Zur Bedeutung des Begriffs "Beiträge" in § 40b EStG i.d.F. bis VZ 2004
Leitsatz
1. Beiträge für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers i.S. des § 40b EStG i.d.F. bis 2004 sind nur solche Leistungen des Arbeitgebers, die als Arbeitslohn zu qualifizieren sind.
2. Sind für Arbeitnehmer Gesamtprämien in Höhe von jeweils mehr als 4 200 DM im Kalenderjahr zu leisten, sind diese Arbeitnehmer dennoch in die Durchschnittsberechnung der Pauschalierungsgrenze gemäß § 40b Abs. 2 Satz 2 EStG einzubeziehen, wenn der als Arbeitslohn zu qualifizierende Anteil diesen Betrag nicht übersteigt.
Gesetze: EStG § 40b i.d.F. bis VZ 2004EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Instanzenzug: (EFG 2005, 1703) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Streitig ist die Berechnung der Pauschalierungsgrenze bei Zukunftssicherungsleistungen zugunsten von mehreren Arbeitnehmern (§ 40b Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes —EStG— in der in den Streitjahren 1996 bis 1999 geltenden Fassung).
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gewährt auf der Grundlage ihrer Versorgungsordnung ihren Mitarbeitern eine Zusatzversorgung durch Abschluss von Direktversicherungen. Der Prämienbeitrag der Klägerin belief sich in den Streitjahren —gestaffelt nach Gehaltsgruppen— pro Mitarbeiter auf 2 100 bis 4 200 DM jährlich. Jeder Mitarbeiter ist verpflichtet, sich zusätzlich mit 20 v.H. dieses Prämienbeitrags zu beteiligen. Dieser sog. Eigenanteil wird im Wege des Gehaltsabzugs von der Klägerin abgeführt. Ohne Eigenbeteiligung entfällt der Anspruch auf die Zusatzversorgung.
Die Klägerin schloss einen Gruppenversicherungsvertrag (Direktversicherung) bei der X-Lebensversicherung ab. Die Klägerin ist insoweit Versicherungsnehmerin und Beitragsschuldnerin. Bei den von ihr zu zahlenden Versicherungsbeiträgen wird zwischen einem Arbeitgeberanteil (in den Streitjahren höchstens 4 200 DM) und einem 20 prozentigen Arbeitnehmeranteil (in den Streitjahren höchstens 840 DM) unterschieden; diese werden in einem Gesamtjahresbeitrag (in den Streitjahren höchstens 5 040 DM) zusammengefasst.
Die Klägerin führte für die von ihr zu leistenden Arbeitgeberanteile die Pauschalierung gemäß § 40b EStG durch. In die nach § 40b Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift durchzuführende Durchschnittsberechnung bezog sie auch die Arbeitnehmer ein, für die der Gesamtjahresbeitrag den maßgeblichen Höchstbetrag von 4 200 DM aufgrund des Arbeitnehmeranteils überschritt.
Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Auffassung, dass die genannten Arbeitnehmer nicht in die Durchschnittsberechnung einbezogen werden dürften. Soweit der Gesamtjahresbeitrag für diese Arbeitnehmer 3 408 DM (vgl. dazu § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG) übersteige, sei er dem normalen Lohnsteuerabzug zu unterwerfen. Das FA forderte mit dem angefochtenen Pauschalierungsbescheid Lohnsteuer für die Streitjahre (1996 bis 1999) nach.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1703 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 40b Abs. 2 EStG.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die nachgeforderten Beträge um 29 414 DM zu reduzieren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind auch die Arbeitnehmer in die Durchschnittsberechnung einzubeziehen, für die ein Gesamtbeitrag von mehr als 4 200 DM jährlich aufzubringen ist.
1. Gemäß § 40b Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer von den Beiträgen für eine Direktversicherung mit einem Pauschsteuersatz von 20 v.H. erheben. Dies gilt nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift nicht, soweit die zu besteuernden Beiträge 3 408 DM übersteigen. Sind mehrere Arbeitnehmer gemeinsam in einem Direktversicherungsvertrag versichert, so ist für die Feststellung der Pauschalierungsgrenze eine Durchschnittsberechnung anzustellen. Als Beitrag für den einzelnen Arbeitnehmer gilt dann der Beitrag, der sich bei einer Aufteilung der gesamten Beiträge durch die Zahl der begünstigten Arbeitnehmer ergibt, wenn dieser Teilbetrag 3 408 DM nicht übersteigt; hierbei sind Arbeitnehmer, für die Beiträge von mehr als 4 200 DM im Kalenderjahr geleistet werden, nicht einzubeziehen (§ 40b Abs. 2 Satz 2 EStG).
a) § 40b EStG basiert auf der Vorstellung, dass es sich bei den Beiträgen i.S. der Vorschrift um Arbeitslohn handelt, der den Arbeitnehmern im Zeitpunkt der Abführung durch den Arbeitgeber an die Versicherung zufließt (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 40b Rz A 2, 7; Wagner in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 40b EStG Rz 5, 22), was bei Ausgaben des Arbeitgebers an eine Versicherung zur Zukunftssicherung der Arbeitnehmer der Fall sein kann (s. § 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung).
Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben gehören, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahe stehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherung). Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang —wirtschaftlich betrachtet— so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (, BFHE 188, 334, BStBl II 2000, 406; vom VI R 159/99, BFHE 195, 364, BStBl II 2001, 815; vom VI R 154/99, BFHE 196, 539, BStBl II 2002, 22; vom VI R 165/01, BFHE 209, 571, BStBl II 2005, 890; vom VI R 32/04, BFHE 210, 447, BStBl II 2006, 500; vom VI R 92/04, BFHE 212, 445, BStBl II 2006, 528; vom VI R 148/98, BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532). Dementsprechend wird die Arbeitslohnqualtität von Beitragsleistungen in den Fällen der Direktversicherung, bei der der Arbeitgeber nach dem Innenverhältnis mit dem Arbeitnehmer nur die Pflicht hat, die Beiträge für die Versorgung einzubehalten und an den Versicherer abzuführen, bejaht (BFH-Urteil in BFHE 188, 334, BStBl II 2000, 406). Beiträge zur Zukunftssicherung der Arbeitnehmer, die aus verwendetem Arbeitslohn stammen und damit von diesen getragen werden, haben dagegen keine Arbeitslohnqualität.
b) Daraus ergibt sich, dass Leistungen nur dann Beiträge i.S. des § 40b EStG sind, sofern sie als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind. Insoweit handelt es sich um „zu besteuernde” Beiträge i.S. des § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG. Prämien oder Prämienteile, die aus bereits versteuertem Arbeitslohn stammen, sind keine Beiträge i.S. der Vorschrift, auch wenn sich, wie im Streitfall, der Arbeitgeber gegenüber der Versicherung zur Zahlung verpflichtet hat. Wirtschaftlich betrachtet sind solche Arbeitnehmeranteile eigene Beiträge der Arbeitnehmer und damit keine Beiträge des Arbeitgebers, was Voraussetzung der Pauschalierung gemäß § 40b EStG ist.
c) Diese Grundsätze sind auch bei der Durchschnittsberechnung der Pauschalierungsgrenze bei mehreren Arbeitnehmern (§ 40b Abs. 2 Satz 2 EStG) zu beachten. Auch hier sind unter Beitrag bzw. Teilbeitrag nur solche Leistungen zu verstehen, die Arbeitslohn sind. Besteht, wie hier, der Gesamtbeitrag aus einem als Arbeitslohn steuerpflichtigen, vom Arbeitgeber erbrachten Anteil und einem nicht steuerbaren, vom Arbeitnehmer aus versteuerten Einkommen erbrachten Anteil, so ist nur der Arbeitgeberanteil in die Durchschnittsberechnung einzubeziehen. Soweit der vom Arbeitgeber erbrachte Anteil am Gesamtbeitrag nicht mehr als 4 200 DM beträgt, dürfen die Arbeitnehmer nicht gemäß § 40b Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG aus der Durchschnittsberechnung ausgeschlossen werden. Das hat das FG hier verkannt. Nach seinen Feststellungen ist der arbeitnehmerbezogene Höchstbetrag von 4 200 DM bei Außerachtlassung des „Eigenanteils” der Arbeitnehmer in keinem Fall überschritten worden.
2. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, waren das vorinstanzliche Urteil ebenso wie die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Nachforderungsbescheid war im Sinne des Klageantrags abzuändern. Die Neuberechnung wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2, § 121 FGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 619
BB 2007 S. 1315 Nr. 24
BFH/NV 2007 S. 1412 Nr. 7
BStBl II 2007 S. 619 Nr. 13
DB 2007 S. 1284 Nr. 23
DStR 2007 S. 1029 Nr. 24
DStRE 2007 S. 865 Nr. 13
DStZ 2007 S. 407 Nr. 13
EStB 2007 S. 281 Nr. 8
FR 2007 S. 973 Nr. 20
HFR 2007 S. 751 Nr. 8
KÖSDI 2007 S. 15613 Nr. 7
NJW 2007 S. 3088 Nr. 42
NWB-Eilnachricht Nr. 23/2007 S. 1909
SJ 2007 S. 4 Nr. 14
StB 2007 S. 243 Nr. 7
StBW 2007 S. 2 Nr. 12
StC 2007 S. 8 Nr. 7
StuB-Bilanzreport Nr. 12/2007 S. 479
QAAAC-46294