Leitsatz
Wenn nach Beschlussfassung eines Bebauungsplans ein Ziel der Raumordnung rechtswirksam wird, das eine Anpassungspflicht begründet, darf der Bebauungsplan nicht bekanntgemacht werden.
Gesetze: BauGB § 1 Abs. 4; BauGB § 10; BauGB § 214 Abs. 3; ROG § 2; ROG § 3 Nr. 2
Instanzenzug: OVG Koblenz OVG 1 C 10901/06 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein
Gründe
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr). Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. So liegt es hier.
1. Die Beschwerde wirft zunächst die Frage auf, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich der Anpassungspflicht der Gemeinde an Ziele der Raumordnung bei der Aufstellung von Bauleitplänen abzustellen ist. In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage im vorliegenden Fall nicht stellen. Vielmehr wäre lediglich die Frage zu beantworten, ob ein Bebauungsplan auch dann wegen eines Verstoßes gegen die Anpassungspflicht für unwirksam zu erklären ist, wenn das Ziel der Raumordnung nach der Beschlussfassung über den Bebauungsplan, aber vor dessen Bekanntmachung rechtlich verbindlich geworden ist. Diese Frage ist auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung mit dem Oberverwaltungsgericht zu bejahen.
Die Pflicht, die Bauleitplanung den Zielen der Raumordnung anzupassen (§ 1 Abs. 4 BauGB), bezweckt die Gewährleistung umfassender Konkordanz zwischen der übergeordneten Landesplanung und der gemeindlichen Bauleitplanung ( BVerwG 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <39>). Aus ihr folgt das Gebot, einen bereits in Kraft getretenen Bebauungsplan zu ändern, wenn neue oder geänderte Ziele der Raumordnung dies erfordern. Der Standort, den der Gesetzgeber den Zielen der Raumordnung in der Bauleitplanung zuweist, ist, wie der Senat im BVerwG 4 NB 20.91 - (BVerwGE 90, 329 <332> = Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 57 S. 39, 41) näher dargelegt hat, nicht im Abwägungsprogramm zu suchen. Er ist diesem vielmehr rechtlich vorgelagert. Die Ziele der Raumordnung enthalten Festlegungen, die in der Bauleitplanung als verbindliche Vorgaben hinzunehmen sind. Daraus folgt, dass die Regelung in § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wonach für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend ist, nicht heranzuziehen ist (vgl. BVerwG 4 B 75.05 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 124 Rn. 12).
Im Übrigen hat das BVerwG 4 C 30.76 - (BVerwGE 56, 283 = Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 16) entschieden, dass auch ein in beachtlicher Weise in seinem Abwägungsergebnis mangelhafter, d.h. wegen dieses Ergebnisses nicht annehmbarer, Plan nicht in Kraft treten kann. Auch insoweit kann in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Satzungsbeschluss abgestellt werden. Vielmehr kommt es auf den Zeitpunkt des gewollten Inkrafttretens, also die Bekanntmachung, an. Diese Rechtsfolge führt dazu, dass eine Gemeinde einen Bebauungsplan zwischen der Beschlussfassung und der Bekanntmachung nicht völlig aus den Augen verlieren darf. Wenn nach Beschlussfassung des Bebauungsplans ein Ziel der Raumordnung rechtswirksam wird, das eine Anpassungspflicht, also eine Verpflichtung, den Bebauungsplan zu ändern oder von einer Änderung eines früheren Bebauungsplans abzusehen, begründet, darf der Bebauungsplan nicht bekanntgemacht werden. Dies gilt in besonderer Weise, wenn ein Ziel der Raumordnung ersichtlich mit der Absicht erlassen worden ist, eine bestimmte gemeindliche Planung zu verhindern. Entgegen der Auffassung der Beschwerde fordert das Rechtsstaatsgebot nicht das Inkraftsetzen einer mit höherrangigem Recht nicht vereinbaren gemeindlichen Satzung, sondern das Herbeiführen (oder Belassen) einer materiellrechtlich rechtmäßigen Regelung (vgl. BVerwG 4 BN 56.05 - juris Rn. 9). In welcher Form in derartigen Fällen das beschließende Organ der Gemeinde zu beteiligen ist, bestimmt sich nach Landesrecht.
Für ihre entgegengesetzte Ansicht kann sich die Beschwerde nicht auf das von ihr angeführte Urteil des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom - 12 A 28.05 - (DVBl 2006, 1123 - 1124 <LS>) stützen. Denn dieses geht lediglich davon aus, dass eine Anpassungspflicht "jedenfalls" für bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan geltende Ziele bestehe (vgl. juris Rn. 62), behandelt die vorliegend maßgebliche Frage jedoch nicht.
2. Auch die Frage, ob der Denkmalschutz überhaupt eine taugliche Zielfestlegung im Sinne des § 3 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 ROG darstelle, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. In dieser Allgemeinheit wäre die Frage in einem Revisionsverfahren ohnehin nicht klärungsbedürftig. Die Beschwerde erwähnt überdies selbst, dass nach § 2 Abs. 2 Nr. 13 ROG zu den Grundsätzen der Raumordnung die Wahrung der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge sowie der regionalen Zusammengehörigkeit gehören. Ferner sind die gewachsenen Kulturlandschaften in ihren prägenden Merkmalen sowie mit ihren Kultur- und Naturdenkmälern zu erhalten. Das Oberverwaltungsgericht hat es als mit höherrangigem Recht nicht zu beanstanden angesehen, dass vorliegend die Zielfestlegung getroffen worden ist, dominierende landschaftsprägende Gesamtanlagen mit erheblicher Fernwirkung vor optischen Beeinträchtigungen zu bewahren. Die Beschwerde belegt nicht, dass das Oberverwaltungsgericht bei dieser Würdigung eine Auslegung des Raumordnungsgesetzes zugrunde gelegt hat, die weiterer rechtsgrundsätzlicher Klärung bedürfte.
3. Auch die Frage, wie der Begriff der räumlichen und sachlichen Bestimmtheit der Zielfestlegung gemäß § 3 Nr. 2 ROG bei "Denkmalbelangen" in der Raumordnung auszulegen ist, gebietet nicht die Zulassung der Revision. Das Oberverwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der im hier maßgeblichen Ziel enthaltene Begriff der optischen Beeinträchtigung (der in einer Tabelle aufgezählten Objekte) im Einzelfall konkretisiert werden müsse und geht ersichtlich davon aus, dass eine derartige Konkretisierung auch möglich ist. Damit hat das Gericht Maßstäbe herangezogen, hinsichtlich derer ein weiterer Klärungsbedarf nicht erkennbar ist. Die Beschwerde räumt selbst ein, dass die Verwendung unbestimmter Begriffe den Charakter als Ziel der Raumordnung nicht in Frage stellt.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAC-47367