Verdeckte Gewinnausschüttung bei nicht eindeutiger Tantiemevereinbarung; unüblicher Zahlungsverkehr zwischen Schwestergesellschaften
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 2 K 992/02
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die steuerrechtlichen Folgen einer Tantiemevereinbarung zwischen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) und ihren Gesellschafter-Geschäftsführern. Ferner ist streitig, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) darin liegt, dass die Klägerin eine Forderung gegen eine andere Gesellschaft nicht geltend gemacht hat.
Die Klägerin ist eine 1992 gegründete GmbH, deren Geschäftsanteile zunächst von den Herren A, B und C gehalten wurden. Seit September 1994 sind nur noch A und B —jeweils zur Hälfte— Gesellschafter der Klägerin.
Die Klägerin hatte A, B und C Tantiemen zugesagt, die sich nach einem bestimmten Prozentsatz des „Netto-Gewinns” bemessen sollten. Die sich daraus ergebenden Tantiemeforderungen wurden zunächst von der damaligen Steuerberaterin der Klägerin für die Jahre 1992 und 1993 vom Jahresüberschuss vor Steuern und Tantieme berechnet. Später führte ein anderer Berater der Klägerin für die Jahre 1992 bis 1994 eine abweichende Berechnung durch; er bemaß die Tantiemen nunmehr nach dem Jahresüberschuss vor Steuern, aber nach Abzug der Tantieme. Für die Jahre 1992 und 1993 wurden in der Folge Korrekturbuchungen nach Maßgabe dieser Berechnungsmethode vorgenommen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ging im Anschluss an eine Außenprüfung für die Streitjahre (1994 und 1995) davon aus, dass die Tantiemeregelung nicht hinreichend eindeutig und deshalb der Tantiemeaufwand als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen sei.
A und B waren ferner seit September 1994 zu jeweils 25 v.H. am Stammkapital einer weiteren GmbH (A-GmbH) beteiligt. Die Klägerin wurde für die A-GmbH als Subunternehmerin tätig, wofür ihr als Entgelt die Erstattung bestimmter —vertraglich näher bezeichneter— Aufwendungen zuzüglich eines Gewinnaufschlags zugesagt worden war. Nach der maßgeblichen Vereinbarung sollte das Entgelt der A-GmbH nach Ablauf eines jeden Monats bis zum 14. des Folgemonats in Rechnung gestellt werden.
Der Prüfer stellte fest, dass auf dieser Basis die Klägerin der A-GmbH für Oktober bis Dezember 1994 insgesamt 2 045 026 DM und für Januar bis Mai 1995 insgesamt 1 703 348 DM hätte in Rechnung stellen müssen. Tatsächlich hatte sie jedoch in als Abschlagsrechnungen bezeichneten Rechnungen für Oktober bis Dezember nur 1 304 120 DM (Differenz: 740 906 DM) und für Januar bis Mai 1995 nur 1 336 775 DM (Differenz: 366 573 DM) berechnet. Mit Gesellschafterbeschluss vom wurde die A-GmbH zum aufgelöst. Das FA behandelte die genannten Differenzbeträge, jeweils zuzüglich 15 v.H. Umsatzsteuer, ebenfalls als verdeckt ausgeschüttet; es setzte mithin insoweit verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von 853 041 DM (für 1994) und 421 558 DM (für 1995) an. Auf dieser Basis erließ es für die Streitjahre Bescheide zur Körperschaftsteuer und zur Umsatzsteuer sowie entsprechende Zinsbescheide sowie Gewerbesteuer-Messbescheide.
Der Einspruch der Klägerin gegen diese Bescheide hatte keinen Erfolg. Die daraufhin erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
II. Das Verfahren wird, soweit es um Bescheide über Umsatzsteuer sowie Zinsen zur Umsatzsteuer geht, gemäß § 73 Abs. 1 FGO abgetrennt und zuständigkeitshalber an den V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) verwiesen.
III.
Soweit hiernach im vorliegenden Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden ist, ist diese unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Der Streitfall wirft, soweit es um die von der Klägerin verbuchten Tantiemeleistungen geht, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) auf. Vielmehr ist die Annahme des FG, dass die zu beurteilende Tantiemevereinbarung nicht hinreichend eindeutig sei und daher zu verdeckten Gewinnausschüttungen führe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist eine Vereinbarung zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter regelmäßig als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst anzusehen, wenn sie die vereinbarten Leistungen der Vertragsparteien nicht eindeutig bestimmt. Das gilt insbesondere für Vereinbarungen über eine an den beherrschenden Gesellschafter zu zahlende Tantieme. Eine solche Vereinbarung führt deshalb in aller Regel zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn sie die Bemessungsgrundlage der Tantieme nicht so genau festlegt, dass die Höhe der geschuldeten Vergütung allein durch Rechenvorgänge ermittelt werden kann (Senatsurteil vom I R 37/82, BFHE 143, 263, BStBl II 1985, 345; Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz 1237). Derselbe Grundsatz gilt für Vereinbarungen mit einer „beherrschenden Personengruppe”, also einer Mehrheit von Minderheitsgesellschaftern, die in ihrer Gesamtheit die Kapitalgesellschaft beherrschen und im Zusammenhang mit der zu beurteilenden Vereinbarung gleich gelagerte Interessen verfolgen (Senatsurteil vom I R 50/03, BFHE 205, 192, BStBl II 2005, 524; Rengers in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 8 KStG Rz 126 ff., m.w.N.).
