Leitsatz
[1] 1. Eine Einigung zwischen Tarifvertragsparteien kann ein zivilrechtlicher Vorvertrag sein, der bei hinreichender Bestimmtheit zum Abschluss eines Tarifvertrages verpflichtet.
2. Ein schützenswertes Vertrauen in eine bestehende Rechtslage setzt deren Kenntnis voraus; ein Tarifvertrag kann deshalb im Einzelfall rückwirkend in bereits entstandene Ansprüche eingreifen, wenn zum Zeitpunkt des (objektiven) Entstehens des Anspruchs kein Tarifunterworfener (subjektiv) von der Anspruchsentstehung ausgegangen ist und unverzüglich nach "Entdecken" der objektiven Rechtslage deren Grundlage für alle Tarifunterworfenen erkennbar in Zweifel gezogen und die maßgeblichen Schritte zu einer rückwirkenden Änderung dieser Rechtslage eingeleitet worden sind.
Gesetze: BGB § 133; BGB § 157; BGB § 126; BGB § 242; TVG § 1; TVG § 4; BMT-AW II § 46; BMT-AW II § 47; BMT-AW O § 46; BMT-AW O § 47; ÜbgTV-BUND-West bzw. -Ost vom § 2
Instanzenzug: ArbG Berlin 36 Ca 8872/04 vom LAG Berlin 9 Sa 110/05 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, einem bestimmten Tarifabschluss zuzustimmen, hilfsweise über Schadensersatzansprüche, die sich aus der Nichterfüllung einer solchen Verpflichtung ergeben.
Die Parteien sind tariffähige Organisationen auf Arbeitgeber- und auf Arbeitnehmerseite. Im Jahr 1977 vereinbarten der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (im Folgenden: BMT-AW II) und zahlreiche weitere Tarifverträge, die inhaltlich in zahlreichen Bestimmungen den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes entsprechen. §§ 46, 47 BMT-AW II haben die Zahlung einer jährlichen Zuwendung an die Arbeitnehmer zum Gegenstand. § 46 BMT-AW II regelt die Voraussetzungen für den Zahlungsanspruch. § 47 BMT-AW II bestimmt Einzelheiten zur Bemessungsgrundlage der Zuwendung. Danach ist im Regelfall die dem Arbeitnehmer für den Monat September des jeweiligen Kalenderjahres zustehende Vergütung nach Maßgabe näherer Vorschriften die Ausgangsgröße. Die eigentliche Höhe der Zuwendung wird in einem Zusatztarifvertrag bestimmt (§ 47 Abs. 1 BMT-AW II). Die entsprechende Regelung im Zusatztarifvertrag (§ 1 Nr. 5 zu § 47 BMT-AW II) lautet seit dem Inkrafttreten des BMT-AW II:
"Die Zuwendung beträgt - unbeschadet des § 47 Absätze 2 und 3 - 100 v.H. der Bemessungsgrundlage."
Bis einschließlich 1993 wurde den Beschäftigten der AWO jeweils ein volles Bruttomonatsgehalt als Zuwendung gewährt. Die tariflichen Erhöhungen der Entgelte wirkten sich dadurch auch unmittelbar auf die Höhe der Zuwendungsbeträge aus. Als im Jahre 1994 für den öffentlichen Dienst vereinbart wurde, die Zuwendung nicht an den erneuten Erhöhungen der laufenden Vergütungen teilhaben zu lassen, sondern unter Zugrundelegung der im Jahre 1993 geltenden Beträge, jedoch unter Beachtung der persönlichen Verhältnisse im Bemessungsmonat, zu berechnen, wurde dort folgende Regelungstechnik gewählt: Der Grundsatz, die Zuwendung betrage ein volles Bruttomonatsgehalt in Höhe der jeweiligen September-Vergütung wurde im Zuwendungstarifvertrag aufrechterhalten. In einer dazu vereinbarten Protokollnotiz wurde jedoch eine Absenkung beziffert, die die Höhe der konkreten Zuwendung als einen bestimmten Prozentsatz der Bemessungsgrundlage bezifferte. Die jeweilige Prozentzahl orientierte sich an den vorangegangenen Vergütungssteigerungen und wurde so berechnet, dass die im Jahre 1993 geltenden Beträge bei gleichbleibenden persönlichen Verhältnissen (zB Eingruppierung, Familienstand) zur Auszahlung kommen sollten.
Der Inhalt und die Regelungstechnik dieser Zuwendungsbestimmung im öffentlichen Dienst wurde auch von den Parteien des Rechtsstreits übernommen. So wurde am in einem Änderungstarifvertrag eine Protokollnotiz zu § 1 Nr. 5 des Zusatztarifvertrages zu § 47 BMT-AW II vereinbart, die folgenden Wortlaut hatte:
"Wegen der am vereinbarten Festschreibung der Zuwendung beträgt abweichend von Nr. 5 der Bemessungssatz für die Zuwendung 98,04 vom Hundert.
Der vorstehende Bemessungssatz ändert sich jeweils von dem Zeitpunkt an, von dem an vor dem die Vergütungen und Löhne der Arbeitnehmer allgemein erhöht werden, nach den Grundsätzen, die seiner Bemessung zugrunde liegen."
Bis zur letzten Änderung der Protokollnotiz durch den Tarifvertrag vom wurde dabei dem Datum "" folgende Daten angefügt:
"und am ", "sowie am ", "" und "und ".
Ferner wurde der Bemessungssatz durch die Änderungstarifverträge in der Protokollnotiz wie folgt abgesenkt: 98,04 %, 95,00 %, 93,78 %, 92,39 %, 89,62 % und 85,80 %.
Entsprechendes galt für den Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifvertragliche Vorschriften - vom (im Folgenden: BMT-AW O), der für die neuen Bundesländer vereinbart wurde. Der Bemessungssatz war hier bereits in dem ersten Zusatztarifvertrag auf 75 % festgesetzt worden. Er verringerte sich auf Grund der nachfolgenden Änderungstarifverträge im Folgenden auf 73,53 % (1994), 71,25 % (1995), 70,34 % (1996), 69,30 % (1998) und 67,21 % (1999). Im Jahr 2001 erfolgte keine Anpassung, da in dem Tarifgebiet Ost - anders als im Westen -keine Vergütungserhöhung erfolgte und deshalb eine Anpassungsregelung zur Aufrechterhaltung der Bezugsgröße aus dem Jahre 1993 nicht erforderlich war.
Die Protokollnotiz zu § 1 Nr. 5 des Zusatztarifvertrages zu § 47 BMT-AW II in der Fassung vom hat schließlich folgenden Wortlaut:
"Wegen der am , , , und vereinbarten Festschreibung der Zuwendung beträgt abweichend von Nr. 5 der Bemessungssatz für die Zuwendung
a) im Jahre 2000 89,62 vom Hundert,
b) im Jahre 2001 85,80 vom Hundert.
Satz 2 der Protokollnotiz wird ersatzlos gestrichen."
Für das Jahr 2002 trafen die Parteien hinsichtlich der Höhe der Zuwendung keine Vereinbarung. Die Arbeitgeber der AWO zahlten die in den Vorjahren gezahlten Zuwendungsbeträge auch in diesem Jahr an die Arbeitnehmer aus, ohne die Tariferhöhungen in die Zuwendungsberechnung einfließen zu lassen; es kam zu keinen Reklamationen.
Anfang des Jahres 2003 trafen sich die Parteien zu einer neuen Verhandlungsrunde. Dabei wurde am ein gemeinsames Dokument unterzeichnet, das folgenden Wortlaut hat:
"Tarifeinigung AWO-ver.di
Die Verhandlungskommission der AWO gibt für die Geltungsbereiche des BMT-AW II sowie des BMT-AW-Ost vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesausschusses nachstehendes Angebot ab, dessen einzelne Bestandteile in einem untrennbaren Zusammenhang stehen:
I. Anhebungen der Vergütungen und Löhne
1. Grundvergütungen, Monatstabellenlöhne, Sozial- und Ortszuschläge der Angestellten und Arbeiter werden nach der bisherigen Berechnungsweise ab dem um 2,4 %, ab dem um weitere 0,8 %, ab dem um weitere 0,8 % erhöht sowie ab dem auf das Niveau der Entgelttabelle des BAT B/L per angehoben (entspricht 0,39721907281 %).
Die Entgelte und Verheiratetenzuschläge der Ärztinnen und Ärzte im Praktikum und der Praktikantinnen und Praktikanten werden nach dem gleichen Schema erhöht.
2. Mindestlaufzeit bis zum Inkrafttreten des Reform-Tarifvertrages, längstens jedoch bis zum .
3. Die Zuwendung bleibt bis zum eingefroren vorbehaltlich einer Regelung im Reform-TV.
II. Anpassung Tarifgebiet Ost
...
III. Sonderregelungen für ambulante Dienste und das Bundesland Berlin
...
IV. Beschäftigungssicherung
...
V. Ausnahmen vom Geltungsbereich
...
VI. Weitere Regelungen
1. Für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entfällt im Kalenderjahr 2003 ein Urlaubstag.
2. Der ,zusätzliche freie Tag' entfällt mit Wirkung ab dem .
Bonn, den
Für die AWO: W A
Für ver.di: I E"
Die Große Tarifkommission der Beklagten stimmte diesem Verhandlungsergebnis nicht zu. Es kam zu Nachverhandlungen, deren Ergebnis in einer Urkunde vom wie folgt formuliert wurde:
"Ergebnisprotokoll - Verhandlungsrunde AWO ./. Ver.di v. in Dortmund
Beginn: 13.00 Uhr
Ende: 15.40 Uhr
Teilnehmer: (für AWO) W A, A J, K P, K M (für Ver.di) I E, J W, K R, N Pe (Protokoll) M K
Da das am tarifierte Ergebnis für die Lohn-/Gehaltsrunde 2003/2004 nicht die Zustimmung der Großen Tarifkommission von Ver.di gefunden hat, war eine Nachverhandlung notwendig.
Die Tarifvertragsparteien einigen sich nunmehr darauf, die Sonderregelung für Ambulante Dienste (III 1.-4. Abs.) ersatzlos zu streichen. (In der Konsequenz finden damit alle Tarifsteigerungen auf die Ambulanten Dienste Anwendung).
