Steuerpflicht des Grundstückserwerbs im Flächenerwerbsprogramm nach § 3 AusglLeistG
Leitsatz
Der Flächenerwerb im Rahmen des Flächenerwerbsprogramms nach § 3 AusglLeistG durch einen Käufer, dem land- oder forstwirtschaftliches Vermögen durch Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden ist, ist nicht grunderwerbsteuerfrei.
Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1AusglLeistG § 3AusglLeistG § 6 Abs. 2
Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 2 K 414/02 (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrages vom erwarb die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) von der X zum Gesamtkaufpreis von 451 624,07 € Grundbesitz im Umfang von rd. 538 ha. Der Grundbesitz bestand zu rd. 498 ha aus Waldflächen mit einem Anteil hiebsreifer Bestände von weniger als 10 v.H. Für diese war ein „durchschnittlicher ha-Preis” von 831,48 € angesetzt. In dem Vertrag heißt es, die Flächen seien nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) vom (BGBl I, 2624, 2628) begünstigt; der Vertragsabschluss erfolge in der Annahme, dass die Klägerin einen „Erwerbsanspruch nach den Bestimmungen des AusglLeistG” habe.
Ein Teil der erworbenen Flächen lag in drei verschiedenen Gemarkungen außerhalb des Amtsbezirks der ursprünglich zuständigen Steuerbehörde. Auf diese Flächen von zusammen rd. 112 ha entfiel nach dem durchschnittlichen ha-Preis ein anteiliger Kaufpreis von 93 611,18 €.
Mit Bescheid vom setzte die ursprünglich zuständige Steuerbehörde bei einer Bemessungsgrundlage von (451 624,07 € ./. 93 611,18 € =) 358 012 € Grunderwerbsteuer in Höhe von 12 530,23 € gegen die Klägerin fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend gemacht hatte, der Erwerbsvorgang sei gemäß § 11 des Gesetzes über die Übertragung des Eigentums und die Verpachtung volkseigener landwirtschaftlich genutzter Grundstücke an Genossenschaften, Genossenschaftsmitglieder und andere Bürger (EigentÜbertrG) vom (GBl DDR I, 899) grunderwerbsteuerfrei, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, der Erwerbsvorgang unterfalle nicht dem EigentÜbertrG, sondern dem AusglLeistG. Im Übrigen wäre er auch unabhängig von dem AusglLeistG nicht vom EigentÜbertrG erfasst worden.
Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 11 EigentÜbertrG sowie das Übersehen der Vorschriften des § 34 Abs. 3 des Vermögensgesetzes (VermG) in der im August 2001 geltenden Fassung und des § 16 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
§ 11 EigentÜbertrG enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken und sei auf den Streitfall unmittelbar anwendbar, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei dem Erwerbsvorgang um einen nach § 3 AusglLeistG begünstigten Flächenerwerb gehandelt habe. Sie, die Klägerin, gehöre zu den durch § 11 EigentÜbertrG begünstigten Personen, da die erworbenen Flächen vor „der Enteignung auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage originäres Eigentum ihrer Familie” gewesen seien. Das EigentÜbertrG sei erst 2002 aufgehoben worden.
Auch aus § 34 Abs. 3 VermG ergebe sich ein Anspruch auf Grunderwerbsteuerbefreiung. Dass § 6 Abs. 2 AusglLeistG, wonach für die Durchführung des AusglLeistG die Bestimmungen des VermG entsprechend gelten, in seiner Neufassung durch das Vermögensrechtsergänzungsgesetz (VermRErgG) vom (BGBl I, 1382) die Durchführung des den Flächenerwerb regelnden § 3 AusglLeistG ausdrücklich ausnimmt, ändere an der Anwendbarkeit des § 34 Abs. 3 VermG im Streitfall nichts. Denn auch der Anspruch auf einen Flächenerwerb nach § 3 AusglLeistG sei ein Ausgleichsanpruch i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG. Für letztere Vorschrift gelte aber nach wie vor die Verweisung in § 6 Abs. 2 AusglLeistG auf das VermG. Außerdem seien Erwerbsansprüche nach dem AusglLeistG denen nach dem VermG qualitativ gleichwertig, was die Anwendung der materiell-rechtlichen Befreiungsvorschrift des § 34 Abs. 3 VermG erfordere. Beide Ansprüche dienten einem Wiedergutmachungszweck. Unabhängig davon sei zu fragen, ob der Flächenerwerb nach § 3 AusglLeistG überhaupt einen Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG darstelle, da es sich dabei um einen „zwecks Wiedergutmachung erzwungenen Kauf” handele. Dadurch, dass § 6 Abs. 2 AusglLeistG den Flächenerwerb nach § 3 AusglLeistG nicht mehr einschließe, sei zumindest eine Gesetzeslücke entstanden, die analog § 16 Abs. 2 GrEStG durch Nichterhebung der Grunderwerbsteuer auszufüllen sei. Dies sei auch von Verfassungs wegen geboten. So habe einmal das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bezüglich des großen Unrechts, das die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage dargestellt hätten, verlangt, dieses im Rahmen des AusglLeistG wieder gut zu machen. Zum anderen sei eine Steuerbefreiung auch nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geboten, da der Erwerb volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ansonsten steuerbefreit sei, wie die Vorschriften der §§ 11 EigentÜbertrG, 34 Abs. 3 VermG, 67 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes sowie 2 Abs. 3 des Gesetzes über den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken (MauerG) vom (BGBl I, 980) zeigten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das nunmehr zuständige Finanzamt —FA—) beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er trägt vor, das EigentÜbertrG habe sich bereits vor seiner förmlichen Außerkraftsetzung mangels verbliebenen Anwendungsbereichs erledigt gehabt. § 16 Abs. 2 GrEStG sei nicht einschlägig, weil es an einem Rückerwerb fehle.
II.
Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Der Erwerbsvorgang vom ist steuerbar und nicht von der Grunderwerbsteuer befreit.
1. Die von der Klägerin erworbenen Grundstücke lagen bei Erlass des angefochtenen Steuerbescheids in den Bezirken verschiedener Steuerbehörden. Gleichwohl hat das damals zuständige FA A als die Behörde, in deren Bezirk das wertvollste Grundstück lag, bewusst von der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG abgesehen, ohne dass eine der Ausnahmen des Abs. 4 der Vorschrift gegeben war. Stattdessen hat es bezüglich der in seinem Bezirk gelegenen Grundstücke sofort die Grunderwerbsteuer festgesetzt. Bereits während des Klageverfahrens ist jedoch das als Revisionsbeklagter auftretende FA durch § 1 Nr. 1 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über zentrale Zuständigkeiten der Finanzbehörden in Sachsen-Anhalt vom (GVBl LSA, 121) für das gesamte Gebiet, in dem die erworbenen Grundstücke liegen, zuständig geworden. Damit ist die Rechtsgrundlage für eine gesonderte Feststellung nach § 17 GrEStG entfallen. Eine Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG ergäbe daher keinen Sinn.
2. Mit dem Kaufvertrag vom ist ein Anspruch auf Übereignung der streitbefangenen Grundstücke begründet worden. Damit ist der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Ein Rechtsträgerwechsel bezüglich dieser Grundstücke auf die Klägerin war möglich und nicht etwa deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil der Klägerin oder einem von ihr beerbten Rechtsvorgänger in der Vergangenheit das Eigentum an den nämlichen Grundstücken durch entschädigungslose Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden war. Abgesehen davon, dass das FG nicht festgestellt hat, ob und in welchem Umfang die Klägerin einst ihr oder einem Rechtsvorgänger gehörende Grundstücke zurückerworben hat —nach § 3 Abs. 5 Satz 4 und 5 AusglLeistG konnte der Flächenerwerb i.S. des § 3 dieses Gesetzes auch Grundstücke betreffen, die noch nie im Eigentum des Erwerbers oder einer von ihm beerbten Person standen (vgl. dazu Hauer in Fieberg/ Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Kommentar, Stand März 2006, § 3 AusglLeistG Anm. 138, 139)—, sind die genannten Enteignungen durch keinen Rechtsakt rückgängig gemacht, sondern im Gegenteil durch Art. 143 Abs. 3 GG i.d.F. des Art. 4 Nr. 5 des Einigungsvertrages bestätigt worden (, BVerfGE 84, 90, 117, 126).
