BGH Beschluss v. - IX ZB 10/05

Leitsatz

[1] Die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der Eigenverwaltung kann weder isoliert noch mit der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss angefochten werden.

Gesetze: InsO § 34 Abs. 2; InsO § 270

Instanzenzug: AG Würzburg 1 IN 377/04 vom LG Würzburg 3 T 2459/04 vom

Gründe

I.

Am beantragte die Schuldnerin, eine GmbH & Co. KG, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen unter Anordnung der Eigenverwaltung. Sie erklärte, es seien zwei langjährig als Insolvenzverwalter tätige und auf dem Gebiet der Finanzierung von Unternehmen in der Krise erfahrene Personen in die Geschäftsführung berufen worden. Das Insolvenzgericht beauftragte den weiteren Beteiligten zunächst mit der Erstattung eines Gutachtens. Auf seine eigene Anregung hin wurde der weitere Beteiligte am zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und ermächtigt, Mitglieder der Geschäftsleitung von ihren Aufgaben zu entbinden und freizustellen. Mit Schreiben vom teilte der weitere Beteiligte den beiden neu bestellten Geschäftsführern der Komplementär-GmbH mit, er entbinde sie von ihren Aufgaben als Geschäftsführer der Schuldnerin; sie dürften deren Betriebsgelände nur noch in Absprache mit ihm betreten.

Mit Beschluss vom ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter ernannt worden. Eigenverwaltung ist nicht angeordnet worden. Die Schuldnerin hat sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt. Noch vor der Entscheidung über die sofortige Beschwerde, am , fand die erste Gläubigerversammlung statt. Die Gläubigerversammlung beschloss, den Insolvenzverwalter beizubehalten. Die Anordnung der Eigenverwaltung beantragte sie nicht. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist sodann mit der Begründung als unzulässig verworfen worden, die Schuldnerin sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beschwert; die Ablehnung der Eigenverwaltung sei nicht anfechtbar. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin weiterhin die Anordnung der Eigenverwaltung erreichen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht bereits, wie der weitere Beteiligte meint, wegen Fehlens einer Prozessvollmacht des jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin unzulässig. Das gilt auch dann, wenn Vollmacht nicht von dem Geschäftsführer Dr. F. , sondern von den Geschäftsführern Dr. N. und H. erteilt worden sein sollte. Deren Amt ist durch die Schreiben des weiteren Beteiligten vom nicht beendet worden. Die Schuldnerin ist eine GmbH & Co. KG. Der weitere Beteiligte ist nicht ermächtigt worden, Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Schuldnerin abzuberufen. Der Beschluss des Insolvenzgerichts vom konnte sich nur auf Mitglieder der Geschäftsleitung der Schuldnerin beziehen.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Befugnis zur Einlegung der Rechtsbeschwerde setzt die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde voraus (BGHZ 144, 78, 82; , WM 2003, 2344; v. - IX ZB 599/02, WM 2003, 2390; v. - IX ZB 63/03, WM 2005, 1246). Schließt das Gesetz die Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung im Wege der sofortigen Beschwerde aus, ist auch die Rechtsbeschwerde unzulässig. So liegt der Fall hier.

1. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung nicht anfechtbar, weil das Insolvenzgericht zunächst nur eine vorläufige Anordnung unter dem Vorbehalt der Beschlussfassung der Gläubigerversammlung treffe. Stehe der Beschluss der Gläubigerversammlung fest, könne das Beschwerdegericht die Entscheidung des Insolvenzgerichts nicht mehr überprüfen. Das Gesetz sehe eine solche Beschwerde überdies nicht vor. Der Beschluss des Insolvenzgerichts sei nicht greifbar gesetzeswidrig gewesen.

2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung stand.

a) Die Anordnung der Eigenverwaltung oder deren Ablehnung kann nicht mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht (§ 6 InsO). Die Eigenverwaltung kann in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnet werden (§ 270 Abs. 1 InsO). Eine Anfechtung der Anordnung oder deren Ablehnung ist nicht vorgesehen. Die Verweisung auf "die allgemeinen Vorschriften" in § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO bezieht sich auf den Gang des Insolvenzverfahrens, nicht auf die Anfechtung der Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung.

b) Die Anordnung der Eigenverwaltung oder deren Ablehnung kann auch nicht im Wege der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss (§ 34 Abs. 2 InsO) angefochten werden.

aa) Gemäß § 34 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zur Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses berechtigt. Im Rahmen der Entscheidung über die sofortige Beschwerde könnte das Beschwerdegericht prüfen, ob die Voraussetzungen des § 270 Abs. 2 InsO vorlagen, die Eigenverwaltung also hätte angeordnet werden müssen (so z.B. MünchKomm-InsO/Schmahl, § 34 Rn. 80; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 34 Rn. 22; Uhlenbruck, ZInsO 2003, S. 821 f; FK-InsO/Foltis, 4. Aufl. § 270 Rn. 19; Jaeger/Schilken, InsO § 34 Rn. 22; Bärenz, EWiR 2003, S. 483 f).

bb) Die sofortige Beschwerde nach § 34 Abs. 2 InsO ist jedoch gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtet. Die - unanfechtbare - Entscheidung über die Anordnung der Eigenverwaltung erfolgt zwar gleichzeitig mit der Entscheidung über die Eröffnung. Fasst das Insolvenzgericht mehrere Maßnahmen in einem einheitlichen Beschluss zusammen, die teils anfechtbar, teils unanfechtbar sind, ändert sich an den Rechtsschutzmöglichkeiten jedoch nichts (AG Köln ZIP 2005, 1975; Prütting, NZI 2000, S. 145, 147; gegen eine Anfechtung der Entscheidung über die Eigenverwaltung z.B. auch HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 34 Rn. 13; HK-InsO/Landfermann, aaO § 270 Rn. 18; MünchKomm-InsO/Wittig, § 270 Rn. 118; Braun/Kind, InsO 2. Aufl. § 34 Rn. 12; FK-InsO/Schmerbach, 4. Aufl. § 6 Rn. 10k; Nerlich/Römermann/-Riggert, InsO § 270 Rn. 29; HambK-InsO/Schröder, § 34 Rn. 9; Häsemeyer, Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 8.09 mit Fn. 36; Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch 3. Aufl. § 87 Rn. 36; Vallender WM 1998, 2129, 2133; LG Mönchengladbach ZIP 2003, 728, 729).

cc) Gegen diese Lösung wird zu Unrecht eingewandt, die Eigenverwaltung stelle eine eigene Verfahrensart dar, so dass nicht zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einerseits, der Entscheidung über die Eigenverwaltung andererseits unterschieden werden dürfe (Jaeger/Schilken, aaO). Der die Eigenverwaltung beantragende Schuldner sei nur unter der Voraussetzung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einverstanden, dass er seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht an einen Insolvenzverwalter verliere; geschehe dies doch, müsse er sich dagegen zur Wehr setzen können (Uhlenbruck ZInsO 2003, 821, 822).

(1) Mit der Einführung der Eigenverwaltung wollte der Gesetzgeber einen Anreiz dafür schaffen, dass der Schuldner den Insolvenzantrag möglichst frühzeitig stellt. Der Schuldner soll damit rechnen können, nicht völlig aus der Geschäftsführung verdrängt zu werden (BT-Drucks. 12/2443, S. 223). Die Zulassung der sofortigen Beschwerde würde diesem Anliegen gerecht. Gleichwohl dient das Insolvenzverfahren - abgesehen von der Frage der Restschuldbefreiung - nicht den Interessen des Schuldners, sondern der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger durch Verwertung des Vermögens des Schuldners (§ 1 Satz 1 InsO). Folgerichtig enthalten die Vorschriften über die Eigenverwaltung einen deutlichen Vorrang der Gläubigerautonomie vor den Einflussmöglichkeiten des Schuldners oder des Insolvenzgerichts (BT-Drucks. 12/2443, S. 100). Gegen den Willen des Schuldners findet eine Eigenverwaltung zwar nicht statt. Die Eigenverwaltung wird nur auf Antrag des Schuldners angeordnet (§ 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO); auf Antrag des Schuldners wird die Eigenverwaltung aufgehoben, ohne dass eine Prüfung der sonstigen Anordnungsvoraussetzungen zu erfolgen hätte (§ 272 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Umgekehrt kann der Schuldner die Anordnung der Eigenverwaltung gegen den Willen der Gläubiger jedoch nicht erzwingen. Die Anordnung setzt die - nicht durch das Gericht ersetzbare - Zustimmung des antragstellenden Gläubigers voraus (§ 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Beantragt die Gläubigerversammlung die Aufhebung der Anordnung, hat das Insolvenzgericht diesem Antrag ohne Sachprüfung zu entsprechen (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO), und Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts stehen dem Schuldner nicht zu.

(2) Die Eigenverwaltung ist deshalb auch keine eigene Form des Insolvenzverfahrens, die bei Vorliegen der Voraussetzung des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO zwingend angeordnet werden müsste. Ist entweder der Schuldner oder aber die Gläubigerversammlung nicht einverstanden, findet zwar das Insolvenzverfahren, nicht aber die Eigenverwaltung statt. In diesem Punkt unterscheidet sich die Anordnung der Eigenverwaltung auch von der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Regel- oder als Verbraucherinsolvenzverfahren. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 304 InsO sind vom Insolvenzgericht zu prüfen. Sind sie erfüllt, ist das Verfahren als Verbraucherinsolvenzverfahren zu eröffnen, anderenfalls als Regelinsolvenzverfahren. Es bleibt bei der einmal festgestellten Verfahrensart. Ob die Eigenverwaltung angeordnet wird, hängt demgegenüber zunächst vom Vorliegen eines Antrags des Schuldners, gegebenenfalls auch von der Zustimmung des antragstellenden Gläubigers ab. Sie muss auf Antrag der ersten Gläubigerversammlung nachträglich angeordnet oder auf Antrag des Schuldners oder der Gläubigerversammlung nachträglich aufgehoben werden, ohne dass der jeweilige Antrag auch nur zu begründen wäre.

dd) Auch der Regelungszusammenhang aller die Eigenverwaltung betreffenden Vorschriften zeigt, dass der Gesetzgeber die allgemeine Beschwerdefähigkeit von Entscheidungen, welche die Anordnung oder die Ablehnung der Eigenverwaltung betreffen, bewusst ausgeschlossen hat.

(1) Eine Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht sieht die Insolvenzordnung überhaupt nur in zwei Fällen vor: bei der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens mit oder ohne Anordnung der Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 2 InsO) sowie dann, wenn ein einzelner Gläubiger nachträglich geltend macht, es sei den Umständen nach nicht mehr zu erwarten, dass die Anordnung nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führen werde (§ 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Nur im letztgenannten Fall eröffnet die Insolvenzordnung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 272 Abs. 2 Satz 3 InsO). Die sofortige Beschwerde findet also statt, wenn ein einzelner Gläubiger die Aufhebung der Eigenverwaltung erreichen will oder schon bewirkt hat.

(2) Die endgültige Entscheidung darüber, ob dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausnahmsweise belassen werden soll, hat der Gesetzgeber jedoch nicht dem Insolvenzgericht, sondern der Gläubigerversammlung übertragen. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs entscheidet das Insolvenzgericht nur "vorläufig" über den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung (BT-Drucks. 12/2443, S. 223). Lehnt es die Anordnung der Eigenverwaltung ab, kann die erste Gläubigerversammlung die Eigenverwaltung mit für das Insolvenzgericht bindender Wirkung beantragen (§ 271 InsO). Damit wird den Interessen des Schuldners hinreichend Rechnung getragen (vgl. HK-InsO/Kirchhof, aaO § 34 Rn. 13). Die Aufhebung einer vom Insolvenzgericht angeordneten Eigenverwaltung kann die Gläubigerversammlung jederzeit bewirken (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

(3) Für eine sofortige Beschwerde des Schuldners ist daneben kein Raum. Es mag zwar sein, dass die Entscheidung der ersten Gläubigerversammlung für eine Sanierung des Schuldnerunternehmens regelmäßig schon zu spät kommt (FK-InsO/Foltis, aaO § 270 Rn. 19; Uhlenbruck ZInsO 2003, 821 f). Das gilt jedoch erst recht für ein Rechtsmittelverfahren. Die erste Gläubigerversammlung soll nicht später als sechs Wochen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und darf nicht später als drei Monate nach diesem Zeitpunkt stattfinden (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Innerhalb von sechs Wochen nach der Eröffnung ist unter Berücksichtigung des Abhilfeverfahrens (§ 572 Abs. 1 ZPO), des rechtlichen Gehörs der Verfahrensbeteiligten (Art. 103 Abs. 1 GG) und des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 5 InsO) schwerlich eine Entscheidung des Beschwerdegerichts zu erreichen, keinesfalls aber eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Auch die Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte stünden überdies einem Aufhebungsantrag der Gläubigerversammlung (oder des Schuldners selbst) nicht entgegen.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 559 Nr. 8
WM 2007 S. 511 Nr. 11
ZIP 2007 S. 448 Nr. 9
MAAAC-38353

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja