Vorliegen einer Überraschungsentscheidung; Verstoß gegen die Denkgesetze; Schlüssige Darlegung einer Abweichungsrüge
Gesetze: FGO § 76; FGO § 96; FGO § 115
Instanzenzug:
Gründe
Beschwerdeführer sind die Kläger zu 2. bis 4. des Ausgangsverfahrens (Kläger). Die Klägerin zu 1., die GmbH & Co. KG (KG), um deren Gewinnerzielungsabsicht gestritten wird, hat keine Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde ist —bei erheblichen Bedenken gegen ihre Zulässigkeit— jedenfalls unbegründet.
1. Fehlendes rechtliches Gehör durch Überraschungsurteil (Verfahrensmangel nach §§ 96 Abs. 2, 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—)
Die Kläger wollen einen derartigen Verfahrensmangel darin sehen, dass das Finanzgericht (FG) die Äußerung in einer Studie des Klägers zu 4. als Mitinitiator, der zufolge „die Kalkulation vorrangig unter dem steuerlichen Gesichtspunkt der Einkünfteerzielung vorgenommen wurde”, in seine Gesamtwertung mit einbezogen hat. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt eine Überraschungsentscheidung nur dann vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen braucht (vgl. z.B. , BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732 zu I.1.; aus neuerer Zeit: , BFH/NV 2006, 1125; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 16, Stichwort „Überraschungsentscheidung"; Seer in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz 114, jeweils m.w.N.).
Im Streitfall haben die Kläger im Klageverfahren selbst eine Studie der X-Wirtschaftprüfungsgesellschaft und eine Wertschätzung des Architekten Y für die Z-Bank vorgelegt, die ihrerseits auf die in der Studie des Klägers zu 4. veranschlagten Einnahmen zurückgreifen. Es liegt daher nahe, dass das FG die in den Akten befindliche Einschätzung dieser Zahlen durch den Kläger zu 4. in seine Erwägungen einbezogen hat. Dies gilt umso mehr, als bereits der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) in Tz. 29 des Betriebsprüfungsberichts den Ermittlungen der Erträge und Ausgaben durch den Kläger zu 4. aus denselben Gründen wie das FG nur eine „sehr eingeschränkte Aussagekraft” zugemessen hat.
Sofern die Kläger in diesem Zusammenhang auch einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des FG (§ 76 FGO) rügen, fehlt es an der Darlegung, warum sich —mangels eines Beweisantrags— dem FG eine Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 70, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Die Vernehmung des Klägers zu 4. (als Partei) und des Prozessbevollmächtigten (als Zeugen) musste sich dem FG jedenfalls nicht aufdrängen. Das Ergebnis, zu dem diese Vernehmung der Beschwerdebegründung zufolge (Bl. 3, 1. Absatz) geführt hätte, lässt nicht erkennen, inwieweit sie für die Urteilsfindung des FG von Bedeutung hätte sein können.
Auch die Rüge, die Zeugenvernehmung des Architekten Y, des Verfassers der Wertschätzung für die Z-Bank, hätte sich dem FG aufdrängen müssen, ist nicht in zulässiger Weise erhoben. Es fehlt u.a. an der Darlegung, welche entscheidungserheblichen —vom FG nicht erkannten— Tatsachen sich infolge einer Vernehmung des Zeugen ergeben hätten (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 70).
Es ist zudem —entgegen der Beschwerdebegründung— keineswegs zwingend, dass die Bank „Geld verschenkt” hätte, wenn die KG keine Gewinne erzielte. Zum einen wurden die Darlehen der Klagebegründung vom (S. 4) zufolge nicht der KG, sondern der Golfplatz A GbR (GbR) bzw. deren Gesellschaftern gewährt. Zum anderen konnten die im Zusammenhang mit der Errichtung des Golfplatzes gewährten Darlehen auch dann bedient werden, wenn zwar keine Gewinne, aber auch keine Verluste erzielt wurden oder wenn die Gesellschafter der GbR —oder andere Personen— möglicherweise auch aus Gründen der privaten Lebensführung für die Verluste einstanden.
