Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3; ZPO § 544 Abs. 7; VVG § 61
Instanzenzug: LG Kleve 3 O 372/02 vom OLG Düsseldorf I-4 U 191/04 vom
Gründe
Das Berufungsgericht, welches den beklagten Feuerversicherer für leistungsfrei hält, weil es sich davon überzeugt hat, dass der Brand, auf den die Klägerin ihr Begehren stützt, mit ihrem Wissen und Wollen gelegt worden sei, hat es abgelehnt, den in der Berufungsinstanz benannten Zeugen B. zu vernehmen. Das verletzt in entscheidungserheblicher Weise das Grundrecht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils nach § 544 Abs. 7 ZPO.
Der Zeuge sollte bekunden, der frühere Ehemann der Klägerin habe ihm gegenüber zugegeben, im Lokal der Klägerin Feuer gelegt zu haben, um sich so für das von ihr eingeleitete Scheidungsverfahren und die Entziehung des Sorgerechts für die gemeinsame Tochter zu rächen. Wäre diese Äußerung durch die Zeugenaussage erwiesen, so hätte sich schon angesichts der übrigen Beweislage, bei der viele Fragen der konkreten Tatausführung ungeklärt geblieben waren, für den Tatrichter die Frage gestellt, ob sich daraus ein besonders gewichtiges Indiz gegen die Annahme einer mit Billigung der Klägerin erfolgten Brandstiftung ergeben hätte, für die die Beklagte nach § 61 VVG die Beweislast trägt.
Das Berufungsgericht hat dieses Indiz im Ergebnis als nicht ausreichend angesehen, um entscheidungserhebliche Zweifel an einer im Einvernehmen mit der Klägerin verübten Brandstiftung zu wecken. Die Beweiswürdigungserwägungen, aufgrund derer es den Schluss von der unter Beweis gestellten Äußerung auf eine aus Rache verübte Brandstiftung nicht ziehen will, erweisen sich indes als zum Teil lücken- und denkfehlerhaft, zum Teil verfahrensfehlerhaft. Sie bilden deshalb nicht nur keine ausreichende rechtlich tragfähige Grundlage dafür, von der beantragten Zeugenvernehmung abzusehen, sondern wecken in der Gesamtschau die Besorgnis, die beantragte Beweisaufnahme sei letztlich zur Vermeidung der mit einer Vernehmung des im Ausland lebenden Zeugen verbundenen Schwierigkeiten unterblieben. Die Nichtberücksichtigung eines entscheidungserheblichen Beweisangebots verstößt aber gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 36; 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144).
1. Soweit der Tatrichter meint, die Behauptung einer Brandstiftung aus Rache mache schon deshalb keinen Sinn, weil sich die Klägerin, die seinerzeit noch nichts von den Problemen einer möglichen Unterversicherung geahnt habe, aus dem Brandschaden einen Vorteil habe versprechen können, der ihr infolge ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage auch gelegen gekommen sei, enthält dies einen Denkfehler. Es kommt für die Beweisfrage, ob der frühere Ehemann der Klägerin den Brand aus den vorgenannten Motiven gelegt haben kann, zunächst nicht darauf an, wie die Klägerin ihre wirtschaftliche Situation und die Möglichkeit, im Versicherungsfalle Leistungen aus der Feuerversicherung zu erhalten, einschätzte, sondern allein darauf, ob der der Tat verdächtigte frühere Ehemann diese Umstände kannte und zutreffend einschätzte. Dazu verhält sich das Berufungsurteil nicht. Es befasst sich schon nicht mit der Möglichkeit, dass der Tatverdächtige seit der Scheidung keinen Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin mehr hatte und es als insoweit Außenstehender allein darauf anlegte, sie an dem Versuch, sich nach der Scheidung eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen, zu hindern. Das Berufungsgericht stellt auch nicht fest, dass er überhaupt von der bei der Beklagten gehaltenen Versicherung wusste. Schließlich bleibt unerörtert, ob die vorgefundene Spurenlage - das Lokal war nach der Brandstiftung ordnungsgemäß abgeschlossen und wies keinerlei Einbruchsspuren auf - gerade von dem Bestreben des mutmaßlichen Brandstifters getragen sein könnte, den Tatverdacht auf die Klägerin zu lenken, um auf diese Weise Versicherungsleistungen zu vereiteln.
Den vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen zu den erwarteten wirtschaftlichen Folgen der Brandstiftung liegt erkennbar die Annahme zugrunde, der Tatverdächtige habe von vorn herein dieselben Umstände erwogen, die auch die Klägerin bei Planung einer Eigenbrandstiftung bedacht hätte. Ob dies so war, sollte indes durch die Beweiswürdigung erst geklärt werden.
2. Weiter hat das Berufungsgericht eine Brandstiftung aus Rache deshalb ausgeschlossen, weil der frühere Ehemann der Klägerin nicht über einen Schlüssel zum Lokal verfügt habe und deshalb nicht gegen ihren Willen hineingekommen sein könne. Dabei hat es den in zweiter Instanz neu gehaltenen Vortrag der Klägerin, ihr früherer Ehemann sei zwei Tage vor dem Brand für zwei Stunden im Besitz ihres Schlüssels gewesen und habe so die Möglichkeit gehabt, eine Schlüsselkopie anzufertigen, nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zurückgewiesen.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an den Ausschluss einer Nachlässigkeit im Sinne der genannten Vorschrift überspannt hat.
a) Es meint, die Klägerin habe angesichts der behaupteten Vorstrafe ihres früheren Ehemannes wegen Brandstiftung, ferner wegen des scheidungsbedingten Zerwürfnisses von vorn herein den Tatverdacht gegen ihn richten und deshalb den Vorfall mit dem Schlüssel schon in erster Instanz vortragen müssen. Das überzeugt nicht. Zu Recht hat nämlich das Berufungsgericht den Vortrag, der frühere Ehemann habe den Brand gelegt, nicht als verspätet angesehen; denn insoweit hatte die Klägerin - gestützt auf den beantragten Zeugenbeweis - Umstände vorgetragen, die es erklärbar machten, warum der Verdacht erst nach der Begegnung der Klägerin mit dem oben genannten Zeugen vorgetragen worden ist. Bevor sich der Tatverdacht wegen des behaupteten Geständnisses konkretisiert hat, hatte die Klägerin keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, ihren früheren Ehemann der schweren Brandstiftung zu beschuldigen. Ein solcher Vortrag wäre deshalb ins Blaue hinein erfolgt. Dass der Ehemann einschlägig vorbestraft war und sich mit der Klägerin wegen der Scheidung überworfen hatte, reichte noch nicht aus, um sie - zumal im Rahmen einer lediglich sekundären Darlegungslast - dazu zu zwingen, einen nicht beweisbaren, schwerwiegenden Verdacht im Rahmen ihres Vortrages auszusprechen.
b) Hatte sie in erster Instanz aber noch keinen ausreichenden Anlass, ihren früheren Ehemann zu verdächtigen, so stellt es keine Nachlässigkeit der Klägerin im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO dar, wenn sie dem behaupteten Umstand, dass er zwei Tage vor dem Brand ihr Auto für zwei Stunden benutzt hatte, in Bezug auf den Brand des Lokals zunächst keine Bedeutung beimaß oder sich möglicherweise nicht bewusst machte, dass er mit dem Autoschlüsselbund für zwei Stunden auch im Besitz des Lokalschlüssels gewesen war. Insoweit ist der neue Vortrag der Klägerin nicht so teilbar, wie das Berufungsgericht angenommen hat. Solange kein ausreichender Anhaltspunkt für einen konkreten Tatverdacht gegeben war, stellte die Anfertigung einer Schlüsselkopie durch den früheren Ehemann sich als bloße theoretische Möglichkeit dar, vergleichbar der Möglichkeit, dass die Freundin der Klägerin oder Mitarbeiter des Automatenaufstellers mit den ihnen überlassenen Schlüsseln Missbrauch getrieben hätten, wovon das Berufungsurteil mangels ausreichender Anhaltspunkte zu Recht nicht ausgeht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1033 Nr. 15
QAAAC-44499
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein