BFH Beschluss v. - I B 5/06

Kein Erlass von Nachzahlungszinsen wegen Verlustrücktrags

Gesetze: AO § 227; AO § 233a

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über den Erlass von Nachzahlungszinsen aus Gründen der Billigkeit.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, gab am eine Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr (1998) ab. Aus dieser ergab sich unter Berücksichtigung eines Verlustvortrags ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 79 365 DM.

Die am abgegebene Körperschaftsteuererklärung der Klägerin für 1999 wies einen Verlust in Höhe von 121 035 DM aus. Die Klägerin beantragte, davon einen Betrag von 79 363 DM in das Streitjahr zurückzutragen. Dem folgte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) in einem Steuerbescheid, in dem die Steuer auf 0 DM festgesetzt wurde. Aus einer Anrechnung von Kapitalertragsteuer ergab sich ein Guthaben in Höhe von 504 DM.

Zugleich setzte das FA für das Streitjahr Nachzahlungszinsen in Höhe von 370 DM fest. Bei der Berechnung dieses Betrags teilte es den Unterschiedsbetrag von 504 DM in einen vom an zu verzinsenden Teilbetrag von 24 742 DM und einen vom an zu verzinsenden Teilbetrag von ./. 25 246 DM auf. Die Zinsschuld wurde im Juni 2000 durch Verrechnung getilgt.

Mit Schreiben vom beantragte die Klägerin einen Erlass der Zinsen wegen sachlicher Unbilligkeit. Diesen Antrag lehnte das FA ab. Die dagegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung. Denn aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ergibt sich mit hinreichender Klarheit, dass das FG die im Streitfall maßgebliche Rechtslage zutreffend beurteilt hat.

1. Nach § 227 der Abgabenordnung (AO) können Steuern und steuerliche Nebenleistungen —zu Letzteren zählen u.a. Nachzahlungszinsen i.S. des § 233a AO (§ 3 Abs. 4 AO)— erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; in einem solchen Fall können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Eine solche Maßnahme strebt die Klägerin im Streitfall an.

2. Die in § 227 AO genannte „Unbilligkeit” der Einziehung kann auf sachlichen oder auf persönlichen Gründen beruhen (, BFHE 174, 482, BStBl II 1994, 833). Persönliche Billigkeitsgründe macht die Klägerin im Streitfall nicht geltend. Gegenstand der im vorliegenden Verfahren vorzunehmenden Prüfung kann deshalb nur die Frage eines Erlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen sein.

3. Die Erhebung von Nachzahlungszinsen ist sachlich unbillig, wenn zwar die gesetzlichen Voraussetzungen der Verzinsung erfüllt sind, die Verzinsung aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft und deshalb die Erhebung der Zinsen mit Rücksicht auf den Zweck der Verzinsungsregelung nicht gerechtfertigt ist (, BFHE 180, 240, BStBl II 1996, 503; vom X R 3/04, BFHE 211, 30, BStBl II 2006, 155, m.w.N.). Das FG hat in Übereinstimmung mit dem FA angenommen, dass diese Voraussetzung im Streitfall nicht vorliegt. Es bedarf keiner Klärung durch ein Revisionsverfahren, dass diese Beurteilung zutreffend ist.

a) Das FA hat den von ihm festgesetzten Zinsbetrag nach Maßgabe des § 233a Abs. 2a und Abs. 7 AO berechnet. Die Klägerin hat zwar ausgeführt, dass diese Berechnung zu ihren Gunsten fehlerhaft sei. Es ist aber weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar, inwieweit sich allein daraus eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage ergeben könnte.

b) Die Klägerin geht davon aus, dass im Streitfall Nachzahlungszinsen nur deshalb hätten festgesetzt werden dürfen, weil die Anrechnung einer Kapitalertragsteuer zur Entstehung eines Unterschiedsbetrags i.S. des § 233a Abs. 1 AO geführt habe. Ohne das Hinzutreten der Anrechnung wäre ihrer Ansicht nach eine Verzinsung nicht in Betracht gekommen, da dann der Steuerbescheid für das Streitjahr weder zu einer Nachzahlung noch zu einer Erstattung geführt hätte und deshalb die Voraussetzungen des § 233a Abs. 1 AO nicht erfüllt gewesen wären. Diese Annahme ist unzutreffend. Denn die Verzinsung nach § 233a AO kann auch dann eintreten, wenn sich aus einer Steuerfestsetzung per saldo kein Unterschiedsbetrag ergibt, dies aber auf der Berücksichtigung eines Verlustrücktrags beruht (Senatsurteil vom I R 10/06, BFHE 214, 101, BStBl II 2007, 82). Die entgegenstehende Entscheidung des FG München, auf die sich die Klägerin beruft, hat der Senat durch das vorbezeichnete Urteil aufgehoben. Vor diesem rechtlichen Hintergrund gehen alle Überlegungen, die die Klägerin aus der von ihr angenommenen Ursächlichkeit der Steueranrechnung für die Verzinsung ableitet, im Ergebnis fehl.

c) Mit ihrem Hinweis, im Anschluss an die Steuererklärung für das Streitjahr sei eine Steuerzahlung im Hinblick auf den damals schon erkennbaren Verlustrücktrag unzumutbar gewesen, kann die Klägerin ebenfalls keinen Erfolg haben. Das gilt schon deshalb, weil § 233a AO die Verzinsung nicht an geleistete Zahlungen, sondern an die festgesetzten (Soll-)Beträge anknüpft (vgl. § 233a Abs. 3 AO). Die Klägerin hätte daher selbst durch eine sofortige Zahlung der sich aus der Erklärung für das Streitjahr ergebenden Steuer die Verzinsung nicht verhindern können. Aus dieser vom Gesetzgeber bewusst geschaffenen Rechtslage kann eine Unbilligkeit der Erhebung von Zinsen nicht abgeleitet werden (vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFHE 180, 240, BStBl II 1996, 503). Dann kann eine solche aber erst recht nicht daraus folgen, dass eine vorzeitige Steuerzahlung im Hinblick auf eine sich abzeichnende Änderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage unterlassen worden ist.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1266 Nr. 7
YAAAC-46919