BFH Beschluss v. - XI B 151/06

Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO

Gesetze: FGO § 74

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Beigeladene und Beschwerdeführer (Beigeladener) errichtete zusammen mit dem Kläger zum eine GbR zum Betrieb einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis. Der Beigeladene brachte seine bisherige Einzelpraxis ein und vermietete —gemeinsam mit seiner Ehefrau— die Praxisräume an die GbR. Nachdem der Beigeladene im Jahr 1992 schwer erkrankte, übte seitdem der Kläger die ärztliche Tätigkeit für die Gemeinschaftspraxis aus. Die GbR wurde zum aufgelöst. Zur Bereinigung mehrerer gerichtlicher und außergerichtlicher Streitigkeiten wurde im Februar 1999 ein Vergleich geschlossen, nach dem u.a. alle gegenseitigen Ansprüche zwischen dem Beigeladenen bzw. seiner Ehefrau einerseits und dem Kläger andererseits abgegolten sein sollten.

Gegen die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Gemeinschaftspraxis legten der Beigeladene für die Jahre 1994 bis 1996 und der Kläger für das Jahr 1994 Einspruch ein. Mit Einspruchsbescheiden vom änderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Gewinnverteilung zu Lasten des Klägers. Dagegen richtet sich die von ihm erhobene Klage.

Am reichte der Kläger zusätzlich beim Landgericht (LG) X eine Klage gegen den Beigeladenen ein und beantragte, den Beigeladenen zur Rücknahme seiner Einsprüche gegen die Steuerbescheide über Einkommensteuer für die Jahre 1994 bis 1996 bzw. die Feststellungsbescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zu verurteilen, hilfsweise den Beigeladenen dazu zu verpflichten, 1. ihn, den Kläger, von den Verpflichtungen freizustellen, die das FA ihm infolge der Einsprüche des Beigeladenen auferlegt, und 2. festzustellen, dass der Beigeladene aus dem Ergebnis des finanzgerichtlichen Verfahrens keine zivilrechtlichen Folgerungen gegen ihn, den Kläger, herleiten darf.

Zur Begründung verwies er darauf, dass die Vereinbarungen im Vergleich vom Februar 1999 Einsprüche des Beigeladenen gegen die Feststellungsbescheide ausschließen würden. Der Beigeladene strebe eine Veränderung der Gewinnverteilung zu seinen, des Klägers, Lasten an. Es sei davon auszugehen, dass der Beigeladene nach einem erfolgreichen finanzgerichtlichen Verfahren auch entsprechende zivilrechtliche Korrekturen der Gewinnverteilung verlange. Dies widerspreche dem Wortlaut und dem Zweck des Vergleichs.

Das Finanzgericht (FG) hat auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim LG X anhängigen Verfahrens ausgesetzt. Die Aussetzung hat das FG damit begründet, dass der Kläger mit der zivilrechtlichen Klage begehre, den Beigeladenen zu einer Einigung über die Gewinnverteilung zu bewegen bzw. sich nicht mehr gegen die vom Kläger abgegebenen Gewinnermittlungen zu stellen. Eine gerichtliche Entscheidung im zivilrechtlichen Verfahren oder ein zivilrechtlicher Vergleich könne steuerrechtlich als tatsächliche Verständigung über die Besteuerungsgrundlagen angesehen werden. Damit sei das zivilrechtliche Verfahren für das finanzgerichtliche Verfahren vorgreiflich.

Mit der Beschwerde macht der Beigeladene geltend, dass das zivilrechtliche Verfahren nicht vorgreiflich sei. Aus seiner Sicht sei es sinnvoll und notwendig, das finanzgerichtliche Verfahren kurzfristig zu einem Abschluss zu bringen.

II. Die Beschwerde des Beigeladenen ist begründet.

Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Die beim LG X eingereichte Klage ist für das beim FG anhängige Klageverfahren nicht vorgreiflich i.S. von § 74 FGO, weil sie keinen rechtlichen Einfluss darauf hat.

Im finanzgerichtlichen Verfahren geht es um die Frage, in welcher Höhe der für die Praxisgemeinschaft gesondert festgestellte Gewinn dem Kläger und dem Beigeladenen als den ehemals beteiligten Gesellschaftern zuzurechnen ist. Dagegen begehrt der Kläger mit der zivilrechtlichen Klage eine Verurteilung des Beigeladenen (als Beklagten im Zivilrechtsstreit) zur Rücknahme seiner Einsprüche gegen die Bescheide über Einkommensteuer für 1994 bis 1996 bzw. über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Die Rücknahme von Einsprüchen gegen Einkommensteuerbescheide hätte aber keine Auswirkungen auf ein anhängiges FG-Verfahren wegen gesonderter und einheitlicher Gewinnfeststellung für die Praxisgemeinschaft, bei dem die Zurechnung von Einkünften aus selbständiger Arbeit auf die beteiligten Gesellschafter streitig ist. Denn einem Einkommensteuerbescheid kommt als Folgebescheid keine Bindungswirkung für einen zugrunde liegenden Feststellungsbescheid i.S. der §§ 179, 180 der Abgabenordnung (AO) zu.

Eine Rücknahme der Einsprüche gegen die Feststellungsbescheide hätte steuerrechtlich ebenfalls keine Folgen für das FG-Verfahren. Gemäß § 362 Abs. 1 Satz 1 AO kann ein Einspruch nur bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch zurückgenommen werden. Da das FA bereits über die Einsprüche gegen die Feststellungsbescheide 1994 bis 1996 mit den Einspruchsbescheiden vom entschieden hat, wäre eine Einspruchsrücknahme nicht wirksam.

Auch die im zivilrechtlichen Verfahren gestellten Hilfsanträge haben für die Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren keine Bedeutung. Der erste Hilfsantrag zielt darauf ab, den Beigeladenen zu verpflichten, den Kläger von den Verpflichtungen freizustellen, die das FA dem Kläger infolge der Einsprüche des Beigeladenen auferlegt. Damit macht der Kläger einen Schadensersatzanspruch geltend, der die im FG-Verfahren angegriffenen Feststellungen nicht berührt. Mit dem weiteren Hilfsantrag auf Feststellung, dass der Beigeladene aus dem Ergebnis des finanzgerichtlichen Verfahrens keine zivilrechtlichen Folgerungen gegen den Kläger herleiten darf, will der Kläger erreichen, dass —soweit er im finanzgerichtlichen Verfahren unterliegt— er nicht noch zusätzlich weitere Gewinnanteile an den Beigeladenen zahlen muss. Insoweit wäre das finanzgerichtliche Verfahren vorgreiflich.

Aus diesen Gründen könnte sich eine gerichtliche Entscheidung im zivilrechtlichen Verfahren nicht auf das finanzgerichtliche Verfahren auswirken. Es ist auch nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht erkennbar, dass die vom Kläger beim LG X eingereichte Klage zu einer Einigung über die Gewinnverteilung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen führen könnte.

Eine Kostenentscheidung entfällt. Durch die Beschwerdeentscheidung ist kein Verfahren i.S. von § 143 Abs. 1 FGO beendet worden (vgl. , BFHE 174, 498, BStBl II 1994, 803).

Fundstelle(n):
BAAAC-40340