Ermessensausübung bei Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialleistungsträger
Verletzung der Unterhaltspflicht als Abzweigungsvoraussetzung
Leitsatz
1. Eine Unterhaltspflichtverletzung des kindergeldberechtigten Elternteils als Voraussetzung für eine Abzweigung des Kindergeldes
an den Träger der Jugendhilfe nach § 74 Abs. 1 S. 4 EStG liegt vor, wenn der Kindergeldberechtigte vom Träger der Jugendhilfe
nach §§ 90 bis 97b SGB VIII an den Kosten für die Leistungen der Jugendhilfe beteiligt wird, aber diese nicht bezahlt. Leistet
der Kindergeldberechtigte jedoch Unterhalt in Höhe mindestens des Kindergeldes, ist eine Abzweigung trotz der Unterhaltspflichtverletzung
in der Regel unzulässig.
2. Die Familienkasse hat bei der Ausübung des ihr in § 74 Abs. 1 EStG eingeräumten Ermessens den Zweck des Kindergeldes zu
berücksichtigen. Enthält die Einspruchsentscheidung lediglich den Hinweis, dass im Hinblick auf die Zweckbestimmung des Kindergeldes
das Ermessen regelmäßig dahingehend auszuüben sei, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Abzweigung
des Kindergeldes zu erfolgen habe, so hat die Familienkasse damit eine Vorprägung der Ermessensentscheidung (Ermessensreduzierung)
im Fall des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 74 Abs. 1 FGO angenommen und damit das ihr obliegende Ermessen
nicht ausgeübt.
3. Die Frage, welche Erwägungen vom Jugendhilfeträger bei der Festsetzung des Kostenbeitrags nach § 94 Abs. 2 SGB VIII getroffen
wurden, kann im Rahmen der Entscheidung über den Abzweigungsantrag nicht berücksichtigt werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): EFG 2007 S. 1178 Nr. 15 IAAAC-43148
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