Leitsatz
[1] a) Das Zwangsvollstreckungsverfahren wird in Bezug auf Pfändungsmaßnahmen nicht nach § 240 ZPO wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochen.
b) Auch bei der Pfändung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück und auf Herausgabe muss der Rechtsgrund der gepfändeten angeblichen Forderung im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wenigstens in allgemeinen Umrissen angegeben sein.
Instanzenzug: AG Ansbach M 421/02 vom LG Ansbach 4 T 350/04 vom
Gründe
I.
Die Drittschuldnerin wendet sich gegen die Wirksamkeit eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
Die Gläubigerin hat wegen einer Forderung in Höhe von 200.000 € einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt, durch den die angeblichen Ansprüche des Insolvenzschuldners gegen die Drittschuldnerin, seine verwitwete Mutter, auf Herausgabe des Besitzes und Übertragung des Eigentums an drei näher bezeichneten Grundstücken gepfändet werden sollten. Das Amtsgericht hat den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss am antragsgemäß erlassen. Mit Beschluss vom hat es auf Antrag der Gläubigerin einen Sequester bestellt.
Gegen beide Beschlüsse hat die Drittschuldnerin Erinnerung eingelegt. Im Verfahren hat sie einen Erbvertrag vom vorgelegt, in dem sie und ihr inzwischen verstorbener Ehemann den Insolvenzschuldner, ihren Sohn, zum Erben ihres Vermögens eingesetzt haben, zu dem auch die Grundstücke gehören, die nunmehr Gegenstand des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sind. Sie hat ferner einen "Erbvertrag, vertragliches Veräußerungsverbot" vom zu den Akten gegeben, in dem sich die Eltern dem Insolvenzschuldner gegenüber verpflichtet haben, über verschiedene Gegenstände, darunter die betreffenden Grundstücke, nicht zu verfügen, insbesondere diese nicht zu veräußern, zu belasten oder zu verpfänden. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Belastungs- und Veräußerungsverbot haben sich die Eltern des Schuldners verpflichtet, auf ihre Kosten etwa vertragswidrig veräußerte Gegenstände zurückzuerwerben, etwa erfolgte vertragswidrige Belastungen zu beseitigen und diejenigen Gegenstände, die vertragswidrig belastet oder veräußert wurden, bereits zu ihren Lebzeiten unentgeltlich auf den Schuldner zu übertragen. Weiter hat sie einen "Erbvertragsnachtrag" vom vorgelegt, in dem vereinbart wurde, dass die Ansprüche des Insolvenzschuldners aus den Erbverträgen nicht abtretbar und nicht verpfändbar seien.
Das Amtsgericht hat die Erinnerung der Drittschuldnerin mit Beschluss vom zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Drittschuldnerin ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Begehren weiter.
Bereits am hatte der Insolvenzschuldner einen eigenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Daraufhin wurde am ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, gleichzeitig wurden Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Insolvenzschuldner, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind, gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO untersagt bzw. einstweilen eingestellt. Am wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Drittschuldnerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und der mit der sofortigen Beschwerde angefochtenen Beschlüsse sowie zur Zurückweisung der Anträge der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und auf Bestellung eines Sequesters.
1. Der Insolvenzverwalter ist nunmehr anstelle des Insolvenzschuldners Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Nachdem der Insolvenzschuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen verloren hat, ist dem Insolvenzverwalter auch die Befugnis zugefallen, die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen. Er ist daher seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Rechtsnachfolger des Insolvenzschuldners Verfahrensbeteiligter kraft Amtes (vgl. , NJW 1997, 1445).
2. Das Verfahren ist nicht nach § 240 ZPO wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners unterbrochen. Diese Vorschrift ist bei Pfändungsmaßnahmen im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht anwendbar.
