Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Gesetze: FGO § 96 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eine Rechtsanwalts- und Notarpraxis in dem Gebäude Lange Straße 9 in W; dessen Eigentümer in den Streitjahren (1995 bis 1998) war H.S., der zugleich einer der Gesellschafter der GbR ist.
Die Mieter des Gebäudes rechnen ihre Nebenkosten direkt mit den Stadtwerken ab. Auch die Klägerin hat mit den Stadtwerken im Jahre 1995 einen Wärmelieferungsvertrag abgeschlossen. Die Rechnungen für die Streitjahre sind an den Gesellschafter H.S. adressiert; bezahlt wurden sie für die Jahre 1996 bis 1998 vom Konto der Klägerin; für 1995 ist auf der Rechnung „Barzahler” vermerkt. Im Jahr 2001 haben die Stadtwerke berichtigte Rechnungen erstellt, die auf die Klägerin lauten.
Vorsteuerbeträge aus diesen Leistungen hat die Klägerin in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (1995 bis 1998) nicht geltend gemacht. Mit dem Einspruch gegen die im Anschluss an eine Außenprüfung geänderten Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre beanspruchte sie erstmals die Vorsteuerbeträge aus den genannten Rechnungen der Stadtwerke. Dem folgte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) nicht mit der Begründung, im Wärmelieferungsvertrag vom sei die Kundenangabe um den Namen „G.B.” ergänzt worden. Da die Klägerin den Vertrag nicht im Original vorgelegt habe, sei nicht festzustellen, ob es sich insoweit um eine nachträgliche Ergänzung handle.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat unter Hinweis auf das (BFHE 178, 493, BStBl II 1996, 111) die Auffassung, eine Personengesellschaft könne aus einer Rechnung, die nur auf einen Gesellschafter ausgestellt worden ist, keinen Vorsteuerabzug vornehmen, wenn die Rechnung keinen Hinweis auf die Gesellschaft als Leistungsempfänger enthalte. In der ursprünglichen Rechnung sei als Rechnungsadressat ausschließlich H.S. genannt. Ohne Heranziehung weiterer außerhalb des Rechnungspapiers liegender Kenntnisse sei nicht zu ersehen, dass die Klägerin als GbR Leistungsempfänger gewesen sei. Die Rechnungskorrektur 2001 wirke nicht auf die Streitjahre zurück.
Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin rügt als Verfahrensfehler die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht der Beteiligten, sich zur Sache zu äußern und für das Gericht die Pflicht, entscheidungserhebliches Vorbringen sowie Beweisanträge zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom I B 166/94, BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532; vom III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474, 1475; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz 28 bis 30, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10, 10a, m.w.N.).
Allerdings geht diese Pflicht des Gerichts nicht so weit, dass es sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste (vgl. , BFH/NV 2001, 631). Insbesondere bedeutet die Gewährung rechtlichen Gehörs nicht, dass das Gericht den Kläger „erhören”, sich also seinen rechtlichen Ansichten oder seiner Sachverhaltswürdigung anschließen müsste.
Mit ihrem Vorbringen zur Begründung ihres Vorwurfes, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, das FG hätte angesichts der Anschrift in der Rechnung „Herr/Frau/Firma…(H.S.) ...” der Erwähnung der „Firma” besondere Beachtung schenken müssen und dagegen den Umstand, dass nur H.S., nicht aber die GbR namentlich in der Rechnungsadresse erwähnt sei, nicht berücksichtigen dürfen. Damit wendet sie sich im Kern gegen die Würdigung des FG. Mit der Rüge der unzutreffenden Tatsachenwürdigung und den in der Darstellung der eigenen Rechtsansicht liegenden Einwendungen gegen die sachliche Richtigkeit des Urteils des FG kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 77/00, BFH/NV 2002, 359; vom IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).
2. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargelegt, weshalb eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
a) Die Zulassung der Revision wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist insbesondere dann geboten, wenn das angefochtene Urteil des FG in seinen tragenden Gründen von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen Gerichts abweicht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 41).
aa) Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten (genau —mit Datum sowie Aktenzeichen und/oder Fundstelle— bezeichneten) Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42, m.w.N.).
bb) Daran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat zwar jeweils einen bestimmten abstrakten und tragenden Rechtssatz aus den von ihr erwähnten BFH-Entscheidungen (BFH-Urteil in BFHE 178, 493, BStBl II 1996, 111, und , BFHE 182, 430, BStBl II 1997, 443) aufgezeigt. Sie hat aber nur dargelegt, weshalb ihrer Auffassung nach das FG —das sich bei seiner Begründung im Übrigen ausdrücklich auf die Grundsätze der Entscheidung in BFHE 178, 493, BStBl II 1996, 111 bezogen hat— bei Anwendung dieser Grundsätze zu dem von ihr, der Klägerin, gewünschten Ergebnis hätte kommen müssen. Einen entgegenstehenden Rechtssatz des FG hat die Klägerin jedoch nicht —wie erforderlich— herausgearbeitet. Im Übrigen weicht das FG auch nicht von den genannten Entscheidungen ab.
b) Im Kern erschöpft sich auch insoweit die Beschwerdebegründung der Klägerin —nach Art einer Revisionsbegründung— in Ausführungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall unrichtig entschieden habe. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen jedoch für sich gesehen grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.).
3. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH gebiete (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO), so muss er zunächst —ebenso wie bei einer auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde— eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen. Des Weiteren muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Hieran fehlt es.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1517 Nr. 8
CAAAC-47800