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InfoCenter - Stand: 06.05.2024

Latente Steuern (IFRS)

Prof. Dr. Hanno Kirsch

1. Definition

Latente Steuern bezwecken allgemein eine Harmonisierung des in der (IFRS-)Ergebnisrechnung ausgewiesenen Ertragsteueraufwands mit dem im (IFRS-)Abschluss ausgewiesenen Vorsteuerergebnis. Sie dienen damit der periodengerechten Gewinnermittlung und zugleich dem zutreffenden Ausweis der Vermögenslage der Bericht erstattenden Einheit.

Die Steuerabgrenzung nach IAS 12 folgt dem bilanzorientierten Temporary-Konzept. Danach sind grundsätzlich sämtliche Differenzen zwischen IFRS- und Steuerbilanz abzugrenzen, die im Zeitablauf Auswirkungen auf die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage haben.

Nach IAS 12 unterliegen sowohl temporäre Differenzen als auch steuerliche Verlustvorträge der latenten Steuerabgrenzung.

2. Temporäre Differenzen

2.1. Abgrenzungskonzept

IAS 12 grenzt temporäre Differenzen zwischen IFRS-Bilanz und Steuerbilanz anhand abweichender (Bilanz-)Buchwerte ab (vgl. IAS 12.5). In Abhängigkeit von der Relation zwischen IFRS-Buchwert und Steuerbilanz-Buchwert ergeben sich folgende Konstellationen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
IFRS-Buchwert > Steuerbilanz-Buchwert
IFRS-Buchwert < Steuerbilanz-Buchwert
Vermögenswerte
Passive Differenzen
Aktive Differenzen
Schulden
Aktive Differenzen
Passive Differenzen

Die Abbildung zeigt die Differenzen zwischen IFRS-Bilanz und Steuerbilanz als Ausgangspunkt der latenten Steuerabgrenzung.

Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die aufgedeckten Differenzen zwischen IFRS-Bilanz und Steuerbilanz permanenter oder temporärer Natur sind, da latente Steuern nur auf temporäre Differenzen zu bilden sind.

Die Voraussetzung für temporäre Differenzen ist, dass sich die bilanziellen Differenzen zwischen IFRS-Buchwert und Steuerbilanz-Buchwert spätestens bis zur Liquidation des Unternehmens ausgleichen.

2.2. IFRS-spezifische Ausnahmen vom Abgrenzungskonzept

Von diesem bilanzorientierten Abgrenzungskonzept bestehen nur wenige IFRS-spezifische Ausnahmen, die in IAS 12.15, 12.24, 12.39 und 12.44 geregelt sind:

  • Geschäfts- oder Firmenwert, der steuerlich nicht abgeschrieben werden kann (vgl. IAS 12.15 a);

  • erstmaliger Ansatz eines Vermögenswerts oder einer Schuld bei einem Geschäftsvorfall, der

    • kein Unternehmenszusammenschluss ist und

    • zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls weder das (IFRS-)Ergebnis (vor Steuern) noch das zu versteuernde Einkommen beeinflusst (vgl. IAS 12.15 b und 12.24).

  • (unabhängig von den nationalen steuerlichen Regelungen; vgl. für Deutschland insbes. § 8b KStG und § 9 Nr. 2a GewStG ) Abgrenzung von temporären Differenzen im Zusammenhang mit Tochterunternehmen, Zweigniederlassungen, Gemeinschaftsunternehmen und assoziierten Unternehmen (sog. outside basis differences) nur dann, falls

    • sich die Differenzen in absehbarer Zeit umkehren und/oder,

    • das Mutterunternehmen, der Anteilseigner oder das Partnerunternehmen nicht in der Lage ist, den zeitlichen Verlauf der Umkehrung der temporären Differenz zu steuern (nur bei passiven Differenzen) und

    • eine hinreichende Realisierungswahrscheinlichkeit für aktive latente Differenzen besteht (vgl. IAS 12.39 und 12.44).

Sofern bei vorhandenen temporären Differenzen kein Ausnahmetatbestand greift, sind sie als latente Steuern abzugrenzen.

Temporär ausgenommen von der latenten Steuerabgrenzung sind nach IAS 12.4A latente Steuerabgrenzungen, die sich im Zusammenhang mit der Umsetzung der Mindeststeuerkomponente (sog. pillar 2 bzw. Säule 2) der internationalen Steuerreform der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ergeben.

Neben der gesonderten Angabe des tatsächlichen Steueraufwands/-ertrags im Zusammenhang mit Säule-2-Ertragsteuern (IAS 12.88B) sind zusätzlich Angaben in Bezug auf die zu erwartenden Belastungen aus Gesetzen zu Säule-2-Ertragsteuern zu machen (IAS 12.88C und 12.88D).

2.3. Beispiele für die einzelnen Kategorien temporärer Differenzen

2.3.1. IFRS-Buchwert > Steuerbilanz-Buchwert bei Vermögenswerten

Der Bilanzierende wählt für abnutzbare Anlagegegenstände nach IFRS die lineare Abschreibungsmethode und für steuerliche Zwecke die geometrisch-degressive Abschreibung (z. B. im Ausland; die geometrisch-degressive Abschreibung ist in der Steuerbilanz in Deutschland für Anschaffungen/Herstellungen nach dem und vor dem möglich) oder nimmt in der Steuerbilanz über die lineare Abschreibung hinausgehend steuerliche Sonderabschreibungen in Anspruch (z. B. im Inland, Abschreibungen nach § 6b Abs. 1 EStG).

Nach IFRS werden Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte nach der Neubewertungsmethode (vgl. IAS 16.31 und IAS 38.75) angesetzt, während steuerlich das Anschaffungskostenprinzip gilt. Der nach IFRS Bilanzierende aktiviert in der IFRS-Bilanz die Ausgaben für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte bei Vorliegen der Voraussetzungen des IAS 38.57, während steuerlich ein Ansatzverbot (z. B. § 5 Abs. 2 EStG) besteht.

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