Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses und zivilgerichtliche Entscheidung über Pflichtteilsanspruch
Gesetze: ErbStG § 10 Abs. 5; AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Erben nach ihrer am ... September 1991 verstorbenen Mutter. Diese hatte ihren 1989 verstorbenen Vater (Großvater der Kläger) beerbt. Die Schwester der Mutter machte dieser gegenüber ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Erbgang des Vaters geltend. In einem Verfahren vor dem Landgericht…bezifferte sie diesen mit Schriftsatz vom auf ... DM nebst Zinsen. Durch Teilanerkenntnisurteil vom und den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs am wurde der Pflichtteilsanspruch rechtskräftig festgestellt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte mit gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid vom die Erbschaftsteuer aus dem Erwerb nach dem Vater gegenüber den Klägern als Rechtsnachfolgern ihrer Mutter in Höhe von ... DM fest. Der Pflichtteilsanspruch der Schwester ihrer Mutter wurde hierbei nicht berücksichtigt. Der Bescheid ist bestandskräftig.
Am beantragten die Kläger, den im landgerichtlichen Verfahren festgestellten Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen. Das FA lehnte den Antrag unter Hinweis darauf ab, dass die Festsetzungsfrist abgelaufen sei.
Einspruch und Klage, mit denen die Kläger geltend machten, der Bescheid vom sei gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wegen eines rückwirkenden Ereignisses zu ändern, blieben erfolglos.
Mit der Beschwerde machen die Kläger geltend, eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
II. Die Beschwerde ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen.
Die auf den Streitfall zugespitzte Rechtsfrage, ob ein rückwirkendes Ereignis vorliegt, wenn der bereits geltend gemachte Pflichtteilsanspruch bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegenüber dem Erben zunächst nicht gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes berücksichtigt worden ist und später eine Entscheidung in einem Zivilprozess über diesen Pflichtteilsanspruch ergeht, ist nicht entscheidungserheblich und daher nicht klärungsfähig. Während eine erstmalige Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs steuerliche Rückwirkung entfalten kann, ist im Streitfall der Pflichtteilsanspruch bereits geltend gemacht, jedoch bei der Steuerfestsetzung nicht berücksichtigt worden. Die Tatsache, dass er bereits geltend gemacht worden war, lag schon bei Erlass des Steuerbescheids vom vor; sie konnte daher dem FA allenfalls nachträglich bekannt werden, aber nicht i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nachträglich eintreten. Daran ändert sich durch die spätere Entscheidung im Zivilprozess im Nachhinein nichts. Deshalb ist für die Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO kein Raum. Diese Vorschrift erfordert, worauf im Beschluss des Großen Senats des (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) ausdrücklich hingewiesen wird, ein Ereignis, das den nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalt „nachträglich” anders gestaltet und sich steuerlich in die Vergangenheit auswirkt, und zwar in der Weise, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (vgl. m.w.N , BFH/NV 2002, 1548). Dies ist vorliegend nicht der Fall; auf die von den Klägern in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung kommt es daher nicht an.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1456 Nr. 8
UVR 2007 S. 235 Nr. 8
UVR 2007 S. 297 Nr. 10
JAAAC-48505