3. Der Erwerbsvorgang ist auch steuerpflichtig. Er erfüllt keinen gesetzlichen Befreiungstatbestand.
a) Die Befreiungsvorschrift des § 11 EigentÜbertrG greift nicht ein, da der Kaufvertrag vom nicht der Durchführung dieses Gesetzes diente. Er diente vielmehr der Durchführung des AusglLeistG, und zwar dessen § 3. Dieses Gesetz regelt den Sonderbereich der staatlichen Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, und stellt mit der Art und Weise des vorgesehenen Ausgleichs eine Spezialkodifikation dar (vgl. Leiner in Fieberg/Reichenbach/ Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 6 AusglLeistG Anm. 31). Als solche ginge sie dem EigentÜbertrG, das die Verwertung volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EigentÜbertrG i.V.m. § 1 Abs. 6 des Treuhandgesetzes der DDR vom (GBl DDR I, 300) unter der breiten Zielsetzung regelt, ökonomischen, ökologischen, strukturellen und eigentumsrechtlichen Besonderheiten Rechnung zu tragen, selbst dann vor, wenn es als allgemeine „Basiskodifikation” anzusehen wäre.
Dieser Spezialnormcharakter des AusglLeistG ergibt sich nicht nur aus der geregelten Sondermaterie, sondern auch daraus, wie nach § 3 Abs. 7 AusglLeistG die Gegenleistung für den Flächenerwerb zu berechnen ist, und zwar sowohl für den Erwerb landwirtschaftlich genutzter Flächen als auch für den Erwerb von Waldflächen. In dieser im Vergleich zu den §§ 6 und 7 EigentÜbertrG bewusst niedrig gehaltenen Gegenleistung i.S. des § 3 Abs. 7 AusglLeistG liegt der eigentliche Ausgleich für das erlittene Enteignungsunrecht. Daran hat sich durch die Neufassung des § 3 Abs. 7 AusglLeistG aufgrund des VermRErgG nichts geändert.
Hinzu kommt, dass § 6 Abs. 2 AusglLeistG für die Durchführung des Gesetzes auf die Bestimmungen des VermG verweist. Damit bildet das VermG die „Basiskodifikation” zum AusglLeistG (so Leiner in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 6 AusglLeistG Anm. 31) und nicht das EigentÜbertrG. Soweit § 6 Abs. 2 AusglLeistG durch das VermRErgG dahin geändert worden ist, dass die Durchführung des Flächenerwerbs nach § 3 AusglLeistG von der Verweisung auf das VermG ausgenommen worden ist, ist dies nicht im Hinblick darauf geschehen, dass stattdessen auf das EigentÜbertrG zurückgegriffen werden soll oder kann. Die Herausnahme aus der Verweisung erfolgte vielmehr im Hinblick darauf, dass für die Durchführung des Flächenerwerbs nach § 3 AusglLeistG auf der Grundlage einer eigens dafür in § 4 Abs. 3 des Gesetzes enthaltenen Ermächtigung besondere Regelungen geschaffen worden sind, und zwar in Gestalt der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) vom . Das VermG, das AusglLeistG und die FlErwV bilden somit für Sachverhalte wie im Streitfall ein abgeschlossenes Regelwerk, das keinen Raum für einen Rückgriff auf das EigentÜbertrG lässt. Auf den Zeitpunkt des förmlichen Außerkrafttretens des EigentÜbertrG kommt es daher ebenso wenig an wie auf die Frage, ob dieses Gesetz bei seinem förmlichen Außerkrafttreten noch an anderer Stelle einen Anwendungsbereich hatte oder nicht.
b) Die Befreiungsvorschrift des § 34 Abs. 3 VermG ist ebenfalls nicht einschlägig. § 6 Abs. 2 AusglLeistG ordnete ursprünglich an, dass für die Durchführung des AusglLeistG die Bestimmungen des VermG entsprechend gelten. Das VermG sieht in § 34 Abs. 3 eine Grunderwerbsteuerbefreiung für Grundstückserwerbe nach dem VermG vor. Ob die Verweisung des § 6 Abs. 2 AusglLeistG in seiner ursprünglichen Fassung auf das VermG für die Fälle eines Flächenerwerbs i.S. des § 3 AusglLeistG eine Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 VermG bewirkt hat, ist allerdings zweifelhaft. Die Steuerbefreiung wird nach dieser Vorschrift nämlich nur solchen Personen gewährt, die von Maßnahmen nach § 1 VermG betroffen sind. Nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG gilt aber das VermG vorbehaltlich seiner Bestimmungen über Zuständigkeit und Verfahren nicht für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. Daraus könnte zu folgern sein, dass die Erwerber von Flächen aus dem Flächenerwerbsprogramm nach § 3 AusglLeistG, die Opfer derartiger Enteignungen waren, auch nicht über den Umweg des § 6 Abs. 2 AusglLeistG in den Genuss des § 34 Abs. 3 VermG gelangen sollten.
Dies kann aber letztlich dahinstehen, weil die Verweisungsnorm des § 6 Abs. 2 AusglLeistG durch Art. 3 Nr. 4 Buchst. a VermRErgG dergestalt geändert worden ist, dass die Durchführung des Flächenerwerbs nach § 3 AusglLeistG von der Verweisung ausgenommen worden ist. Nach der Neufassung des § 6 Abs. 2 AusglLeistG, die für den Streitfall maßgeblich ist, scheidet jedenfalls die Anwendung des § 34 Abs. 3 VermG zugunsten der Erwerber i.S. des § 3 AusglLeistG aus. Der Verordnungsgeber hat auch schon vor dieser Gesetzesänderung angenommen, der Erwerb im Flächenerwerbsprogramm nach § 3 AusglLeistG sei grunderwerbsteuerpflichtig. Denn § 11 Satz 4 FlErwV schrieb schon immer vor, der Erwerber solle zur Übernahme der Erwerbskosten, insbesondere auch der Grunderwerbsteuer, verpflichtet werden. Von dieser Annahme geht auch die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des VermRErgG aus, wonach die Änderung des § 6 Abs. 2 AusglLeistG der Klarstellung diene, dass das VermG für die Durchführung des § 3 und der aufgrund von § 4 Abs. 3 AusglLeistG ergangenen Rechtsverordnung —also der FlErwV— nicht gelten solle (BTDrucks 14/1932, S. 17).
Die Herausnahme des Flächenerwerbs aus der Verweisungsvorschrift des § 6 Abs. 2 AusglLeistG wird entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht dadurch bedeutungslos, dass der Klägerin ein Anspruch auf Flächenerwerb zugestanden hätte, dieser ein Ausgleichsanspruch i.S. des § 1 AusglLeistG sei und diese Norm nach wie vor von der Verweisung in § 6 Abs. 2 AusglLeistG erfasst werde. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil das Flächenerwerbsprogramm des § 3 AusglLeistG nur eine Erwerbsmöglichkeit vorsieht, aber keinen den Rechten aus § 1 und § 2 des Gesetzes vergleichbaren Rechtsanspruch auf Ausgleich in Land gewährt (vgl. Hauer in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt, Neuhaus, a.a.O., § 3 AusglLeistG Anm. 138). Der Schaffung eines solchen Anspruchs stand von vornherein die beschränkte Verfügbarkeit der dafür erforderlichen Flächen entgegen.
c) Eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG kommt im Streitfall nicht in Betracht. Beides würde zunächst voraussetzen, dass die streitbefangenen Grundstücke flächenmäßig zu dem Grundbesitz gehörten, der der Klägerin auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden ist. Auf diese Nämlichkeit der Flächen könnte auch bei einer analogen Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG nicht verzichtet werden, da sie ein Kernelement der Vorschrift bildet, das nicht hinweggedacht werden kann. Ob dieses Nämlichkeitserfordernis im Streitfall bezüglich der erworbenen Grundstücke voll umfänglich oder zumindest teilweise erfüllt wäre, ist vom FG nicht festgestellt worden. Unterstellt, es wäre erfüllt, fehlte es vorliegend bezüglich der Nr. 1 der Vorschrift an der Wahrung der Zweijahresfrist. Auch bei diesem zeitlichen Erfordernis handelt es sich um ein wesentliches Tatbestandsmerkmal der Norm, das auch bei einer analogen Anwendung erfüllt sein müsste. Bezüglich der Nr. 2 der Vorschrift stünde von vornherein die Rechtswirksamkeit der —wenn auch unrechtmäßigen— Enteignung einer sei es auch analogen Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG entgegen. Bezüglich der Nr. 3 fehlte es für eine (analoge) Anwendung an einem anspruchsbegründenden Rechtsgeschäft, dessen Vertragsbestimmungen nicht erfüllt sein könnten.
4. Ob die verschiedenen Regelungen über eine Grunderwerbsteuerbefreiung für den Eigentumserwerb im Zuge der Neuordnung und Privatisierung des Grund und Bodens in den neuen Bundesländern —z.B. die von der Klägerin angeführten Vorschriften des § 11 EigentÜbertrG, des § 34 Abs. 3 VermG, des § 2 Abs. 3 MauerG oder des § 67 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes— einen gemeinsamen Grundgedanken enthalten, kann auf sich beruhen. Sollte dem so sein, ließe dies jedenfalls nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe mit der Herausnahme des Flächenerwerbs gemäß § 3 AusglLeistG aus der Verweisung des § 6 Abs. 2 AusglLeistG auf § 34 Abs. 3 VermG unbemerkt eine Lücke aufgerissen, die unter Heranziehung eines derartigen Grundgedankens zu schließen sei.
a) Ein derartiger Grundgedanke wäre wegen der Besonderheiten des Flächenerwerbs gemäß § 3 AusglLeistG nicht auf die dabei verwirklichten Erwerbsvorgänge übertragbar. Bei Erlass des VermRErgG, mit dem die Verweisungsregelung in § 6 Abs. 2 AusglLeistG geändert wurde, ging der Gesetzgeber davon aus, dass das Flächenerwerbsprogramm des § 3 AusglLeistG unter Beihilfegesichtspunkten von europarechtlicher Relevanz ist. Die EU-Kommission hatte mit Entscheidung vom (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— vom L 107/21) Teile des Flächenerwerbsprogramms wegen der verbilligten Grundstücksveräußerung aus beihilferechtlichen Gründen beanstandet (dazu Ludden in Zeitschrift für Immobilienrecht 2001, 248). Die Bundesregierung nahm dies hin, um längere zeitliche Verzögerungen bei der Privatisierung der Land- und Forstwirtschaft zu vermeiden.
b) Die Beanstandungen der Kommission betrafen zwar weder die eigentlichen Wiedergutmachungsfälle noch die Erwerber forstwirtschaftlicher Flächen, sondern vornehmlich die sog. Neueinrichter i.S. des § 3 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG und auch diese nur insoweit, als ihnen der verbilligte Erwerb landwirtschaftlicher Flächen ermöglicht wurde. Der verbilligte Erwerb forstwirtschaftlicher Flächen blieb ausdrücklich unbeanstandet. Der Gesetzgeber hatte aber nachvollziehbare Gründe, innerhalb des Flächenerwerbsprogramms des § 3 AusglLeistG hinsichtlich der Grunderwerbsteuer keine Differenzierung vorzusehen.
aa) Was den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen durch Neueinrichter anbelangt, hatte die Kommission das Überschreiten der sog. Intensitätshöchstgrenze bemängelt. Gemäß Art. 92 Abs. 3 Buchst. c des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft —EGV— (jetzt Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG) können staatliche Beihilfen zur Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete genehmigt werden, die die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwider läuft. Dabei ist insbesondere an Beihilfen zur Beseitigung struktureller Schwächen gedacht. Bei Inkrafttreten des AusglLeistG war es der Kommission gemäß Art. 35 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2328/91 des Rates vom zur Verbesserung der Effizienz der Agrarstruktur (ABlEG vom L 218/1) grundsätzlich möglich, Beihilfen zum Kauf von landwirtschaftlichen Flächen als Investitionsbeihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen und zu genehmigen, wenn die Beihilfeintensität 35 v.H. (bzw. 75 v.H. in benachteiligten Gebieten) nicht überschritt (vgl. Entscheidung der Kommission vom , a.a.O., L 107/43).
bb) Dies veranlasste den Gesetzgeber, den § 3 Abs. 7 AusglLeistG, der im Rahmen des Flächenerwerbsprogramms die Ermittlung des Kaufpreises regelt, durch Art. 3 Nr. 1 Buchst. e aa VermRErgG dergestalt zu ändern, dass der Kaufpreis für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen nicht mehr —wie bisher— nach dem Dreifachen des Einheitswerts der jeweiligen Flächen nach den Wertverhältnissen vom zu berechnen ist, sondern nach dem Verkehrswert abzüglich eines Ausgleichs von 35 v.H. Diese neue Kaufpreisberechnung sollte nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem VermRErgG vom (BTDrucks 14/1932, S. 15) gewährleisten, „dass beim Verkauf landwirtschaftlicher Flächen die Grenzen zulässiger Beihilfeintensität in allen Fällen eingehalten werden”.
cc) Dieses Bestreben des Gesetzgebers, das beihilferechtlich Mögliche auszuschöpfen, aber die Intensitätshöchstgrenze nicht zu überschreiten, stand der zusätzlichen Gewährung einer Grunderwerbsteuerbefreiung entgegen, da eine solche Steuervergünstigung eine zusätzliche Beihilfe dargestellt hätte. Der Begriff der Beihilfe i.S. des Art. 92 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 87 Abs. 1 EG) umfasst nämlich nicht nur positive Leistungen wie Subventionen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastung vermindern, die ein Unternehmer normalerweise zu tragen hat, und die einer Subvention nach Art und Weise gleichstehen. Dazu gehören auch Abgabenbefreiungen, die den Begünstigten besserstellen als die übrigen Abgabenpflichtigen (so Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom C-6/97, Slg. I-1999, 2981).
dd) Demnach kann zunächst für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen durch Neueinrichter nicht angenommen werden, das AusglLeistG enthalte mit seinem Ausschluss des Flächenerwerbs von der Verweisung auf das VermG hinsichtlich der Grunderwerbsteuer eine Lücke, die durch analoge Anwendung eines anderen Befreiungsvorschriften zugrunde liegenden Rechtsgedankens zu schließen wäre. Darüber hinaus verbietet sich aber die Annahme einer derartigen Lücke auch für den Erwerb derartiger Flächen durch Wiedereinrichter und solche Personen, denen land- und forstwirtschaftliches Vermögen durch Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden ist und die nicht zu den Neu- oder Wiedereinrichtern gehören. Der Gesetzgeber sah sich nämlich genötigt, diese verschiedenen Erwerbsgruppen auch für Grunderwerbsteuerzwecke gleich zu behandeln.