Die systematische Stellung von § 240 ZPO im "Buch 1. Allgemeine Vorschriften", das den speziellen Regelungen der einzelnen Verfahren vorangestellt ist, spricht für dessen grundsätzliche Geltung im Zwangsvollstreckungsverfahren. Eine Anwendung der allgemeinen Vorschriften kommt aber nicht in Betracht, soweit speziellere Regelungen getroffen sind oder Wesen und Zweck der Zwangsvollstreckung entgegenstehen (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 26. Auflage, vor § 704 Rn. 5).
a) Die Folgen des Insolvenzverfahrens für die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner sind durch §§ 88 ff. InsO speziell geregelt. Daneben ist für die Anwendung von § 240 ZPO kein Raum (vgl. allgemein für Zwangsvollstreckungsverfahren: KG, NJW-RR 2000, 1075, 1076; OLG Neustadt, NJW 1965, 591, 592; LG Stuttgart, Rpfleger 1999, 286; Musielak/Stadler, ZPO, 5. Auflage, § 240 Rn. 6; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Auflage, Vorbem. § 239 Rn. 1; MünchKommInsO/Schumacher, vor §§ 85-87, Rn. 47; a.A. OLG Hamburg, InVO 1997, 268; MünchKommZPO/Feiber, 2. Auflage, § 240 RdNr. 3; FK-InsO/App, 3. Auflage, § 85 Rz. 6) .
Pfändungsmaßnahmen werden nach den genannten Vorschriften der Insolvenzordnung überwiegend unzulässig; dies ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Soweit Vollstreckungsmaßnahmen noch vorgenommen werden können (von Massegläubigern, Aussonderungs- oder Absonderungsberechtigten), besteht unter Abwägung der beiderseitigen Interessen kein Bedürfnis für eine Unterbrechung des Verfahrens. Dem Gläubiger ist daran gelegen, seine Rechte so schnell wie möglich zu verwirklichen, bevor etwa eine Verwertung durch den Insolvenzverwalter erfolgt. Eine Unterbrechung der Zwangsvollstreckung würde ihn erheblich belasten, ohne dass der Gesetzeszweck von § 240 ZPO einen solchen Nachteil rechtfertigte. Die Pfändung ist darauf gerichtet, die tatsächliche Befriedigung einer bereits titulierten Forderung zu bewirken, deren Erfüllung durch den Schuldner entweder wegen Zahlungsunfähigkeit oder aus Unwilligkeit unterbleibt. Eine Überlegungsfrist über das weitere Vorgehen für Gläubiger und Insolvenzverwalter, wie sie § 240 ZPO gewähren will, ist daher nicht erforderlich. Für den Insolvenzverwalter wird sich meist nur die Frage stellen, ob die Pfändung überhaupt noch zulässig ist. Um dies zu beurteilen, bedarf es keiner eingehenden Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage.
b) § 240 ZPO ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Insolvenzordung einen besonders geregelten Weg vorsieht, wie Forderungen gegen den Schuldner im Insolvenzverfahren geltend zu machen sind, nämlich vorrangig durch Anmeldung zur Tabelle (§ 174 InsO) und erst bei Bestreiten des Verwalters oder des Schuldners durch Klage auf Feststellung zur Tabelle (§ 179 InsO). Die Unterbrechung eines bereits gegen den Schuldner anhängigen Passivprozesses ist daher schon deshalb sinnvoll, weil die Klageforderung regelmäßig zunächst nicht mehr auf diesem Weg verfolgt, der Rechtsstreit aber gegebenenfalls wieder aufgenommen werden kann. Dagegen führen die §§ 88, 89, 90 InsO unmittelbar zur Unwirksamkeit bzw. Unzulässigkeit der Vollstreckungsmaßnahme, was mit dem statthaften Rechtsbehelf geltend gemacht werden kann. Eine Wiederaufnahme der begonnenen Vollstreckung ist nicht vorgesehen.
c) Eine Unterbrechung würde den Drittschuldner benachteiligen. Könnte das Verfahren während des laufenden Insolvenzverfahrens nur gemäß § 240 ZPO nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen werden, hätte der Drittschuldner, obgleich er ein berechtigtes Interesse an der Entscheidung über die Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hat, keine Möglichkeit, selbst eine Entscheidung herbeizuführen, da die §§ 85, 86 InsO die Aufnahme des Verfahrens durch Drittbeteiligte nicht vorsehen.
