl seiner Vorgehensweise zuzubilligen. Eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative der Ermittlungsbehörden, sei es der Staatsanwaltschaft oder gar eines ihrer Hilfsbeamten (§ 152 GVG), kommt angesichts der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) nicht in Frage. Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) kann nicht davon abhängen, wie ein Beamter der Kriminalpolizei die Sachlage beurteilt. Diese Entscheidung zu treffen, sind gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG einzig und allein die Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts befugt.
III.
Auf die weiteren vom Beschwerdeführer geltend gemachten Grundrechtsverletzungen, vor allem auf die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth ihrer Aufgabe als "Herrin des Verfahrens" gerecht geworden ist, kommt es nach alledem nicht mehr an.
1. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG durch das Oberlandesgericht festzustellen. Der angegriffene Beschluss ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte erneut in der Sache zu entscheiden, den Haftbefehl aufzuheben und den Beschwerdeführer unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NAAAC-48680