BFH Beschluss v. - XI B 35/06

Veräußerung von Praxisanteilen im Rahmen des Zwei-Stufen-Modells; Anspruch auf rechtliches Gehör

Gesetze: EStG § 18 Abs. 3; EStG § 16 Abs. 4; EStG § 34 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Ehegatten. Die Klägerin betrieb eine Einzelpraxis als Zahnärztin. Mit Vertrag vom erwarb der Zahnarzt M 5 v.H. an der Zahnarztpraxis zum für 19 000 DM. Nach § 2 Abs. 3 des Vertrags war er berechtigt und verpflichtet, zum einen weiteren Anteil von 45 v.H. zum Preis von 171 000 DM und zum den restlichen Anteil von 50 v.H. zum Preis von 190 000 DM zu erwerben. Die Teilbeträge waren zum jeweiligen Fälligkeitstag zu entrichten. Für den Zeitraum vom 1. Oktober bis war den Vertragsbeteiligten das Recht zur außerordentlichen Kündigung eingeräumt. Im Ergänzungsvertrag vom vereinbarten die Klägerin und M, dass der Anteil von 45 v.H. an der Zahnarztpraxis nicht zum , sondern zum erworben werden sollte. Ab dem Jahr 2003 führte der Erwerber die Praxis als Einzelpraxis fort.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erfasste den Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der Zahnarztpraxis im Streitjahr 1998 als laufenden Gewinn. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit ihrer Beschwerde machen die Kläger geltend, die Revision sei zur Fortbildung des Rechts, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe noch nicht abschließend entschieden, ob die Veräußerung eines Teilanteils an einer Praxis im Rahmen des sog. Zwei-Stufen-Modells auch dann rechtsmissbräuchlich nach § 42 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) und damit nicht begünstigt i.S. der §§ 18 Abs. 3 Satz 2, 16 Abs. 4, 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu besteuern sei, wenn die vom (BFHE 207, 274, BStBl II 2004, 1068) aufgestellten Voraussetzungen —Zeitraum von mindestens einem Jahr zwischen dem Vertrag über die Aufnahme des Sozius und dem über die Erhöhung des Anteils und bei Gründung der Sozietät keine unwiderrufliche Verpflichtung durch einen der Vertragschließenden zum Erwerb oder zur Veräußerung eines weiteren Anteils— nicht kumulativ vorlägen. Das Finanzgericht (FG) habe rechtsirrig angenommen, dass die Aufstockung der Beteiligung durch den späteren Praxisübernehmer im Vertrag vom unwiderruflich vereinbart gewesen sei. Zudem sei zu klären, ob § 42 Abs. 1 Satz 1 AO zutreffend angewandt worden sei. Weiter rügen die Kläger Verfahrensfehler.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.

1. Voraussetzung einer Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO ist, dass der Streitfall Veranlassung gibt, über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden, so beispielsweise, wenn es erforderlich ist, Leitsätze zur Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. , BFH/NV 2007, 490). Die Rechtsfortbildung muss über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und die Frage nach dem „ob” und ggf. „wie” der Rechtsfortbildung muss klärungsbedürftig sein.

Die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit ist darzulegen. Es reicht weder —für sich allein— aus, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist, noch genügt die Behauptung, das FG habe sachlich unrichtig entschieden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 490).

a) Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob bei einer Veräußerung des Praxisanteils im Rahmen des Zwei-Stufen-Modells zur Vermeidung des Gestaltungsmissbrauchs die im BFH-Urteil in BFHE 207, 274, BStBl II 2004, 1068 genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssten, ist nicht klärungsbedürftig. Denn sie lässt sich eindeutig beantworten.

Mit dem vorgenannten Urteil hat der BFH entschieden, dass sich die zweistufige Gründung einer Sozietät regelmäßig dann nicht als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellt, wenn zwischen dem Vertrag über die Aufnahme des Sozius in die Einzelpraxis und dem über die Erhöhung des Anteils ein Zeitraum von mindestens einem Jahr liegt und wenn sich nicht mindestens einer der Vertragschließenden bei Gründung der Sozietät unwiderruflich verpflichtet hat, einen weiteren Anteil zu erwerben bzw. zu veräußern. Daraus ist zu entnehmen, dass in derartigen Fällen ein Gestaltungsmissbrauch regelmäßig nicht gegeben ist, wenn beide Voraussetzungen vorliegen. Dies bedeutet zugleich, dass ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht kommt, wenn nur eine der aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt ist, wenn also entweder die Zeit zwischen dem Abschluss der beiden Verträge zur Erprobung des Eintretenden unzureichend gewesen ist oder wenn bereits bei Abschluss des ersten Vertrags festgestanden hat, dass es zur Aufstockung der Beteiligung kommen wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 207, 274, BStBl II 2004, 1068, unter 2. f der Entscheidungsgründe).

Einer weiteren Klärung bedarf es deshalb insoweit nicht. Da aus der Formulierung des Leitsatzes („regelmäßig”) zu entnehmen ist, dass in besonders gelagerten Einzelfällen Ausnahmen denkbar sind (vgl. , BFH/NV 2007, 391), können die jeweiligen Besonderheiten des Streitfalls ausreichend berücksichtigt werden.

b) Soweit die Kläger rügen, das FG habe die bei Gründung der Sozietät eingegangenen Verpflichtungen der Vertragsbeteiligten rechtsirrig beurteilt und bei der Anwendung des § 42 AO die für die Vertragsgestaltung dargelegten außersteuerlichen Gesichtspunkte nicht ausreichend gewürdigt, stellt dies keinen Grund für eine Zulassung der Revision dar. Angriffe gegen die materiell-rechtliche Rechtsanwendung bzw. die Sachverhaltswürdigung im konkreten Fall sind im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich unbeachtlich (vgl. , BFH/NV 2007, 451).

2. Mangels Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage und mangels Erheblichkeit des Vorbringens im Beschwerdeverfahren ist eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht geboten. Ein offensichtlicher Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO führen könnte (vgl. (PKH), BFH/NV 2007, 446), ist nicht dargelegt worden.

3. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen.

a) Soweit die Kläger rügen, das FG habe den Schriftsatz vom nebst den darin enthaltenen Beweisangeboten außer Acht gelassen, fehlt es an einer Darlegung, aus welchen Gründen insbesondere das Unterlassen der Beweiserhebung nicht beanstandet wurde, obwohl die Kläger in der mündlichen Verhandlung durch rechtskundige Prozessbevollmächtigte vertreten waren (vgl. , BFH/NV 2007, 70).

Mit der gerügten Nichtbeachtung der schriftsätzlichen Ausführungen machen die Kläger im Grunde genommen nochmals geltend, das FG habe den Sachverhalt und die Rechtslage im Streitfall nicht entsprechend ihren Vorstellungen und damit nicht zutreffend gewürdigt. Materiell-rechtliche Fehler begründen jedoch keinen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Verfahrensverstoß.

Insoweit liegt auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) vor. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom wurde der Sach- und Streitstand in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Es ist nicht erkennbar, dass die persönlich anwesende Klägerin oder die Prozessbevollmächtigten daran gehindert gewesen wären, ihren Rechtsstandpunkt in der von ihnen für erforderlich gehaltenen Weise darzulegen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet zwar u.a. für das Gericht die Pflicht, entscheidungserhebliches Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Allerdings geht diese Pflicht nicht so weit, dass das Gericht sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste (vgl. , BFH/NV 2006, 1338).

b) Die Unrichtigkeit von Sachverhaltsfeststellungen des FG kann nicht im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, die Richtigstellung ist nur über einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestands nach § 108 FGO möglich; das gilt auch für entscheidungserhebliche Tatsachen, die lediglich in den Entscheidungsgründen des Urteils mitgeteilt werden (vgl. , BFH/NV 2005, 1261).

Den mit Schriftsatz vom gestellten Antrag auf Tatbestandsberichtigung hat das zurückgewiesen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1268 Nr. 7
UAAAC-46916