3. Das Rechtsmittel ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Drittschuldnerin mit dem Einwand, die gepfändeten und überwiesenen Ansprüche seien unpfändbar, beschwerdebefugt (vgl. IXa ZB 193/03, NJW-RR 2004, 643 m.w.N.).
4. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist unwirksam, weil die gepfändete Forderung nicht hinreichend bestimmt bezeichnet ist.
a) Wird eine Forderung gepfändet, muss sie in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss so genau bezeichnet werden, dass ihre Identität unzweifelhaft festgestellt werden kann. Es muss auch für Dritte erkennbar sein, welche Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner Gegenstand der Pfändung sein soll. Deshalb muss der Rechtsgrund der gepfändeten angeblichen Forderung wenigstens in allgemeinen Umrissen angegeben sein (, NJW 2001, 2976; , NJW 1988, 2543, 2544; , NJW 1983, 886, jew. m.w.N.). Das gilt auch bei der Pfändung eines Herausgabeanspruchs (vgl. , NJW 2000, 3218 f.; wohl auch Schuschke/Walker/Schuschke, ZPO, 3. Aufl., § 847 Rdn. 2; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 847 Rdn. 4; MünchKommZPO/Smid, 2. Aufl., § 847 Rdn. 3). Soweit ohne weitere Begründung vertreten wird, bei der Pfändung eines Herausgabeanspruchs genüge die Benennung der herauszugebenden Sache (Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rdn. 2016), ist dem nicht zu folgen. Ohne Bezeichnung des Rechtsgrundes können Einschränkungen der Pfändbarkeit, wie sie sich aus § 851 ZPO oder § 852 ZPO ergeben können, nicht geprüft werden und es ist nicht feststellbar, ob und inwieweit unselbständige Nebenrechte eines Anspruchs, wie insbesondere eine Vormerkung, von der Pfändung erfasst werden.
b) Der angefochtene Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gibt nicht an, aus welchem Rechtsverhältnis sich die gepfändete Forderung ergeben soll. Er enthält auch keine Anhaltspunkte, die es ermöglichen würden, im Wege der Auslegung zu ermitteln, um welche Forderung es sich handeln soll. Für die Auslegung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses können nur die Angaben herangezogen werden, die sich aus dem Beschluss selbst ergeben (, NJW 1988, 2543, 2544; Schuschke/ Walker/Schuschke, aaO, § 829 Rdn. 37; Stöber, aaO, Rdn. 510). Daher ist es unerheblich, dass die Drittschuldnerin ausweislich ihrer Erinnerungsbegründung auf der Grundlage der von ihr vorgelegten Verträge eine Vorstellung davon hatte, um welchen Anspruch es sich handeln könnte. Ein eventuell denkbarer Fall, in dem sich nicht nur für die Parteien, sondern auch für jeden Dritten unzweifelhaft der Rechtsgrund der gepfändeten Forderung ergibt, ohne dass er im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bezeichnet ist, liegt nicht vor.
5. Da der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss unwirksam ist, ist auch der auf ihm beruhende Beschluss zur Bestellung eines Sequesters unwirksam.
6. Die angefochtenen Beschlüsse sind daher aufzuheben.
Diese Aufhebung beseitigt die Beschlüsse endgültig. Eine Nachbesserung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit Wirkung ex tunc kommt nicht in Betracht (vgl. , BGHZ 66, 394, 395; Hüßtege in Thomas/Putzo, aaO, § 829, Rn. 50). Der Gläubigerin ist keine Gelegenheit mehr zu geben, den Antrag zu ergänzen. Denn der beantragten Pfändung steht nunmehr das von Amts wegen zu beachtende Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO entgegen. Daher hat der Senat den auf Pfändung gerichteten Antrag abzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 3132 Nr. 43
WM 2007 S. 949 Nr. 20
ZIP 2007 S. 983 Nr. 20
QAAAC-44032
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja