Leitsatz
Der Gegenstandswert nach § 30 RVG beträgt für die Klage auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG seit dem 3 000 €.
Gesetze: RVG § 30; RVG § 33; RVG § 60 Abs. 1; AsylVfG 1992 § 83b Abs. 2
Gründe
I
Der der Klägerin im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt hat mit Schriftsatz vom beantragt, den Gegenstandswert für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auf 3 000 € festzusetzen. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, bei der Abrechnung der Prozesskostenhilfevergütung nach Beendigung des Revisionsverfahrens sei von einem Gegenstandswert von 1 500 € ausgegangen worden (Festsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom ). Dies habe der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG 9 B 15.94 - Buchholz 402.25 § 83b AsylVfG Nr. 1) entsprochen. Nach der neuen Entscheidung des BVerwG 1 C 15.05 - sei jedoch bei Verfahren, in denen es um die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und die Feststellung von Abschiebungshindernissen gehe, von einem Gegenstandswert von 3 000 € auszugehen. Dieser Entscheidung habe zwar der Fall eines Widerrufs einer Flüchtlingsanerkennung zugrunde gelegen, für das Verfahren betreffend die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG und/oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen könne aber nichts anderes gelten. Vielmehr müsse sich bei allen Klageverfahren, die entweder die Asylanerkennung oder die Flüchtlingsanerkennung oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen beträfen, der Gegenstandswert nach § 30 RVG bzw. nach dem wortgleichen § 83b Abs. 2 AsylVfG a.F. auf 3 000 € belaufen. Zum Zwecke der Nachfestsetzung der Prozesskostenhilfevergütung bitte er um entsprechende Festsetzung des Gegenstandswertes.
II
1. Über den Antrag hat der Senat in der Besetzung mit drei Richtern durch Beschluss zu entscheiden. Dabei kann offenbleiben, ob sich dies bereits daraus ergibt, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den unbedingten Auftrag zur Vertretung im Revisionsverfahren ersichtlich bereits vor dem erhalten hat (vgl. die Revisionserwiderung vom , Gerichtsakte Bl. 224) und die Übergangsvorschrift in § 61 Abs. 1 RVG für diesen Fall noch die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) in der bisher geltenden Fassung weiter für anwendbar erklärt. Sollte diese Übergangsvorschrift auch für verfahrensrechtliche Regelungen gelten, wäre der Senat ohnehin - wie früher - nach § 10 Abs. 3 VwGO als Kollegialorgan zur Entscheidung berufen (vgl. Beschluss des Senats vom - BVerwG 1 KSt 1.05 - Buchholz 363 § 56 RVG Nr. 1 m.w.N.). Auch wenn hier bereits das neue Verfahrensrecht des am in Kraft getretenen Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes gelten sollte, wäre der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zuständig, nachdem die in diesem Fall nach § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG originär zuständige Einzelrichterin die Sache nach Anhörung der Beteiligten vorsorglich gemäß § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG dem Senat übertragen hat (vgl. auch hierzu Beschluss des Senats vom a.a.O.).
2. Der Gegenstandswert für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beträgt im Falle der Klägerin 1 500 €. Dem weitergehenden Antrag des Rechtsanwalts der Klägerin war daher nicht zu entsprechen.
a) Allerdings hält der Senat an der Rechtsprechung des früher für das Asylrecht zuständigen 9. Senats (Beschluss vom a.a.O.) zur Auslegung des § 83b Abs. 2 AsylVfG a.F., der seit durch den wortgleichen § 30 RVG ersetzt worden ist, nicht mehr fest. Danach war nur bei Klageverfahren, die die Asylanerkennung nach Art. 16a GG betrafen oder einschlossen, der höhere Gegenstandswert von 3 000 € maßgeblich. Dagegen war bei allen anderen Klagen, die lediglich asylrechtlichen und/oder ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1, § 53 AuslG betrafen, der Gegenstandswert für sonstige Klageverfahren in Höhe von 1 500 € anzusetzen (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des Gegenstandswerts nach § 30 RVG: <Nichtannahme> - 1 BvR 1386/05 - mit ablehnender Anmerkung von Ton, AGS 2006, 141). Diese Auslegung beruhte maßgeblich auf dem besonderen Schutz und Status, den Art. 16a GG als Grundrecht in weitergehender Weise als das damals sog. "kleine Asyl" nach § 51 Abs. 1 AuslG vermittelt. Sie ist angesichts der seither ständig wachsenden Bedeutung und namentlich angesichts der gesetzlichen Ausweitung des Schutzumfangs sowie der weitgehenden Angleichung des Status der als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention (GFK) Anerkannten, bei denen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, durch das am in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz nicht mehr gerechtfertigt. So hat der anerkannte Flüchtling nunmehr nach § 25 Abs. 2 AufenthG die gleiche aufenthaltsrechtliche Stellung wie der Asylberechtigte nach § 25 Abs. 1 AufenthG (vgl. für die Niederlassungserlaubnis auch § 26 Abs. 3 AufenthG, für den Widerruf des Aufenthaltstitels § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG sowie für die Ausweisung § 56 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 AufenthG). Auch die Rechtsstellung der Familienangehörigen unterscheidet sich aufenthaltsrechtlich nicht mehr (§ 29 Abs. 2 AufenthG). Außerdem hat der Gesetzgeber - entsprechend dem Familienasyl - einen Anspruch auf Familienabschiebungsschutz nach § 26 Abs. 4 AsylVfG eingeführt. Mit der Angleichung ist die aufenthaltsrechtliche Stellung des anerkannten Asylberechtigten sogar insoweit "verschlechtert" worden, als er nach § 26 Abs. 1 AufenthG nur noch eine für längstens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis - und nicht mehr wie bisher eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§ 68 Abs. 1 AsylVfG a.F.) - erhält. Der Senat hat ferner berücksichtigt, dass die Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union vom (ABl EG Nr. L 304 S. 12 vom <Qualifikationsrichtlinie>) künftig einen vorrangigen asylrechtlichen Schutz in Anknüpfung an den Flüchtlingsbegriff im Sinne von Art. 1 GFK vorsieht.
Nach der Auffassung des Senats ist § 30 RVG daher für die Zeit seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes dahin gehend auszulegen, dass Klageverfahren, die die Asylanerkennung und/oder die Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG betreffen (ggf. einschließlich weiterer nachrangiger Schutzbegehren), mit einem Wert von 3 000 € zu veranschlagen sind. Das gilt - wie bisher - auch dann, wenn zusätzlich Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG nicht geltend gemacht werden. Danach ist auch für Klageverfahren, die nicht die Asylanerkennung, sondern nur die Anerkennung als Konventionsflüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG (ggf. einschließlich weiterer nachrangiger Schutzbegehren) zum Gegenstand haben, ebenso wie für entsprechende Streitverfahren um den Widerruf oder die Rücknahme dieses Status nach § 73 Abs. 1 und 2 AsylVfG (vgl. das vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführte BVerwG 1 C 15.05 - insoweit nicht abgedruckt in AuAS 2006, 246, auch nicht in juris) nunmehr ein Gegenstandswert von 3 000 € anzusetzen.
b) Diese neue Auslegung des § 30 RVG gilt allerdings erst für die Rechtslage ab und deshalb nicht für solche Verfahren, in denen die Rechtsanwaltsvergütung nach dem bisherigen, vor dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am geltenden niedrigeren Gegenstandswert zu berechnen ist (vgl. den Rechtsgedanken der Übergangsvorschriften in § 60 Abs. 1 RVG, § 134 Abs. 1 BRAGO). Danach ist hier entgegen der Ansicht der Beschwerde für das Revisionsverfahren von einem Gegenstandswert von 1 500 € auszugehen, da der unbedingte Auftrag zur Vertretung in dem seit Januar 2004 anhängigen, von der Gegenseite betriebenen Revisionsverfahren dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes erteilt worden ist (vgl. zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des unbedingten Auftrags zur Vertretung in dem Verfahren über ein von der Gegenseite eingelegtes Rechtsmittel nach der entsprechenden Vorschrift des § 61 Abs. 1 RVG im Einzelnen den bereits zitierten BVerwG 1 KSt 1.05 - Buchholz 363 § 56 RVG Nr. 1).
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 10 Abs. 2 Satz 4 BRAGO; § 33 Abs. 9 RVG).
Fundstelle(n):
OAAAC-38335