Darüber hinaus wird die letzte Stufe der Anhebung der Vergütungen und Löhne vom auf den (entsprechend dem Niveau der Entgelttabelle des BAT B/L) vorgezogen.
Im Sinne dieses Protokolls verpflichten sich die Tarifvertragsparteien unverzüglich zusammenzukommen, um Regelungen zur Beschäftigungssicherung zu finden, wenn dies durch die AWO bezogen auf die fehlende Wirtschaftlichkeit ambulanter Dienste angezeigt und nachgewiesen wird.
W A (für AWO)
I E (für Ver.di)"
Eine weitere Verhandlungsrunde der Parteien fand am statt. Sie war als Sondierungsgespräch für den Reform-Tarifvertrag vorgesehen. Im Protokoll dieser Verhandlung zum Lohn- und Gehaltstarifvertrag (2003/2004) heißt es:
"Die Große Tarifkommission der AWO hat am dem Einigungsstand vom (Dortmund) zugestimmt. I E erklärt für Ver.di, dass die Große Tarifkommission von Ver.di am ebenfalls diesem Tarifvertragsergebnis zugestimmt habe.
Beide Verfahrenspartner vereinbaren, nunmehr unverzüglich das Unterschriftsverfahren einleiten zu wollen."
Anschließend übersandte der Kläger der Beklagten die folgenden, von ihm bereits unterzeichneten Tarifverträge, mit der Bitte um Gegenzeichnung und Rücksendung:
- Vergütungs- und Lohntarifvertrag Nr. 33 zum BMT-AW II vom für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt
- Änderungstarifvertrag vom zum Tarifvertrag zur Regelung der Praktikantenverhältnisse vom zum BMT-AW II
- Vergütungs- und Lohntarifvertrag Nr. 8 zum BMT-AW O vom für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt
- Änderungstarifvertrag vom zum Tarifvertrag zur Regelung der Praktikantenverhältnisse vom zum BMT-AW O
- Änderungstarifvertrag vom zur Änderung folgender Tarifverträge: Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt vom (BMT-AW II), Zusatztarifvertrag vom zum BMT-AW II, Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifvertragliche Vorschriften - vom (BMT-AW O), Zusatztarifvertrag vom zum Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts
- Manteltarifvertragliche Vorschriften (Zusatz-TV-BMT-AWO).
Sämtliche Tarifverträge datieren auf den und wurden von beiden Parteien unterzeichnet.
Eine tarifliche Regelung der Vereinbarung über die Zuwendung entsprechend Ziff. I.3 der Tarifeinigung vom unterblieb versehentlich. Gleichwohl zahlten die Arbeitgeber der Klägerseite an ihre Mitarbeiter im Jahre 2003 die Zuwendung in der nach wie vor "eingefrorenen" Höhe aus, ohne dass es zu einer Beanstandung oder Nachforderung eines Arbeitnehmers kam.
Nachdem die Verhandlungen über den Reform-Tarifvertrag aus Sicht des Klägers ins Stocken geraten waren, kündigte er mit Schreiben vom alle Tarifverträge zum , ua. auch den BMT-AW II und den BMT-AW O. Im Februar 2004 übersandte die Beklagte an ihre Mitglieder eine "infopost", die auszugsweise folgenden Wortlaut hatte:
"Jetzt volles Weihnachtsgeld sichern!
In der letzten Tarifrunde mit der Arbeiterwohlfahrt wurde nicht über das Einfrieren des Weihnachtsgeldes verhandelt. Die tarifvertraglichen Regelungen zum Weihnachtsgeld (Zuwendung) wurden durch das Verhandlungsergebnis vom nicht geändert.
Was bedeutet das konkret?
Alle ver.di Mitglieder, die bei der AWO beschäftigt sind, haben dem zu Folge einen Anspruch auf 100 % im Geltungsbreich des BMT-AW II bzw. 75 % im Geltungsbereich des BMT-AW-O, ... ver.di empfiehlt daher, den entsprechenden Anspruch beim jeweiligen Arbeitgeber geltend zu machen.
Ein Musterschreiben ist in jedem ver.di-Bezirk erhältlich.
Nur für Gewerkschaftsmitglieder wirken die zum gekündigten Manteltarifverträge unmittelbar nach.
Jetzt schnell ver.di-Mitglied werden! Und sich alle tariflichen Rechte sichern!"
Auf der Internet-Seite der Beklagten wurde folgende Information gegeben:
"AWO: Beschäftigte haben für 2003 Anspruch auf volles Weihnachtsgeld (Zuwendung)
Beschäftigte der AWO, die der Tarifbindung des Manteltarifvertrages AWO II unterliegen, können für das Jahr 2003 das volle Weihnachtsgeld in Höhe von 100% des tariflich festgelegten Bemessungsgrundsatzes bei ihrem Arbeitgeber geltend machen.
Weil die bisherige Festschreibung des Weihnachtsgeldes auf 89,62% für das Jahr 2000 und 85,80% für das Jahr 2001 durch den Änderungstarifvertrag vom nicht mehr fortgeschrieben wurde, entsteht für tarifgebundene Beschäftigte wieder ein Anspruch auf die volle Zuwendung.
Wer also nur eine Zuwendung in Höhe von 85,50% im November 2003 erhalten hat, kann den Differenzbetrag zu 100% beim Arbeitgeber geltend machen. Dies muss schriftlich und aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist bis spätestens 6 Monate nach Fälligkeit erfolgen. Ist die Zahlung am erfolgt, muss die Forderung bis geltend gemacht werden. verdi-Mitglieder erhalten unsere Unterstützung.
Mustertext für die persönliche Geltendmachung:
..."
Erst zu diesem Zeitpunkt bemerkte der Kläger, dass die Tarifverträge vom , die nach der Tarifeinigung bzw. dem Ergebnisprotokoll vom 18. Februar/ (im Folgenden: Tarifeinigung) unterzeichnet worden waren, eine Regelung über die Zuwendung nicht enthielten. Er schickte an die Arbeitnehmer ein Schreiben mit dem Titel "Weihnachtsgeld - Verdi spielt falsch", in dem über die aus seiner Sicht zutreffende Rechtslage informiert wurde.
Am 1. März und am machten zwei Mitarbeiterinnen des Klägers die Zuwendungsdifferenz schriftlich geltend. Die Höhe der Forderungen beliefen sich auf insgesamt 1.409,22 Euro. In der Folgezeit wurden Forderungen auf Zahlung der Zuwendungsdifferenz für das Jahr 2003 von insgesamt ca. 3.000 Arbeitnehmern der bei dem Kläger organisierten Arbeitgeber erhoben.
Mit Schreiben vom forderte der Kläger die Beklagte auf, den dem Schreiben beigefügten und von dem Kläger bereits unterzeichneten Tarifvertrag, mit dem die Zuwendungsregelungen geändert werden sollten, zu unterzeichnen und bis zum an den Kläger zurückzusenden. Die Beklagte reagierte darauf nicht.
Nachdem der Kläger am vor dem Arbeitsgericht Berlin die Klage im vorliegenden Verfahren erhoben hatte, führten die Parteien weitere Tarifverhandlungen. Am kam es zum Abschluss von zwei Übergangstarifverträgen für die beiden Tarifgebiete. Der Übergangstarifvertrag vom für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (ÜbgTV-BUND-West) hat dabei auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Präambel
Die Tarifvertragsparteien verfolgen mit dem Abschluss dieses Übergangstarifvertrages vorrangig folgende Ziele: Zum einen soll für die gegenwärtig und zukünftig Beschäftigten in den Gliederungen der Arbeiterwohlfahrt wieder ein Flächentarifvertrag die rechtliche Grundlage für die Regelungen ihrer Arbeitsverhältnisse sein. Der Übergangstarifvertrag symbolisiert die Verantwortung und Partnerschaft aller Beteiligten. Zum anderen soll die Laufzeit des Übergangstarifvertrages genutzt werden, um über einen Reformtarifvertrag zu verhandeln, der sowohl den Interessen der Beschäftigten als auch den geänderten Rahmenbedingungen in der Wohlfahrtspflege Rechnung trägt.
§ 1
Ersetzungsvereinbarungen
Dieser Tarifvertrag ersetzt die folgenden, bis zum geltenden Tarifverträge:
1. Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt - BMT-AW II.
2. Zusatztarifvertrag zum BMT-AW II.
...
8. ...
Alle in den Ziffern 1 - 8 genannten tarifvertraglichen Bestimmungen entfallen.
§ 2
Geltungsbereich, Inhalts-, Änderungs- bzw. Ergänzungsvereinbarungen
Der normative Inhalt dieses Übergangstarifvertrages bestimmt sich nach dem Text der ehemaligen Bestimmungen der in § 1 genannten Tarifverträge in ihren jeweils am gültigen Fassungen mit den nachfolgenden Änderungen bzw. Ergänzungen. ...
1. ...
...
7. Der Text des ehemaligen § 47 Abs. 1 BMT-AW II sowie der Text des ehemaligen § 1 Nr. 5 des Zusatz-TV zum BMT-AW II wird gestrichen.
Danach erhält der Text des ehemaligen § 47 Abs. 1 BMT-AW II folgende Fassung:
,Die Höhe der Zuwendung beträgt:
a) im Jahre 2004 82,14 v.H. der Bemessungsgrundlage (aktueller Bemessungssatz);
b) ab dem Jahr 2005 analog des jeweils im öffentlichen Dienst tarifvertraglich vereinbarten Bemessungssatzes.
Die Jahressonderzahlungen (Urlaubsgeld/Zuwendungen) bleiben ab dem im Grundsatz bestehen (Urlaubsgeld gem. dem Text des ehemaligen Tarifvertrages über ein Urlaubsgeld zum BMT-AW II bzw. die Zuwendung gem. dem Text der ehemaligen §§ 46 und 47 des BMT-AW II) entsprechend den Regelungen im öffentlichen Dienst.
Abweichend davon wird für alle Betriebe, die keine öffentliche Personalkostenbezuschussung erfahren (Bund/Länder/Kommunen) ein Teil der Zuwendung ergebnisabhängig gestellt. Dabei ist eine betriebseinheitliche Minderung des Bemessungssatzes um bis zu 5 Prozentpunkte zulässig.
Für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Vergütungen II b und höher BMT-AW II ist eine Minderung des Bemessungssatzes um bis zu 10 Prozentpunkte zulässig. ...
Protokollerklärung zu Ziffer 7
Nach Auffassung der AWO hat die AWO einen Anspruch auf Abschluss eines Änderungstarifvertrages, der den Anspruch der Zuwendung im Jahre 2003 auf 83,79% der Bemessungsgrundlage festschreibt.
Hierüber ist zwischen dem AWO Bundesverband und ver.di ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Berlin zum Az. 36 Ca 8872/04 anhängig.
Zwischen den Tarifparteien besteht Einigkeit, dass durch den Abschluss dieses Übergangs-Tarifvertrages die Frage der Höhe der Zuwendung für das Jahr 2003 nicht geregelt oder erledigt ist. Bei einer Zahlung der Zuwendung für das Jahr 2003 unter Vorbehalt (Ausgang des bezeichneten Verfahrens) beginnt die Ausschlussfrist im Sinne des Textes des ehemaligen § 54 BMT-AW II für die Rückforderung durch den Arbeitgeber mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens."
Eine entsprechende Formulierung für das Tarifgebiet Ost findet sich im ÜbgTV-BUND-Ost ua. mit der Maßgabe, dass der Prozentsatz der Zuwendung im Jahre 2004 61,60 v.H. der Bemessungsgrundlage beträgt.
Der Kläger hat gerichtlich die Zustimmung der Beklagten zu einem Tarifvertrag geltend gemacht, der entsprechend der bisherigen Regelungstechnik die Festsetzung der Zuwendungen im Tarifbereich West für 2003 in Höhe von 83,79 % und für 2004 in Höhe von 82,47 %, für den Tarifbereich Ost für 2003 in Höhe von 62,84 % und für 2004 in Höhe von 61,85 % des Bemessungssatzes vorsieht. Er hat die Auffassung vertreten, die Tarifeinigung sei ein Vorvertrag, aus dem die Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe der begehrten Willenserklärung folge. Zwar ergebe sich dadurch eine Rückwirkung, die auch in bereits entstandene Ansprüche von Arbeitnehmern eingreife. Tariflichen Ansprüchen sei aber der Vorbehalt einer möglichen rückwirkenden Änderung durch die Tarifvertragsparteien immanent. Die Arbeitnehmer hätten auch nicht auf den Bestand des Anspruchs auf eine Zuwendung in Höhe einer vollen Bruttomonatsvergütung vertrauen können, da ihnen dieser Anspruch erst durch die "infopost" der Beklagten bekannt geworden sei und die Arbeitgeber darauf unverzüglich mit einer bestreitenden Stellungnahme reagiert hätten. Dass die mit dem begehrten Tarifvertrag geänderten Tarifnormen gekündigt worden seien, sei unschädlich, weil das Inkrafttreten für einen Zeitpunkt erfolge, zu dem sie noch normativ gegolten hätten. Die gewählte Regelungstechnik entspreche der bisherigen Vorgehensweise. Hilfsweise hat der Kläger die Unterzeichnung eines Tarifvertrages verlangt, der mehrere Seiten umfasst und nach Auffassung des Klägers den gesamten Bereich der Zuwendung materiell entsprechend der bisherigen Rechtslage, formell jedoch in neuer, eigenständiger Weise ausführlich regelt. Weiter hat der Kläger hilfsweise Ersatz von Schäden geltend gemacht, die ihm dadurch entstanden seien, dass die Beklagte die Verpflichtung aus der Tarifeinigung trotz Aufforderung des Klägers nicht erfüllt habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt, 1. den Beklagten zu verurteilen, das Vertragsangebot des Klägers zu folgendem Vertrag anzunehmen:
Die Beklagte wird verurteilt, das Vertragsangebot des Klägers mit folgendem Inhalt anzunehmen:
Änderungstarifvertrag vom zur Änderung folgender Tarifverträge:
Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt vom (BMT-AW II)
Zusatztarifvertrag vom zum BMT-AW II
Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifvertragliche Vorschriften - vom (BMT-AW O)
Zusatztarifvertrag vom zum Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifvertragliche Vorschriften (Zusatz-TV-BMT-AW O)
Zwischen
1. der Arbeiterwohlfahrt, Bundesverband e.V., Bonn
2. der Arbeiterwohlfahrt - Bundesverband e.V. - Bonn, in Vollmacht für sämtliche Gliederungen der Arbeiterwohlfahrt in der Bundesrepublik Deutschland
einerseits
und
der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft e.V. (ver.di) vertreten durch den Bundesvorstand
andererseits
wird Folgendes vereinbart:
§ 1 Änderung des Zusatz-TV zum BMT-AW II
§ 1 Nr. 5 Satz 1 der Protokollnotiz erhält folgende Fassung:
"Wegen der am , , , , und vereinbarten Festschreibung der Zuwendung beträgt abweichend von Nr. 5 der Bemessungsgrundsatz für die Zuwendung
a) im Jahre 2003 83,79 vom Hundert,
b) im Jahre 2004 82,47 vom Hundert."
§ 2 Änderung des Zusatz-TV zum BMT-AW O
§ 1 Nr. 5 Satz 1 der Protokollnotiz erhält folgende Fassung:
"Wegen der am , , , und vereinbarten Festschreibung der Zuwendung beträgt abweichend von Nr. 5 der Bemessungssatz für die Zuwendung
a) im Jahre 2003 62,84 vom Hundert,
b) im Jahre 2004 61,85 vom Hundert."
§ 3 Inkrafttreten
Dieser Tarifvertrag tritt am in Kraft.
Bonn/Berlin, den (Datum)
Für die Arbeiterwohlfahrt
- Bundesverband e.V. -
und
in Vollmacht für sämtliche Gliederungen der Arbeiterwohlfahrt in der Bundesrepublik Deutschland
Für die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Berlin
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1.,
2. die Beklagte zu verurteilen, das Vertragsangebot des Klägers zu einem im einzelnen formulierten, mehrere Seiten umfassenden Tarifvertrag anzunehmen; (wegen der Formulierung dieses Hilfsantrags im Einzelnen wird auf Bl. 12 R bis 14 R der Senatsakte verwiesen);
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 1. und 2.,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.409,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger und seinen nach § 3 tarifgebundenen Gliederungen aus der Verweigerung des Abschlusses des mit Schreiben vom begehrten, dem Wortlaut des Klageantrags zu 1. entsprechenden Tarifvertrages entsteht.
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, die Tarifeinigung sei nicht als sie verpflichtender Vorvertrag anzusehen. Die endgültige Ausformulierung der Zuwendungsvereinbarung habe ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer Einigung über einen Reform-Tarifvertrag gestanden. Auch sei eine etwaige Verpflichtung nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar, weil für das Jahr 2002 keine Einigung über eine von der Grundregel über die Höhe der Zuwendung (ein Bruttomonatsgehalt) abweichende Regelung erfolgt sei. Deshalb sei die Referenzgröße für das "Einfrieren" nicht eindeutig. Wenn man einen Vorvertrag annehme, sei dieser wegen der ausdrücklichen Akzessorität zu den zu ändernden Zusatz-Tarifverträgen zum BMT-AW II bzw. BMT-AW O als gekündigt anzusehen, nachdem der Kläger die Zusatz-Tarifverträge gekündigt habe. Vor diesem Hintergrund sei das Verlangen nach Abschluss des Änderungstarifvertrages auch als treuwidrig iSv. § 242 BGB anzusehen. Die Änderung nur noch nachwirkender Tarifverträge sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unzulässig. Im Übrigen sei das Vertrauen der Arbeitnehmer in die objektiv bestehende Rechtslage schutzwürdig; die nach der bisherigen tarifvertraglichen Rechtslage zustehenden Zuwendungen in voller Höhe könnten nicht mehr als zwei Jahre nach Fälligkeit und Abwicklung wieder zurückverlangt werden. Für das Jahr 2004 habe man ferner mit den Übergangstarifverträgen bereits wirksame Regelungen getroffen. Eine aus diesem Grund von vorneherein nicht wirksam werdende Vereinbarung über diesen Zeitraum könne nicht verlangt werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Tarifeinigung sei als verbindlicher Vorvertrag anzusehen. Es mangele nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, da sich aus der Vereinbarung, die Zuwendung solle bis zum "eingefroren" bleiben, ergebe, dass sie in den Jahren 2003 und 2004 in derselben Höhe wie in den Vorjahren gezahlt werden sollte. Der Vorbehalt in der Tarifeinigung sei unbeachtlich, weil es zum Abschluss des Reform-Tarifvertrages zwischen den Parteien nicht gekommen sei. Weitere Vorbehalte bestünden nicht; insbesondere hätten die zuständigen Gremien beider Parteien der Tarifeinigung zugestimmt. Die Verpflichtung aus dem Vorvertrag sei auch noch nicht erfüllt, da die Umsetzung der Tarifeinigung nur lückenhaft erfolgt sei. Es sei auch unschädlich, dass die Tarifverträge von dem Kläger zum gekündigt worden seien. Die erstrebte Willenserklärung betreffe eine Regelung für den Zeitraum davor, nämlich das Jahr 2003. Soweit im Jahr 2004 eine Nachwirkung der Mantel- und Zusatztarifverträge eingetreten sei, erfasse diese auch die angestrebte Regelung über die Zuwendung für das Jahr 2004. Der von dem Kläger formulierte Text des Tarifvertrages entspreche den Formulierungen, die die Parteien in den vergangenen Jahren für den gleichen Regelungsgegenstand benutzt hätten.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und weitgehend in der Begründung. I. Die Klage ist jedenfalls in dem hinreichend bestimmten Hauptantrag zulässig. Eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung ist eine Leistungsklage, die gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt sein muss. Dem ist genügt, wenn der Antrag so gefasst ist, dass er nach § 894 ZPO vollstreckt werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Klageantrag den gesamten, nach der Vorstellung des Klägers erstrebten Vertragsinhalt erfasst ( - NJW-RR 1994, 317).
Der Kläger hat im Hauptantrag den vollständigen Text eines Vertrages, zu dem er die Zustimmung der Beklagten begehrt, aufgeführt. Wird die Beklagte antragsgemäß verurteilt, ist die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils eindeutig und unterliegt hinsichtlich ihres Inhalts keinen Zweifeln.
II. Der Hauptantrag ist auch begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe der begehrten Willenserklärung zutreffend bejaht. Die Verpflichtung ergibt sich aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Vorvertrag, der Verbindlichkeiten begründet hat, die seitens der Beklagten bezüglich des Abschlusses des in dem Hauptantrag formulierten Tarifvertrages noch nicht vollständig erfüllt sind. Die hiergegen gerichteten Einwände der Revision greifen nicht durch.
1. Bei der Tarifeinigung handelt es sich um einen zivilrechtlichen Vorvertrag. Durch die Tarifeinigung wurden noch keine Rechtsnormen geschaffen, sondern sie stellt die verbindliche Einigung der Parteien über den Inhalt eines von ihnen noch abzuschließenden Tarifvertrages dar. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Tarifeinigung hierfür auch hinreichend bestimmt.
a) Das Landesarbeitsgericht und die Parteien gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass es sich bei der Tarifeinigung nicht bereits um einen Tarifvertrag handelt. Nach dem erkennbaren Willen der Parteien sollten mit der Tarifeinigung noch keine Rechtsnormen geschaffen werden. Das ergibt sich bereits daraus, dass die in der Tarifeinigung angesprochenen Regelungen - bis auf die Zuwendungsvereinbarung - im Folgenden durch eigenständige, auch als solche bezeichnete Tarifverträge normiert worden sind. Diese Verfahrensweise entsprach dem Protokoll der Verhandlungsrunde vom , nach dem die Parteien vereinbarten, "nunmehr unverzüglich das Unterschriftsverfahren einzuleiten".
b) Die Tarifeinigung ist aber ein zivilrechtlicher Vorvertrag. Das ergibt eine Auslegung der abgegebenen Erklärungen der Parteien.
aa) Der Vorvertrag ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Seine Zulässigkeit ergibt sich aus der allgemeinen Vertragsfreiheit ( - BAGE 28, 225, 230). Er kommt durch die verbindliche Einigung zustande, einen seinem wesentlichen Inhalt nach bestimmten oder unter Berücksichtigung allgemeiner Auslegungsregeln sowie des dispositiven Rechts zumindest bestimmbaren Hauptvertrag zu schließen ( - NJW 1990, 1234, 1235). Ein Vorvertrag, in dem sich Tarifvertragsparteien zum Abschluss eines Tarifvertrages verpflichten, ist nach den Grundsätzen der Vertragsfreiheit und der Koalitionsfreiheit unbedenklich zulässig (Senat - 4 AZN 305/82 - BAGE 39, 346, 347; Däubler/Reim TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 17; Wiedemann in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 3; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 374). Auch vor dem endgültigen Abschluss eines Tarifvertrages kann es sinnvoll sein, im Wege des Vorvertragsabschlusses eine Bindung der Tarifvertragsparteien an bereits erzielte Verhandlungsergebnisse herbeizuführen ( - aaO).
bb) Die Parteien haben mit der Tarifeinigung einen Vorvertrag abgeschlossen. Das ergibt eine Auslegung der dazu abgegebenen Erklärungen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände.
(1) Ob bei einer Einigung ein verbindlicher Vorvertrag oder nur eine unverbindliche Absprache der Parteien vorliegt, ist nach den Kriterien von §§ 133, 157 BGB auszulegen (Senat - 4 AZR 224/80 - BAGE 41, 307, 314). Entscheidend ist dabei ein erkennbarer Bindungswille der Parteien, der über eine bloße unverbindliche Absichtserklärung hinausgehen muss.
(2) Der endgültigen Formulierung von Tarifverträgen gehen in der Regel Tarifverhandlungen voraus, die auf eine Einigung der Tarifparteien über die wesentlichen Inhalte der noch abzuschließenden Tarifverträge abzielen. Die Formulierung und Unterzeichnung eines solchen Verhandlungsergebnisses kann einen Vorvertrag darstellen (zB "Verhandlungsergebnis" zwischen dem Arbeitgeberverband der hessischen Metallindustrie eV und der IG Metall Senat - 4 AZR 224/80 - BAGE 41, 307, 313 ff.; ebenso für eine "Vereinbarung" - und für eine "Protokollnotiz" über ein Verhandlungsergebnis - BB 1995, 1085).
(3) Dies trifft auch auf die Tarifeinigung der Parteien zu. Sie wurde bereits bei ihrer Erarbeitung fast wie ein Tarifvertrag behandelt. Die erste Vereinbarung vom wurde unter den Vorbehalt der Zustimmung der zuständigen Gremien beider Parteien gestellt. Dies entspricht der Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung iSv. § 158 Abs. 1 BGB, deren Eintritt das von den Parteien als verbindlich angesehene Rechtsgeschäft, hier also den Vorvertrag wirksam werden lassen sollte. Die Große Tarifkommission der Beklagten hat die Zustimmung alsdann nicht erteilt, so dass beide Parteien davon ausgingen, dass es zu einer endgültigen Einigung nicht gekommen war. Ergebnis der Nachverhandlungen war die Modifikation der Vereinbarung vom durch die gemeinsame Erklärung der Parteien vom . Bereits die Notwendigkeit von Nachverhandlungen und die Formulierung eines neuen Ergebnisses machen deutlich, dass die Parteien nicht nur von einer unverbindlichen Vorabsprache im Vorfeld eigentlicher Tarifverhandlungen ausgingen. Anders als bei der Vereinbarung vom stimmten die Große Tarifkommission der Beklagten wie auch die Große Tarifkommission des Klägers dieser Gesamteinigung nunmehr auch zu, so dass diese aufschiebende Bedingung eingetreten war. Diese Verfahrensweise macht die auch aus Sicht der Tarifvertragsparteien bestehende Verbindlichkeit der Tarifeinigung deutlich.
cc) Die Tarifeinigung der Parteien ist im Sinne eines Vorvertrages auch hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar.
(1) Im Hinblick auf seine Funktion kann ein Vorvertrag nur dann rechtsverbindliche Wirkung entfalten, wenn der Inhalt des abzuschließenden Hauptvertrages hinreichend klar bestimmt ist. Dies ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn der Vorvertrag selbst den Inhalt des Hauptvertrages regelt, aber auch bereits dann, wenn der Inhalt des Hauptvertrages sich aus den Erklärungen der Parteien zum Vorvertrag eindeutig bestimmen lässt, ohne dass es darauf ankommt, dass auch letzte Feinheiten geregelt wären (st. Rspr., vgl. etwa - LM BGB § 705 Nr. 3; - XII ZR 173/90 - DB 1993, 833).
(2) Die Tarifeinigung der Parteien ist hinreichend bestimmt. Der Inhalt der übereinstimmenden Erklärungen der Parteien ist eindeutig feststellbar.
(a) Die Parteien haben im Rahmen von Tarifverhandlungen ein Gesamtpaket einzelner Regelungsbereiche vereinbart, deren einzelne Bestandteile nach der Tarifeinigung in einem "untrennbaren Zusammenhang" stehen sollten. Es bestand neben der Zuwendungsabrede aus Vereinbarungen über Entgelterhöhungen in insgesamt vier zeitlichen Stufen für verschiedene Arbeitnehmergruppen in den beiden Tarifgebieten, das Entfallen eines Urlaubstages im Jahr 2003, den Wegfall des "zusätzlichen freien Tages" ab dem , Sonderregelungen für den Verbandsbereich Berlin und für ambulante Dienste, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und Absichtserklärungen zur Beschäftigungssicherung für Auszubildende nach bestandener Abschlussprüfung.
Dieser Teil des Vorvertrages war für die Parteien hinreichend bestimmt, um daraus die Umsetzung in einzelne Änderungstarifverträge ohne weitere Verhandlungen durchführen zu können. So ist zB die Einarbeitung einer vereinbarten linearen Entgelterhöhung von 2,4 vH in Entgelttabellen rein rechnerisch möglich und von den Parteien auch durchgeführt worden. Dementsprechend sind alle Änderungstarifverträge ohne weitere Verhandlungen von beiden Parteien unterzeichnet worden.
(b) Nichts anderes gilt für die Vereinbarung der Parteien über das "Einfrieren" der Zuwendung, deren Umsetzung der Kläger in Form eines Tarifvertrages im Hauptantrag formuliert hat. Sowohl über Einzelheiten der Regelungstechnik als auch über den dort genannten Prozentsatz sowie über die Referenzgröße konnte es für die Parteien der Tarifeinigung keine Zweifel geben.
(aa) Die von den Parteien bei der Tarifeinigung vorausgesetzte Regelungstechnik ergibt sich aus der Tarifgeschichte. Im öffentlichen Dienst wie - daran angelehnt - auch im Bereich des Klägers war das Bruttomonatsentgelt des Arbeitnehmers bis einschließlich 1993 die Bezugsgröße der Zuwendung. Es wurde stets ein 13. Monatsgehalt in voller Höhe gezahlt. Im Jahre 1994 einigten sich die Tarifparteien des öffentlichen Dienstes darauf, dass die Zuwendung "eingefroren" werden sollte. In der Sache bedeutete dies ein Festschreiben der absoluten Höhe der Zuwendung, so dass sich Erhöhungen der Grundvergütung und anderer Vergütungsbestandteile auf die Höhe der Zuwendung nicht steigernd auswirken sollten. Regelungstechnisch wurde dies dadurch umgesetzt, dass man an der Bezugsgröße des Bruttomonatsentgelts festhielt, aber in einer Protokollnotiz jeweils auf einzelne Jahre bezogen einen Prozentsatz festsetzte, der die jeweilige Steigerung im Entgeltbereich in gleicher Höhe nach unten ausglich, so dass sich rechnerisch das gewünschte und vereinbarte Ergebnis herstellte: ein bei gleichbleibenden persönlichen Verhältnissen über die Jahre hinweg in absoluter Höhe gleichbleibender Betrag. Mit jeder Entgelterhöhung musste deshalb in entsprechender Höhe eine Absenkung des Prozentsatzes für die Berechnung der Zuwendung vorgenommen werden. Für den Bereich des Klägers wurde sowohl die Berechnungsweise als auch die Regelungstechnik übernommen. Bis einschließlich 2001 wurden entsprechende Vereinbarungen zwischen den Parteien geschlossen und in der Praxis auch durchgeführt. Dass dies dem allgemeinen Erwartungshorizont aller Tarifgebundenen entsprach, zeigt sich bereits daran, dass im Jahr 2002, für das eine entsprechende Regelung nicht abgeschlossen wurde, alle tarifgebundenen Arbeitgeber im Bereich des Klägers eine gleich hohe Auszahlung wie in den Vorjahren vorgenommen haben und nicht ein einziger Arbeitnehmer eine höhere Forderung stellte.
Vor diesem Hintergrund ist eindeutig bestimmbar, worauf sich die Parteien in der Tarifeinigung verständigt haben. Die Vereinbarung des weiteren "Einfrierens" der Zuwendung bedeutete danach nichts anderes, als dass auch weiterhin die Zuwendungen in betragsmäßig gleichbleibender Höhe gezahlt werden sollten. Über die Art und Weise der konkreten Umsetzung dieser Einigung in Tarifnormen wurde zwar keine ausdrückliche Vereinbarung geschlossen. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die acht Jahre lang gewählte Regelungstechnik, die auch dem Hauptantrag des Klägers zugrunde liegt, nicht weiter fortgeschrieben werden sollte. Dementsprechend war die prozentuale Absenkung in der Protokollnotiz gemäß den in der Tarifeinigung und dann auch in den Vergütungstarifverträgen vereinbarten Erhöhungen der Vergütung zu beziffern.
(bb) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass 2002 wegen der fehlenden Einigung über eine weitere entsprechende prozentuale Absenkung der Anspruch auf die volle Monatsvergütung als Zuwendung wieder aufgelebt sei und mithin zwei verschiedene Referenzgrößen existierten, verkennt sie, dass die Tarifeinigung zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als die - in der Praxis völlig unproblematische - Durchführung der Zuwendungen im Jahre 2002 bereits vollendet war und die Tarifparteien davon ausgingen und ausgehen konnten, dass es entweder einer ausdrücklichen Regelung nicht bedürfe oder dass eine klarstellende Regelung für das Jahr 2002 in das "Tarifpaket" aufzunehmen wäre. Es spricht nichts für die Annahme, die Parteien seien davon ausgegangen, dass im Jahre 2002 trotz der Möglichkeit einer rückwirkenden Einigung der "Wiederanfall" der vollen Bruttomonatsvergütung erfolgt sei. Aus der in der Tarifeinigung gewählten Formulierung "bleibt ... eingefroren" ergibt sich, dass die Parteien an die vorangegangenen acht Jahre der Kontinuität anknüpfen wollten, in denen die Orientierung an den Beträgen aus dem Jahre 1993 vereinbart worden war. Dies entsprach auch der durchgängigen Praxis im Jahre 2002, ohne dass eine ausdrückliche Absenkungsregelung für dieses Jahr getroffen worden war. Die Tarifparteien sind - wie auch alle Arbeitsvertragsparteien im Bereich des Klägers - davon ausgegangen, dass für das Jahr 2002 jedenfalls keine von den unverändert ausgezahlten Beträgen abweichende Zuwendungsregelung gegolten hat.
(c) Auch der Hinweis der Revision auf den in Ziff. I.3 der Tarifeinigung enthaltenen "Vorbehalt" einer Regelung im beabsichtigten Reform-Tarifvertrag führt nicht zu einer Unbestimmtheit der Einigung im Vorvertrag.
(aa) Nicht gefolgt werden kann insoweit allerdings der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, das darauf abstellt, dass der Reform-Tarifvertrag schließlich nicht abgeschlossen worden sei und ein Vorbehalt deshalb unbeachtlich sei. Die Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines dem Vorvertrag entsprechenden Tarifvertrages muss aus der Sicht beim Abschluss des Vorvertrages ermittelt werden. Sie kann nicht damit begründet werden, dass eine auflösende Bedingung im weiteren Zeitablauf nicht eingetreten sei. Dann wäre die unbedingte Verpflichtung auch erst mit Feststehen des Nichteintritts der auflösenden Bedingung entstanden und nicht bereits zum Zeitpunkt des Vorvertragsabschlusses.
(bb) Die Tarifeinigung über die Zuwendung enthält in Ziff. I.3 jedoch keinen rechtlichen Vorbehalt im Sinne einer Bedingung. Es handelt sich vielmehr um eine Laufzeitbegrenzung der Zuwendungsregelung. Wie in den gesonderten Regelungen der Laufzeit in Ziff. I.2 und II.1 Abs. 2 der Tarifeinigung wird auch hier die Höchstlaufzeit ("bis zum ") in Verbindung gebracht mit einer Mindestlaufzeit, die allerdings nicht dem Datum nach, sondern auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des von beiden Parteien angestrebten umfassenden Reform-Tarifvertrages bestimmt wird. Dass die Zuwendungsregelung wie jede andere tarifliche Regelung von einem folgenden Tarifvertrag, auch einem Reform-Tarifvertrag, abweichend und neu geregelt werden kann, ist eine Selbstverständlichkeit und beinhaltet keine konstitutive Regelung. Gleichwohl haben die Parteien diese deklaratorische Feststellung an mehreren Stellen der Tarifeinigung aufgenommen, um ihren auf eine umfassende Reformierung ihrer Tarifverträge abzielenden künftigen Verhandlungswillen deutlich zu machen.
Die Ansicht der Beklagten, die Parteien hätten die Höhe der Zuwendung in erster Linie im Zusammenhang mit dem Reform-Tarifvertrag verhandeln wollen, würde bedeuten, dass über die Zuwendung letztlich überhaupt keine Einigung getroffen worden wäre und dass damit das "Wiederaufleben" der Regelung über die volle Bruttomonatsvergütung sanktioniert worden wäre. Dies ist mit dem Wortlaut der Zuwendungsvereinbarung in der Tarifeinigung ("... bleibt bis zum eingefroren ...") nicht zu vereinbaren. Der Hinweis auf den angestrebten Reform-Tarifvertrag hat die Beklagte auch nicht gehindert, die entsprechenden Vergütungstarifverträge West (entsprechend Ziff. I.1 und I.2) und Ost (entsprechend Ziff. II.1) anschließend abzuschließen.
dd) Der Vorvertrag verstößt auch nicht gegen verbindliche Formvorschriften. (1) In der Regel bedürfen Vorverträge der für den darin vereinbarten Hauptvertrag vorgesehenen Form (vgl. zB für einen Grundstückskaufvertrag - BGHZ 97, 147, 154 f.; für einen GmbH-Gründungsvertrag - II ZR 16/87 - NJW-RR 1988, 288, 289; anders bei formbedürftigen Mietverträgen, weil diese lediglich der Information eines möglichen Erwerbers gem. § 571 BGB aF dienen - V ZR 97/69 - NJW 1970, 1596). Dies soll für Vorverträge zu Tarifverträgen nicht gelten. So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass ein schuldrechtlicher Vorvertrag zum Abschluss eines genau bestimmten Tarifvertrages nicht der Schriftform gem. § 1 Abs. 2 TVG iVm. § 126 BGB bedürfe. Diese diene hauptsächlich der Klarstellung des Inhalts des Tarifvertrages gegenüber den Normunterworfenen, nicht dagegen dem Übereilungsschutz der Tarifvertragsparteien ( - 1 AZR 611/75 - BAGE 28, 225, 230 f. zu zwischen den Tarifvertragsparteien gewechselten Fernschreiben; - 4 AZN 305/82 -BAGE 39, 346, 349; ebenso Wiedemann in Wiedemann § 1 Rn. 238; Däubler/Reim § 1 Rn. 17, 156; Kempen/Zachert/Zachert TVG 4. Aufl. § 1 Rn. 778; HWK/Henssler 2. Aufl. § 1 TVG Rn. 18; Schaub ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 199 Rn. 22; MünchKommBGB/Kramer 4. Aufl. Vor § 145 Rn. 47; Staudinger/Bork BGB 2003 Vorbem zu §§ 145 - 156 Rn. 61; Birk AuR 1977, 235, 237; Wiedemann Anm. AP TVG § 1 Form Nr. 6).
(2) Der aus dem von der Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur angenommene Zweck der Schriftform eines Tarifvertrages gem. § 1 Abs. 2 TVG gezogene Rückschluss, ein Vorvertrag begründe eine solche Schriftformverpflichtung nicht, weil es sich gerade nicht um einen endgültigen Tarifvertrag handele, ist nicht zwingend. Der normative Charakter gebietet es möglicherweise, jedenfalls für Erklärungen, die im Rahmen eines Tarif-Vorvertrages abgegeben werden, aus dem eine Verpflichtung zum Abschluss eines (vollgültigen) Tarifvertrages abgeleitet wird, eine diesem Verbindlichkeitsgrad entsprechende Formenstrenge zu verlangen (iE ebenso Löwisch/Rieble § 1 Rn. 541; Mangen RdA 1982, 229, 233; wohl auch Hanau/Adomeit Arbeitsrecht 13. Aufl. Rn. 207).
(3) Diese Frage bedarf im Streitfalle aber keiner Entscheidung. Denn sowohl die Vereinbarung vom als auch die diese modifizierende Vereinbarung vom sind jeweils von bevollmächtigten Vertretern beider Tarifvertragsparteien unterzeichnet worden.
2. Die sich aus dem Vorvertrag ergebende Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe der vereinbarten Willenserklärung ist nicht durch eine andere Vereinbarung im Zusammenhang mit dem Abschluss der auf den datierten Änderungstarifverträge abgelöst worden und damit entfallen. In dem Abschluss dieser Änderungstarifverträge liegt keine eigenständige und den gesamten Komplex des Vorvertrages neu regelnde Vereinbarung der Parteien, unter Ausschluss der Zuwendungsregelung nur noch vier statt der zur Umsetzung erforderlichen fünf Tarifverträge abzuschließen. Neue Verhandlungen und eine neue Einigung, die auch die Zuwendungsvereinbarung aus der Tarifeinigung hätte gegenstandslos werden lassen können, sind nicht erfolgt. Die Nachverhandlungen sind stattdessen bereits nach dem geführt worden und haben dann zu dem "endgültigen" Vorvertrag in der Fassung vom geführt. Im Nachgang zu dieser letzten Einigung sind lediglich die ausformulierten einzelnen Tarifverträge zur Unterschrift übersandt worden. Dabei ist die Zuwendungsregelung schlicht vergessen worden. Dies hat auch die Beklagte nicht substantiiert in Frage gestellt. Beim Abschluss der Änderungstarifverträge handelt es sich lediglich um die - hinsichtlich der Zuwendungsregelung lückenhafte - Umsetzung der im Komplex der Tarifeinigung vereinbarten Regelungen, was sich auch aus der übereinstimmenden Datierung der Änderungstarifverträge auf den zeigt. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt, kann und muss die insoweit lückenhafte Erfüllung der Pflichten aus dem Vorvertrag durch die Nachholung der Regelungen über die Zuwendung in einem gesonderten Tarifvertrag vervollständigt werden.
3. Entgegen der Revision ist die Verpflichtung der Beklagten aus dem Vorvertrag auch durch die Kündigung der Tarifverträge der Parteien durch den Kläger zum nicht entfallen.
a) Die Beklagte macht die Akzessorität des streitigen Änderungstarifvertrages zu den in Bezug genommenen Tarifverträgen geltend und vertritt die Auffassung, dass mit der Kündigung aller Tarifverträge zum ein möglicherweise bestehendes Recht des Klägers auf Erteilung der Zustimmung zum Änderungstarifvertrag entfallen ist. Die nachträgliche Inkorporation von Änderungsnormen in nicht mehr normativ geltende Tarifverträge sei nicht möglich.
b) Diese Auffassung ist jedoch nicht zutreffend. Die Revision beruft sich zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach nachwirkende Tarifverträge nicht mit tariflicher Wirkung geändert werden können (Senat - 4 AZR 176/72 - BAGE 25, 34; - 4 AZR 218/74 - BAGE 27, 22; - 4 AZR 474/76 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 9). Es kann auch dahingestellt bleiben, ob der Kritik an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die in der Literatur geäußert wird (zB Wiedemann Anm. AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 6; Herschel Anm. AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 9; Wank in Wiedemann § 4 Rn. 365 f.; Däubler/Bepler § 4 Rn. 895 f.; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Bd. 1 § 18 VII 5), zu folgen ist oder nicht. Denn auch auf der Basis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit des vom Kläger erstrebten Änderungstarifvertrages.
In den genannten vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen ging es jeweils um die unmittelbare Einwirkung einer Vereinbarung der Tarifvertragsparteien auf den Inhalt der Normen von Tarifverträgen, die sich im Nachwirkungszeitraum befanden, konkret um den zum gekündigten BAT bzw. MTA. Dabei sollten jedoch die ändernden Normen erst im Nachwirkungszeitraum in Kraft treten (zB am , Senat - 4 AZR 176/72 - BAGE 25, 34; zum , Senat - 4 AZR 474/76 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 9) und somit nur den Inhalt der nachwirkenden Tarifverträge unmittelbar ändern. Dies sei - so das Bundesarbeitsgericht - mit tariflicher, also normativer Wirkung nicht möglich. Tarifnormen müssten einmal gemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar gegolten haben, um die Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG zu ermöglichen. Lediglich nachwirkende Tarifnormen gebe es nicht (Senat - 4 AZR 176/72 - aaO S. 40). Im Streitfall dagegen ist zwar der Abschluss des Änderungstarifvertrages erst nach Beendigung der Laufzeit der (gekündigten) Tarifverträge mit dem vorliegenden Urteil wirksam geworden. Das Inkrafttreten der ändernden Regelungen ist jedoch auf einen Zeitpunkt festgesetzt, zu dem die Tarifverträge noch normativ galten und nicht einmal gekündigt waren. Dies weicht von den oben dargestellten Fallkonstellationen ab, weil es den Normenbestand zum Zeitpunkt des Eintritts der Nachwirkung rückwirkend neu bestimmt und sich nicht darauf beschränkt, bereits nachwirkende Normen nachträglich zu ändern.
c) Aus dem gleichen Grund ist entgegen der Revision die Geltendmachung des klägerischen Anspruchs auch nicht treuwidrig gem. § 242 BGB. Da die angestrebte Änderung der Tarifnormen zu einem Zeitpunkt vereinbart wurde, als die Tarifverträge noch nicht gekündigt waren und sich die Änderung auch auf einen Zeitpunkt vor der Kündigung der Tarifverträge beziehen soll, also den ungekündigten Normenbestand ändern soll, hat der Kläger sein Recht zur Geltendmachung von Verpflichtungen aus dem Vorvertrag durch die spätere Kündigung der Tarifverträge nicht verwirkt. Die Kündigung greift diesen Normenbestand für den fraglichen Zeitraum nicht an; die Klage soll ihn dem im Vorvertrag zum Ausdruck kommenden übereinstimmenden Willen der Parteien für den fraglichen Zeitraum anpassen.
4. Der begehrte Abschluss des Änderungstarifvertrages in der Formulierung des Hauptantrages ist entgegen der Revision nicht deshalb unbegründet, weil er zu einer unzulässigen Rückwirkung zu Lasten der Arbeitnehmer führt.
a) Die Revision rügt, die Abgabe der begehrten Willenserklärung führe dazu, dass in Ansprüche von Arbeitnehmern eingegriffen werde, die vor mehr als zwei Jahren entstanden und teilweise bereits abgewickelt seien. Dies verstoße gegen den rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz. Soweit das Bundesarbeitsgericht rückwirkende belastende Eingriffe in entstandene tarifliche Rechte bislang gebilligt habe, sei es um wesentlich kürzere Zeiträume gegangen. Es habe im November 2003 keinen Anlass für die betroffenen Arbeitnehmer gegeben, an der fortbestehenden Tarifgeltung des § 1 Nr. 5 des Zusatztarifvertrages zum BMT-AW II zu zweifeln, der den Bemessungssatz mit einem vollen Bruttomonatsgehalt bestimme.
b) Die Rüge ist nicht begründet. Die begehrte tarifliche Neuregelung greift zwar rückwirkend in bereits entstandene und zum Teil auch schon abgewickelte Ansprüche tarifgebundener Arbeitnehmer ein. Wäre sie deshalb unwirksam, müsste die Beklagte die verlangte Willenserklärung nicht abgeben, da ein Vorvertrag nur zum Abschluss eines rechtswirksamen Vertrages verpflichten kann (Henrich Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag S. 204). Die Rückwirkung des Tarifvertrages ist jedoch aus den Besonderheiten des Einzelfalles kein Grund, der Regelung ihre Wirksamkeit abzusprechen.
aa) Die Zulässigkeit der autonomen Festsetzung des Zeitpunkts des Inkrafttretens eines Tarifvertrages ergibt sich aus der den Tarifvertragsparteien in Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumten Normsetzungsbefugnis, die auch das Recht umfasst, die zeitliche Geltung der von ihnen geschaffenen Normen zu bestimmen (allg. Meinung, vgl. nur Wiedemann in Wiedemann § 1 Rn. 140 mwN). Dabei begegnet eine Regelung, bei der der Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vom Zeitpunkt der Unterzeichnung des Tarifvertrages aus in der Vergangenheit liegt, nicht nur keinen grundsätzlichen Bedenken. Es handelt sich dabei vielmehr um eine weit verbreitete Praxis, mit der zB nach Ablauf eines Tarifvertrages nachwirkende Normen rückwirkend durch neue, in ihrer zeitlichen Geltung an den abgelaufenen Tarifvertrag anknüpfenden tarifvertragliche Normen ersetzt werden. Auch die Parteien haben mit den Übergangstarifverträgen vom Tarifnormen vereinbart, die teilweise am in Kraft treten sollten, direkt im Anschluss an den Ablauf der Kündigungsfrist der vorherigen Tarifverträge. Diese Zulässigkeit einer rückwirkenden Inkraftsetzung gilt auch für verschlechternde Bedingungen (Senat - 4 AZR 661/98 - BAGE 92, 259, 265). Auch die rückwirkende Inkraftsetzung von Tarifnormen, die ihrerseits vollgültige Tarifnormen ablösen, also in laufende Tarifverträge eingreifen, sind prinzipiell von der Tarifautonomie gedeckt, da tarifliche Ansprüche unter dem "immanenten Vorbehalt" ihrer rückwirkenden Abänderbarkeit stehen (grdl. Senat - 4 AZR 879/93 - BAGE 78, 309; ebenso - 4 AZR 225/94 - AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 13; - 4 AZR 635/95 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 233 = EzA KSchG § 2 Nr. 27; - 4 AZR 216/99 - BAGE 94, 349, 356 f.; - BAGE 108, 176, 182 f.).
bb) Die Wirksamkeit einer in diesem Sinne rückwirkenden Änderung ist begrenzt durch den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Grundsatz für die Rückwirkung von Gesetzen aus Art. 20 GG abgeleitet: der Staatsbürger muss darauf vertrauen können, dass sein dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit verbundenen Rechtsfolgen anerkannt bleibt. In diesem Vertrauen wird ein Bürger dann verletzt, wenn der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände ungünstigere Folgen knüpft als an diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte. Deshalb besteht ein Vertrauensschutz ua. dann nicht, wenn der Bürger im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm mit einer Regelung rechnen musste, das geltende Recht unklar und verworren war oder der Bürger sich nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte ( - BVerfGE 13, 261, 271 f.).
cc) Dem im Hauptantrag des Klägers formulierten Tarifvertrag mit einer rückwirkenden Absenkung der Zuwendung von einem vollen Bruttomonatsgehalt auf einen Teil in Höhe von 83,79 % bzw. von 75 % auf 62,84 % für das Jahr 2003 steht ein Vertrauensschutz der tarifunterworfenen Arbeitnehmer der AWO nicht entgegen. Da der Vertrauensschutz ua. entfallen kann, wenn der Tarifgebundene mit einer Neuregelung rechnen muss, kann es hinsichtlich des insoweit vorausgesetzten Wissensstandes wegen des Kollektivbezugs der tariflichen Ordnung nicht auf den konkreten Informationsstand des einzelnen Arbeitnehmers bzw. Arbeitgebers ankommen (Däubler/Deinert § 4 Rn. 38). Als kollektiven Anknüpfungspunkt hat der Senat in seiner Entscheidung vom die "Kenntnis der betroffenen Kreise" bestimmt (- 4 AZR 879/93 - BAGE 78, 309, 331 f., unter Hinweis auf Senat - 4 AZR 27/88 -und auf die Rechtsprechung des BVerfG für deren Maßgeblichkeit bei der Rückwirkung von Gesetzen).
(1) Im Regelfall einer rückwirkenden Verschlechterung von tariflichen Ansprüchen steht das schutzwürdige Vertrauen des Arbeitnehmers auf Fortbestand der bisherigen tariflichen Regelung der tariflichen Normsetzungsbefugnis auch hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereichs gegenüber. Es geht dabei typischerweise um einander ablösende Tarifnormen und das Ausmaß des dem Arbeitnehmer als schutzwürdig zugestandenen Vertrauens in die Kontinuität der Wirksamkeit der bisher geltenden Tarifnorm. Im Streitfall ist die Konstellation jedoch eine andere. Hier war im Jahre 1994 eine dem Arbeitnehmer günstigere - im Wortlaut statische - Tarifnorm (§ 1 Nr. 5 des Zusatztarifvertrages) durch eine speziellere - im Wortlaut dynamische - Tarifnorm (Protokollnotiz zu § 1 Nr. 5 des Zusatztarifvertrages) überlagert worden. Die Besonderheit bestand darin, dass die statische Norm sich wegen ihrer Bezugnahme auf das jeweilige Bruttomonatsentgelt in einer dynamischen Anspruchssteigerung auswirkt, während die dynamische Norm nach dem Willen der Tarifvertragsparteien dazu führte, dass die Dynamik der Bezugsgröße Bruttomonatsgehalt nicht zur Wirkung kam. Aus Arbeitnehmersicht führte das dazu, dass seit 1993 ein stets gleichbleibender Geldbetrag als jährliche Zuwendung an sie ausgezahlt wurde. Möglich wurde dies bei der gewählten Regelungstechnik durch eine ständige dynamische Fortschreibung der Absenkungsprozentsätze.
(2) Bereits mit der fehlenden Regelung für das Jahr 2002 war keine Absenkung des vollen Anspruchs mehr erfolgt, so dass rechtlich alle Arbeitnehmer ein volles Bruttomonatsgehalt als Zuwendung hätten beanspruchen können. Dies ist unstreitig nicht in einem einzigen Fall geschehen. Angesichts dessen kann von einem bestehenden Vertrauen der Arbeitnehmer in die objektive Rechtslage, nämlich einen Anspruch auf ein volles Bruttomonatsgehalt, nicht ausgegangen werden. Die Arbeitnehmer gingen wie auch die Arbeitgeber im Gegenteil davon aus, dass die Dynamik der Absenkung entsprechend der Situation im öffentlichen Dienst fortgeschrieben worden war oder werden würde. Nach acht Jahren der Kontinuität des "Einfrierens" gab es keine Zweifel an der Fortsetzung dieser Praxis.
(3) Gleiches gilt für das Jahr 2003. Bis zum Februar 2004 wurde unstreitig im Bereich der AWO in keinem Fall eine erhöhte Zuwendung geltend gemacht. Die Praxis der Auszahlung der abgesenkten Zuwendung entsprach zwar nicht der objektiven Rechtslage, wurde aber in allen Arbeitsverhältnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern als zutreffend angesehen. Dies hat nicht etwa eine Änderung der Rechtslage zur Folge. Daraus ergibt sich aber, dass von einem subjektiven schutzwürdigen Vertrauen in eine objektive Rechtslage nicht die Rede sein kann, wenn diese objektive Rechtslage von keinem Arbeitnehmer oder Arbeitgeber auch nur als solche wahrgenommen wird. Vertrauen in die Dauerhaftigkeit einer Rechtslage setzt deren Kenntnis voraus. Daran fehlt es hier.
Frühestens ab Kenntniserlangung hätte daher schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründet werden können. Diese Kenntniserlangung über das Wiederaufleben des Anspruchs auf die volle Bruttomonatsvergütung als Zuwendung war die Folge der von der Beklagten in der "infopost" im Februar 2004 versandten Information. Die bloße Kenntnis einer aktuellen Rechtslage genügt aber nicht, um daraus ein schutzwürdiges Vertrauen abzuleiten, das einer nachträglichen, aber rückwirkenden Änderung entgegenstehen könnte. Der Vertrauensschutz beruht darauf, dass aus der Kenntnis einer bestimmten Rechtslage ein bestimmtes Verhalten folgt ("Dispositionen" des Bürgers, - BVerfGE 13, 261, 271; vgl. auch zB Wank in Wiedemann § 4 Rn. 248: "... schon eine wirtschaftliche Disposition getroffen ..."). Dies war hinsichtlich der Zuwendung für 2003 nicht geschehen. Diese wurde in der abgesenkten Höhe von allen Arbeitnehmern der AWO hingenommen, ohne dass eine einzige Klage oder auch nur Geltendmachung zu verzeichnen war.
Im Übrigen ist ein Vertrauensschutz auch deshalb nicht gegeben, weil unmittelbar nach Kenntniserlangung über die objektive Rechtslage durch die "infopost" der Beklagten im Februar 2004 der Kläger die Arbeitnehmer der AWO über seinen Rechtsstandpunkt informierte. Ab diesem Zeitpunkt mussten die Arbeitnehmer mit einer Änderung der tariflichen Rechtslage rechnen.
(4) Dabei ist auch nicht von entscheidender Bedeutung, dass die Zuwendungen für 2003 in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehalts teilweise schon gezahlt worden sind. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom ausdrücklich offen gelassen, ob bereits abgewickelte Ansprüche durch eine rückwirkende tarifliche Regelung vermindert werden können (- 4 AZR 879/93 - BAGE 78, 309, 332). Diese Frage ist zu bejahen. Es ist bereits unzutreffend, dass durch die Erfüllung das rechtlich relevante Vertrauen in den Bestand der Forderung noch einmal gesteigert worden ist. Das rechtsstaatliche Vertrauensinstrumentarium ist bereits bei entstandenen Ansprüchen ausgeschöpft (Houben Die Rückwirkung von Tarifverträgen S. 293). Reale Handlungen, die sich allein auf die Erfüllung eines - entstandenen oder noch nicht entstandenen - Anspruchs beziehen, entfalten insoweit keine Rechtswirkungen, sondern sind allenfalls im Rahmen eines möglichen Wegfalls der Bereicherung iSv. § 818 Abs. 3 BGB von Bedeutung. Auch sind angesichts der kurzen Zeit, während der im Streitfall das Vertrauen allenfalls bestanden haben kann (zwischen der "infopost" der Beklagten und dem umgehend versandten Rundschreiben des Klägers), Nachforderungen, die in dieser Zeit durch die Arbeitgeber erfüllt worden sind, eher Ausnahmen. Entscheidend fällt aber ins Gewicht, dass säumige Arbeitgeber durch die Annahme, in bereits abgewickelte Forderungen könne nicht eingegriffen werden, gegenüber denjenigen, die den Forderungen nachgekommen sind, ohne Grund bevorteilt werden würden. Diese Differenzierung wäre auch aus der Sicht der Arbeitnehmer ungerechtfertigt (vgl. dazu auch Wiedemann in Wiedemann § 1 Rn. 146; Däubler/Deinert § 4 Rn. 37; Richardi Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses S. 441; Houben S. 295).
(5) Für das Jahr 2004 konnte schon wegen der den Arbeitnehmern bekannten Kontroverse und wegen des von dem Kläger eingeleiteten Rechtsstreits kein Vertrauensschutz auf einen Zuwendungsanspruch in Höhe eines vollen Bruttomonatsentgelts entstehen. Für 2004 mussten die Arbeitnehmer mit einer - möglicherweise auch rückwirkenden - Änderung der Höhe der Zuwendung rechnen. Dies ist im Nachfolgenden dann auch durch die Parteien selbst, also auch unter Mitwirkung der Beklagten, geschehen, weil in den Übergangstarifverträgen vom die Zuwendungen für 2004 durch eine Absenkung geregelt wurden, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt schon in der der seinerzeitigen objektiven Rechtslage entsprechenden Höhe von einem Bruttomonatsgehalt entstanden bzw. fällig geworden und der seinerzeitigen Fälligkeitsregelung entsprechend möglicherweise sogar schon mit dem Dezember-Gehalt ausgezahlt waren.
Im Übrigen waren die Tarifverträge, in denen die Zuwendung geregelt war, von dem Kläger zum gekündigt worden und befanden sich jedenfalls seit diesem Zeitpunkt im Nachwirkungszeitraum gemäß § 4 Abs. 5 TVG. Der Ablauf des Tarifvertrages und der Eintritt der Nachwirkung beseitigt aber grundsätzlich das schützenswerte Vertrauen in die Kontinuität der tariflichen Regelung über den Beendigungszeitpunkt hinaus (Senat - 4 AZR 661/98 - BAGE 92, 259, 264 f.).
5. Der Hauptantrag des Klägers ist entgegen der Revision auch nicht deshalb unbegründet, weil die noch nicht erfüllte Verpflichtung aus dem Vorvertrag auf die Abgabe der Willenserklärung zu den genannten tariflichen Regelungen für die Zuwendung im Jahr 2004 durch den Abschluss des ÜbgTV-BUND-West bzw -Ost entfallen ist.
a) Eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung ist dann begründet, wenn der Beklagte zur Abgabe der im Antrag formulierten Willenserklärung verpflichtet ist. Umfasst der Antrag inhaltlich mehrere einzelne Punkte, die in einer einzigen Willenserklärung, zB der Zustimmung zu einem vollständig ausformulierten Vertrag, zusammengefasst sind, ist die Klage nur begründet, wenn jeder der einzelnen in dem Vertrag enthaltenen Erklärungsbestandteile von der Verpflichtung der Beklagten erfasst sind.
b) Dies ist vorliegend der Fall. Die Beklagte ist verpflichtet, die von dem Kläger im Hauptantrag formulierten Regelungen über die Zahlung einer Zuwendung auch für das Jahr 2004 zu vereinbaren, obwohl für die Zuwendung für das Jahr 2004 zwischenzeitlich im ÜbgTV-BUND-West vom verbindliche Regelungen geschaffen worden sind, an deren materiell-rechtlicher Wirksamkeit keine Zweifel bestehen.
aa) Der im Hauptantrag formulierte Änderungstarifvertrag erfasst mehrere Regelungsgegenstände. Es handelt sich um die in der Tarifeinigung genannten, im Nachhinein aber nicht umgesetzten Regelungen für die Zuwendungen an die Arbeitnehmer der AWO in den Jahren 2003 und 2004.
bb) Für das Jahr 2004 haben die Parteien inzwischen eine vollgültige Regelung getroffen. Der konkrete, für das Jahr 2004 von den Tarifvertragsparteien so genannte "aktuelle Bemessungssatz" ist für das Tarifgebiet West in § 2 Ziff. 7 ÜbgTV-BUND-West auf 82,14 % und für das Tarifgebiet Ost in § 2 Ziff. 7 ÜbgTV-BUND-Ost auf 61,60 % der Bemessungsgrundlage, dh. in der Regel eines Bruttomonatsgehalts festgesetzt worden. Diese Neuregelung würde nur dann zur Unbegründetheit des Hauptantrages führen, wenn damit die für 2004 zu zahlende Zuwendung abschließend und verbindlich geregelt wäre. Denn der Kläger hat keinen Anspruch darauf, von der Beklagten die Abgabe einer Willenserklärung zu verlangen, die keinerlei Rechtsauswirkungen hat. Dies ist hinsichtlich der Zuwendungsregelung für 2004 aber auch unter Berücksichtigung des ÜbgTV-BUND-West bzw. -Ost nicht der Fall.
(1) Zwar ist der Regelfall einer Zuwendung für das Jahr 2004 mit der Einigung in den Übergangstarifverträgen nunmehr neu und abschließend geregelt. Dies zeigt sich auch darin, dass die Höhe der Zuwendung von der im Streitfall vom Kläger verlangten Regelung abweicht. Während der Kläger von der Beklagten im Hauptantrag für das Jahr 2004 die Zustimmung zu einem "aktuellen Bemessungssatz" von 82,47 % (West) bzw. 61,85 % (Ost) verlangt, ist die Höhe dieses "aktuellen Bemessungssatzes" zwischen den Parteien in den ÜbgTV-BUND geregelt, nämlich 82,14 % (West) bzw. 61,60 % (Ost). Der Kläger hat zugestanden, dass es sich dabei um eine abweichende neue Vereinbarung handelt, die zu einer geringeren Zuwendung für 2004 führt und die er der Beklagten in den Verhandlungen des Jahres 2004 "abringen" konnte.
(2) Es gibt aber gleichwohl noch einen Anwendungsbereich für die vom Kläger angestrebte Neuregelung der Zuwendung für 2004 in dem in der Tarifeinigung vorausgesetzten Sinn. Denn nicht alle denkbaren Fälle der Zuwendung für das Jahr 2004 sind von dem ÜbgTV-BUND-West bzw. -Ost erfasst. Die Zuwendung für die in § 46 Abs. 2 BMT-AW II bzw. BMT-AW O genannten Arbeitnehmer, die im Jahre 2004 vor dem 1. Oktober aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, wird in den ÜbgTV-BUND nicht geregelt.
(a) §§ 46, 47 BMT-AW II bzw. BMT-AW O sind bis zum in unveränderter Form in Kraft geblieben. Anschließend sind sie durch § 2 Eingangssatz ÜbgTV-BUND-West bzw. -Ost als vollgültige Tarifnorm aufrechterhalten geblieben. Ihre unmittelbare Geltung wird auch durch den angestrebten Änderungstarifvertrag nicht berührt.
(b) Ab dem hat - bei Aufrechterhaltung der sonstigen Regelungen - allein § 47 Abs. 1 BMT-AW II bzw. BMT-AW O eine abweichende Formulierung erfahren, die auch eine Abkehr von der bisherigen Regelungstechnik enthält. Denn von nun ab wird die Höhe der Zuwendung nicht mehr "in einem Zusatztarifvertrag geregelt" (so die Formulierung des § 47 Abs. 1 BMT-AW II aF), sondern die Tarifvertragsparteien haben den Prozentsatz für 2004 unmittelbar in § 47 Abs. 1 BMT-AW II bzw. BMT-AW O festgesetzt und für die folgenden Jahre modifizierende Regelungen getroffen. Gleichzeitig ist die bisherige, bis zum geltende Regelung in dem Zusatztarifvertrag (§ 1 Nr. 5 des Zusatztarifvertrages) "gestrichen" worden.
(c) Anspruchsvoraussetzung für eine Zuwendung ist das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres (§ 46 Abs. 1 Ziff. 1 BMT-AW II iVm. § 2 Eingangssatz ÜbgTV-BUND). Mit dieser zulässigen Stichtagsregelung (vgl. dazu - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 214 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 155 mwN) wird zugleich im Grundsatz ausgeschlossen, dass Arbeitnehmer, die etwa im Jahr 2004 bis zum 30. September ausgeschieden sind, einen Anspruch auf eine Zuwendung haben.
(d) Eine Sonderregelung für eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern der AWO findet sich jedoch in § 46 Abs. 2 BMT-AW II bzw. BMT-AW O. Die Vorschrift lautet:
"Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des 30. November wegen des Bezuges der Altersrente nach §§ 35, 39 SGB VI oder infolge verminderter Erwerbsfähigkeit gem. § 39a oder wegen des Bezugs der Altersrente nach §§ 36 oder 37 SGB VI endet, erhält eine Zuwendung, wenn er mindestens vom Beginn des Kalenderjahres an ununterbrochen als Angestellter, Arbeiter, Auszubildender oder Praktikant im Dienst der Arbeiterwohlfahrt gestanden hat. Absatz 1 gilt nicht."
Diese Tarifnorm gilt auf Grund § 2 Eingangssatz ÜbgTV-BUND-West bzw. -Ost auch nach dem . Da sie ausdrücklich anordnet, dass § 46 Abs. 1 BMT-AW II bzw. BMT-AW O für diese Arbeitnehmer nicht gilt, haben diese auch dann einen Anspruch auf eine (anteilige, vgl. § 47 Abs. 3 und 6 BMT-AW II bzw. BMT-AW O) Zuwendung für das Jahr 2004, wenn sie vor dem (Stichtag) im Laufe des Jahres ausgeschieden sind. Bei einem Ausscheiden am oder nach dem richtet sich die Zuwendungszahlung gleichwohl nach den Übergangstarifverträgen, da diese am in Kraft traten. Für Arbeitnehmer, die bis zum aus den in § 46 Abs. 2 BMT-AW II bzw. BMT-AW O genannten Gründen ausgeschieden sind, gilt die Neuregelung der Übergangstarifverträge dagegen nicht.
Dies wird durch die Regelung über den Zeitpunkt der Zuwendungszahlung bestätigt. Heißt es für den Regelfall in § 47 Abs. 7 BMT-AW II bzw. BMT-AW O, dass die Zuwendung "spätestens zwischen dem 15. November und 15. Dezember gezahlt werden" soll (was für das Jahr 2004 die Übergangstarifverträge zur Anwendung bringen würde), bestimmt § 47 Abs. 8 BMT-AW II bzw. BMT-AW O:
"In den Fällen des § 46 Abs. 2 soll die Zuwendung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden."
Die Wortwahl einer Soll-Vorschrift führt nicht zu einer Relativierung; es handelt sich um eine Fälligkeitsregelung, die einen Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers zu diesem Zeitpunkt begründet ( - KirchE 34, 29 zu den AVR der Caritas).
Die in § 46 Abs. 2 BMT-AW II bzw. BMT-AW O genannten Arbeitnehmer, die im Jahre 2004 vor dem 1. Oktober aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, haben damit einen Anspruch auf eine Zuwendung, deren Höhe sich nicht nach den Übergangstarifverträgen bemisst, sondern nach den tariflichen Regelungen, die bis zum galten. Insoweit besteht zwischen der vom Kläger angestrebten Rechtslage und der ohne den im Hauptantrag genannten Tarifvertrag bestehenden Rechtslage ein signifikanter Unterschied, so dass auch für das Jahr 2004 ein Anwendungsbereich für die vom Kläger angestrebte Regelung verbleibt.
(3) Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger sich in der Protokollerklärung zu § 2 Ziff. 7 ÜbgTV-BUND-West bzw. -Ost ausdrücklich nur die Frage der Zuwendung für das Jahr 2003 offen hält und vom Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits abhängig macht. Es ist zwar zutreffend, dass für das Jahr 2004 damit ein Vorbehalt nicht erklärt worden ist. Aus dem bloßen Fehlen dieses Vorbehalts für das Jahr 2004 ist aber nicht zu schließen, dass der Kläger über den Inhalt der Übergangstarifverträge hinaus weitere Regelungen konstitutiv vereinbaren wollte. Die Wirksamkeit der Übergangstarifverträge wird nicht in Frage gestellt. Sie erfassen - wie dargelegt - die Arbeitnehmer gem. § 46 Abs. 2 BMT-AW II bzw. BMT-AW O aber schon vom Anwendungsbereich her nicht, soweit sie bis zum ausgeschieden sind. Zugunsten der Beklagten kann sogar unterstellt werden, dass der Kläger in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen ist, dass tatsächlich nach der mit den Übergangstarifverträgen geschaffenen Rechtslage alle Zuwendungen für das Jahr 2004 erfasst worden sind. Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass er eine konstitutive Regelung für die Arbeitnehmer gem. § 46 Abs. 2 BMT-AW II bzw. BMT-AW O allein durch die Protokollerklärung - und dabei konstitutiv gerade durch die Nichterwähnung des Vorbehalts für das Jahr 2004 - schaffen wollte. Im Gegenteil zeigt der Verweis auf das laufende Arbeitsgerichtsverfahren unter Angabe des Aktenzeichens, dass der dortige Streitgegenstand nicht über den eigentlichen Regelungsgehalt der Übergangstarifverträge hinaus betroffen sein sollte. Dass dabei das Schwergewicht auf den Zuwendungen für das Jahr 2003 lag, ergibt sich bereits aus der wirtschaftlichen Bedeutung der ca. 3.000 Nachforderungen für das Jahr 2003, angesichts dessen die vergleichsweise wenigen Arbeitnehmer, die unter die Regelung des § 46 Abs. 2 BMT-AW II bzw. BMT-AW O fallen und im Jahre 2004 bis zum 30. September aus den genannten Gründen ausgeschieden sein dürften, die dazu auch noch nur eine anteilige Zuwendung erhalten, als wirtschaftlich wenig bedeutend erscheinen mussten.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2007 S. 556 Nr. 10
TAAAC-37772
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein