BFH Beschluss v. - IX B 114/06

Begriff des wirtschaftlichen Eigentums; Änderung eines Steuerbescheids nach § 164 AO; vermeintliche Verstöße gegen materielles Recht und fehlende Beweiswürdigung keine Verfahrensmängel

Gesetze: AO § 39 Abs. 2 Nr. 1; AO § 164; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil (s. unter 2. und 3.) entspricht ihre Begründung schon nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen (s. unter 1.) ist der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachte Zulassungsgrund auch nicht gegeben.

1. Es bleibt dahingestellt, ob die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinreichend, also unter Auseinandersetzung mit den zu den aufgeworfenen Rechtsfragen auch in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen mit Blick auf die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit im Streitfall dargelegt hat (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom II B 122/04, BFH/NV 2006, 100; vom VIII B 93/03, BFH/NV 2005, 894, m.w.N.). Jedenfalls hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; entsprechend ist auch eine Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO nicht erforderlich.

a) Die aufgeworfene Rechtsfrage, ob „ein Steuerbescheid noch nach einer (Außen-)Prüfung gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geändert werden kann”, beantwortet sich bereits aus dem Gesetz (§ 164 Abs. 3 Satz 3 AO; s. dazu Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 164 AO Rz 37, 38; Pahlke/Koenig/ Cöster, Abgabenordnung, § 164 Rz 73, 74). Zudem stellt sich die Frage im Streitfall nicht, denn die Außenprüfung betraf die Jahre 1993 bis 1995, nicht aber die nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Steuerfestsetzungen ab 1996; aus der durchgeführten Außenprüfung kann —schon angesichts des Prinzips der Abschnittsbesteuerung— keine Bindung für die Folgejahre abgeleitet werden. Auch kann eine geänderte Steuerfestsetzung mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen werden (vgl. § 165 Abs. 3 AO).

b) Die Rechtsfrage, „wann wirtschaftliches Eigentum im Zusam-menhang mit Anschaffung von Immobilien im Fördergebiet” vorliegt, ist nicht klärungsbedürftig; denn sie ist geklärt. Der Begriff des wirtschaftlichen Eigentums i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO hat im materiellen Steuerrecht grundsätzlich allgemeine Bedeutung, er findet auch im Rahmen des Fördergebietsgesetzes Anwendung (vgl. , BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203); auch der Begriff der Anschaffung wird dort nicht anders verstanden (vgl. , BFHE 211, 202, BStBl II 2006, 128). Im Vorstadium des Eigentumserwerbs wird wirtschaftliches Eigentum an Grundstücken von der Rechtsprechung mit dem Übergang der tatsächlichen Sachherrschaft auf den Erwerber in Gestalt von Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten unter Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers bejaht (vgl. , BFHE 199, 266, BStBl II 2002, 692); notarieller Kaufvertrag und Auflassungsvormerkung (s. dazu , BFH/NV 2005, 1292, unter II. 2.), reichen allein nicht aus (vgl. , juris-web-Nr: STRE200351000, m.w.N.). Auf der Basis dieser Rechtsprechung hat das Finanzgericht (FG) als Tatsacheninstanz im Streitfall nach Maßgabe der von ihm vorgenommenen Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere angesichts des fehlenden Eintritts der Vertragsbedingungen und einer auch im Übrigen zum Teil unklaren Sachlage, den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (Gefahr, Besitz, Nutzen und Lasten) auf die Klägerin nicht feststellen können.

c) Abgesehen davon, dass die Ausführungen zu §§ 415 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) hinsichtlich der im notariellen Kaufvertrag quittierten Anzahlung keinen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO bezeichnen und darlegen, erstreckt sich seine Beweiskraft nur auf die Abgabe der Erklärung, nicht auf deren inhaltliche Richtigkeit (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 415 Rz 5; Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 415 Rz 5).

2. Soweit die Klägerin Verfahrensmängel geltend macht, sind die den jeweiligen Mangel ergebenden Tatsachen weder genau angegeben noch schlüssig dargelegt. Vermeintliche „Verstöße gegen materielles Recht” und fehlende „Beweiswürdigung” sind zudem keine Verfahrensmängel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.

3. Letztlich setzt die Klägerin ihre eigene Ansicht anstelle der des FG und rügt nach Art einer Revisionsbegründung die unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden, wenn für einen darüber hinausgehenden offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht keine Anhaltspunkte ersichtlich sind (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 77/00, BFH/NV 2002, 359; vom IX B 239/02, BFH/NV 2005, 1052).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1272 Nr. 7
HAAAC-46942