Mineralölsteuervergütung für landwirtschaftliche Sonderfahrzeuge
Gesetze: MinöStG § 25b
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Gesamtrechtsnachfolger einer zum aufgelösten GbR. Die GbR, die einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhielt, beantragte mit Antrag vom eine Mineralölsteuervergütung nach § 25b des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) für das Kalenderjahr 2001 in Höhe von ... DM.
Mit Bescheid des Hauptzollamts X, dessen Zuständigkeit zwischenzeitlich auf den Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt —HZA—) übergegangen ist, wurde die Vergütung abweichend von der Berechnung der GbR im Vergütungsantrag auf ... DM festgesetzt, weil für die in einer MAN-Zugmaschine vom Typ F 04 verwendete Gasölmenge keine Vergütung gewährt werden könne.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren hiergegen erhobene Verpflichtungsklage der GbR, mit der diese die Festsetzung der Vergütung in der ursprünglich beantragten Höhe begehrte, wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Das Urteil des FG ist in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2006, 28 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe seine Entscheidung im Wesentlichen auf das (BFHE 206, 383, BStBl II 2004, 903) gestützt, welches zur Einstufung eines Fahrzeugs als Sonderfahrzeug i.S. des § 3 Nr. 7 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) ergangen ist. Das erwähnte Urteil trage die klageabweisende Entscheidung jedoch nicht, sondern spreche für eine Anerkennung des streitgegenständlichen Fahrzeugs als Sonderfahrzeug. Denn nach dem genannten Urteil lasse die Möglichkeit, dass ein Fahrzeug auch in einem gewerblichen Betrieb eingesetzt werden könne, die Einstufung des betreffenden Fahrzeugs als Sonderfahrzeug gerade nicht entfallen. Entscheidend sei nach § 25b Abs. 2 MinöStG, ob das Fahrzeug für den Einsatz in der Landwirtschaft „bestimmt” sei. Der Begriff der Bestimmung sei stark subjektiv geprägt und hänge vom jeweiligen Nutzer ab. Da hier die Zugmaschine nach den Feststellungen des FG ausschließlich in einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt worden sei, ergebe sich daraus auch, dass das Fahrzeug für diese Verwendung bestimmt sei.
Der Kläger beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und den Vergütungsbescheid des HZA in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Mineralölsteuervergütung für das Jahr 2001 auf insgesamt ... € festgesetzt wird.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es teilt die Auffassung des FG, dass ein Fahrzeug nur dann als Sonderfahrzeug i.S. des § 25b Abs. 2 MinöStG eingestuft werden könne, wenn es durch seine Bauart ausschließlich für einen Einsatz in der Land- und Forstwirtschaft bestimmt sei. Maßgeblich sei dabei grundsätzlich die Bestimmung, die der Hersteller dem Fahrzeug verleihe. Nachträgliche Umbauten am Fahrzeug veränderten die ursprüngliche Bestimmung des Fahrzeugs nicht bzw. nur dann, wenn sie seinen Charakter in solchem Maße veränderten, dass es nicht mehr seiner ursprünglichen Bestimmung gemäß verwendet werden könne und damit eine neue Bestimmung erhalte. Das sei hier nicht der Fall. Charakterbestimmendes Merkmal des Fahrzeugs sei die Ladefläche, aufgrund derer das Fahrzeug als Lastwagen anzusehen sei, welcher —als Lastwagen oder als Zugmaschine— auch in vielen anderen Bereichen außerhalb der Landwirtschaft zum Einsatz kommen könne. Außerdem beschränke § 25b Abs. 1 Satz 1 MinöStG den Kreis der Sonderfahrzeuge ohnehin auf Fahrzeuge, die regelmäßig außerhalb des öffentlichen Straßennetzes verwendet werden. Für die in der dort enthaltenen Aufzählung genannten Ackerschlepper, Arbeitsmaschinen und Motoren sei charakteristisch, dass sie außerhalb des Straßenverkehrs eingesetzt würden. Daraus folge, dass mit dem Begriff „Sonderfahrzeuge” ebenfalls nur Fahrzeuge gemeint seien, die nicht zur Verwendung auf öffentlichen Straßen bestimmt seien.
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Einstufung der streitgegenständlichen Zugmaschine als Sonderfahrzeug i.S. des § 25b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 MinöStG voraussetzt, dass das Fahrzeug ausschließlich für den Einsatz in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben besonders hergerichtet ist.
1. Gemäß § 25b Abs. 1 MinöStG wird die Mineralölsteuer für nachweislich versteuerte Mineralöle nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 MinöStG, die in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft zum Betrieb von Ackerschleppern, Arbeitsmaschinen und Motoren oder Sonderfahrzeugen bei der Ausführung von Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung oder durch mit Bodenbewirtschaftung verbundene Tierhaltung vom an verwendet worden sind, nach näherer Maßgabe der §§ 25c und 25d auf Antrag vergütet. Als Sonderfahrzeuge i.S. von § 25b Abs. 1 Nr. 3 gelten nach § 25b Abs. 2 MinöStG Maschinen und Fahrzeuge, die in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft verwendet werden und nach ihrer Bauart und ihren Vorrichtungen für die Verwendung in diesen Betrieben geeignet und bestimmt sind (vgl. jetzt § 57 Abs. 3 des Energiesteuergesetzes).
2. a) Die Voraussetzung, dass ein Fahrzeug nach seiner Bauart und seinen Vorrichtungen für die Verwendung in einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb bestimmt ist, ist —entgegen der Ansicht des FG und des HZA— bereits dann erfüllt, wenn das betreffende Fahrzeug bestimmte bauartbedingte Merkmale aufweist oder über besondere (technische) Vorrichtungen verfügt, aufgrund derer es in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben für Arbeiten zur Bodenbewirtschaftung oder zur bodengebundenen Tierhaltung eingesetzt zu werden pflegt. Erforderlich ist lediglich, dass das Fahrzeug aufgrund seiner objektiven Merkmale und Eigenschaften erkennbar dazu bestimmt ist, einem Verwendungszweck zu dienen, der einen spezifischen Bezug zur Land- und Forstwirtschaft hat.
Allein der Umstand, dass das betreffende Fahrzeug, obgleich allgemein für die Beförderung von Personen und/oder Gütern hergerichtet, für die Verwendung in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geeignet ist und dort tatsächlich verwendet wird, genügt für eine Einstufung als Sonderfahrzeug für die Land- und Forstwirtschaft dann nicht, wenn es an einem solchen, objektiv feststellbaren spezifischen Verwendungszweck fehlt, der in Bauart und Einrichtung zum Ausdruck kommt. Durch die §§ 25b ff. MinöStG soll nämlich nicht allgemein die Verwendung von Gasöl in Betrieben der Land- oder Forstwirtschaft begünstigt werden, sondern nur die Verwendung von Gasöl in bestimmten Maschinen und Fahrzeugen zur Bodenbewirtschaftung und bodengebundenen Tierhaltung (vgl. BTDrucks 14/4218, S. 7). Zu den vom Gesetzgeber als förderungswürdig anerkannten Arbeiten der Land- und Forstwirtschaft gehört allerdings nach § 25b Abs. 3 Nr. 1 MinöStG ausdrücklich auch die Beförderung von im eigenen Betrieb gewonnenen Erzeugnissen sowie von land- und forstwirtschaftlichen Bedarfsgütern durch den Betrieb, so dass eine Mineralölsteuervergütung auch für das Gasöl zu gewähren ist, das in einem Fahrzeug verwendet wird, das erkennbar für solche Transporte bestimmt und dafür besonders hergerichtet ist.
b) Entgegen der Auffassung des HZA behält bei einer solchen Auslegung der Norm das Merkmal der „Bestimmung” eine eigenständige Bedeutung. Es dient in diesem Fall dazu, den Begriff des „Sonder"-Fahrzeugs näher zu beschreiben und von seinem Anwendungsbereich alle diejenigen Fahrzeuge auszunehmen, die allgemein zur Beförderung von Personen und Gütern bestimmt sind, ohne dass nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften ein Verwendungszweck erkennbar wäre, der einen spezifischen Bezug zur Land- oder Forstwirtschaft hat.
c) Dass ein erkennbar für landwirtschaftliche Transporte hergerichtetes Fahrzeug möglicherweise auch für allgemeine Transportaufgaben verwendet werden kann, steht der Einstufung als Sonderfahrzeug nicht entgegen. Diese setzt nämlich nicht voraus, dass das betreffende Fahrzeug nicht auch in anderen Bereichen als der Land- und Forstwirtschaft sinnvoll eingesetzt werden kann.
Die Rechtsprechung des Senats zu § 3 Nr. 7 KraftStG, nach der die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Anerkennung als Sonderfahrzeug grundsätzlich nicht für solche Fahrzeuge in Betracht kommt, die außer in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben auch in Betrieben verwendet werden können, die den Produktionsfaktor Boden nicht einsetzen (Senatsurteil in BFHE 206, 383, BStBl II 2004, 903), kann nicht auf § 25b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 MinöStG übertragen werden. Die letztgenannte Bestimmung verlangt im Gegensatz zu § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG nicht, dass das Sonderfahrzeug „ausschließlich” in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet wird. Vor allem aber setzen § 25b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 MinöStG im Unterschied zu § 3 Nr. 7 Satz 2 KraftStG nicht voraus, dass die Fahrzeuge „nur” für die bezeichneten Verwendungszwecke geeignet und bestimmt sind (a.A. Verwaltungsgericht Münster, Urteil vom 4 K 638/91, Recht der Landwirtschaft 1992, 100, zur Vorgängerregelung).
Ursprünglich war zwar die Vorgängerregelung zur heutigen Mineralölsteuervergütung für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, die Gasölverbilligung für Betriebe der Landwirtschaft nach dem Landwirtschafts-Gasölverwendungsgesetz (LwGVG), in enger Anlehnung an den entsprechenden Befreiungstatbestand für die Kraftfahrzeugsteuer (damals § 2 Nr. 6 Satz 2 KraftStG a.F., jetzt § 3 Nr. 7 Satz 2 KraftStG) konzipiert worden (BTDrucks V/2194, S. 6). Das seinerzeit in § 1 Abs. 3 LwGVG aufgenommene Erfordernis, wonach Fahrzeuge, die als Sonderfahrzeuge in den Genuss der Förderung kommen sollen, „ausschließlich” in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden mussten, ist freilich später durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Subventionsabbaugesetzes vom (BGBl I, 537) gestrichen worden, was damit begründet wurde, dass es nach den übrigen Vorschriften nicht erforderlich sei, dass die Fahrzeuge ausschließlich in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verwendet würden (BTDrucks 9/92, S. 18). Grammatikalisch bezog sich das gestrichene Wort zwar nur auf das im ersten Halbsatz aufgestellte Erfordernis der tatsächlichen Verwendung in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, doch ergäbe es keinen Sinn, die anderweitige Verwendung der betroffenen Fahrzeuge zuzulassen, wenn es aufgrund der Bauart dieser Fahrzeuge keinen anderen Bereich gibt, in dem sie sinnvoll eingesetzt werden können. Bei der Überleitung der Gasölverbilligung nach dem LwGVG in das Verfahren der Mineralölsteuerrückvergütung nach den §§ 25b bis 25d MinöStG war beabsichtigt, die wesentlichen Regelungsinhalte des LwGVG in seiner damaligen Fassung in das MinöStG zu übernehmen (vgl. die Begründung zu Art. 1 Nr. 3 des Agrardieselgesetzes, BTDrucks 14/4218, S. 7). Der Wortlaut des § 25b Abs. 2 MinöStG unterscheidet sich dementsprechend nur unwesentlich von dem des bis zum geltenden § 1 Abs. 3 LwGVG.
d) Der Systematik des Gesetzes lässt sich nicht entnehmen, dass der Kreis der Sonderfahrzeuge i.S. von § 25b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 MinöStG auf Fahrzeuge beschränkt ist, die regelmäßig außerhalb des öffentlichen Straßennetzes verwendet werden. Dass Ackerschlepper und Arbeitsmaschinen überwiegend außerhalb öffentlicher Straßen eingesetzt werden, besagt nicht, dass Gleiches auch für Sonderfahrzeuge gelten müsste. Im Gegenteil: Aus der amtlichen Begründung zur entsprechenden Regelung des LwGVG ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff der Sonderfahrzeuge ausdrücklich auch Fahrzeuge (nämlich Milchtankwagen, vgl. BTDrucks V/2194, S. 6) erfassen wollte, die nicht überwiegend außerhalb des öffentlichen Straßennetzes verwendet werden. Die Beschränkung der Förderung auf Fahrzeuge, die regelmäßig außerhalb des öffentlichen Straßennetzes eingesetzt werden, würde auch nicht dem Förderungsziel des § 25b Abs. 3 Nr. 1 MinöStG gerecht werden, der die regelmäßig auf öffentlichen Straßen erfolgende Beförderung von im eigenen Betrieb gewonnenen Erzeugnissen sowie von land- und forstwirtschaftlichen Bedarfsgütern als förderungswürdige Tätigkeit definiert.
3. Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FG hat keine näheren Feststellungen zu den bauartbedingten Merkmalen und Vorrichtungen des streitgegenständlichen Fahrzeugs getroffen, sondern lediglich ausgeführt, dass das Fahrzeug auch in anderen als land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt werden könne. Dies allein schließt nicht aus, dass das Fahrzeug —wie der Kläger behauptet— erkennbar für den Transport landwirtschaftlicher Güter bestimmt und entsprechend gebaut oder ausgestattet ist. Ob dies der Fall ist, was sich z.B. auch aus spezifischen Merkmalen und Eigenschaften einer auf ein Standardfahrgestell montierten Ladefläche ergeben könnte, wird das FG ggf. nach Beratung durch einen Sachverständigen zu entscheiden haben, wenn seine eigene Sachkunde dafür nicht ausreicht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1539 Nr. 8
LAAAC-48526