BFH Urteil v. - VIII R 97/02 BStBl 2007 II S. 555

Steuerpflicht von Kursgewinnen bei Reverse Floatern

Leitsatz

Kursgewinne aus der Veräußerung von Reverse Floatern sind nicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG steuerpflichtig. Die Vorschrift ist im Wege teleologischer Reduktion bzw. verfassungskonformer Auslegung tatbestandlich dahin einzugrenzen, dass die Regelung auf solche Wertpapiere keine Anwendung findet, bei denen keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und bei denen eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist.

Gesetze: EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7EStG § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4

Instanzenzug: (EFG 2003, 314) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die steuerliche Behandlung von Kursgewinnen bei sog. Reverse Floatern. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Kläger erwarben am (Klägerin) sowie am (Kläger) Inhaber-Teilschuldverschreibungen einer Anleihe der X im Gesamtnennwert von nominal 30 000 DM (Klägerin) bzw. 90 000 DM (Kläger) zu einem Kurs von 100,4 % (Klägerin) bzw. 104 % (Kläger). Die Laufzeit der Anleihe erstreckte sich vom bis zum ; der Erstausgabekurs betrug 100 %, die Rückzahlung sollte zum Nennwert erfolgen. In der Zeit vom bis einschließlich betrug die Verzinsung der Anleihe 9 % p.a., ab dem erfolgte eine variable Verzinsung in Höhe von 13 % abzüglich des „Sechs-Monats-DM-LIBOR” zum festgelegten Stichtag, wobei in keinem Fall ein höherer LIBOR-Satz als 13 % in Abzug zu bringen war. Die variablen Zinsen waren halbjährlich nachträglich am 10. Februar bzw. 10. August eines jeden Jahres fällig. Ferner erwarb der Kläger am Inhaber-Teilschuldverschreibungen einer Anleihe der Y zum Nennwert von nominal 40 000 DM zu einem Kurs von 103,25 % mit einer Laufzeit vom bis zum . Die Rückzahlung sollte zum Nennwert erfolgen, die Verzinsung betrug in den ersten zwei Jahren der Laufzeit 7,5 % p.a. Ab erfolgte eine variable Verzinsung in Höhe von 12,5 % abzüglich des in den Anleihebedingungen näher bezeichneten „LIBOR-Satzes” zum festgelegten Stichtag, wobei in keinem Fall ein höherer LIBOR-Satz als 12,5 % p.a. in Abzug zu bringen war. Die Verzinsung erfolgte halbjährlich nachträglich jeweils am 19. März bzw. 19. September eines jeden Jahres.

Die Kläger veräußerten die Anleihen —sämtlich vor Endfälligkeit— im August 1997 und erzielten dabei Kursgewinne in Höhe von insgesamt 17 440 DM. Die Kursgewinne setzen sich zusammen aus

- 4 470 DM aus der Veräußerung der der Klägerin zuzurechnenden Anleihe (Reverse Floater) der X zum Kurswert von 115,3 %,

- 10 170 DM aus der Veräußerung der dem Kläger zuzurechnenden Anleihe (Reverse Floater) der X zum Kurswert von 115,3 % und

- 2 800 DM aus der Veräußerung der dem Kläger zuzurechnenden Anleihe (Reverse Floater) der Y zum Kurswert von 110,25 %.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) unterwarf diese Gewinne im Einkommensteuerbescheid 1997, der aus hier nicht streitigen Gründen durch Bescheid vom geändert wurde, gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c bzw. Buchst. d des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 314 veröffentlichten Urteil vom 1 K 1807/99 als unbegründet ab. Das FG entschied, das FA habe die bei der Veräußerung der Reverse Floater erzielten Kursgewinne zutreffend gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und d EStG der Besteuerung unterworfen. Soweit gegen die Besteuerung der Kursgewinne verfassungsrechtliche Bedenken erhoben wurden, weil Reverse Floater keine von vornherein berechenbare Emissionsrendite aufwiesen und die Anwendungsregelung des § 52 Abs. 37 b EStG erst durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2001 vom (BGBl I 2001, 3794) in das EStG eingefügt worden sei, war das FG der Auffassung, zwischen Reverse Floatern und sonstigen Kapitalanlagen, die nicht von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst würden, beständen gravierende Unterschiede, die eine unterschiedliche Behandlung der Kursgewinne rechtfertigen könnten. Bei Reverse Floatern z.B. hänge der Kursgewinn(-verlust) unmittelbar mit der Veränderung des Zinsniveaus am Markt zusammen, bei Aktien sei das indes nur eine mögliche Ursache für eine Kursänderung. Die Spekulation auf Kursgewinne bei Reverse Floatern ziele daher —anders als bei Aktien— auf eine Zinsveränderung am Markt, so dass es nicht völlig sachfremd sei, diesen Gewinn ähnlich einem Zinsertrag zu besteuern. Im Übrigen beinhalte die Anwendungsregelung des § 52 Abs. 37 b EStG, nach der die Neufassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden sei, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig seien, eine ausnahmsweise zulässige echte Rückwirkung.

Die Kläger rügen mit der Revision die unrichtige Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG und des § 52 Abs. 37 b EStG. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 sei nicht gesetzeskonform und könne wegen Verstoßes gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Verbot einer echten Rückwirkung von Gesetzen keine Anwendung finden.

Die Kläger beantragen,

das aufzuheben und die Einkommensteuer unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom soweit herabzusetzen, wie sie sich bei einer Minderung der Einkünfte aus Kapitalvermögen um 17 440 DM ergibt.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Die Kursgewinne der Kläger aus der Veräußerung der Reverse Floater sind entgegen der Auffassung des FG keine steuerpflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und d EStG i.d.F. des StÄndG 2001.

1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 1997 gültigen Fassung gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch die Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von sonstigen Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (Buchst. c, 2. Alternative) oder bei denen die Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden (Buchst. d, 1. Alternative), soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben die Kapitalforderungen keine Emissionsrendite oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag; bei Kapitalforderungen in einer ausländischen Währung ist der Unterschied in dieser Währung zu ermitteln. Dies gilt gemäß Satz 4 entsprechend bei Endfälligkeit von Kapitalforderungen. Diese durch das StÄndG 2001 eingeführte Fassung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG ist gemäß § 52 Abs. 37 b EStG für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Sie kommt daher auch im Streitfall zur Anwendung.

a) Floater sind variabel verzinsliche Schuldverschreibungen, bei denen der Zinssatz viertel- oder halbjährlich im Voraus, unter Bezug auf einen Referenzzinssatz des Geldmarktes (im Streitfall: LIBOR), ggf. zuzüglich eines Aufschlags oder abzüglich eines Abschlags auf den Referenzzinssatz, festgelegt wird (vgl. Dötsch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rdnr. O 117, „Floater"; Gabler, Bank-Lexikon, herausgegeben von Grill/Gramlich/Eller, 11. Aufl., „Floating Rate Notes”). Der LIBOR (London Interbank Offered Rate) ist der Geldmarktsatz, zu dem Banken in London bereit sind, Gelder bei anderen Banken kurzfristig anzulegen (vgl. Dötsch, in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rdnr. O 117, „Floater"; , BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, und vom VIII R 22/99, BFH/NV 2001, 1555).

Nach allgemeiner Auffassung erfüllen Floater den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und d EStG insoweit, als die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis, nämlich der Höhe des Referenzzinssatzes im Zeitpunkt der jeweiligen Zinssatzanpassung, abhängt (Buchst. c, 2. Alternative) und als —daraus resultierend— Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe (Buchst. d, 1. Alternative) gezahlt werden (vgl. z.B. Dötsch, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rdnr. O 79). Das gilt gleichermaßen für sog. Reverse Floater, d.h. für variabel verzinsliche Schuldverschreibungen, bei denen die Zinsanpassung nicht unmittelbar an einen Referenzzinssatz wie LIBOR oder FIBOR (Frankfurt Interbank Offered Rate) geknüpft ist, sondern durch Abzug des Referenzzinssatzes von einem festen Nominalzins erfolgt (vgl. Harenberg/Irmer, Die Besteuerung privater Kapitaleinkünfte, 3. Aufl., S. 469).

Darüber, dass die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt sind, besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

b) Wegen der Abhängigkeit der Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis (Höhe des Referenzzinssatzes im Zeitpunkt der Zinssatzanpassung) und den daraus resultierenden Kapitalerträgen in unterschiedlicher Höhe haben Reverse Floater keine —auch keine vom Steuerpflichtigen nachweisbare— Emissionsrendite (vgl. Senatsurteile in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, und in BFH/NV 2001, 1555). Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 wäre als Kapitalertrag der Kläger daher der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb der Reverse Floater und den Einnahmen aus der Veräußerung der Papiere, d.h. der Kursgewinn von insgesamt 17 440 DM, zu erfassen.

2. Ein solches Ergebnis ist aber nach Auffassung des Senats mit dem Sinn und Zweck des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG indes nicht vereinbar. Das gilt sowohl für die Fassung der Norm vor ihrer Neugestaltung durch das StÄndG 2001 (vgl. dazu die Auslegungsgrundsätze in den Senatsurteilen in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, und in BFH/NV 2001, 1555) als auch für die Neuregelung für Kapitalforderungen ohne Emissionsrendite durch das StÄndG 2001.

a) Für die ursprünglich im Streitjahr 1997 geltende Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG hat der Senat bereits mit Urteilen in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, und in BFH/NV 2001, 1555 klargestellt, dass die in Satz 1 der Nr. 4 des § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG getroffene Regelung, wonach Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von sonstigen Kapitalforderungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören, soweit sie der „rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite” entsprechen, dahin zu verstehen ist, dass Wertpapiere ohne eine von vornherein bezifferbare Emissionsrendite, damit auch Reverse Floater, nicht unter den gesetzlichen Tatbestand fallen. Denn die Ermittlung der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite setzt das Vorliegen einer Emissionsrendite im gesetzlichen Sinne voraus. Fehlt sie, ist ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands nicht erfüllt. An diesen Auslegungsgrundsätzen hält der Senat in vollem Umfang fest und nimmt darauf Bezug (vgl. dazu im Einzelnen Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, und in BFH/NV 2001, 1555, jeweils m.w.N.). Die von den Klägern erzielten Kursgewinne wären danach nicht steuerpflichtig.

b) Das gilt im Ergebnis gleichermaßen nach der Neuregelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 und der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 37 b EStG, nach der die Neufassung der Norm für Wertpapiere ohne Emissionsrendite für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden ist, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind.

aa) Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlung des Kapitalertrags nach der sog. Marktrendite gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG das System der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) durchbricht. Denn die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen wird von dem Grundsatz beherrscht, dass zwischen dem Kapitalvermögen als solchem und dem Ertrag als Frucht des Kapitals zu unterscheiden ist; grundsätzlich wirken sich deshalb Wertveränderungen der Kapitalanlage als solche auf die Besteuerung der erzielten Erträge im Rahmen des § 20 EStG nicht aus (vgl. Senatsurteile in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, und in BFH/NV 2001, 1555, m.w.N.). Ausdruck dieser Differenzierung zwischen Nutzung des Kapitals einerseits und Nutzung der Werthaltigkeit des Kapitals andererseits ist es, wenn sich ausnahmsweise aus Wertsteigerungen Kapitalerträge i.S. von § 20 EStG ergeben können, soweit in ihnen Nutzungen enthalten sind (vgl. , BFHE 171, 48, BStBl II 1993, 602, m.w.N.).

Wie der Senat bereits mit Urteilen in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 und in BFH/NV 2001, 1555 zum Ausdruck gebracht hat, beinhaltet die Erfassung von Wertveränderungen, die lediglich den Vermögensstamm betreffen und auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht mehr als Frucht des Geldkapitals oder Entgelt für die Kapitalnutzung zu beurteilen sind, eine Systemabweichung, die vom Gesetzgeber klar und eindeutig festzulegen ist und einer sachlichen Rechtfertigung bedarf. Es stellt sich daher die Frage, ob die Maßgeblichkeit der Marktrendite gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 eine sachlich gerechtfertigte Anpassung des Binnensystems des § 20 EStG an geänderte wirtschaftliche Lebenssachverhalte darstellt, die der grundsätzlichen, im System des EStG hinsichtlich der Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 3 bis 7 EStG) angelegten Differenzierung zwischen sog. Quellenausnutzung und Quellenverwertung sowie deren unterschiedlicher —wenngleich z.T. angenäherter (vgl. §§ 17, 23 EStG)— Erfassung Rechnung trägt. Denn die systematische Differenzierung zwischen Kapitalnutzung und Kapitalverwertung bzw. Ertrags- und Vermögenssphäre stößt auf Grenzen der Praktikabilität, soweit wirtschaftliche Lebenssachverhalte der Besteuerung unterworfen werden sollen, bei denen die an sich gebotene Abschöpfung nur des Kapitalnutzungsentgeltes nicht gewährleistet werden kann, weil dieses nach der typischen Ausgestaltung des Wertpapiers nicht im herkömmlichen Sinn von dessen Wertentwicklung abgrenzbar und der Höhe nach konkret bestimmbar ist (vgl. dazu Senatsurteil vom VIII R 79/03, zur Veröffentlichung bestimmt).

bb) Im Streitfall kann diese Frage indes offenbleiben. Denn bereits aus Sinn und Zweck des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 ergibt sich, dass diese Regelung auf Wertveränderungen bei Reverse Floatern keine Anwendung finden kann. Mit der Neuregelung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (StMBG) vom (BGBl I 1993, 2310, 2313, BStBl I 1994, 50, 53) hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab nicht die Erfassung jeglicher Wertveränderungen im Vermögensstamm angestrebt (vgl. Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, m.w.N.). Vielmehr wollte er lediglich Kapitalanlagen, bei denen an sich steuerpflichtige Zinserträge als steuerfreier Wertzuwachs konstruiert werden (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59) und die sich den Umstand zunutze machen, dass nach bis dahin gültigem Recht im Privatvermögen zwischen steuerpflichtigen Kapitalerträgen (z.B. Zinsen) und steuerfreien Vermögensmehrungen (z.B. Kursgewinne) unterschieden worden war (vgl. BTDrucks 12/6078, S. 116), so umfassend wie möglich in die Besteuerung einbeziehen. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, „dass Vorteile, die unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrer zivilrechtlichen Gestaltung bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung erzielt werden, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören” (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59). Es sollte die Grundlage dafür geschaffen werden, „dass im Falle der Veräußerung von Wertpapieren die im Kurs der Papiere und damit im Veräußerungspreis enthaltenen Erträge auch im Privatbereich der Einkommensteuer und dem Zinsabschlag unterliegen” (BTDrucks 12/6078, S. 117). Dieser Zweck sollte durch die Erstreckung der Besteuerung von Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG auf sog. Kursdifferenzpapiere ohne eine von vornherein bezifferbare Emissionsrendite erreicht werden (vgl. zur grundsätzlichen Problematik der Besteuerung von Finanzinnovationen Wagner, Die Besteuerung von Finanzinnovationen im Privatvermögen, Die steuerliche Betriebsprüfung —StBp— 2002, 300 f. und 331 f.; Korn, Die Besteuerung von Anleihen nach dem Entwurf des StÄndG 2001, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2001, 1507, Harenberg, Die Behandlung diverser Kapitalanlageformen im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 20 Abs. 2 EStG aus Verwaltungssicht, Finanz-Rundschau —FR— 2002, 819; Delp, Die Besteuerung von Finanzinnovationen nach dem StÄndG 2001, Die Information über Steuer und Wirtschaft —Inf— 2002, 170; Schultze/Spudy, Auswirkungen des auf die Besteuerung von Finanzinnovationen, DStR 2001, 1143; Haisch/Danz, Grundsätze der Besteuerung von Zertifikaten im Privatvermögen, DStR 2005, 2108; Haisch, Grundfragen der Besteuerung von Finanzinnovationen, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2005, 102).

Bei „einfachen” Floatern, bei denen die Verzinsung —abgesehen von einem Auf- oder Abschlag— mit dem jeweiligen LIBOR oder FIBOR identisch ist, sind diese Besonderheiten nicht gegeben. Weder gibt es einen verdeckten Zinsertrag, noch sind Floater durch eine Kombination von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals gekennzeichnet. Im Gegenteil, Ertrags- und Vermögensebene sind nicht miteinander verknüpft und ohne jede Schwierigkeit voneinander abgrenzbar. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat daher bereits kurz nach der gesetzlichen Neuregelung im Schreiben vom IV B 4 -S 1980- 5/94 (FR 1994, 206) erklärt, dass bei der einfachsten Form der Floater, bei der die Verzinsung ausschließlich mit dem jeweiligen LIBOR oder FIBOR identisch ist, keine Bedenken bestehen, wenn die Kapitalerträge aus der Veräußerung nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG, sondern nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG steuerlich erfasst werden (so auch , Einkommensteuerrechtliche Behandlung diverser Kapitalanlageformen, juris). Es hat dies damit gerechtfertigt, dass sich im Erwerbspreis für das Papier keine künftigen Ertragserwartungen niederschlagen. Auch im Schrifttum wird ganz überwiegend die Auffassung vertreten, die Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung von Floatern seien nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen (vgl. die Nachweise im Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97).

Bei Reverse Floatern ist die Situation vergleichbar. Auch bei ihnen gibt es weder verdeckte Zinserträge noch eine Vermengung von Ertrags- und Vermögensebene. Der Zinsertrag liegt vielmehr offen und ist ohne jede Schwierigkeit zu ermitteln. Der Unterschied zu „einfachen” Floatern besteht lediglich darin, dass bei letzteren der Zinssatz unmittelbar an den jeweiligen Referenzzinssatz geknüpft ist, während beim Reverse Floater ein fester Zinssatz zugrunde gelegt wird —z.B. 15 %—, von dem dann der (variable) Referenzzinssatz —LIBOR, FIBOR etc.— abgezogen wird (vgl. Harenberg/Irmer, a.a.O., S. 469). Da auch beim Reverse Floater die Höhe der Verzinsung letztlich vom jeweiligen Referenzzins abhängt, ist nicht einleuchtend, weshalb diese Form des Floaters anders besteuert werden sollte als der „einfache” Floater. Wenn der Zinssatz bei Letzterem jeweils mit dem Referenzzins (LIBOR, FIBOR etc.) identisch ist, werden sich naturgemäß keine oder keine nennenswerten Kursveränderungen ergeben. Bei einem Reverse Floater mag das zwar anders sein, insoweit bestehen aber Parallelen zu festverzinslichen Papieren, die aufgrund der Kapitalmarktentwicklungen ebenfalls Kursschwankungen unterworfen sind.

Festverzinsliche Papiere, z.B. eine Bundesanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren und einer festen Verzinsung von 6 % p.a., unterliegen je nach Kapitalmarktentwicklung Kursschwankungen. Steigt der Zins, fällt der Kurs der Anleihe; ermäßigt sich der Geldmarktzins, steigt der Kurs der Anleihe. Diese Kursveränderungen werden bei einer Zwischenveräußerung unstreitig nicht nach § 20 EStG erfasst, sondern finden allenfalls im Rahmen des § 23 EStG Berücksichtigung. Bei einem Reverse Floater hängt die Kursentwicklung ebenfalls vom jeweiligen Kapitalmarktniveau ab. Steigt der Referenzzinssatz, ermäßigt sich der Zinsertrag mit der Folge, dass der Kurs des Papiers sinkt. Fällt der Referenzzinssatz, steigt der Zinsertrag und damit auch der Kurs, wobei die laufenden Zinsen stets nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig sind. Weshalb bei einer Zwischenveräußerung Kursgewinne/-verluste nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG —anders als bei festverzinslichen Papieren— Berücksichtigung finden sollen, erschließt sich daher nicht.

cc) Auf der Grundlage, dass § 20 EStG systematisch von der objektiven Unmaßgeblichkeit jeglicher Wertveränderungen der Kapitalanlage, des Vermögensstamms, ausgeht, wäre im Streitfall die steuerliche Abschöpfung von Kursdifferenzen im Rahmen von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und d, Satz 2 EStG als Abweichung vom Binnensystem des § 20 EStG sachlich nicht gerechtfertigt.

Wie vorstehend unter II.2.b bb der Gründe bereits dargelegt, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 darauf gerichtet, den wirtschaftlichen Lebenssachverhalt der Anlage in sog. Finanzinnovationen zu erfassen, bei denen es typischerweise darum geht, die wirtschaftliche Nutzung des Kapitalvermögens durch entgeltliche Überlassung an einen Dritten mit der Abschöpfung von Kursdifferenzen zu verbinden und dabei auch etwaige Kursgewinne der Besteuerung zuzuführen. Dies stellt eine Anpassung der Einkunftsart des § 20 EStG an neue wirtschaftliche Gestaltungen dar, mit der sich der Gesetzgeber noch im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bewegt (vgl. dazu im Einzelnen Senatsurteil vom VIII R 79/03, zur Veröffentlichung bestimmt). Denn die Regelung trägt zum einen den wirtschaftlichen Eigenheiten der zu erfassenden Finanzinnovationen Rechnung, zum anderen genügt sie unter möglichster Wahrung der systematischen Abgrenzung von Kapitalnutzung und Ausnutzung der Wertveränderung des Kapitals den Anforderungen der Praktikabilität.

Wertpapiere dieser speziellen Art stellen eine Anlageform dar, über die für eine Überlassung von Kapital auf Zeit ein möglichst hohes Entgelt im wirtschaftlichen Sinne erzielt werden soll. Diese Überlassung geschieht —entsprechend der grundsätzlichen Systematik von § 20 Abs. 2 EStG— im Wege einer Anschaffung und Veräußerung. Der Anleger stellt dem Emittenten in Gestalt des Entgelts für den Erwerb Kapital zur Verfügung und erhält dieses Kapital jedenfalls bei Endfälligkeit zurück, wobei das wirtschaftliche Entgelt für die Nutzungsüberlassung typischerweise —ggf. in unterschiedlichem Ausmaß— von einem ungewissen Ereignis, hier der Höhe des Referenzzinssatzes, abhängt. Anders als z.B. bei Indexzertifikaten, bei denen der Kursgewinn im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung der Parteien nicht von einem Nutzungsentgelt für die Kapitalüberlassung abgegrenzt werden kann (vgl. dazu Senatsurteil vom VIII R 79/03, zur Veröffentlichung bestimmt), sind bei Reverse Floatern Ertrags- und Vermögensebene klar zu unterscheiden. Vergleichbar festverzinslichen Papieren kommt es auch bei Reverse Floatern je nach Entwicklung des Kapitalmarktes zu Kursveränderungen. Wie bei „klassischen” festverzinslichen Papieren führt ein Zinsanstieg bei Reverse Floatern wegen des verminderten Zinsertrages durch den höheren in Abzug zu bringenden Referenzzinssatz ebenfalls zu einer Kursverminderung (Kursverlust), während ein Sinken des Marktzinses den jeweils entgegenstehenden Effekt (Kursgewinn) bewirkt. Eine etwaige Spekulation auf Kursgewinne unterscheidet sich bei beiden Arten von Papieren daher nicht, denn etwaige spekulativ gesinnte Anleger erhoffen sich im Zeitpunkt des Erwerbs für beide Papiere sinkende Zinsen.

Es bereitet auch keine Schwierigkeiten, das Nutzungsentgelt für die Kapitalüberlassung bei Reverse Floatern konkret und ohne größeren Aufwand zu ermitteln. Der jeweilige Festzinssatz als Grundlage des Zinsertrages ergibt sich ohne weiteres aus den jeweiligen Anleihebedingungen. Auch den Referenzzins, der zur Ermittlung des tatsächlich erzielten Zinsertrages vom vereinbarten Festzinssatz gemäß Anleihebedingungen abzuziehen ist, kann die Finanzverwaltung leicht und eindeutig ermitteln. Geht man deshalb davon aus, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c bzw. d EStG als sachgerechte gesetzliche Typisierung solcher Wertpapiere einzuordnen ist, bei denen —anders als bei Reverse Floatern— ihrer Ausgestaltung nach zwischen Nutzungsentgelt und Kursentwicklung nicht unterschieden wird und Ertrags- und Vermögensebene nicht klar und eindeutig abgrenzbar sind (vgl. dazu auch Senatsurteil vom VIII R 79/03, zur Veröffentlichung bestimmt), so können Reverse Floater nicht unter diese Norm gefasst werden. Vielmehr muss § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG im Wege teleologischer Reduktion bzw. verfassungskonformer Auslegung tatbestandlich dahin eingegrenzt werden, dass die Regelung auf solche Wertpapiere (hier: Reverse Floater) keine Anwendung findet, bei denen eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn für die Verwaltung ohne größeren Aufwand möglich ist. Der Umstand, dass die Neufassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das StÄndG 2001 eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Senatsurteile in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, und in BFH/NV 2001, 1555 beinhaltet, steht dem nicht entgegen. Denn zum einen ging es dem Gesetzgeber vornehmlich darum, den Bedenken des BFH hinsichtlich der Erfassung von Wechselkursänderungen, die auf die Vermögensebene entfallen, Rechnung zu tragen (vgl. BTDrucks 14/7341, S. 11). Zum anderen wollte der Gesetzgeber den Grundsatz der Differenzierung zwischen Vermögens- und Ertragsebene, der für die Besteuerung des Kapitalvermögens prägend ist, nicht völlig aufgeben, sondern lediglich dafür sorgen, „dass Vorteile, die unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrer zivilrechtlichen Gestaltung bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung erzielt werden, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören” (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59). Demgemäß sollten insbesondere solche neuen Kapitalanlageformen, bei denen an sich steuerpflichtige Zinserträge als steuerfreier Wertzuwachs konstruiert werden (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59), so umfassend wie möglich in die Besteuerung einbezogen werden. Reverse Floater zählen dazu —wie vorstehend ausgeführt— indes nicht. Demgemäß sind Kursgewinne aus der Veräußerung von Reverse Floatern nicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG steuerpflichtig.

c) Ob § 20 Abs. 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 eine sachlich gerechtfertigte Abweichung vom Binnensystem des § 20 EStG darstellt (vgl. Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, unter 3.a der Gründe), soweit mit der Erfassung von Kursdifferenzen auch Wertveränderungen des hingegebenen Kapitals ohne Nutzungsentgeltcharakter als Kapitalertrag gelten, ist für den Streitfall daher im Ergebnis nicht entscheidend (vgl. zu dieser Problematik aber Senatsurteil vom VIII R 79/03, zur Veröffentlichung bestimmt). Das gilt auch für die Frage, ob gegen die Anwendungsregelung des § 52 Abs. 37 b EStG, wonach die Neufassung der Norm für Wertpapiere ohne Emissionsrendite für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden ist, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind, wegen einer etwaigen unzulässigen Rückwirkung durchschlagende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen (vgl. Senatsurteil vom VIII R 79/03, zur Veröffentlichung bestimmt).

3. Die Revision der Kläger ist demnach begründet. Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.

Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 555
BB 2007 S. 426 Nr. 8
BB 2007 S. 480 Nr. 9
BFH/NV 2007 S. 563 Nr. 3
BStBl II 2007 S. 555 Nr. 12
DB 2007 S. 437 Nr. 8
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KÖSDI 2007 S. 15421 Nr. 2
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StuB-Bilanzreport Nr. 5/2007 S. 194
AAAAC-37184