2. Verstoß gegen Denkgesetze
Auch diese Rüge kann keinen Erfolg haben.
Als Beschwerdegericht ist der BFH an die Sachverhaltswürdigung seitens des FG gebunden. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze kann nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich ist (vgl. z.B. , BFH/NV 2004, 1112). Davon kann im Streitfall keine Rede sein. Die Kläger meinen, aus einem „späteren tatsächlichen Modellfehlschlag” dürfe nicht auf „strukturelle Verluste des Modells im jeweiligen Veranlassungszeitpunkt” geschlossen werden. Bei der Entscheidung für die Investition zugunsten der Golfanlage habe es keine abgelaufenen Verprobungszeiträume gegeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH wird indes auch ein neu gegründeter Betrieb nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben, wenn er so, wie der Steuerpflichtige ihn führt, von vornherein nicht in der Lage ist, nachhaltige Gewinne zu erzielen. Er stellt dann nach objektiver Beurteilung keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts dar (vgl. nur den vom FG zitierten Senatsbeschluss vom IV B 74/96, BFH/NV 1997, 668). Wenn das FG zu der Würdigung gelangt ist, dass es sich im Streitfall so verhalten hat, weil allenfalls Kostenersatz zu erwarten gewesen sei, liegt hierin jedenfalls kein Verstoß gegen die Denkgesetze, geschweige denn eine objektive Willkür.
3. „Kurzer Prozess”
Entgegen der in der Beschwerdebegründung geäußerten Auffassung besteht kein Anspruch auf Durchführung mehrerer mündlicher Verhandlungen. Das ergibt sich aus der Regelung in § 79 Abs. 1 Satz 1 FGO, der zufolge der Vorsitzende oder der Berichterstatter schon vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen hat, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer einzigen mündlichen Verhandlung zu erledigen.
Im Streitfall hat am von 10.30 Uhr bis 12.00 Uhr ein Erörterungstermin stattgefunden. Die mündliche Verhandlung am hat der Ladung zufolge —nach einer Terminsverlegung— um 12.30 Uhr begonnen und ausweislich des Protokolls —bei einer zehnminütigen Pause— um 15.30 Uhr geendet. Es kann demnach keine Rede davon sein, dass sich das FG für den Streitfall nicht genügend Zeit genommen hätte. Jedenfalls hat der Klägervertreter nicht vorgetragen, warum er gehindert gewesen sein soll, alles Erforderliche vorzutragen, Beweisanträge zu stellen und ggf. die Nichterhebung von Beweisen in der mündlichen Verhandlung zu rügen (vgl. hierzu Gräber/ Ruban, a.a.O., § 120 Rz 69, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Insbesondere bleibt unklar, warum dies in einer oder mehreren weiteren mündlichen Verhandlungen hätte geschehen können, nicht jedoch in der stattgefundenen am .
Mit der pauschalen Behauptung eines Beteiligten, das Gericht habe seine Schriftsätze nicht gelesen, wird kein Verfahrensmangel in zulässiger Weise gerügt. Es muss vielmehr angegeben werden, welches konkrete —entscheidungserhebliche— Vorbringen nicht berücksichtigt worden sein soll. Daran fehlt es in der Beschwerdebegründung. Soweit gerügt wird, das FG habe sich nicht mit den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten zur Betriebsaufspaltung auseinandergesetzt, kam diesem Vorbringen keine Bedeutung zu (s. nachfolgend unter 4. und 5.).
4. Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin zu 1. (KG) und dem B e.V.
a) Ungeachtet der Frage, ob überhaupt eine Betriebsaufspaltung zwischen dem B e.V. und der Klägerin zu 1. bestanden hat, insbesondere ob die Voraussetzungen der personellen Verflechtung erfüllt waren (vgl. hierzu die Klageerwiderung des FA vom zu III.7.), ist nicht hinlänglich dargetan, welche Auswirkung die behauptete Betriebsaufspaltung auf die Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin zu 1. gehabt hätte. Die in der Beschwerdebegründung vertretene Auffassung, dass die Gewinnerzielungsabsicht der Betriebsgesellschaft auf die Besitzgesellschaft durchschlage, ist unzutreffend. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen (vgl. z.B. , BFHE 165, 369, BStBl II 1992, 246, und aus neuerer Zeit vom I R 119/04, BFH/NV 2006, 606 zu II.3.). Der Besitzgesellschaft kann die Gewinnerzielungsabsicht fehlen, wenn sie der mit Gewinnerzielungsabsicht tätigen Betriebsgesellschaft die wesentlichen Betriebsgrundlagen zu einem nicht kostendeckenden Entgelt überlässt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn infolge des unangemessen niedrigen Nutzungsentgelts höhere Gewinnausschüttungen zu erwarten sind, die die Ausgaben der Besitzgesellschaft übersteigen (, BFHE 164, 385, BStBl II 1991, 713, und vom IV R 67/96, BFHE 184, 512, BStBl II 1998, 254 zu 2.f). Da mit der Mitgliedschaft in einem Verein ein Wertrecht am Vereinsvermögen regelmäßig nicht verbunden ist (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 24 IV 2.c.) hätte es der Darlegung bedurft, inwieweit die Klägerin zu 1. Leistungen aus dem Vereinsvermögen erwarten konnte, die zu einem Gesamtgewinn geführt hätten.
b) Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Divergenz gegenüber den BFH-Urteilen vom XI R 72/97 (BFHE 187, 36, BStBl II 1999, 281), vom VIII R 46/95 (BFHE 187, 425, BStBl II 1999, 357) und vom IV R 21/98 (BFHE 189, 117, BStBl II 1999, 715) ist nicht in zulässiger Weise dargetan. Sie ist auch offenkundig nicht gegeben.
Zur schlüssigen Darlegung einer Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 1484; aus neuer Zeit , juris). Bereits hieran fehlt es im Streitfall. Die auf Bl. 7 der Beschwerdebegründung zur Begründung der Divergenz gegenübergestellten Rechtssätze sind nicht abstrakt, sondern fallbezogen. Sie stammen auch nicht aus den jeweiligen Entscheidungen des FG und des BFH. Vielmehr heißt es in der Beschwerdebegründung selbst, dass sie aus diesen Entscheidungen formuliert werden „könnten” – und zwar aufgrund der (wie sich zeigen wird) unzutreffenden Interpretation der BFH-Entscheidungen durch die Beschwerdebegründung.
Die angeblichen Divergenzurteile in BFHE 187, 425, BStBl II 1999, 357 und in BFHE 189, 117, BStBl II 1999, 715 befassen sich mit der Frage, unter welchen Umständen Wirtschaftgüter, die der Betriebsgesellschaft von Gesellschaftern der Besitzgesellschaft (also nicht von der Besitzgesellschaft selbst) überlassen werden, zum Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter bei der Besitzgesellschaft gehören. Da im Streitfall der Golfplatz zum Gesamthandsvermögen der KG gehörte, ist nicht ersichtlich, inwieweit diese Frage eine Rolle spielen könnte.
Das BFH-Urteil in BFHE 187, 36, BStBl II 1999, 281 stellt klar, dass Wirtschaftsgüter, die das Besitzunternehmen der Betriebsgesellschaft zur Nutzung überlässt, auch dann Betriebsvermögen des Besitzunternehmens sein können, wenn sie keine wesentlichen Betriebsgrundlagen sind, die sachliche Verflechtung jedoch aufgrund anderer Nutzungsüberlassungen bereits gegeben ist. Auch insoweit ist im Streitfall nicht erkennbar, inwieweit das FG von dieser Auffassung abgewichen sein sollte.
5. Rüge des Fehlens einer Auseinandersetzung mit der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung
a) Die Kläger zu 2. bis 4. sind der Auffassung, zwischen der Klägerin zu 1. und der GbR habe eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung bestanden. Dabei soll der Beschwerdebegründung zufolge die GbR offenbar Betriebsgesellschaft und die Klägerin zu 1. Besitzgesellschaft sein (Bl. 8 unter 1.2 und 2.2). Es ist jedoch bereits nicht zu erkennen, worin die sachliche Verflechtung bestanden haben soll (vgl. hierzu Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl., § 15 Rz 808), insbesondere welche wesentlichen Betriebsgrundlagen die KG der GbR überlassen haben könnte (oder umgekehrt). Abgesehen davon wurde bereits darauf hingewiesen, dass die —unterstellte— Gewinnerzielungsabsicht der Betriebsgesellschaft nicht auf die Besitzgesellschaft durchschlägt (vorstehend unter 4.a).
b) Die angebliche Divergenz gegenüber den BFH-Urteilen vom VIII R 13/95 (BFHE 181, 1, BStBl II 1998, 325) und vom VIII R 61/97 (BFHE 187, 297, BStBl II 1999, 483) ist nicht in zulässiger Weise dargetan (s. vorstehend zu 4.b). Eine Divergenz ist auch offensichtlich nicht gegeben, da die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung nicht erkennbar sind.
Soweit in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, die Kläger zu 2. bis 4. hätten Sonderbetriebsvermögen II bei der Klägerin zu 1., ist nicht erkennbar, welche Wirtschaftsgüter damit gemeint sein sollen. Sofern die Kläger die Auffassung vertreten sollten, es handle sich dabei um die Anteile an der GbR, ist darauf hinzuweisen, dass nach gegenwärtiger Rechtsauffassung der Anteil an einer Personengesellschaft kein eigenständiges Wirtschaftsgut darstellt, das zum Sonderbetriebsvermögen bei einer anderen Personengesellschaft gehören könnte (, BFHE 145, 359, BStBl II 1986, 333; vom VIII R 69/86, BFHE 166, 476, BStBl II 1992, 385 zu B.II.1.; vom IV R 33/01, BFHE 201, 36, BStBl II 2003, 272). Die Beschwerdebegründung enthält keine Ausführungen dazu, warum diese Rechtsprechung in Zweifel zu ziehen sein sollte.
6. Divergenz zum (BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063)
Die Divergenz ist nicht in zulässiger Weise dargetan (s. vorstehend zu 4.b) und liegt offenkundig auch nicht vor. Die Beschwerdebegründung übersieht, dass die Unterscheidung zwischen Buchverlusten und „echten” Verlusten nur dann eine Rolle spielt, wenn als Beweisanzeichen für das Vorliegen steuerrechtlich unbeachtlicher Motive die Absicht der Steuerersparnis herangezogen wird. Ein solches Beweisanzeichen kann aber nicht nur im Bestreben nach Steuerersparnis, sondern auch im Bestehen der ernsthaften Möglichkeit, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden Gründen oder Neigungen ausübt, gesehen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 1999, 1204, sowie das angebliche Divergenzurteil in BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063 unter II.3.c. cc).
7. Versagung des rechtlichen Gehörs durch Nichtladung des Zeugen H
Auch diese Verfahrensrüge ist nicht begründet. Das FG, von dessen materiell-rechtlicher Auffassung bei der Prüfung eines Verfahrensverstoßes auszugehen ist, brauchte den von den Klägern angebotenen Zeugen H nicht zu vernehmen, weil es die in der mündlichen Verhandlung vor dem FG unter Beweis gestellte Tatsache zu ihren Gunsten als wahr unterstellt (FG-Urteil, S. 13), aber für die Entscheidung als unerheblich angesehen hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom II B 122/99, BFH/NV 2001, 208; vom IX B 132/03, BFH/NV 2005, 371; vom V B 175/05, BFH/NV 2006, 2089).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
PAAAC-38206