Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen

Aussetzung des Verfahrens gemäß § 363 Abs. 1 AO

1. Die Entscheidung über einen Einspruch kann ausgesetzt werden, wenn sie ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt (vorgreifliches Rechtsverhältnis), das

  1. den Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreits bildet oder

  2. von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist.

Die Vorschrift entspricht der Regelung in § 74 FGO.

Das vorgreifliche Rechtsverhältnis muss für die Entscheidung im Einspruchsverfahren in bestimmender Weise rechtserheblich sein. Nicht erforderlich ist, dass das Finanzamt an die Entscheidung des Gerichts oder der anderen Behörde gebunden ist. Es genügt, dass die vorgreifliche Entscheidung irgendeinen rechtlichen Einfluss auf das auszusetzende Verfahren hat ( BStBl 1990 II S. 986).

2.

  1. Bevor die Entscheidung über einen Einspruch ausgesetzt wird, ist zu überprüfen, ob die Feststellung über das vorgreifliche Rechtsverhältnis in einem Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO erfolgt, der eine Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts auch außerhalb des Einspruchsverfahrens nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ermöglicht. In diesem Fall ist der Einspruchsführer auf die Rechtslage hinzuweisen und im Hinblick auf die Unbegründetheit des Einspruchs (vgl. BStBl 1988 II S. 142) um dessen Rücknahme zu bitten.

  2. Über Fragen, die nicht Anlass der Verfahrensaussetzung sind, sollte, bevor die Aussetzung des Einspruchsverfahrens angeordnet wird, durch Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung gem. § 367 Abs. 2a oder eines Abhilfebescheids vorab entschieden werden (vgl. AEAO zu § 363 Tz. 2).

3. Die Entscheidung über die Aussetzung des Einspruchsverfahrens bedarf keiner Zustimmung des Steuerpflichtigen; sie steht im Ermessen des Finanzamts. Dabei sind die verfahrensökonomischen Gesichtspunkte einerseits und die Interessen der Beteiligten (§ 359 AO) andererseits gegeneinander abzuwägen. Nur soweit alle Erwägungen ausschließlich oder doch ganz überwiegend für die Aussetzung des Verfahrens sprechen, ist das Ermessen des Finanzamts auf Null reduziert, so dass eine Pflicht zur Verfahrensaussetzung besteht ( BStBl 1990 II S. 986).

4. Die Aussetzung des Einspruchsverfahrens ist mit Vordruck Nr. 605/156 dem Einspruchsführer bzw. seinem steuerlichen Berater mitzuteilen. Die Gründe für die Verfahrensaussetzung sind in der Verfügung darzulegen.

Des Weiteren ist im Rahmen der IT-unterstützten Rechtsbehelfsverwaltung die Aussetzung des Verfahrens als „neuer Stand/neue Maßnahme” einzugeben und der Grund der Aussetzung als Bemerkung zum Rechtsbehelf zu speichern.

Im Falle personeller Rechtsbehelfsverwaltung ist die Aussetzung des Verfahrens in Spalte 10 der Rechtsbehelfsliste A zu vermerken. In Spalte 14 der Rechtsbehelfsliste („Vermerke”) ist ggf. der Grund der Aussetzung kurz anzugeben.

In der Rechtsbehelfsstatistik sind ausgesetzte Verfahren wie ruhende Verfahren zu behandeln.

5. Die Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung oder der Widerruf der Aussetzung können nicht selbständig, sondern nur mit der Klage gegen die Einspruchsentscheidung angefochten werden (§ 363 Abs. 3 AO).

Die Anordnung der Aussetzung hingegen ist ein Verwaltungsakt, der mit dem Einspruch angefochten werden kann (vgl. BStBl 1990 II S. 944). Setzt die Behörde das Verfahren aus, ohne dass die Voraussetzungen des § 363 Abs. 1 AO vorliegen, so kommt auch eine Untätigkeitsklage nach § 46 FGO in Betracht (vgl. Tipke/Kruse, § 363 AO Tz. 32).

Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen v.

Fundstelle(n):
ZAAAC-43715