Ungeachtet der grundsätzlich auf Wiedergutmachung gerichteten Zielrichtung des AusglLeistG werden in dessen § 3 (Flächenerwerb) zwei unterschiedliche Regelungsbereiche zusammengefasst, nämlich neben einem Wiedergutmachungsprogramm für Alteigentümer ein eigenständiges Förderprogramm zum Aufbau der Land- und Forstwirtschaft in den neuen Bundesländern (vgl. , BVerfGE 94, 334, 349). Letzteres war ein besonderes Anliegen der neuen Bundesländer, die dabei vornehmlich den Flächenerwerb durch selbstwirtschaftende Pächter im Auge hatten und eine Bevorzugung der Bodenreformopfer ablehnten (vgl. dazu Hauer in Fieberg/ Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 3 AusglLeistG Anm. 24, sowie das Petitum des Landes Brandenburg, über das das , BVerfGE 94, 297 zu entscheiden hatte). Bei dieser Ausgangslage war es vertretbar, sämtliche Erwerbsfälle gleichermaßen der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, obwohl nur bei einem Teil eine europarechtliche Notwendigkeit dazu bestand. Dies verstößt nicht gegen das Willkürverbot, zumal dem Gesetzgeber auf dem Gebiet der Wiedergutmachung auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG ein besonders weites Beurteilungsermessen zukommt (so , 1120, 1408, 2460, 2471/95, BVerfGE 102, 254, 299).
ee) Auch von einer weiteren Differenzierung der Grunderwerbsteuerpflicht danach, ob der Erwerb landwirtschaftliche Flächen in benachteiligten Gebieten betraf oder nicht und ob der Erwerb landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Flächen betraf, durfte im Interesse einer einheitlichen Regelung für alle Erwerbsfälle abgesehen werden (dazu Hauer in Fieberg/ Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 3 AusglLeistG Anm. 149), zumal die Kommission darauf hingewiesen hatte, dass die großzügigere Behandlung forstwirtschaftlicher Maßnahmen „möglicherweise bald geändert” werde (vgl. dazu Entscheidung der Kommission vom , a.a.O., L 107/43).
ff) Schließlich ist auch ohne Bedeutung, dass die beihilferechtliche Intensitätshöchstgrenze für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen in nicht benachteiligten Gebieten ab auf 40 v.H. angehoben und für einen derartigen Erwerb in benachteiligten Gebieten auf 50 v.H. abgesenkt worden ist (Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen, ABlEG vom L 160/80). Diese Veränderung der Intensitätshöchstgrenze war zwar noch vor dem Flächenerwerb der Klägerin eingetreten, hat aber keinen Eingang in das laufende Gesetzgebungsverfahren für das VermRErgG gefunden und ist für die Frage einer Gesetzeslücke bezüglich der Grunderwerbsteuer ohne Bedeutung. Sie hätte allenfalls dazu führen können, beim Erwerb landwirtschaftlicher Flächen einen Abschlag vom Verkehrswert in Höhe von 40 v.H. vorzusehen. Eine derartige Anpassung an den Höchstsatz von 40 v.H. hätte aber unterschiedliche Abschläge beim Erwerb landwirtschaftlicher Flächen während der Laufzeit des Flächenerwerbsprogramms nach § 3 AusglLeistG bedeutet, nämlich einen Abschlag von 35 v.H. bis Ende 2000 —bzw. in der Zeit vor dem , dem Tag des aufgrund der Kommissions-Entscheidung veranlassten Verkaufsstopps— und einen Abschlag von 40 v.H. ab Anfang 2001. Ein derartiger Unterschied in der Preisbildung wäre aber den Alterwerbern, die ihre Flächen vor 2001 erworben haben und die infolge der Kommissions-Entscheidung vom (a.a.O.) gemäß § 3a Abs. 1 und 2 AusglLeistG i.d.F. des VermRErgG Nachzahlungen leisten mussten, wenn sie an ihren Kaufverträgen festhalten wollten, nicht zu vermitteln gewesen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 324
BB 2007 S. 427 Nr. 8
BFH/NV 2007 S. 606 Nr. 3
BStBl II 2007 S. 324 Nr. 7
DB 2007 S. 446 Nr. 8
DStRE 2007 S. 717 Nr. 11
DStZ 2007 S. 230 Nr. 8
HFR 2007 S. 361 Nr. 4
INF 2007 S. 207 Nr. 6
KÖSDI 2007 S. 15474 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 7/2007 S. 512
StB 2007 S. 84 Nr. 3
StBW 2007 S. 8 Nr. 4
StuB-Bilanzreport Nr. 11/2007 S. 438
UVR 2007 S. 113 Nr. 4
LAAAC-37176