b) Im Streitfall bildeten zunächst A, B und C sowie später —nach dem Ausscheiden des C— A und B die Klägerin beherrschende Personengruppen in diesem Sinne. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die demnach notwendige Eindeutigkeit der Tantiemevereinbarung zwischen der Klägerin und ihren Gesellschaftern hat das FG zu Recht verneint. Die Anknüpfung des Tantiemeanspruchs an den „Nettogewinn” ließ u.a. offen, ob die von der Klägerin geschuldeten Ertragsteuern oder die Tantiemeverpflichtung selbst oder gar beide Positionen die Bemessungsgrundlage der Tantieme mindern sollten. Das wird gerade im Streitfall in besonderer Weise daran deutlich, dass mehrere steuerliche Berater der Klägerin die maßgebliche Vereinbarung unterschiedlich verstanden haben. Vor diesem Hintergrund kann von einer unzweideutigen, keiner weiteren Ausfüllung bedürftigen Bestimmung keine Rede sein. Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage stellt sich in diesem Zusammenhang nicht.
c) Eine solche ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des Senats, nach der eine ihrem Wortlaut nach unklare Vereinbarung aus steuerrechtlicher Sicht gleichwohl „eindeutig” sein kann, wenn sich ihr Inhalt im Wege der Auslegung nach Maßgabe des § 133 und des § 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zweifelsfrei feststellen lässt (Senatsurteil vom I R 20/98, BFHE 189, 45, BStBl II 2001, 612; Rengers in Blümich, a.a.O., § 8 KStG Rz 311, m.w.N.). Das FG hat diesen Gedanken für im Streitfall nicht durchgreifend erachtet und zur Begründung ausgeführt, dass die hiernach gebotene Auslegung sich zwar u.a. an der tatsächlichen Durchführung der Vereinbarung orientieren könne (Senatsurteil vom I R 9/95, BFHE 179, 270, BStBl II 1997, 703; Rengers in Blümich, a.a.O., § 8 KStG Rz 312, m.w.N.), dies aber eine nachhaltige Übung über einen längeren Zeitraum hinweg voraussetze und es hier an einer solchen fehle. Damit hat es jedoch erkennbar nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass eine nachhaltige Übung das einzige in diesem Zusammenhang verwertbare Auslegungskriterium sei. Vielmehr konnte es die Erörterung deshalb auf diesen Gesichtspunkt beschränken, weil weitere mögliche Indizien für das Vorhandensein einer eindeutigen Vereinbarung weder von der Klägerin benannt worden waren noch sich nach Lage des Falles aufdrängten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, in welchem Verhältnis solche Indizien zum Kriterium der langjährigen Übung stehen könnten, im Streitfall nicht. Abgesehen davon bedarf es keiner Klärung, dass die Gewichtung vorhandener Indizien die dem FG obliegende Beweiswürdigung betrifft (Senatsurteil vom I R 63/90, BFHE 166, 279, BStBl II 1992, 362; Rengers in Blümich, a.a.O., § 8 KStG Rz 311, m.w.N.) und stets nach Maßgabe aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden muss.
2. Im Hinblick auf die Behandlung des Vorgangs „A-GmbH” rügt die Klägerin, dass das FG gegen seine Verpflichtung verstoßen habe, sie —die Klägerin— auf die Notwendigkeit einer Ergänzung ihres Vortrags hinzuweisen (§ 76 Abs. 2 FGO). Diese Rüge betrifft die im FG-Urteil enthaltene Formulierung, die Klägerin habe ihren Vortrag zur Zahlungsunfähigkeit der A-GmbH „nicht durch Belege untermauert”. Sie ist jedoch nicht begründet. Denn nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten hat das FA sowohl in der Einspruchsentscheidung als auch in seiner Klageerwiderung die von der Klägerin behauptete Zahlungsunfähigkeit der A-GmbH in Zweifel gezogen. Damit bestand für die fachkundig vertretene Klägerin hinreichende Veranlassung, einen Beweis für diese Behauptung anzutreten. Angesichts dessen hat das FG weder eine gegen § 96 Abs. 2 FGO verstoßende Überraschungsentscheidung getroffen noch in anderer Weise das Recht der Klägerin auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzt.
3. Allerdings lässt das angefochtene Urteil nicht eindeutig erkennen, ob das FG tatsächlich von einer fortbestehenden Zahlungsfähigkeit der A-GmbH ausgegangen ist, ob es die Klägerin als in diesem Punkt beweisfällig angesehen hat oder ob es die Frage der Zahlungsfähigkeit letztlich offengelassen hat. Selbst wenn man aber zu Gunsten der Klägerin Letzteres unterstellt, kann dies nicht zur Zulassung der Revision führen. Insbesondere wäre die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter auch gegenüber einem erkennbar zahlungsunfähigen Schuldner zur Beitreibung von Forderungen der Kapitalgesellschaft schreiten und die damit verbundenen Kosten in Kauf nehmen müsse, auch dann im Streitfall nicht klärungsfähig.
a) Die genannte Frage betrifft die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich die Problematik der verdeckten Gewinnausschüttung im Streitfall allenfalls für das Streitjahr 1995 stellen kann. Denn selbst wenn die A-GmbH —wie von der Klägerin behauptet— im Verlauf dieses Jahres zahlungsunfähig geworden wäre, hätte die Klägerin in ihrer Bilanz auf den die ihr zustehende Forderung in vollem Umfang aktivieren müssen. Schon daraus ergibt sich für das Jahr 1994 der vom FA angesetzte Gewinn; eine verdeckte Gewinnausschüttung kann demgegenüber insoweit nicht vorliegen, da es an der dafür notwendigen Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung fehlt (vgl. Senatsurteil vom I R 10/00, BFH/NV 2001, 584; Rengers in Blümich, a.a.O., § 8 KStG Rz 276, m.w.N.). Ob das Vorgehen der Klägerin gegenüber der A-GmbH durch die —zumindest teilweise— Identität der Gesellschafter beider Gesellschaften veranlasst war, kann mithin nur im Hinblick auf das Jahr 1995 von Belang sein.
b) Dazu hat das FG ausweislich des angefochtenen Urteils die Überzeugung gewonnen, dass unabhängig von der Frage nach der Zahlungsfähigkeit der A-GmbH die unvollständige Berechnung der von der Klägerin erbrachten Leistungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sei. Es heißt dort nämlich u.a., der von der Klägerin behauptete Eintritt der Zahlungsunfähigkeit im Laufe des Jahres 1995 erkläre nicht, „warum auch im Jahre 1994 nicht wie vereinbart abgerechnet und gezahlt worden ist”. Diese Aussage steht im Zusammenhang mit den Erwägungen, dass die A-GmbH unstreitig erst am Ende des Jahres 1996 aufgelöst worden sei und dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter selbst nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit versucht hätte, jedenfalls Teile der ausstehenden Forderungen einzutreiben. Das FG hat sich demnach nicht allein von der letztgenannten Überlegung leiten lassen; es hat vielmehr aus dem Gesamtbild der Verhältnisse geschlossen, dass das Verhalten der Klägerin gegenüber der A-GmbH nicht fremdüblich und von der Rücksichtnahme auf ihre Gesellschafter A und B geprägt gewesen sei. Diese Würdigung bleibt auch dann möglich, wenn man mit der Klägerin annimmt, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem erkennbar zahlungsunfähigen Schuldner gegenüber generell keine kostentreibende Rechtsverfolgung betreiben muss. Deshalb kann diese Problematik, selbst wenn man der Darstellung der Klägerin zur Zahlungsunfähigkeit der A-GmbH folgt, im Streitfall nicht weiter geklärt werden.
4. Schließlich weicht das angefochtene Urteil nicht in einer § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO unterfallenden Weise von der Rechtsprechung des BFH ab. Insbesondere hat das FG dort weder ausdrücklich noch sinngemäß den von der Klägerin bezeichneten Rechtssatz aufgestellt, dass „die Nichtgeltendmachung einer Forderung dem Forderungsverzicht stets gleichstehe”. Es ist vielmehr im Kern davon ausgegangen, dass eine etwa notwendige Abschreibung der Forderung auf den niedrigeren Teilwert nach denselben Grundsätzen zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führe wie die entsprechende Abschreibung eines ohne ausreichende Sicherheiten gewährten Darlehens (vgl. dazu Senatsurteil vom I R 16/03, BFHE 207, 147, BStBl II 2004, 1010). Deshalb liegt selbst dann, wenn das FG den Vortrag der Klägerin zur Zahlungsunfähigkeit der A-GmbH als wahr unterstellt haben sollte, eine zur Revisionszulassung führende Divergenz nicht vor. Auf weitere Ausführungen hierzu wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO verzichtet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1189 Nr. 6
XAAAC-42106