OFD Hannover - S 7227 - 15 - StO 184

Umsatzsteuer bei der Versorgung gesetzlich krankenversicherter Personen mit orthopädischen Vorrichtungen (Hörgeräten)

1. Abgebrochene Hörgeräteversorgung

(s. auch Vfg. der , UR 1998 S. 85)

Die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker Mainz hat mit verschiedenen Krankenkassen Verträge über die Lieferung und Reparatur von Hörgeräten und Zubehör getroffen. Die erstmalige Ausstattung von Versicherten mit Hörgeräten einschließlich Zubehör kann aus verschiedenen Gründen abgebrochen werden (z. B. durch den Tod des Versicherten während der Anpassung, aber auch wegen Bedienungsproblemen oder unzureichendem Heilungserfolg).

In derartigen Fällen erhalten die Hörgeräteakustiker wegen Nichtabnahme bzw. Rückgabe des Geräts eine Anpasspauschale zzgl. Erstattung der Sachkosten für das Ohrpassstück (Otoplastik).

Unabhängig davon, ob bei Abbruch der Hörgeräteanpassung wegen des Todes des Versicherten aus umsatzsteuerlicher Sicht eine Lieferung mangels Verschaffung der Verfügungsmacht nicht zustande kommt oder ob bei Rückgaben aus anderen Gründen von einer Rückgängigmachung der Lieferung (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG) auszugehen ist, gilt für die umsatzsteuerliche Beurteilung der dem Hörgeräteakustiker verbleibenden Beträge Folgendes:

  1. Die Anpasspauschale stellt eine Anzahlung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a UStG) auf eine spätere Lieferung dar. Der Steuersatz hängt von der künftigen Leistung ab. Die Anzahlung unterliegt deshalb im Zeitpunkt der Vereinnahmung gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 52d der Anlage dem ermäßigten Steuersatz.

  2. Die Erstattung der Sachkosten für die nicht wieder verwendbare Otoplastik stellt als Vertragsstrafe wegen Nichterfüllung echten, nicht umsatzsteuerlichen Schadensersatz dar.

2. Reparaturpauschalen bei der Lieferung von Hörgeräten

(, , und )

Die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker hat u. a. mit AOK-Landesverbänden Verträge über die pauschale Abgeltung von Reparaturleistungen für Hörgeräte und Otoplastiken geschlossen. Danach kann bei der Lieferung von Hörgeräten die pauschale Abgeltung von Reparaturleistungen gesondert vereinbart werden.

Da der Vertrag sich ausschließlich auf Reparaturleistungen bezieht und für den Kauf der Geräte andere vertragliche Vereinbarungen gelten, handelt es sich bei der Reparaturpauschale um eine Vorauszahlung für eine selbstständige Leistung des Hörgeräteakustikers (Reparaturleistung). Auf diese Leistung ist der volle Steuersatz anzuwenden.

Die vom Hörgeräteakustiker für die Dauer von mehreren Jahren übernommenen Wartungs- und Reparaturleistungen auf Basis einer einmaligen pauschalen Vergütung stellen auch kein selbstständiges Garantieversprechen dar, welches nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG umsatzsteuerfrei ist.

Die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker hat mit dem Verband der Angestelltenkrankenkassen (VdAK) und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband (AEV) in Rahmenverträgen sogenannte Versorgungspauschalen vereinbart. Diese umfasst die Lieferung von Hörgeräten und die Reparaturleistung. Der Gesamterlös unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz. Die Reparaturleistungen und die Lieferung greifen nicht so ineinander, dass eine einheitliche Leistung entsteht. Dass die einzelnen Leistungen auf einem einheitlichen Rahmenvertrag beruhen und für sie ein Gesamtentgelt entrichtet wird, reicht noch nicht aus, sie umsatzsteuerlich als Einheit zu behandeln (Abschn. 29 Abs. 2 UStR).

Die Versorgungspauschale ist deshalb in einen Teilbetrag für die Lieferung des Hörgeräts (ermäßigter Steuersatz) und in einen solchen für die zu erbringende Reparaturleistung (allgemeiner Steuersatz) aufzuteilen.

3. Lieferung und Austausch von Otoplastiken

Die Abgabe einer Otoplastik in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lieferung eines Schwerhörigengeräts (Erstabgabe eines Hörsystems) teilt als unselbstständige Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung. Die Abgabe des Ohrpassstücks unterliegt in diesem Fall nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 52 Buchst. d der Anlage 2 zum UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Hingegen kommt der allgemeine Steuersatz zur Anwendung, wenn die Otoplastik Gegenstand einer selbstständigen Lieferung ist, da eine Lieferung von Prothesenteilen bzw. Zubehör in der Anlage zum UStG ausdrücklich von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausgenommen ist.

Der Austausch (Ersatz) der Otoplastik ist eine (Reparatur-)Leistung des Hörgeräts, das ansonsten nicht mehr voll funktionsfähig wäre. Diese sonstige Leistung ist nach § 12 Abs. 1 UStG mit dem vollen Steuersatz zu besteuern.

Die wird hiermit aufgehoben.

OFD Hannover v. - S 7227 - 15 - StO 184

Fundstelle(n):
UR 2007 S. 673 Nr. 17
TAAAC-46682